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BLKÖ:Stephanie, Christian Gottlob

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Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich
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Stephanie, Gottlieb
Band: 38 (1879), ab Seite: 216. (Quelle)
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Stephanie, Christian Gottlob, n. A. Gottlieb (Schauspieler und dramatischer Dichter, geb. zu Breslau 1733, n. A. 1734, gest. zu Wien 10. April 1798), wird auch Stephanie der Aeltere genannt. Sein Familienname ist eigentlich Stephan. Sein Vater war Director des großen Hospitals zu St. Bernhardin in Breslau. Der Sohn besuchte das Magdalenen-Gymnasium daselbst, und nun sollte er sich, obgleich ganz gegen seine Neigung, aber nach dem Willen des Vaters, dem Kaufmannsstande widmen. Er kam auch zu einem Kaufmann in die Lehre, beendete die vorgeschriebenen Lehrjahre und hatte sich so anstellig und tüchtig im Dienste bewiesen, daß ihm sein Lehrherr aus eigenem Antriebe das Anerbieten stellte, ihn nach einigen Jahren als Gesellschafter ins Geschäft zu nehmen. Indessen hatte Stephanie die Zeit, in der er Düten drehte und Kleinwaare ab- und zuwog, nicht unbenützt verstreichen lassen. Der Samen war in der Schule gesäet worden und noch jetzt suchte er, wenn es ihm sein Geschäft erlaubte, mit Vorliebe den Umgang der Professoren beider Gymnasien Breslaus und seiner früheren Studiengenossen. So nährte er die nie erloschene Liebe zu den schönen Wissenschaften und schlug das Anerbieten seines Lehrherrn aus, entschlossen seinen eigenen Weg zu gehen, worin sich ihm, nachdem mittlerweile sein Vater gestorben war, kein Hinderniß mehr entgegenzustellen schien. Das Vermögen, das ihm sein Vater hinterlassen, gestattete ihm, seinen Neigungen [217] zu leben, und so wollte er sich denn ganz den schönen Wissenschaften widmen. Doch sollte ihm dieß nicht so leicht gemacht werden, da ebenso seine Vormünder, wie die zahlreiche Verwandtschaft, darauf bestanden, daß er sich der Bestimmung seines Vaters gemäß auch jetzt dem Handlungsgeschäfte widme. Aber alle Vorstellungen prallten an seinem festgefaßten Entschlusse ab, und selbst als man ihm die Interessen seines väterlichen Erbes entzog, beharrte er dabei, und sann auf Mittel, sich der Tyrannei seiner Angehörigen zu entziehen. So gerieth er auf den Gedanken, zur Bühne zu gehen, und trat im Jahre 1756 bei der damals in Breslau spielenden kön. preuß. privilegirten Gesellschaft des Director Schuch ein. Doch auch jetzt noch traten seine Verwandten dazwischen, und bewirkten, daß ihm der Magistrat untersagte, mit seinem wahren Familiennamen die Bühne zu betreten. Dem half der junge Schauspieler auch sofort ab, indem er seinem Familiennamen Stephan die beiden Selbstlaute ie hinzufügte, und als Stephanie auftrat, welchen Namen er nunmehr auch beibehielt. Gleich sein erstes Auftreten in der Rolle des Gusman in Voltaire’s „Alzire“ war ein glückverheißendes; er gefiel und zu Ende des Stückes trug er einen Epilog in Versen vor, worin das damals gegen den Schauspielerstand allgemein herrschende Vorurtheil bekämpft und gezeigt wurde, wie Mitglieder dieses Standes, welche sich durch Talent und Sittlichkeit auszeichnen, bei anderen Nationen Achtung genießen. Mit gleichem Glücke trat er in seiner zweiten Rolle als Waitwel in Lessing’s „Miß Sara Sampson“ auf und legte durch das Geschick, mit welchem er, der 22jährige Jüngling, diese Rolle eines alten treuen Dieners zur Geltung brachte, einen endgiltigen