Gustav Adolph von Schweden - Teil 2
Dieser schwere Sieg, den Gustav über sich selbst errang, war nicht das Werk weniger Wochen. Es kostete ihm Jahre lange Kämpfe, ehe er es über sich erlangen konnte, den süßen Traum seiner Jugend aufzugeben, aber seine einfache Sittenlehre, die ihm keine erlaubte Freuden verwehrte, hatte ihn auch Ergebung in den Willen der Vorsehung gelehrt. Sie bot ihm keinen Ablaß für strafbare Wünsche oder versäumte Pflichten. In der Erfüllung seines großen Berufs und in der unermüdetsten
[308] Thätigkeit fand er die mächtigen Hülfsmittel, sich gegen die verführerische Stimme seines eignen Herzens zu bewahren. Er widmete die ersten Jahre hauptsächlich der Verbesserung seines durch innre Unruhen und fremde Einfälle zerrütteten Landes. Städte wuchsen unter seinen schöpferischen Händen auf. Er selbst entwarf den Plan von Gotheborg, er wachte über die Ausführung und verschafte dadurch zuerst seiner Nation den großen Vortheil, einen sichern Hafen an der Nordsee zu besitzen. Die Vestungswerke anderer Plätze wurden unter seinen Augen erweitert, und besonders waren Ausbreitung des Schwedischen Handels und eine verbesserte Gerechtigkeitspflege die beyden großen Zwecke, denen er seine ganze Aufmerksamkeit widmete.
Er schloß mit den Holländern und den Hanseestädten vortheilhafte Verträge, und schafte durch nützliche Einrichtungen eine Menge Mißbräuche ab, die sich bey dem Münzwesen, den Zöllen und der Erhebung der Einkünfte eingeschlichen hatten. Die [309] Justiz wurde unter seiner Regierung auf einen bessern Fuß gesetzt, und er stiftete ein neues Tribunal zu Stockholm, welches über das Verfahren der untern Gerichtshöfe zu wachen angewiesen war. Durch sein eignes Beyspiel, indem er sich selbst zuerst den Gesetzen unterwarf und die Richter ehrte, suchte er die genauste Ausübung der Gerechtigkeit zu sichern. Er war oft bey den Aussprüchen gegenwärtig, und munterte die Magistrate zu der strengsten Gewissenhaftigkeit auf. Einst, da eben ein Prozeß über ein streitiges Kammerguth zwischen ihm und einem Edelmann entschieden werden sollte, erschien er selbst in der Versammlung um sein Urtheil zu hören. Die Richter wollten aus Ehrfurcht aufstehen, aber er erinnerte sie, daß sie an des Königs Stelle säßen, und daß Er als Partey hier erschiene. Die Sache wurde untersucht, und die Entscheidung fiel zum Vortheil des Edelmanns aus. Gustav sagte nichts, er verlangte blos die Akten zu sehen, und da er sich von der Billigkeit des Ausspruchs überzeugt hatte, [310] unterwarf er sich dem Urtheil und lobte die Unpartheylichkeit der Richter.
Die auswärtigen Angelegenheiten wurden bey diesen wichtigen Beschäftigungen des Friedens nicht vernachläßigt. Der König schickte seinen Bruder Karl Philipp mit einer ansehnlichen Verstärkung nach Wiburg, um von dem Thron, den die Rußen ihm anboten, Besitz zu nehmen. Das Volk in Moskau aber hatte, mit den Kosaken verbunden, unterdessen den jungen Michael Romanow zum Großfürsten erwählt. Ein Theil des Adels und die Provinz Novogrod blieben auf der Seite der Schwedischen Provinzen, und es waren Feindseligkeiten vorgefallen, welche den König zwangen, sich mit den Waffen Genugthuung zu verschaffen. Dieses konnte nicht mit Nachdruck geschehen, so lange der Krieg mit Pohlen fortdauerte. Gustav Adolph wählte daher den Weg einer Unterhandlung, in der der Kanzler Oxenstierna anfieng, die großen Talente in der Staatskunst zu zeigen, durch die er nachher die [311] Waffen seines Königs so glücklich unterstützte. Durch das verworrne Interesse der drey Nationen, weil Pohlen und Schweden zugleich gegen Rußland, und Rußland und Pohlen gegen Schweden fochten, wurde diese ganze Verhandlung eben so schwer, als die zweydeutigen Absichten Dänemarks sie nothwendig machten. Auf der andern Seite schien die gegenwärtige Verfassung von Pohlen, das durch innre Unruhen und durch Einfälle der Türken und Tartarn zerrüttet war, eine günstige Gelegenheit zu größern Eroberungen zu bieten. Gustav aber zog eine weise politische Mäßigung vor, und schloß mit Sigismund einen zweyjährigen Stillstand, wodurch er freye Hand bekam, jetzt seine ganze Macht gegen Rußland zu wenden.
Er gieng nun nach Finnland über, und drang an der Spitze seiner Truppen durch Ingermannland tief in die Rußischen Provinzen ein. Dieser Feldzug wurde für ihn die Schule der Kriegskunst, die er hier an der Seite des erfahrnen Generals la Gardie [312] studirte. Aber wie schnell übertraf nicht der Lehrling den Meister! Gustav kannte die Vortheile der strengen Disziplin, und er überzeugte sich noch mehr davon, indem er gegen zügellose Schwärme von Barbaren focht. Er bemühte sich von dieser Zeit an, jene vortrefliche Mannszucht in seinen Heeren einzuführen, wodurch in der Folge seine Schweden alle ihre Zeitgenossen so weit übertrafen. Indem er nicht nur die Gefahren, sondern auch alle Beschwerden des Feldzugs mit seinen Soldaten theilte, und durch sein eignes Beyspiel ihnen ein trefliches Muster der Mäßigung und der Menschlichkeit gab, ahndete er auch strenge jede Ausschweifung und Gewaltthätigkeit an den Offizieren so gut als an dem geringsten seiner Krieger.
Er widmete die Muße des Winters der Provinz Finnland, wo er sich mit nützlichen Einrichtungen beschäftigte, und endigte einen Krieg, zu dem ihn der Trotz eines nicht genug gedemüthigten Feindes gezwungen hatte, durch einen rühmlichen [313] und vortheilhaften Frieden, der sein Reich durch ansehnliche Provinzen vergrößerte, und die Grenze desselben vor den räuberischen Anfällen ungezähmter Barbaren sicherte.
Während Gustav Adolph auf der Bahn des Ruhms sich neue Kränze flocht, errang das edelmüthige Mädchen, das noch immer seine Zärtlichkeit besaß, auf dem dornenvollen Pfade des Entsagens einen minder glänzenden aber eben so schönen Sieg. In der Einsamkeit ihres väterlichen Landgutes trauerte die Gräfinn Brahe, nicht mehr über die Trennung von ihrem Geliebten, sondern über seinen Verlust. Der Hoffnung rosenfarbner Schleyer war von ihren Augen weg gezogen, er täuschte ihre Blicke nicht mehr mit dem sanften Schimmer, worin er ihr einst die ferne Zukunft gezeigt hatte. Sie sah in ihrer Liebe nicht mehr die Quelle unerschöpflicher Glückseligkeit für einen zärtlichen Gemahl; sie sah in ihr jetzt nur das Hinderniß, das Gustavs Seele in ihrem Heldenfluge [314] hemmen würde. Von dem Augenblick an, wo sie sich überzeugt hatte, daß Liebe allein diese Seele nicht ausfüllen könnte, war es auch bey ihr entschieden gewesen, sich selbst der Größe ihres Geliebten zum Opfer zu bringen. Zu edel, durch einen prunkvollen Abschied ihm seinen eignen Sieg erschweren zu wollen, begnügte sie sich, ihn von jeder Verbindlichkeit los zu sprechen, und zog sich vom Hofe zurück, um in der Abgeschiedenheit und dem Bewußtseyn ihrer Größe, Trost für ihr krankes Herz zu suchen. Die Zeit, die jeden Kummer mildert, gab auch ihr nach und nach die Kraft wieder, ruhiger auf die zerstörten Hoffnungen ihrer ersten Jugend zurück zu sehen, aber die Welt hatte nichts mehr ihr anzubieten, das sie für ihren großen Verlust hätte entschädigen können. Gustavs Entfernung, der auf seiner kriegerischen Laufbahn schnell wieder seinem Vaterlande entrissen wurde, ersparte ihr ein schmerzhaftes Wiedersehn, aber wohin konnte sie vor dem Andenken des Helden entfliehen, dessen [315] Ruhm auf allen Zungen schwebte? Welche Wendung auch ihr äußeres Schicksal in der Folge nahm, so läßt es sich doch nicht denken, daß ein Herz, in dem der erste Mann seines Jahrhunderts gethront hatte, noch für einen andern zärtlicher Gefühle sollte fähig gewesen seyn.
Gustav fand die Gräfin nicht wieder, da er nach Stockholm zurück kehrte; und es war ein Glück für ihn, denn bey dem Wiedersehn der Orte, die die Zeugen seiner Liebe gewesen waren, fühlte er den besten Theil seiner Stärke dahin schwinden. Aber er ermannte sich schnell wieder, und suchte in der Erfüllung seines großen Berufs, der ihn für das Glück von Millionen bestimmt hatte, Ersatz für Freuden, die nur eine Einzige mit ihm theilen konnte.
