Das Eßlinger Mädchen
Melac, der Franzen General
Mit seinen wüth’gen Schaaren
Gezogen kam durch’s Neckarthal,
Gen Eßlingen gefahren.
Man hört ihn lachend sprechen,
Wie er die Stadt zum Trotz und Hohn
Am andern Tag will brechen.
Er tritt zu äußerst auf den Wall
Der wolkig zieht, mit seinem Schwall
Die ganze Stadt begrabend.
Doch wie den Qualm zertheilt der Wind,
Sieht er ein Häuslein stehen,
In halbem Nebel gehen.
Er ist in welscher Glut entbrannt:
„Das Mägdlein will ich haben!
Es giebt in diesem Schwabenland
Mir will der Wein in diesem Thal
Schier wie der heim’sche munden,
Darum verlangt mein Herz zumal
Nach heim’schen Schäferstunden!“
Ein Herold vor den Thoren,
Und an die Stadt sein Ruf ergeht:
Will sie nicht seyn verloren,
Soll sie alsbald die schöne Magd
Sonst raucht die Stadt, sobald es tagt,
Von tausend Feuerbränden.
Der frommen Bürger Antwort hat
In gutem Deutsch geklungen:
Wird solches nicht bedungen;
Wir gehen freudig in den Fall
Wenn keine Seel’ verdorben,
Und sterben uns’re Töchter all,
Der and’re Morgen dämmert still,
Die Glocken alle schallen,
Die Stadt als Eine Seele will
Gen Himmel betend wallen.
Die Jungfrau auserkoren,
Zur Kirche wallt des Volkes Drang
Sie wandelt nach den Thoren.
Auf geht die Pforte kaum berührt,
War’s Gottes Arm, der helfend führt
Die reinste seiner Töchter?
Die Magd mit stillem Tritte,
Von Melac’s Lagerhütte.
Gesprungen war er auf in Wuth,
Weil ihn ein Traum betrogen,
Der ihm von heißer Küsse Gluth
Er wirft sich in die Waffen stolz:
Sie sollen’s alle fühlen!
Am dürren und am grünen Holz
Will seine Brunst sich kühlen.
Sieht er die Thüre gehen,
Und mit dem ersten Sonnenstrahl
Die Jungfrau vor sich stehen;
Mit ihrem Häublein spielt das Licht
Aus ihrem blauen Auge bricht
Des deutschen Sinnes Reine.
Nicht Angst, nicht and’re Regung zückt
Durch ihre schlanken Glieder,
Wallt friedlich unter’m Mieder;
Die Hände fromm gefaltet sind,
Schlicht sind die blonden Locken,
Sie schaut ihm, wie ein fragend Kind
Es leuchtet ihm entgegen,
Auf sein geblendet Angesicht
Muß er die Hände legen.
Auf seiner schnellen Zungen,
Es zieht ihn rückwärts, treibt ihn fort,
Hat ihn auf’s Pferd geschwungen.
Hinaus mit seiner Schaar in’s Thal
Als fürchtet’ er den Blitzesstrahl
Aus ihrem Augensterne. –
Die Glocken sind noch nicht verhallt,
Da wandelt zu den Thoren
Siegreich und unverloren.
Anmerkungen (Wikisource)
Zum Stoff siehe Gunter E. Grimm: Das Mädchen von Esslingen. Wandlungen einer Sage (1979) Goethezeitportal.de.
Vers 1: Ezéchiel du Mas, comte de Mélac.