Beweis für das Talent zu dem selbstgewählten Berufe ab. Mit der Schuch’schen Gesellschaft wanderte nun Stephanie von Bühne zu Bühne, und trat in Magdeburg, Potsdam, Berlin, Stettin, Frankfurt a. d. Oder und Küstrin auf; dabei war er vornehmlich bedacht, auch der Schuch’schen Gesellschaft jenen besseren Ruf zu verschaffen, dessen sich die Koch’sche, Ackermann’sche und Schönemann’sche Gesellschaft, deren Streben nach Veredlung und Hebung der deutschen Bühne unverkennbar war, allgemein erfreuten. Aber damit ging es bei einem Unternehmer, wie es Schuch war, nicht so leicht. Schuch [Band XXXII, S. 116), so begabt er sonst war und auch in regelrechten Stücken seine Rollen mit Verständniß spielte, zog doch die Harlekinsjacke jedem anderen Costume vor und bevorzugte die extemporirte Komödie vor jedem anderen regelrechten Stücke. Wenn auch das Spiel eines Eckhof, Kirchhof, Stephanie die Veredlung der Bühne wirksam anbahnte und das Publicum für bühnengerechte Darstellungen wachsende Theilnahme zeigte, Schuch selbst, seinen eigenen Vortheil außer Acht lassend, fand solche Stücke abgeschmackt, nannte sie trotz des entgegengesetzten Urtheils des sich immer zahlreicher einfindenden Publicums „Jesuiten-Komödien und Schmarn“ und hielt mit einer, einer besseren Sache würdigen Ausdauer und Zähigkeit an seinem Hanswurst und seinen unfläthigen Possen fest, worin natürlich meist er die Hauptrolle spielte und auch den Beifall des theatralischen Janhagel einheimste. So blieb es denn auch nicht aus, daß er sich mit den edleren Kräften seiner Truppe zuletzt überwarf, und die Mitglieder Eckhof, [218] Stephanie, Kirchhof, beide mit ihren Frauen, Reichard, Müller der Vater, Stephanie ihre Entlassung nahmen. Stephanie wendete sich mit Kirchhof und einigen anderen Collegen zunächst nach Altona, wo sie eine eigene Gesellschaft bildeten, und im dortigen Dreiteufel-Hof nur regelmäßige Stücke gaben. Stephanie spielte damals die ersten Liebhaber- und Charakterrollen. Aber theils war die Theilnahme des Publicums eine geringe, theils eiferte die orthodoxe Geistlichkeit von den Kanzeln herab gegen das sündhafte Gaukelspiel und endlich hatte die Anschaffung der Costume und neuen Decorationen die Mittel der Gesellschaft erschöpft, so daß sich dieselbe auflöste. Stephanie mit Kirchhof und seiner Frau begaben sich nun nach Mietau, wo eben ein neues Theater errichtet worden war. Dort fand Stephanie solchen Beifall, daß der Ruf seiner Leistungen bis nach Wien drang und von dort an ihn die Einladung erging, in Wien zu spielen. Maria Theresia hatte eben damals den Entschluß gefaßt, das deutsche Theater in einer dem Glanze und der Größe ihres Hofes entsprechenden Weise herzustellen, und Graf Durazzo ward beauftragt, die entsprechende Bühnenreform durchzuführen. Durch Weißkern’s Vermittlung wurde 1760 S. an die Wiener Bühne berufen. Obgleich seine Berufung ausdrücklich für das Auftreten in regelmäßigen Stücken erfolgte, so wollte sich doch Stephanie im vorhinein sichern und bestand darauf, daß diese seine theatralische Thätigkeit fest begrenzende Klausel in seinen Vertrag gesetzt werde, was auch in der That geschah. Ungeachtet dessen war er doch genöthigt, nicht auf der strengen Durchführung dieser Klausel zu beharren, da in dem damaligen Wiener Publicum der Geschmack für die extemporirte Komödie noch stark vorherrschte und es einiger Zeit noch bedurfte, um dasselbe für eine edlere Richtung zu gewinnen. Wollte Stephanie seine Laufbahn nicht aufgeben, so mußte er sich zu dem kleineren Uebel