Die unausgesetzten Bemühungen König Sigismunds von Pohlen, Gustavs Entwürfe während des Waffenstillstandes zu hindern, und sogar in Schweden selbst Empörungen [316] gegen ihn zu erregen, machten es wahrscheinlich, daß der Krieg auf dieser Seite bald wieder ausbrechen würde. Die Versammlung der Stände billigte die Maasregeln des Königs; ehe er aber zu neuen Unternehmungen schritt, beschloß er, sich mit den gewöhnlichen Feyerlichkeiten krönen zu lassen. Dieses geschah auch am 12. Oktober des Jahrs 1617, in Gegenwart aller Reichsstände, die unter dem freudigen Zuruf eines unzählbaren Volks ihrem drey und zwanzigjährigen Monarchen den Eid der Treue leisteten. Die Nation äußerte bey dieser Gelegenheit den Wunsch, daß er nun bald darauf denken möchte, durch eine Vermählung ihr die Aussicht auf eine ununterbrochne Thronfolge und künftige ruhige Zeiten zu sichern. Gustav fühlte selbst die Nothwendigkeit dieses Schrittes, aber noch war das Andenken an seine erste Liebe bey ihm zu neu, als daß er sich schon jetzt zu einer andern Wahl hätte entschließen können. Er versprach den Repräsentanten des Volks, auch in diesem Fall sich nach ihren Wünschen [317] zu fügen, sobald die Beendigung des bevorstehenden Krieges mit Pohlen ihm dazu Muße lassen würde, und freute sich in seinem Herzen, einen so guten Vorwand zu haben, um eine Handlung aufzuschieben, die ihn auf ewig und unwiederbringlich von der Gräfinn Brahe trennen mußte.
Er richtete jetzt seine ganze Aufmerksamkeit auf die Vorbereitungen zu dem nahen Feldzuge. Seine Zurüstungen waren außerordentlich, und die Nation, deren Enthusiasmus überall den Befehlen ihres geliebten Monarchen noch zuvor kam, unterstützte ihn mit der Anstrengung ihrer äußersten Kräfte. Noch nie hatte Schweden schönere Truppen, als die, welche der junge König selbst unermüdet in allen Uebungen des Krieges unterrichtete, noch nie eine so starke Flotte gesehn, als die, welche er jetzt in den Häfen bauen und ausrüsten ließ.
Mitten unter diesen wichtigen Beschäftigungen vergaß Gustav auch die andern [318] Zwecke seiner Regierung nicht. Er fuhr fort, für die Verbesserung des Handels und Ackerbaues zu sorgen, und bemühte sich zugleich durch thätige Unterstützung die Wissenschaften in seinem Lande aufzumuntern. Er stiftete die berühmte Bibliothek zu Upsal, und schenkte dieser Universität einen Theil seiner Familiengüter, um sie in den Stand zu setzen, mehrere Professoren zu besolden, und auch armen Studenten, denen es an Mitteln fehlte ihre Neigung zur Gelehrsamkeit zu befriedigen, den nöthigen Unterhalt zu reichen.
Sigismund, der noch immer nicht sicher vor den Anfällen der Türken war, und zugleich in der Person des Fürsten von Siebenbürgen sich einen neuen Feind zugezogen hatte, suchte Schweden durch Verlängerung des Stillstandes immer in der Unthätigkeit zu erhalten, ohne deswegen sich zu einem dauerhaften Frieden bequemen zu wollen. Der König von Schweden, der mit seinen Zurüstungen fertig [319] war, drang daher jetzt, indem er Sigismunden die Wahl zwischen Krieg und Frieden ließ, auf eine entscheidende Antwort. Er sicherte zu gleicher Zeit die Grenzen seines Reichs, bemächtigte sich der Vestung Dunamünde, welche ihm den Weg nach Riga öffnete, und zog den Herzog von Kurland in sein Interesse. Sigismund bemühte sich, die Eifersucht Dänemarks zu erregen, und Christian IV schien auch nicht ungeneigt, durch einen Einfall in ihr eignes Land, den Fortgang der Schweden in Liefland zu hemmen. Gustavs Staatskunst ließ sich nie zu den kleinen Mitteln herab, welche das Beyspiel des Spanischen Kabinets in den öffentlichen Verhandlungen der Europäischen Mächte eingeführt hatte. Er wußte sein politisches Uebergewicht durch jenes offne Verfahren zu erhalten, welches Zutrauen erweckt, indem es keinen Argwohn zeigt; und durch dieses Betragen und die Pünktlichkeit womit er dem geschloßnen Vertrage auch zu einer Zeit nachkam, wo Dänemarks zweydeutige Aeußerungen [320] ihn von seinen Verbindlichkeiten los zu sprechen schienen, erhielt er auch jetzt den Frieden mit Christian IV. Er zahlte den Dänen den Rest der in dem letzten Vergleich festgesetzten Summen aus, und willigte in eine Verlängerung des Stillstandes mit Sigismunden, der jetzt nicht in der Verfassung war, sich den Schwedischen Waffen zu widersetzen.
Durch diese Uneigennützigkeit überzeugte Gustav den König von Dänemark, daß nicht bloße Eroberungssucht seine Schritte leite. Christian hörte nun auf, für sich etwas von ihm zu befürchten, und fieng an einzusehen, daß die Einigkeit beyder Reiche die sicherste Schutzwehr des Nordens sey. In diesen Gesinnungen nahm er mit Freuden den Vorschlag einer Zusammenkunft an, welche auch im Anfang des Jahres 1619 an den Grenzen von Schonen vor sich gieng. Die beiden Könige, die einander persönlich schätzten, hatten hier verschiedne geheime Unterredungen mit einander, deren wohlthätige Folge ein [321] langer Frieden zwischen Schweden und Dänemark war.
Während desselben ließ er neue Völker in Deutschland und Holland werben, und seine Truppen in der veränderten Taktik üben, welche Gustav zuerst in Europa einführte; auch entschloß er sich jetzt endlich die Wünsche seiner Unterthanen durch die Wahl einer Gemahlin zu erfüllen. Die Lage des Reichs, die es den Anfällen ehrgeitziger Nachbarn aussetzte, und die nie aufgegebenen Ansprüche Sigismunds und seines Sohns, drohten den Schweden die fürchterlichsten Zerrüttungen, wenn die regierende Linie des königlichen Stammes erlöschen sollte; auch zitterten sie bey den Gefahren des Krieges, denen sich ihr junger Monarch aussetzte, ohne einen Erben seiner Krone in Stockholm zurück zu lassen. Die Verbindung mit einem auswärtigen Fürstenhause mußte sein Ansehn bey den fremden Nationen vermehren. Schon vor mehreren Jahren hatte die Königinn Mutter sich um die Hand der Tochter Jakobs [322] des ersten von England für ihren Sohn beworben, aber diese Prinzessinn war damals schon an den Churfürsten Friedrich V von der Pfalz versagt. Gustav Adolphs Schicksal, das ihn zu großen Thaten rief, trennte ihn von einem liebenden Mädchen, welches sein Herz, auf das die ganze Welt Ansprüche hatte, ungetheilt würde beseßen haben. Aber er sollte der Verfechter der Freiheit werden, und nicht den Erdkreis in Feßeln schlagen, deswegen hinderte die Vorsehung eine Verbindung, die vielleicht seine Ruhmbegier angespornt hätte, die Schranken der Mäßigung zu verachten. Der Geist der ehrgeizigen, männlich kühnen Elisabeth von England war fähig dem Heldenschwung Gustavs zu folgen, aber wohin würde sie ihn gerißen haben, wenn er ihren stolzen Forderungen Gehör gegeben hätte!
Gustav hatte sich aus Gefühl seiner Pflicht zu einer Vermählung entschlossen; bey der Wahl der künftigen Königinn überließ er sich ganz der Leitung seiner Mutter [323] und seiner getreuen Räthe. Sein eignes Herz schwieg bey diesem wichtigen Geschäft; er hatte alle seine Ansprüche auf das Glück der Liebe aufgegeben, als er sich gewaltsam von der Gräfinn Brahe losriß. Aber wenn er selbst mit Gleichgültigkeit an seine künftige Verbindung dachte, so war die Königinn Mutter desto besorgter, eine Prinzeßinn für ihn auszusuchen, die, indem ihre Geburth die politischen Absichten erfüllte, welche der König von Schweden bey seiner Vermählung haben mußte, auch zugleich durch ihre persönlichen Vorzüge würdig wäre, Gustav Adolphs Thron zu theilen und auf seine zärtlichste Freundschaft Anspruch zu machen.