entschließen; blieb ihm dann doch die Hoffnung, das Wiener Publicum für edlere Aufgaben vorzubereiten. Und in der That hatte Stephanie richtig gerechnet. Sein Auftreten in der extemporirten Komödie hatte ihm die Theilnahme des Publicums so gewonnen, daß es nun auch Verlangen trug, den jungen tüchtigen Künstler im regelrechten Stücke zu sehen, und er hatte das Glück so zu gefallen, daß er durch sein treffliches Spiel die Theilnahme des Publicums für das edlere Drama weckte, und es dahin brachte, daß im Jahre 1762 von der Direction ausdrücklich festgesetzt wurde, daß in jeder Woche ein Trauerspiel und ein regelmäßiges Lustspiel gegeben werden müsse. So war der erste Schritt für die Verbesserung der Bühne im Kaiserstaate geschehen. Um diese Richtung auch noch in anderer Weise zu fördern, begann Stephanie im Jahre 1766 eine Monatsschrift herauszugeben unter dem Titel: „Gesammelte Schritten zum Vergnügen und zum Unterricht“, wovon jeden Monat ein Stück, sechs Bogen fassend, erschien, das prosaische Aufsätze aller Art, Erzählungen, kleine Theaterstücke, Fabeln und andere Gedichte, sowie Kritiken zugleich mit Uebersetzungen aus dem Englischen und Französischen enthielt. Diese Monatschrift fand Theilnahme und es gelang, sie durch drei Jahre, 1766, 1767 und 1768, fortzuführen. Um diese Zeit trat Sonnenfels auf mit seinen reformatorischen Ideen über das Theater [219] in seinen Briefen über die Wiener Schaubühne. An diesem Schritte Sonnenfels’ hatte auch Stephanie einigen Antheil, da er in vertrauterem Verkehre mit demselben ihm die Ergebnisse seiner Erfahrungen auf der Bühne mittheilte und dadurch wesentlich die praktische Seite der Sonnenfels’schen Reformen förderte, und überhaupt die gründliche Behandlung eines Gegenstandes, über den man in Wien bisher nicht weiter nachgedacht hatte, ermöglichte. Die Folge dieser vereinten Bestrebungen war keine geringere, als daß Prehauser [Band XXIII, S. 246] selbst für einige Zeit für das regelmäßige Lustspiel gewonnen wurde und Charakterrollen nicht ohne Geschmack spielte. Waren bisher für die Woche ein Trauerspiel und ein regelmäßiges Lustspiel festgesetzt gewesen, so wurden von 1768 an wöchentlich nur mehr zweimal extemporirte Stücke gegeben. So gestalteten sich die Dinge für die Entwicklung der Bühne in Wien in wirklich naturgemäßem Gange, ohne Ueberstürzung und Gewaltmittel, immer günstiger. Im Jahre 1769 übernahm Baron Bender die Direction des deutschen Theaters, und erklärte, er werde keine extemporirten Stücke mehr aufführen lassen. So hatte diese abgeschmackte Richtung endlich den Todesstoß erhalten; freilich war der kurz vorher erfolgte Tod Prehauser’s und Weißkern’s, als der beiden Hauptvertreter dieser Richtung, die überdieß noch einen großen Anhang im Volke besaßen, dazu mitbehilflich gewesen. Stephanie hatte nach neunjährigem unermüdlichen Ringen für das Bessere endlich sein Ziel erreicht. Im Jahre 1760 war er nach Wien gekommen, zu welcher Zeit die extemporirte Komödie noch in voller Blüthe stand; im Jahre 1769 war von Seite der Direction die Erklärung abgegeben worden, sie werde kein extemporirtes Stück mehr zur Aufführung bringen. Zur Verwirklichung dieses für jene Zeit so mächtigen Fortschrittes halfen aber, außer Stephanie’s und Sonnenfels’ Bestrebungen, auch noch andere Umstände mit, unter denen jener, daß immer neue und edle Kräfte für die Wiener Bühne gewonnen wurden, nicht der geringste war. Denn schon im Jahre 1763 war J. H. F. Müller [Band XIX, S. 382, Nr. 40] an das Wiener Hoftheater gekommen, und nun folgten