Aus der Lage des östlichen Preußens und der übrigen Brandenburgischen Staaten an der Grenze von Pohlen ließen sich durch eine nähere Verbindung mit diesem Hause manche Vortheile für Schweden erwarten, und die Schönheit und der sanfte Charakter der zweyten Schwester des Churfürsten Georg Wilhelms bestimmte Christinens [324] Wahl. Gustav schien den Bitten seiner Mutter Gehör geben zu wollen, dennoch wurde es ihm noch immer sehr schwer, sich mit dem Gedanken vertraut zu machen, daß er jetzt eine unersteigliche Scheidewand zwischen sich und seiner Geliebten aufrichten sollte. Birkholt, sein Agent am Berlinischen Hofe, hatte ihm ein Gemählde von der Prinzessinn Marie Eleonore geschickt, welches die reizende Schilderung, die er von ihr machte, bestätigen sollte. Gustav ließ der Schönheit dieses Bildes Gerechtigkeit wiederfahren, aber sein Herz blieb ungerührt dabey. So lange er seine Verbindung noch als entfernt angesehen hatte, ließ er seiner Mutter freye Hand, für ihn zu wählen; jetzt, da man ihm einen bestimmten Gegenstand zeigte, erwachten noch einmal alle die schlafenden Rückerinnerungen an seine erste Liebe. Man hat zwey Briefe von ihm an Birkholt, worin er ihm befiehlt, die Angelegenheiten seiner Vermählung nicht zu schnell zu betreiben, sondern vielmehr auch ohne diese Verbindung an der Errichtung [325] einer aufrichtigen Freundschaft zwischen dem Schwedischen und dem Brandenburgischen Hofe, die ihm wegen seines Verhältnisses mit Pohlen sehr wichtig wäre, zu arbeiten.
Die Königinn Mutter und der Kanzler Oxenstierna ließen sich durch diesen Rückfall nicht abschrecken; sie verdoppelten im Gegentheil ihre Bemühungen, das wankende Gemüth des Königs zu einem festen Entschluß zu bewegen. Es gelang ihnen endlich, ihn so weit zu bringen, daß er versprach, die Prinzessinn von Brandenburg zu sehen. Er reisete zu dem Ende im August 1619 in aller Stille nach Deutschland, ohne daß ausser dem Kanzler und einigen Vertrauten sonst irgend Jemand um die Abwesenheit des Königs wußte. Birkholt schafte ihm zu Berlin Gelegenheit, die Prinzessinn unerkannt zu sehen, und er fand, daß das Gemählde ihr nicht geschmeichelt hatte. Zu redlich, um neue Ausflüchte zu suchen, da der letzte Einwurf, den er seiner Mutter gemacht [326] hatte, nun gehoben war, entschloß er sich endlich, ihre Wünsche zu erfüllen. Aber es scheint, daß er seinem eignen Herzen nicht traute, und deswegen durch eine schleunige Beendigung des ganzen Geschäfts sich selbst die Möglichkeit benehmen wollte, noch zurück zu treten. Er ließ sogleich bey der Mutter und dem Bruder seiner künftigen Braut um die Hand der Prinzessinn anhalten, und sobald sie ihre Einwilligung gegeben hatten, eilte er nach Schweden zurück, ohne daß man zu Berlin von seiner Abwesenheit etwas erfuhr. Um alle Hindernisse, die der Kaiserliche Hof, oder der König von Pohlen dieser Verbindung in den Weg legen könnten, zu vermeiden, sollte sie nicht eher bekannt gemacht werden, als bis die Braut von Berlin abreisen würde, dennoch erfuhr Sigismund den gemachten Vertrag, und suchte die Erfüllung auf alle Weise zu hintertreiben. Der Churfürst, der Pohlen eben so sehr fürchtete, als seine Nachkommen sich in diesem Lande furchtbar gemacht haben, war schwach genug, zu [327] läugnen, daß er um die Verlobung seiner Schwester wisse, und schob die Schuld einer an sich so rechtmäßigen Handlung auf seine Mutter, die verwittwete Churfürstinn.
So bald Gustav sich einmal entschlossen hatte, den Schweden eine Königinn zu geben, so strengte er auch seine ganze Thätigkeit an, um alle Schwierigkeiten, die seinen Vorsatz noch rückgängig machen könnten, aus dem Wege zu räumen. Er machte zu Stockholm und in den Provinzen verschiedne nöthige Einrichtungen, bereitete alles zu seiner nahen Vermählung vor, und trat im April des folgenden Jahres seine zweyte Reise nach Deutschland an. Es war an einem Sonntage früh, da er zu Berlin unerkannt und mit weniger Begleitung eintraf. Er gieng sogleich in die Kirche, wo die Churfürstliche Familie die Predigt anhörte, und mischte sich unter die vornehmsten Hofbedienten. Alle betrachteten ihn mit neugierigen Augen, er gab sich aber nicht eher als nach geendigtem [328] Gottesdienst zu erkennen. Man führte ihn nun sogleich zu der verwittweten Churfürstinn, die ihn mit großer Freude empfieng. Sein Aufenthalt zu Berlin, wo er noch immer das Incognito beybehielt, dauerte nur so lange, als nöthig war, ihn mit seiner Braut bekannt zu machen, und sobald er mit dem Churfürsten die nöthigen Maaßregeln wegen seiner Vermählung genommen hatte, beurlaubte er sich von seiner Braut, um seine Reise durch Deutschland fort zu setzen. Er gieng zuerst nach Heidelberg an den Pfälzischen Hof, wo man ihn für einen vornehmen Schwedischen Offizier hielt. Hier machte er Bekanntschaft mit dem Herrn von Rußdorf, dem Minister Churfürst Friedrichs, und besuchte in seiner Gesellschaft das Lager des Markgrafen von Baden im Elsaß, welches er zu sehen wünschte. Rußdorf war ein Mann von Talenten und großen politischen Kenntnissen. Der König nutzte auf der Reise die Einsichten des Ministers, der mit ihm, so lange er ihn für seines Gleichen hielt, weit freymüthiger umgieng, [329] als er mit dem Monarchen von Schweden würde gethan haben. Ihr Weg führte sie durch die lachenden Gefilde des Rheins. Gustav fragte seinen Begleiter, wem diese schönen Herrschaften und Ländereyen gehörten, und als er erfuhr, daß die meisten Geistliche zu Besitzern hätten, konnte er sich nicht enthalten, auszurufen: „Wenn diese Herren mit meinem Könige zu thun hätten, so würde er sie schon längst gelehrt haben, daß Bescheidenheit, Demuth und Gehorsam den wesentlichen Charakter ihres Standes ausmachen.“
Ihre Unterredungen hatten gewöhnlich Staatswirthschaft und Politik zum Gegenstande. Rußdorff war begierig, von dem jungen König von Schweden, dessen Thaten schon ganz Europa aufmerksam gemacht hatten, recht viel zu erfahren. Er forschte hauptsächlich nach seinem Privatleben, seinen Neigungen und nach charakteristischen Zügen, und Gustav genoß das Vergnügen, die Meinung der Welt von ihm ohne Schmeicheley und Zurückhaltung [330] zu hören. Sein Reisegefährte prieß die großen Eigenschaften des Königs, und legte zugleich dem Geschmack dieses kriegerischen Fürsten an den schönen Wissenschaften ein großes Lob bey. Dann kam er auf die häuslichen Verhältnisse desselben und äußerte einige Verwunderung, daß er noch an keine Vermählung gedacht, und die Reichsstände noch nicht eifriger darauf gedrungen hätten. Rußdorf hatte immer die Vortheile seines Herrn vor Augen; er wünschte daher sehr, daß der König von Schweden die Prinzessinn Katharine, die Schwester des Churfürsten wählen möchte.
Gustav hatte Katharinen zu Heidelberg kennen gelernt, ohne ihr merken zu lassen, wer er wäre. Als sie einst auf einem Spaziergange im Schloßgarten sich mit den andern Prinzessinnen unterhielt, vergaß der König die untergeordnete Rolle, die er hier zu spielen hatte, und drängte sich hervor, um zu hören, wovon sie redeten. Die Prinzessinn fand dieses Betragen des fremden Offiziers zu frey, und sagte auf [331] französisch leise, doch so, daß er es hören konnte: „man muß gestehen, daß die Schweden sehr dreist und unhöflich sind.“ Gustav nahm ihr diese kleine Aeußerung von Stolz nicht übel, sondern zog sich zurück; jetzt, da Rußdorf ihn von seinen Wünschen, den König von Schweden mit dieser Prinzessinn zu vermählen, und dadurch eine genaue Verbindung zwischen ihm und den Churfürsten von der Pfalz zu knüpfen, vorsagte, antwortete er: der Churfürst dürfe auch ohne ein solches Band an den guten Gesinnungen des Königs nicht zweifeln. Rußdorf, der seinen Gefährten für einen Mann von Gewicht in Schweden hielt, wollte gern die Gesinnungen desselben weiter ausforschen. Er sagte ihm, bey der Entfernung Gustavs und bey dem Geldmangel der Nordischen Reiche, würde es schwer halten, daß der König von Schweden den Churfürsten mit Nachdruck in Böhmen unterstützen könnte. Dieser Wink verdroß Gustaven. „Mein Herr von Rußdorf,“ rief er, indem er ihn unterbrach, „sie kennen Schwedens innre Stärke [332] nicht. Dies Land hat Bergwerke, die die ergiebigsten und reichsten in ganz Europa sind, weil sie ihm das nothwendigste aller Metalle geben, und es hat auch an andern Produkten einen Ueberfluß, die mit leichter Mühe gegen Gold umgetauscht werden können.“
Rußdorf wollte seinen Gefährten nicht beleidigen, er lenkte die Unterredung auf andre Gegenstände, und kam endlich auf die Materie, die damals in den protestantischen Ländern der interessanteste Vorwurf aller Gespräche, von den Vorzimmern der Fürsten bis auf die Zusammenkünfte der Bauern war; auf die Religion. Gustav äußerte bey dieser Gelegenheit einen heftigen Widerwillen gegen die Mißbräuche des Pabstthums. Er erzählte dem Pfälzischen Minister verschiedne Anekdoten von der Sittenlosigkeit katholischer Geistlichen und von ihrer wenigen Achtung gegen die Heiligthümer ihres eignen Glaubens. Unter andern sagte er ihm, er wäre immer neugierig gewesen, die Gebräuche [333] bey ihrem Gottesdienst zu sehn. In Erfurth hätte er einem katholischen Priester einen Dukaten geboten, um auf der Stelle dafür eine Messe zu lesen. „Der Priester,“ setzte er hinzu, „war auch ohne allen Anstand bereit, mir für einen so geringen Preis die Geheimnisse seiner Religion zu verkaufen. Daraus kann man die Gesinnungen und Sitten dieser Geistlichen beurtheilen.“
Rußdorf wurde durch alle diese Unterredungen immer neugieriger nach dem wahren Stande seines Reisegefährten. Er sagte ihm, es wäre nicht unmöglich, daß sein Herr der Churfürst, ihn einmal nach Schweden schicken könnte, und dann würde es ihm sehr angenehm seyn, die hier angefangne Bekanntschaft fort zu setzen. Gustav antwortete: „ich heiße Gars, und bin Hauptmann unter den Truppen des Königs. Sollte das Schicksal Sie jemals nach Schweden führen, so werde ich mir das größte Vergnügen daraus machen, ihnen alle die Dienste zu leisten, die [334] in meinem geringen Vermögen stehn.“ – Diesen Nahmen Gars, hatte der König gleich Anfangs auf seiner Reise angenommen. Er war aus den Anfangsbuchstaben der Worte: Gustavus Adolphus Rex Sueciae, mit denen er sich zu unterschreiben pflegte, zusammengesetzt. Wenige Tage nach seiner Rückkehr erfuhr der Herr von Rußdorf den wahren Stand des Mannes, mit dem er auf der Reise so vertraut umgegangen war. Er leistete in der Folge seinem Herrn verschiedne Dienste bey dem König von Schweden, der einen beständigen Briefwechsel mit ihm unterhielt, und ihm eine jährliche Pension gab.