Stephanie’s jüngerer Bruder Gottlieb [s. d. Folgenden, S. 222], Madame Adamberger [Band I, S. 5], Kummersberg, Steigentesch [S. d. S. 13 d. Bds.], Teutscher und noch mehrere andere tüchtige, des Ernstes ihrer Aufgabe sich bewußte Darsteller, welche Bender’s Absichten auf das beste förderten. Seit Ostern 1769 war das extemporiere Stück von der Wiener Bühne verschwunden. Nur einen Augenblick war diese Richtung noch bedroht, als im Herbst 1769 Affligio, welcher das Burgtheater behalten hatte und in demselben französische Stücke und italienische Opern gab, dem Baron Bender das deutsche Schauspiel unter dem Vorwande wieder abnahm, daß er ohne das Nationaltheater die französische und italienische Bühne nicht fortzuführen im Stande sei. Dabei hatte Affligio den Plan, den alten Hanswurst, für den der Wiener Mob noch immer schwärmte, als Zugkraft wieder zu benutzen und in seiner ganzen Herrlichkeit auferstehen zu lassen. Schon suchte die Badner Truppe unter Director Karl Menninger, welche Erlaubniß hatte, in einer Vorstadt Wiens zu spielen, extemporirte Stücke im Theater am Kärnthnerthor zu geben, [220] da entwarf Stephanie eine geharnischte Vorstellung an den Grafen Joh. W. Spork [Bd. XXXVI, S. 245], der damals General-Spectakeldirector in Wien war. Aber ein Machtspruch der Kaiserin machte allen diesen Umtrieben und zunächst den Projecten des Theaterdirectors ein Ende. Sie gestattete die Uebernahme des deutschen Theaters durch Affligio nur unter der Bedingung, daß er es in der von Freiherrn von Bender geschaffenen Richtung fortführe und nur regelmäßige und anständige Stücke zur Darstellung bringe. Natürlich mußte sich Affligio dieser Maßregel fügen, er gab es aber noch immer nicht auf, seinen Plan durchzuführen, und dem Niedrigkomischen wieder Eingang zu verschaffen. Zu diesem Zwecke berief er den Schauspieler Kurz an seine Bühne, der noch aus früheren Tagen, da er unter dem Namen Bernardon spielte, ein Liebling des Wiener Publicums war. Kurz trat zwar nicht mehr in extemporirten Possen auf, sondern legte seine regelrecht dialogisirten Stücke der Censur vor, aber er debutirte darin mit einer nicht minder verderblichen und vielleicht noch verderblicheren Richtung, der sogenannten Weiber- und Buben-Bataille, und war auf dem besten Wege, das Wiener Publicum von der edleren Geschmacksrichtung, die sich eben erst Bahn gebrochen, wieder zu verdrängen. Doch hatte das Edlere bereits zu tiefe Wurzeln gefaßt, als daß die Kurz’schen Gemeinheiten und Plattheiten im Stande gewesen wären, den auf Feineres herangebildeten Geschmack der Wiener für die alte plumpe und gemeine Posse wieder zu gewinnen. Kurz mußte es erleben, daß dasselbe Publicum, welches ihm noch vor zehn Jahren zu seinen derben Späßen und gemeinen Zweideutigkeiten frenetisch zugejubelt, nun über seine Anstrengungen, durch seine alten Mittel die alte Gunst wieder zu gewinnen, mitleidig die Achsel zucke. Aber so rasch wollte Kurz sein Spiel nicht aufgeben; er meinte, wenn man die Ursache entferne, werde auch die Wirkung ausbleiben, und so gab er dem Director Affligio den Rath, diejenigen Schauspieler, welche für das feine Schauspiel eiferten, zu entfernen, und vornehmlich müsse mit dem älteren Stephanie, dem heftigsten Gegner der alten echten Wiener Posse, der Anfang gemacht werden. Der Plan war gut ausgedacht, aber ein Haupthinderniß stand dagegen: der Contract, welcher noch auf mehrere Jahre lautete, und dessen Aufhebung unstatthaft war. Aber wann war ein Theaterdirector in Verlegenheit, ein Mitglied seiner