Gustav hielt sich noch einige Zeit zu Heidelberg auf, und die Prinzessinn Katharine, die sich vorher, vielleicht nur darum so zurückhaltend gegen den Herrn von Gars bezeigt hatte, weil sie sich bewußt war, wie sehr ihr der schöne Mann gefiele, fand jetzt nur zu viel Geschmack an seinem Umgange. Sie faßte eine zärtliche Neigung zu ihm, und da seine Verbindung [335] mit Eleonoren von Brandenburg noch ein Geheimniß war, so überließ sie sich gern einer schmeichelhaften Hoffnung, die so sehr mit den Wünschen ihrer Familie übereinstimmte. Ob Gustav die Leidenschaft merkte, die er bey ihr erregt hatte, läßt sich nicht mit Gewißheit versichern, das Tagebuch dieser Reise und seine Briefe und Schriften erwähnen nichts von der Liebe der Prinzessinn. Der König hielt sich auch nur noch kurze Zeit in Heidelberg auf, und sobald er nach Stockholm zurück gekommen war, machte er seine Verlobung mit der Prinzessinn von Brandenburg bekannt. Er hatte auf seiner Reise drey Monathe zugebracht, und wenn es zu erweisen wäre, daß er jemals nach Italien gekommen sey, so müßte es bey dieser Gelegenheit geschehen seyn, denn, seine Feldzüge ausgenommen, ist er nie wieder so lange aus Schweden abwesend gewesen.
Der Kanzler Oxenstierna gieng sogleich nach der Zurückkunft seines Herrn nach Berlin, und zugleich lief eine Flotte aus, [336] um die königliche Braut einzuholen. Maria Eleonora trat, von ihrer Mutter begleitet, den 7 Oktober 1620[1] zu Calmar ans Land, und hielt am 25 November ihren feyerlichen Einzug zu Stockholm. Die Vermählung wurde sogleich vollzogen, und die neue Königin im Anfang des folgenden Jahres gekrönt. Ihre Ehe war die glücklichste. Sie liebte ihren Gemahl mit der leidenschaftlichsten Zärtlichkeit, und wenn sein Herz, nachdem es der ersten Liebe entsagt hatte, auch nicht mehr fähig war, Glückseligkeit von einem andern weiblichen Geschöpfe zu empfangen, so war es doch noch reich genug, sie im vollen Maaße zu geben.
Gustav ließ gern an allen öffentlichen Handlungen die Religion Antheil nehmen. Auch jetzt wollte er das Fest seiner Vermählung durch die Feyer der großen Revolution, die Schweden von dem Joche Dänemarks und von der Römischen Herrschaft befreyete, seinem Volke theuer machen. Das Jubiläum dieser merkwürdigen [337] Begebenheit wurde mit der Krönung seiner Gemahlin zugleich begangen, und der Enthusiasmus der Nation für das Haus ihres Königs vereinigte sich mit der Liebe zu ihrer Religion, denen beyden ein gemeinschaftlicher mächtiger Feind den Untergang zu bereiten suchte.
Sigismund, der noch immer seine Ansprüche auf den Schwedischen Thron zu behaupten hoffte, verwarf hartnäckig alle Vorschläge zum Frieden, oder auch nur zu einer Verlängerung des Waffenstillstandes, dessen Termin jetzt schon beynahe abgelaufen war. Gustav hielt es daher für nöthig, alle seine Kräfte anzustrengen, um diesen unversöhnlichen Feind von seinen Foderungen abstehen zu machen. Der Zeitpunkt war dazu günstig, weil Sigismund noch immer mit den Türken zu thun hatte. Die Schwedische Landarmee war in dem besten Zustande, und die Flotte, welche sie überführen und unterstützen sollte, lag seegelfertig in den Häfen des Reichs. Ehe sie auslief, that Gustav, der [338] stets die Gerechtigkeit auf seiner Seite zu haben strebte, dem König von Pohlen noch einmal Vorschläge zum Frieden, und versammlete zugleich die Stände, um ihnen die Nothwendigkeit des Kriegs vorzustellen. Er verachtete die Künste der Ueberredung, aber nie schlug es ihm fehl, seine Zuhörer von der Lauterkeit und der Weisheit seiner Absichten zu überführen. Auch jetzt war keiner unter den Beysitzern des Reichstages, der nicht den Maasregeln seines Monarchen den aufrichtigsten Beyfall gegeben hätte, und da Sigismund durchaus in keinen Vertrag oder Stillstand willigen wollte, so wurden die Schwedischen Truppen eingeschifft, und der König führte sie in Person nach Liefland.
Die Einwohner dieses Landes waren im zwölften Jahrhundert Christen geworden, und fast zu gleicher Zeit unter das Joch des deutschen Ordens gekommen, der sie drey hundert Jahre lang durch einen Statthalter beherrschen ließ. Im Anfang des sechszehnten Jahrhunderts machten sich [339] die Ritter in dieser Provinz von dem Orden unabhängig, und Wilhelm von Plettenberg, ihr Heermeister, wurde Reichsfürst und Souverain von Liefland. Einer seiner Nachfolger, Wilhelm von Fürstenberg, nahm die lutherische Religion an, und gab dadurch Gelegenheit zu den Kriegen, die Liefland viele Jahre hindurch unglücklich machten. Sigismund August, der letzte Jagellonische König von Pohlen, suchte unter dem Vorwand des Glaubens sich eine Provinz zu unterwerfen, die ihm sehr bequem gelegen war, und die Rußen verwüsteten sie durch verheerende Einfälle. Gotthard Kettler, der letzte Großmeister, mußte sich endlich in die Arme des Königs von Pohlen werfen, ihm sein Land abtreten, und mit dem Herzogthum Kurland, welches er als ein Pohlnisches Reichslehn erhielt, sich begnügen.
Sigismund August vertrieb nun die Russen aus dem größten Theil von Liefland, aber es war noch eine mächtige Partey in diesem Lande, die in die Vereinigung mit [340] Pohlen nicht gewilliget hatte, und die Schweden zu Hülfe rief. Die Stadt Reval begab sich in den Schutz König Erichs, und nun stritten sich beyde Nationen um den Besitz von Liefland, welches jetzt, da auch die Russen von neuem auftraten, durch unaufhörliche Unruhen zerrüttet wurde. Bey der Wahl des Schwedischen Prinzen Sigismund zu ihrem Könige, machten es die Pohlen zur Bedingung, daß alle die Plätze, welche Schweden in Liefland besaß, zurück gegeben werden sollten, aber weder Sigismunds Vater noch die Reichsstände wollten in diese Abtretung willigen; und so blieb Liefland unter den folgenden Regierungen eine ewige Ursache und zugleich der blutige Schauplatz des Kriegs zwischen Schweden und Pohlen.
Gustav Adolph eröffnete hier auch jetzt seinen Feldzug. Er kam im Frühling des Jahrs 1621 mit seiner Flotte an dem Ausfluß der Düna an, und bereitete sich, Riga zu belagern. Bey dem Einlaufen in die Mündung des Strohms überfiel ihn ein [341] fürchterlicher Sturm, der sein ganzes Geschwader zerstreute; und das Geschütz der Vestung Dünamünde, welche durch die Verrätherey des Kommandanten Fahrenbach wieder in die Gewalt der Pohlen gekommen war, widersetzte sich der Ausschiffung der Truppen. Dennoch brachte Gustav seine Armee glücklich ans Land. Sie bestand aus 24000 Mann, größtentheils Fußvolk, in der neuen Taktik Gustav Adolphs auf das sorgfältigste unterrichtet, und damals unstreitig das beste Heer in Europa. Der König in Person führte den Oberbefehl, und unter ihm kommandirten der Feldmarschall la Gardie, Horn, Banner, Wrangel, Ruthren und Oxenstierna, dessen großes Genie eben so sehr an der Spitze eines Heers als im Kabinet glänzte.
Die Eroberung von Dünamünde, womit Gustav den Anfang machte, war das Werk weniger Tage. Er rückte nun vor die Stadt, welche nach den Regeln der Belagerungskunst angegriffen wurde. Riga [342] war nach der damaligen Art außerordentlich gut befestiget, mit allen möglichen Vorräthen und mit einer zahlreichen Besatzung versehen, welche durch den Enthusiasmus der Bürger für die katholische Religion, die Stephan Bathori hier wieder eingeführt hatte, auf das nachdrücklichste unterstützt wurde. Diese Belagerung kostete dem König unglaubliche Mühe. Wenn die Schweden mit kühnem Muth angriffen, so vertheidigte sich die Stadt mit der unerschrockensten Herzhaftigkeit. Die Belagerer mußten unerhörte Beschwerden ausstehen, aber sie übernahmen sie gern, da ihr König nicht nur die Gefahr, sondern auch sogar die Arbeiten mit ihnen theilte. Der tapfre Krieger, der mit Freuden dem Feind im offnen Felde begegnet, wird oft durch die Mühseligkeiten einer Belagerung abgeschreckt, wo man ihn das Schwerdt bey Seite legen heißt, um mit dem Grabscheid zu arbeiten. Gustav wollte seinem Heere kein Recht zu der Klage geben, daß Arbeiten, die jeder gern durch Kampf abkaufen würde, nur die niedere [343] Klasse der Krieger treffen, indeß die höheren nur da ihre Kräfte anstrengen, wo der Enthusiasmus des Ruhms alle Beschwerden vergessen macht. Er brachte ganze Nächte in den Laufgräben zu, und schlief hier zuweilen nur wenige Stunden auf der bloßen Erde. Mit dem Anbruch des Tages saß er schon wieder zu Pferde, besuchte die Posten, machte die nöthigen Anordnungen, und wenn er den Tag über die Pflichten des Feldherrn erfüllt hatte, so mischte er sich oft noch des Abends mit der Schaufel in der Hand unter die Arbeiter, um ihnen durch sein Beyspiel ihre saure Mühe zu erleichtern.
Es war keiner in dem ganzen Heer der Belagerer, der für einen solchen König nicht mit Freuden seine letzten Kräfte verschwendet hätte, aber nur zu oft gab er ihnen Gelegenheit für sein Leben zu zittern. Mehr als einmal traf der Tod die nächsten an seiner Seite, und das Blut des Obristen Stackelberg, den eine Kanonenkugel dicht neben ihm zu Boden warf, [344] spritzte auf seine Kleider. Alle Anführer seiner Armee vereinigten sich, ihm darüber Vorstellungen zu thun, aber er antwortete lachend: „Die Kugeln sind nicht für Könige gegossen;“ – ein kühner Glaube von dem sein eignes Beyspiel eine traurige Widerlegung wurde.
Alle Bemühungen der Schweden wurden durch die Tapferkeit der Belagerten vereitelt, und Gustav, der die Stadt gern verschonen wollte, sah sich endlich, da keine Drohung sie schrecken konnte, genöthigt, sie die ganze Wirkung seiner Anstalten empfinden zu lassen. Aber auch das verdoppelte Feuer seines Geschützes und die Menge der Bomben, die er in die Stadt warf, schwächte ihren Muth nicht. Sie schlugen zweymal den Sturm zurück, und beharrten standhaft bey ihrem Vorsatz, sich bis aufs äußerste zu wehren, weil sie noch immer auf Hülfe vom König Sigismund warteten. Als aber der Entsatz, den ihnen der Unterfeldherr Radzivil zuführte, durch die Wachsamkeit und die [345] meisterhafte Stellung des Königs es unmöglich fand, einige Truppen in die Stadt zu werfen, und nach manchem vergeblichen Versuch, ohne etwas ausgerichtet zu haben, sich zurück zog, ergaben sie sich endlich, und erhielten eine ehrenvolle Kapitulation. Gustav versicherte der Stadt alle ihre Vorrechte und Freyheiten, und verlangte weiter nichts von ihr, als daß sie ihm mit eben der Treue anhängen sollte, die sie dem König von Pohlen bewiesen hatte.
Er gieng nun nach Kurland und bemächtigte sich mit anscheinender Gewalt der Stadt Mitau, um den Herzog, der ins geheim auf seiner Seite war, nicht einer künftigen Ahndung von seinem Lehnsherrn auszusetzen. Zu eben der Zeit, wo er mit siegendem Schritt durch die Provinzen seines Gegners, zog, bot er ihm noch immer den Frieden an, aber Sigismund, der kaum im Stande war, mit seiner ganzen Macht den Türken Widerstand zu thun, wollte sich doch nur zu einem neuen Waffenstillstand bis zum Ende des folgenden [346] Jahres bequemen. Gustav gieng den Vorschlag ein, räumte Kurland, befestigte Riga noch stärker und kehrte mit seiner Armee nach Schweden zurück.
Kaum war er hier angekommen, so erhielt er die Nachricht von dem Tode seines einzigen Bruders Karl Philipp, der im Januar 1622 zu Narva gestorben war. Das ganze Land gerieth über diesen Todesfall in die größte Betrübniß. Man befürchtete mit Recht, daß er den Frieden mit Pohlen erschweren würde, da der König selbst noch keine Erben hatte, und Sigismunds Hoffnung, die Schwedische Krone wieder an seine Linie zu bringen, jetzt mehr Wahrscheinlichkeit erhielt. Gustav trauerte lange, und die Geburt Carl Gustavs, des Sohns seiner Schwester der Pfalzgräfinn von Zweybrücken, konnte ihm, wenn auch die Thronfolge dadurch einigermaaßen gesichert wurde, doch den Verlust eines zärtlich geliebten Bruders nicht ersetzen.
Er verwendete jetzt die Zeit der Muße, die ihm der Waffenstillstand gewährte, auf [347] die Verbesserung der Finanzen. Die veränderte Kriegskunst seit der Einführung des zahlreichen Geschützes bey den Heeren, machte die Feldzüge unendlich kostbarer, und wurde eine von den Ursachen, welche die Bedürfnisse der Staaten seit einigen Jahrhunderten so sehr vermehrt haben. Auch Gustav fand es nöthig, die Abgaben in Schweden zu erhöhen, und er that es durch eine Akzise, die auf alle Arten der Lebensmittel gelegt wurde. Die Einführung einer ganz neuen, bisher unerhörten Auflage erregte Anfangs in Schweden ein leises Murren; aber so groß war die Liebe der Nation für den König und ihr Vertrauen auf seine Einsichten, daß ein freyes Volk sich diese neue Last ohne Widerstreben gefallen ließ.
Er verdiente aber auch dieses Zutrauen ganz. Nie hat ein Fürst sich mehr Mühe gegeben, den Frieden zu erhalten, den seine Thätigkeit für das Wohl seiner Unterthanen ihnen noch wünschenswerther machte; aber er wußte auch, daß nur der [348] Gefürchtete einer ungestörten und vortheilhaften Ruhe genießen kann, und deswegen arbeitete er mit so großer und unermüdeter Sorgfalt an der Verbesserung seines Kriegswesens. Gustavs Lage machte ihm diese Vorsicht nothwendiger als jedem andern Monarchen. Auf der einen Seite lauerte ein eifersüchtiger Nebenbuhler auf jede Gelegenheit die Macht eines beneideten Nachbars zu schwächen, auf der andern wohnte ein barbarisches Volk, welches nur durch die Furcht abgehalten werden konnte, die nächsten Provinzen durch unaufhörliche Plünderungen zu verwüsten, und gegen ihm über stand ein König, der seine Krone mit Gewalt an sich zu reißen strebte. In diesen Verhältnissen ist es in der That zu bewundern, wie Gustav so viel für die Gesetzgebung, für die innre Staatswirthschaft, für den Handel, die Künste und die Wissenschaften in seinem Lande thun konnte; die letzteren waren besonders sein Augenmerk, und er unterstützte sie nicht nur durch die besten Einrichtungen, sondern er munterte auch seine Unterthanen [349] durch sein eignes Beyspiel dazu auf. Seine Mutter, seine Verwandten und verschiedne Große des Reichs bereicherten, so wie er, die Universität Upsal durch ansehnliche Schenkungen und Vermächtnisse, und er selbst verbesserte die Schule zu Abo und stiftete zu Dörpt in Liefland eine neue Universität.