Bühne, wenn es noch so beliebt war, zu entfernen, wenn es seine eigenen Interessen galt? Die Chicane begann, es kam zu Reibungen, endlich zur Auflehnung S.’s gegen Zumuthungen, die er nun einmal nicht erfüllen wollte. Das war Sudordination, reglementswidriges Verfahren, und es kam so weit, daß Stephanie, an dessen Seite damals auch sein jüngerer Bruder stand, mit Arrest bestraft und beiden von der niederösterreichischen Regierung bedeutet wurde, innerhalb acht Tagen Wien zu verlassen. So war denn der Same, den Kurz gesäet, aufgegangen, aber zum Fruchteinheimsen war es doch nicht gekommen. Das Auge der Kaiserin wachte; durch Personen ihrer nächsten Umgebung war sie auf das nichtswürdige Intriguenspiel Affligio’s und Kurzens aufmerksam gemacht worden; sie befahl, den ganzen Proceß dem Staatsrathe vorzulegen, und nun kam die Komödie, welche die [221] beiden Helfershelfer außerhalb der Bühne gespielt, zu Tage. Der Spruch der niederösterreichischen Regierung wurde cassirt und beide Stephanie erhielten Befehl, in Wien zu bleiben, der Unterhalt wurde ihnen von Seite des Hofes angewiesen. Nun sprach auch das Publicum ein Wörtchen mit und verlangte die ihm liebgewordenen Künstler zu sehen. Affligio sah sich gezwungen, mit denen, denen er einen so schmählichen Abgang zugedacht, neue Contracte zu schließen. Dieß war die letzte Wehe, welche der Geburt der neuen Wiener Hofbühne voranging; nun war das starke, lebensfähige Kind da, und gedieh bis zur Stunde. Der Hanswurst war auf immer begraben. Die extemporirte Komödie und ihr noch häßlicherer Wechselbalg, die Kurz’sche Mißgeburt, hatte ihren letzten Athemzug gethan. Es mußte dieß hier ausführlich dargestellt werden, um das nicht immer verständliche Interesse, das sich an den Namen Stephanie in der Wiener Theatergeschichte knüpft, vorläufig zu erklären, und um den Nachweis zu führen, wie tief Stephanie’s des älteren Name in die Entwicklung der Wiener Bühne eingreift. Als im Jahre 1760 Stephanie zum ersten Male die Wiener Bühne betrat, spielte er die ersten Liebhaber und feinkomische Charaktere. Die ersten Rollen, in denen er auftrat, waren Clairval im Lustspiel „Celie“ und der Orest im Trauerspiel „Andromache“. Als im Jahre 1770 die Wiener Bühne durch die Gebrüder Lange [Bd. XIV, S. 97] einen glänzenden Zuwachs erhielt, trat Stephanie die ersten Liebhaber an den ungemein begabten, aber der Kunst zu früh entrissenen, älteren Lange ab und übernahm nun das Fach der Väter, worin er 1771 in Diderot’s „Hausvater“ mit größtem Erfolge debutirte. Dieses Fach spielte er bis in seine spätesten Tage, und als Kaiser Joseph II. im Jahre 1787 den verdienstvollen Veteran, der bereits 27 Jahre so erfolgreich an der Bühne gewirkt, mit ganzem Gehalt in den Ruhestand versetzen wollte, erbat sich Stephanie die Gnade, noch weiter an dem in schönstem Gedeihen begriffenen Institute fortwirken zu dürfen, was er denn auch wirklich noch volle elf Jahre that, so daß er im Ganzen 38 Jahre an der Wiener Bühne gewirkt und wesentlich zu dem Ruhme derselben beigetragen hatte. In den letzteren Jahren war er Mitglied der Direction geworden, und hatte als solches natürlich noch wirksameren Einfluß auf die gedeihliche Entwicklung dieser Kunstanstalt. Aber nicht als darstellender Künstler bloß war S. thätig. Schon oben wurde seiner schriftstellerischen Thätigkeit als Herausgeber einer Wochenschrift gedacht. Er setzte diese Thätigkeit später als dramatischer Dichter fort. Wir werden weiter unten die von ihm in Druck erschienenen dramatischen Arbeiten angeben. Aber