In seinen Erholungsstunden waren gute Bücher sein angenehmster Zeitvertreib. Grotius Werk von dem Rechte des Kriegs und Friedens schätzte er sehr hoch, ob er gleich gestand, daß er manche Schwierigkeit in der Ausübung der darinn enthaltnen Vorschriften fände. Er beschäftigte sich selbst mit der Verfertigung kleiner Aufsätze, die theils politische, theils andre Gegenstände betrafen. Manche davon sind der Nachwelt aufbewahrt worden, unter andern die Tagebücher seiner Reisen und eine Lobrede auf seinen Bruder Carl Philipp, dessen Andenken er durch diesen Beweis seiner zärtlichen Liebe ehren wollte.
[350] Sigismund hatte kaum den Ablauf des letzten Stillstandes erwartet, um die Feindseligkeiten gegen Schweden zu erneuern. Es ist in der That zu bewundern, daß dieser Fürst, der stets dem höhern Genius Gustav Adolphs unterlag, durch keine Niederlage und keine fehlgeschlagne Unternehmung von seinen fruchtlosen Versuchen, Schwedens Krone wieder an sich zu reißen, abgeschreckt werden konnte. Er schmeichelte sich noch immer, daß eine mächtige Partey in Schweden selbst Muth bekommen würde, sich für ihn zu erklären, sobald es ihm gelänge, dieses Land zum Schauplatz des Krieges zu machen. Seine Rathgeber waren Jesuiten, die ihm von dem Oestreichischen Hause in Deutschland mächtige Unterstützung, und eine Spanische Flotte in der Ostsee versprachen. Auf diese Hoffnungen gestützt, war er nach Danzig gekommen, und rüstete eine Seemacht aus, mit der er nach Schweden übergehen wollte, aber Gustav kam ihm zuvor, eilte selbst nach Preußen, und zwang ihn abermals zu einer Verlängerung des Stillstandes.
[351] Diese wiederholten Beleidigungen reitzten endlich Gustavs Zorn, und er beschloß seine äußersten Kräfte anzuwenden, um einen so hartnäckigen Gegner endlich zu einem dauerhaften Frieden zu zwingen. Er legte den versammelten Ständen der Nation seine Plane zur Errichtung einer beständig im Sold erhaltnen Kriegsmacht vor, und alle seine Vorschläge erhielten den allgemeinsten Beyfall. Die Anordnungen Gustavs dauern bis auf den heutigen Tag in Schweden fort, und ganz Europa ahmte die neue Taktik nach, die er bey seiner Armee einführte. Durch sein militärisches Gesetzbuch gründete er auch auf die Zukunft eine genau bestimmte Subordination und die treflichste Mannszucht bey den Schwedischen Truppen, und er machte die Kriege menschlicher, indem er für die Moralität seiner Soldaten sorgte.
Zu gleicher Zeit wurden die Unterhandlungen mit Pohlen fortgesetzt, und Oxenstierna stand an der Spitze der Bevollmächtigten. Aber Sigismunds Hoffnungen [352] wuchsen mit jedem Jahre, weil Gustav Adolph noch immer unbeerbt war. Die Königinn hatte eine Prinzessinn geboren, welche aber kurz darauf wieder starb, und nachher war sie von einem Prinzen zu frühzeitig entbunden worden. Endlich kam sie am 8 December 1626 zum drittenmal nieder. Die Aerzte hatten sich gewisse Rechnung auf einen Prinzen gemacht, und die rauhe Stimme des Kindes täuschte die Mutter und die Wärterinnen in dem Augenblick der Geburt, so, daß man in der Uebereilung auch Gustaven die Nachricht brachte, es sey ihm ein Sohn geboren worden. Alle geriethen bey der Entdeckung ihres Irrthums in die größte Verlegenheit, und Niemand wollte es wagen, dem König die Wahrheit bekannt zu machen. Endlich übernahm es die Prinzessinn Katharina, seine Schwester. Sie trug die kleine Christine in ein weibliches Gewand gehüllt, zu ihm in sein Zimmer. Gustav erfuhr die Veränderung ohne bestürzt zu werden; er nahm das Kind in seine Arme und dankte Gott mit so vieler [353] Freude, als wäre er nicht hintergangen worden. „Ich hoffe,“ sagte er zu seiner Schwester, „daß dies Mädchen wohl so viel für mich werth seyn soll, als ein Knabe, und ich bitte Gott, es mir zu erhalten, weil er es mir gegeben hat.“ – „Sie wird schlau werden,“ setzte er nach einer Weile lachend hinzu, „denn sie hat uns alle betrogen.“
In der That liebte er auch diese Tochter mit der innigsten Zärtlichkeit. Er bestimmte sie, von dem Augenblick ihrer Geburt an, zu seiner Nachfolgerinn, und ließ ihr zu dem Ende eine ganz männliche Erziehung geben. Sie wurde in der Mathematik, in den alten und neuen Sprachen, und in allen den Kenntnissen, welche einem Fürsten zu wissen nöthig sind, unterrichtet. Der Geist ihres Vaters hat unstreitig auf Christinen geruhet, aber in ihrem Charakter blieb etwas unbestimmtes und schwankendes, welches vielleicht größtentheils eine Folge dieser für ein Mädchen nicht ganz passenden Erziehung war. Sie [354] gieng beständig in männlicher Kleidung, und unterhielt sich am liebsten mit Philosophen und Künstlern. Alle weibliche Beschäftigungen waren ihr zuwider, und sie vernachlässigte selbst die nothwendige Sorge für ihren Körper. Schon früh in ihrer Jugend übersah sie ihre Mutter, die sanftmüthige Eleonore, aber sie bezahlte die Liebe ihres Vaters mit der zärtlichsten Anhänglichkeit. Wenn er abwesend war, wechselte das noch nicht sechsjährige Mädchen in verschiednen Sprachen Briefe mit ihm, die er mit innigem Vergnügen las, und mitten unter dem Geräusch der Waffen und den überhäuften Arbeiten des Kabinets nie zu beantworten unterließ. Hätte Gustav länger gelebt, er würde gewiß manche scharfe Ecke in dem Charakter seiner Tochter abgeschliffen haben, welche durch die frühe Gewohnheit zu befehlen und das Bewußtseyn ihrer Ueberlegenheit über alle die sie umgaben, nur noch schneidender werden mußte.
Der Krieg mit Pohlen war schon vor der Geburt Christinens wieder angegangen. [355] Gustav hatte ganz Liefland erobert, den Feldherrn Sapieha in einer großen Schlacht in Kurland überwunden, und war bis tief in Litthauen gedrungen. Jetzt glaubte er, würde Sigismund endlich den Vorschlägen Gehör geben, die er als Sieger in dem Herzen des feindlichen Landes auf die vorigen Bedingungen erneuerte, Aber kein Unglücksfall konnte den König von Pohlen von seinen chimärischen Hoffnungen zurück bringen. Die Gesandten Gustavs wurden gegen das Völkerrecht und ungeachtet der Pohlnischen Reisepässe von den Kosaken gefangen genommen, und die ganze Unterhandlung blieb fruchtlos. Gustav Adolph sah, daß nichts als die äusserste Noth seinen erbitterten Gegner zur Ruhe bringen könnte. Er legte daher in die eroberten Orte Besatzungen, trieb in Litthauen starke Contributionen ein, und kehrte nach Schweden zurück, um zur Fortsetzung des Krieges neue Anstalten zu machen.
In dem folgenden Feldzuge drangen die Schweden durch das Brandenburgische [356] Preussen in die westlichen Provinzen dieses Landes, welche Pohlen unmittelbar gehorchten. Sigismund kam mit einem mächtigen Heer und hinderte dadurch die Eroberung von Danzig, aber Gustav vereitelte alle Bemühungen eines ihm weit überlegnen Feindes, der ihn aus dieser Provinz zu vertreiben suchte. Es fiel keine Hauptschlacht, aber eine Menge kleiner Gefechte vor; und bey den meisten war der König selbst gegenwärtig. Er bezahlte überall mit seiner Person, und in einem Scharmützel wurde er sogar zweymal gefangen, aber auch beyde male durch seine tapfern Soldaten wieder befreyet.
Sigismund wurde durch die Vereitelung aller seiner Plane endlich bewogen, Friedensvorschläge zu thun. Die Gesandten beyder Nationen kamen am 21 Oktober 1626 zusammen, aber schon die ersten Worte, welche bey dem Empfang gewechselt wurden, gaben keine gute Vorbedeutung für den Erfolg dieser Unterhandlung. Die Vorschläge der Pohlen hätten nicht [357] stolzer seyn können, wenn sie überall Sieger gewesen wären und der Kongreß blieb abermals fruchtlos. Gustav kehrte nach Schweden zurück, und die Stände, um ihrem König ihre Zufriedenheit mit seinen Maaßregeln zu bezeugen, erklärten die junge Christine, die erst einige Monate alt war, und welche Sigismund von der Nachfolge ihres Vaters ausschließen wollte, feyerlich zur Erbin der Krone.
Die Feindseligkeiten giengen im Frühjahr wieder an. Der Pohlnische Feldherr Koniecpolsky machte sich die Abwesenheit des Königs von Schweden zu Nutze; er eroberte verschiedne wichtige Orte, und machte ein starkes Korps neu angeworbner Truppen zu Kriegsgefangnen. Gustav erhielt diese unangenehmen Nachrichten ohne dadurch aus der Fassung zu kommen. Ein Unglücksfall, der nicht mehr zu ändern war, erregte bey ihm blos den Wunsch, ihn so schnell als möglich zu verbessern, und es kränkte ihn nur, daß widrige Winde ihn, länger als er gehofft hatte, hinderten, [358] selbst nach Preussen überzugehen. Sobald er dort erschien, veränderte sich schnell die ganze Gestalt der Sachen, und die Vortheile, die Sigismund durch seinen General erfochten hatte, gereichten ihm selbst zum Schaden, weil sie seine Hoffnungen wieder belebten, und ihn kühn machten die Vorschläge Schwedens, die dringenden Bitten seines Senats und die Vorstellungen mächtiger Vermittler trotzig zu verwerfen.
Gustav befand sich ungeachtet des Verlusts, den seine Truppen erlitten hatten, bald wieder an der Spitze von fünf und dreyßig tausend Mann, mit denen er Danzig zu erobern hoffte, aber ein unglücklicher Zufall, der Europens Befreyer der Welt zu entreißen drohte, ehe er noch den großen Kampf mit dem Ungeheuer des Despotismus begonnen hatte, hinderte in diesem Feldzuge die Unternehmungen der Schweden. Der König wurde verwundet. Es war auch bey den Feinden bekannt geworden, daß er stets da zu treffen sey, wo die Gefahr am größten war; und wenn die [359] Tapferkeit des Königs seine Truppen mit dem entschlossensten Muth beseelte, so gab es zuweilen auch Schwärmer unter den Feinden, die durch einen kühnen Streich dem Kriege auf einmal ein Ende zu machen hofften. Die Gefahren, denen Gustav von solchen persönlichen Anfällen ausgesetzt wurde, waren in diesem Feldzuge, da die Pohlen sein Gesicht kennen lernten, unzählige. In einem Gefecht unter der leichten Reuterey, sprengte ein Pohlnischer Husar vor bis an die Mitte der Schwadron, wo der König hielt, und war im Begriff, ihn vom Pferde zu hauen. Gustav hatte kaum Zeit, mit seinem Degen den Säbelhieb aufzufangen, der so heftig war, daß er des Königs Klinge zerbrach. In demselben Augenblick aber, wo die Schweden die Gefahr ihres Königs und den blinkenden Säbel erblickten, stürzte auch der kühne Husar, von zwanzig Pistolenkugeln durchbohrt, zur Erde. Dies Schicksal war ihm gewiß, wenn ihm auch seine Absicht gelungen wäre, aber er war nicht der einzige unter seinen rohen Gefährten, der so [360] durch eine glänzende Frevelthat sich eine Märtyrer Krone zu erringen strebte.
Nur wenige Tage nachher hielt Gustav auf einem kleinen Hügel, um die Gegend und die Stellung des Feindes zu beobachten. Seine Begleiter hatten sich an der flachen Anhöhe nur wenige Schritte zurück gezogen, damit er von allen Seiten eine freye Aussicht hätte. Unvermuthet sah er zwey Verwegne den Hügel heran klettern, die ihm schon so nahe waren, daß sie ihn gewiß würden getödtet haben, wenn nicht ein Paar Offiziere ihn in demselben Augenblick von ihnen befreyet hätten. Am Abend dieses Tages ließ er sich auf einem Boot über einen Arm der Weichsel setzen, um eine Schanze zu rekognosziren, welche den Danzigern gehörte. Er wurde aber auch hier erkannt, und die Feinde machten ein heftiges Musketenfeuer auf das Boot. Eine Flintenkugel traf den König an der Hüfte, und warf ihn nieder. Er glaubte sich tödtlich verwundet; doch verlor er die Besinnung nicht. Er gebot [361] den Anwesenden zu schweigen, ihn in aller Stille ans Land zu bringen, und einen Wundarzt und seinen Beichtvater zu rufen. Zum Glück hatte die Kugel nicht die Eingeweide verletzt, und er wurde bald wieder hergestellt, aber die Bestürzung in seinem Heer, dem dieser Zufall nicht verborgen bleiben konnte, war so groß, daß der Pohlnische Feldherr Zeit gewann, die Belagerung von Danzig zu hindern.
Das Schicksal schien Gustav Adolphen durch diese wiederholten Winke eine Warnung geben zu wollen, aber er achtete sie nicht. Ueberzeugt, daß seine Schweden unüberwindlich wären, sobald sie ihren König zuerst sich in die Gefahr stürzen sähen, fuhr er fort, seine Person bey jeder Gelegenheit zu wagen. Vergebens thaten ihm seine Generale Vorstellungen, vergebens bediente sich Oxenstierna des Rechts, das er als Freund hatte, ihm oft mit Nachdruck zuzureden. Er antwortete auf die Erinnerung, daß es einem König nicht [362] gezieme, sich auszusetzen, wie ein junger Offizier: Der Tod findet am ersten die, die ihn fliehen. Ich halte es für meine Pflicht, mit denen, die für mich ihr Leben wagen, jede Gefahr zu theilen; so haben es Alexander und Cäsar gemacht, und nur solchen Helden suche ich ähnlich zu werden, nicht den Königen, die Schlachten gewinnen ohne aus ihrem Palaste zu gehen.
Dennoch hätte Gustav aus der Bestürzung, worein seine Truppen bey seiner Verwundung geriethen, lernen sollen, daß es einem Feldherrn auch Pflicht werden kann sich zu schonen. Er erhielt in diesem Sommer einen neuen Beweis davon. Kaum war er hergestellt, als er in einem Gefecht zwischen der Reuterey abermals verwundet wurde. Die Kugel drang nahe am Halse in die Schulter, und riß ihm den Arm mit solcher Gewalt in die Höhe, daß er im ersten Augenblick glaubte, ihn verlohren zu haben. Man hob ihn sogleich vom Pferde, und suchte ihn auf der Stelle so gut als möglich zu verbinden, aber das [363] Blut floß unaufhörlich, und man befürchtete, daß die Pulsader am Halse zerrissen, und die Wunde tödtlich seyn möchte. Gustav las diese schreckliche Vermuthung in der Todtenblässe der Umstehenden, und hörte sie mit ruhiger Ergebung in den Willen der Vorsehung. Er bereitete sich mit vieler Fassung zum Tode.
Weil es nicht möglich war, das Blut zu stillen, so brachte man den König nach der kleinen Stadt Dirschau, wo sein Leibarzt die Wunde untersuchte. Bey dem Anblick derselben entsetzte sich dieser so sehr, daß er sich nicht enthalten konnte, auszurufen: „Das habe ich voraus gesehn, weil Ew. Majestät auch gar keine Warnung annehmen wollen.“ Gustav verzog den Mund zum lächeln, und antwortete blos mit dem lateinischen Sprüchwort: „Der Schuster bleibe beym Leisten.“ Der Wundarzt fuhr fort, die Wunde zu sondiren, und erklärte zuletzt, es sey unmöglich die Kugel heraus zu ziehen, weil sie zu tief eingedrungen wäre. „So mag sie denn stecken bleiben,“ sagte Gustav ganz kalt, [364] „als ein Denkmal eines nicht unrühmlichen Lebens. Ein Körper, der keine Weichlichkeit gekannt hat, kleidet den hohen Muth eines Königs.“ Oxenstierna und die vornehmsten Offiziere nahmen diese Gelegenheit wahr, ihn noch einmal zu beschwören, er möchte doch nicht Schwedens Wolfahrt und die Freiheit der protestantischen Religion so oft dem ungewissen Flug einer Kugel aussetzen. Gustav blieb bey ihrer Bekümmerniß und den ungeheuchelten Beweisen ihrer Liebe nicht ungerührt, aber er vertheidigte sich durch seinen alten Grundsatz, es sey die Pflicht eines Königs, alles für seine Unterthanen aufzuopfern; „was könnte mir rühmlichers begegnen,“ setzte er hinzu, „als wenn ich in der Vertheidigung der Ehre Gottes und der Wolfahrt meines Landes das Leben verlöhre? Die Vorsehung wird auch nach meinem Tode Schweden nicht verlassen. Gefällt es ihr über mich zu gebieten, so wird sie meinem Volke gewiß einen andern Beschützer zu erwecken wissen.“
[365] Die Schweden waren über diesen Zufall ihres Königs so bestürzt, daß sie den fliehenden Feind ruhig seinen Weg fortsetzen ließen, und die durch die Niederlage ihrer Reuterey völlig unbedekt gebliebenen Fußvölker gar nicht angriffen. Der Pohlnische Feldherr erstaunte als er auf einmal die Nachsetzenden halten sah; ein Ueberläufer brachte die Nachricht Gustav sey todt, aber die Pohlen wagten es doch nicht, das Gefecht zu erneuern; sie zogen sich in ihr Lager zurück und der Graf Thurn führte die Schweden in das ihrige. Todtenstille herrschte bey den Marsch der Sieger. Stets gewohnt den König an ihrer Spitze zu sehen, fragte jeder nach ihm, und es war nicht möglich, ihnen die traurige Nachricht ganz zu verbergen. Ihre Liebe aber machte sie mistrauisch gegen die Versicherung, daß er nur leicht verwundet sey; alle seufzten: er ist todt! und jeder glaubte das theuerste auf der Welt verlohren zu haben.
Gustav brachte drey Monathe zu, ehe er sein Zimmer verlassen konnte, und dieser [366] Zeitpunct war den Unternehmungen der Schweden nicht günstig. Der Admiral Stiernskiöld verlohr eine Schlacht gegen die Danziger, und faßte, da er von den Feinden umringt war, den verzweifelten Entschluß, sich mit seinem ganzen Schiffsvolk in die Luft zu sprengen. Gustav, der diesen tapfern Mann bedauerte, äußerte zugleich seinen Abscheu vor einer That, die ihm unmenschlich schien. Der Verlust des Seetreffens schmerzte den König sehr, ungeachtet die Feinde wenig Vortheil davon zogen. „Ist es möglich, rief er, daß eine handvoll friedfertiger Kaufleute ein Volk hat schlagen können, dessen Beschäftigung der Krieg ist!“ Er dachte indessen seiner Gewohnheit nach nur darauf, diesen Schaden zu ersetzen, und gieng im December nach Schweden zurück, nachdem er, so schwach er auch von seiner Wunde noch war, den festen Platz Wormdit in Person mit Sturm erobert hatte.
Im folgenden Frühjahr schlug er bey seiner Rükkehr die Danziger Flotte, zerstreute sie völlig, stieg ans Land, erfocht [367] einen wichtigen Sieg über den Pohlnischen Feldherrn, und schloß nun Danzig enger ein. Aber eine Ueberschwemmung der Weichsel hinderte ihn sich zum Meister dieser Stadt zu machen, und Koniecpolsky, der durch seine zahlreichen leichten Truppen in kleinen Postengefechten den Schweden überlegen war, machte endlich den klugen Plan, sich durchaus auf keine Schlacht mehr einzulassen, sondern blos dadurch, daß er den Feind unaufhörlich beunruhigte, die Unternehmungen desselben zu hindern.
Frankreich und die Mächte Europa’s, denen das große Uebergewicht des Hauses Oesterreich fürchterlich zu werden anfieng, arbeiteten unterdessen immer an einem Frieden zwischen Sigismunden und dem König von Schweden. Die Gesandten beider Nationen kamen mehr als einmal zusammen, aber geringfügige Streitigkeiten und oft blos das Ceremoniel vernichteten die Unterhandlungen. Sigismund schmeichelte sich jezt, da der Kaiser die Protestanten in Deutschland und [368] den König von Dänemark besiegt hatte, bald nachdrückliche Unterstützung von ihm zu erhalten, er war daher sehr gleichgültig bey den fehlgeschlagenen Bemühungen um den Frieden, die er mehr seinem Senat zu gefallen als aus eignem Triebe begünstigt hatte. Er hatte aus Spanien ansehnliche Geldsummen erhalten, und im Sommer des Jahrs 1629 vereinigte sich ein starkes Korps kaiserlicher Hülfstruppen unter dem General Arnheim oder Arnimb, der nachher die Sachsen bey Leipzig kommandirte, bey Neuburg mit der Pohlnischen Armee.
Gustav war fast zu gleicher Zeit in Preußen angekommen, und ungeachtet der Uebermacht der vereinigten feindlichen Heere, suchte er doch Gelegenheit, das Schicksal des Feldzuges durch eine Schlacht zu entscheiden. Arnimb hatte von dem Herzog von Friedland Befehl, kein Treffen auszuschlagen, und auch der Pohlnische Feldherr war geneigt dazu. Bey diesen Gesinnungen konnte es nicht fehlen, [369] daß beide Armeen bald auf einander stoßen mußten. Dennoch wurde Gustav wider seinen Willen und unter ungünstigen Umständen zu dem ersten Angriff gezwungen. Der junge Rheingraf Otto Ludwig ließ sich durch jugendliche Hitze hinreißen, gegen den ausdrücklichen Befehl des Königs, in die Pohlnische Reuterey einzuhauen. Gustav mußte ihn unterstützen, und nur mit der Gefahr seines eignen Lebens konnte er die tapfern Schweden befreien, die der Rheingraf ihrem Verderben entgegen geführt hatte. Er selbst gerieth mitten unter die Feinde, und schon hielt ihn ein Pohlnischer Reuter beym Degengehenk. Gustav streifte sein Bandelier über den Kopf und ließ es in den Händen des Pohlen. Er verlohr bey dieser Gelegenheit seinen Huth, den die Feinde als ein Siegeszeichen aufhoben, und den nachher der General Arnheim Wallensteinen überschickte. Die Pohlen drangen mit sonderbarer Erbitterung nur immer auf den König ein, und mehr als einer hat in diesem Kriege den Tod von [370] den Händen Gustavs, oder indem er ihm nahe war, empfangen. Auch diesmal faßte ihn wieder ein Husar beym Arm, ehe er noch einen andern Huth hatte aufsetzen können, und er würde ihn fortgeschleppt haben, hätte nicht ein Schwedischer Soldat, Erich Soop, seinen König gerettet, indem er den Pohlen vom Pferde schoß.
Die Unvorsichtigkeit des Rheingrafen veranlaßte eine allgemeine Schlacht. Alle Korps der Schwedischen Armee kamen zum Gefecht, und beide Theile schrieben sich den Sieg zu. Gustav brach in der Nacht sein Lager ab, und zog sich zurück; aber er nahm wenig Tage nachher Rache auf demselben Schlachtfelde, wo er den Feinden eine große Niederlage beybrachte und sie mit einem Verlust von vier tausend Todten zurück trieb. Dieser Unglücksfall, ob er gleich geringer war, als mancher vorhergehende, beugte doch den Muth Sigismunds, weil jezt durch die Ankunft der Kaiserlichen Truppen seine Hofnung [371] erfüllt war, und er keine neue Aussicht mehr hatte durch fremde Hülfe seinen gegenwärtigen Verlust zu ersetzen. Der Französische Gesandte Charnace nutzte diesen Zeitpunkt, um endlich ihm über seine wahren Vortheile und über die Absichten des Oesterreichischen Hauses die Augen zu öffnen. Er zeigte ihm die Unmöglichkeit, bey der allgemeinen Liebe der Schweden für ihren siegreichen Monarchen, sich dieser Nation zum König aufzudringen, und überführte ihn zugleich von der Nothwendigkeit, Pohlen den Frieden zu geben, und vor allem andern, seinem Sohn Uladislaus die Nachfolge auf den Thron dieses Reichs zu sichern.
Charnace bemühte sich mit gleichem Eifer, von dem König von Schweden leidliche Bedingungen für Pohlen zu erhalten, und Sigismunden zu der Annehmung derselben zu bewegen. Seine Vorstellungen machten nun desto größern Eindruck, da sie durch die wichtigsten Staatsgründe unterstützt wurden, und Gustav schon lange [372] beschlossen hatte, seine Waffen gegen die Unterdrücker der deutschen Freiheit zu kehren. Die so oft fruchtlos gebliebne Unterhandlung wurde erneuert, und die Gesandten kamen unter Zelten bey dem Dorfe Altmark in Preußen zusammen. Oxenstierna stand an der Spitze der Schwedischen Bevollmächtigten und der Krongroßkanzler Zadzik sprach für den König von Pohlen. Der Frieden war für Schweden eben so rühmlich als vortheilhaft, er wurde erst nur auf sechs Jahre geschlossen, und dann auf sechs und zwanzig Jahre verlängert, und Gustav behielt sich darin alle seine Eroberungen in Liefland, und den Besitz der Städte Elbingen, Memel, Pillau und Braunsberg in Preußen vor. Am 18 September 1629 wurden die Bedingungen unterzeichnet.
Gustav war nach Schweden zurückgekehrt. Ohne fremde Unterstützung, blos durch seine eignen Kräfte, hatte er die Krone auf seinem Haupt befestiget, sein Reich von den Anfällen drey mächtiger Feinde [373] befreiet, und es durch ansehnliche Provinzen vergrößert. Durch seine weisen Einrichtungen blühte Schwedens innerer Zustand, und das trefliche Kriegsheer, das er geschaffen hatte, machte es allen Nationen furchtbar. Kein Monarch hätte mit größerm Recht von seinen Thaten ruhen können als Gustav; aber sein Schicksal hatte ihn nicht zur Ruhe bestimmt. Die Augen von ganz Europa waren auf den Helden des Nordens gerichtet, als den einzigen Mann der die Fesseln zerbrechen konnte, die ein mächtiges Haus schon seit einem Jahrhundert für die Christenheit schmiedete. Deutschland beugte sich widerstrebend unter die Herrschaft des Oesterreichischen Stammes, Italien war unterjocht, England unter der Regierung eines schwachen Königs unthätig, die protestantische Religion unterdrükt, Dänemarks Macht vernichtet, und Frankreich wurde durch innere Unruhen gehindert, den Fortschritten des Despotismus Schranken zu setzen. Die Stimme des verfolgten Glaubens und der niedergetretnen Freiheit [374] flehte um Rettung an Gustavs Thron, und der menschenfreundliche Monarch versagte ihnen seine Hülfe nicht.
Aber jezt, in dem interessantesten Zeitpunct seines königlichen Lebenslaufs müssen wir ihn verlassen und unsre Mitbürgerinnen auf die Begebenheiten des dreißigjährigen Kriegs verweisen; zufrieden wenn dieser kurze Abriß der Jugendgeschichte Gustav Adolphs ihn als Mensch ihrem Herzen hat eben so werth machen können, als der Held und der König ihrer Bewunderung gewiß ist.
Anmerkungen (Wikisource)
- ↑ Korrigiert. Vorlage: 1720