nicht nur, daß er selbst schrieb, auch die Stücke Anderer, von denen einzelne Stellen von der damaligen Censur beanständet wurden, änderte er ab, ohne ihren eigentlichen Kern anzutasten oder wie es heutzutage zu geschehen pflegt, das eigentliche Gefüge umzuändern, und bewirkte so daß ihre Aufführung ermöglicht und so dadurch manches Talent für die dramatische Dichtung gewonnen wurde. Wie vortrefflich als Künstler, so gediegen war er als Mensch. Er half, wo es in seinen Kräften lag. Freilich mußte auch er die Erfahrung machen, daß der alte persische Spruch im Wohlthun seine beste Wirksamkeit bewahre: „Spendest du [222] Wohlthat, so wirf es ins Meer, es fressen’s die Fische, doch weiß es der Herr“. In seinem ganzen Wesen tolerant, verwarf er, wenn er verwerfen mußte, mit Anstand, nie ohne die Gründe anzugeben, die dann auch immer vollwichtig waren. In seinen Pflichten als Schauspieler war er pünctlich und gewissenhaft. Singt doch der Dichter Freiherr von Retzer [Bd. XXV, S. 343] in einem im Gothaischen Theaterkalender des Jahres 1778, an Stephanie gerichteten Gedichte: „In meinem Herzen tief hat Hochachtung für | Den edlen Mann, stets für das Wohl der | Seufzenden Menschheit der Wunsch gelodert: | Ministern wünsch’ ich deine Rechtschaffenheit | Monarchen, Menschenlenkern dein edles Herz | Den Priestern Deinen Geist der Duldung | Deine Bescheidenheit jedem Weisen.“ Die Titel der von Stephanie dem älteren im Druck erschienenen theils originalen, theils übersetzten dramatischen Arbeiten sind: „Die neueste Frauenschule oder was fesselt uns Männer? Lustspiel in fünf Aufzügen. Aus dem Englischen“ (Wien 1770, 8°.); – „Die Liebe in Corsika oder welch ein Ausgang? Drama in fünf Acten“ (ebd. 1770, 8°.); – „Die Wahl oder nicht alle lieben Alles. Conversationsstück, in einem Aufzuge“ (ebd. 1771, 8°.); – „Der gutherzige Murrkopf. Eine freie Uebersetzung in drei Aufzügen nach Goldoni“ (ebd. 1773, 8°.); – „Der neue Weiberfeind und die schöne Jüdin. Ein Lustspiel in fünf Aufzügen“ (ebd. 1773, 8°.). Außerdem hat er verschiedene fremde Stücke für das Wiener Theater übertragen, so z. B. „Romanus Brüder“, „Der Renegat“, „Der Hochzeitstag“ u. a. Ferner schrieb er zahlreiche poetische und prosaische Aufsätze, welche in Sammelschriften und periodischen Werken abgedruckt sind. Dieser Veteran der Kunst starb im Alter von 65 Jahren, von denen er 42 Jahre der Kunst gewidmet. Sämmtliche Collegen folgten dem Sarge, der seine Ueberreste barg und auf dem St. Marxer Friedhofe beigesetzt wurde. Christian Gottlob ist nicht zu verwechseln mit seinem jüngeren Bruder Gottlieb, der durch sein Pasquill auf Sonnenfels, „Der Tadler nach der Mode“, sein literarisches Andenken geschändet hat. Dieses Letzteren Lebensskizze folgt.

Oesterreichische National-Encyklopädie von Gräffer und Czikann (Wien 1837, 8°.) Bd. V, S. 153. – (De Luca), Das gelehrte Oesterreich. Ein Versuch (Wien 1778, von Trattner, 8°.) I. Bds. 2. Stück S. 193 und 386. – Streit (Karl Conrad Ritter), Alphabetisches Verzeichniß der 1774 lebenden schlesischen Schriftsteller (Breslau 1776, Korn) S. 160. – Friedel (Joh.), Briefe aus Wien an einen Freund in Berlin (Preßburg 1783, und öfter). – (Risbeck), Briefe eines reisenden Franzosen. I. Band, S. 355. – Peiba (Abraham), Gallerie von teutschen Schauspielern und Schauspielerinnen der älteren und der neueren Zeit (Wien 1783, J. N. von Epheu, 8°.) S. 230 [nach diesem wäre er schon 1724 geboren]. – Megerle von Mühlfeld (J. G.), Memorabilien des österreichischen Kaiserstaates u. s. w. (Wien 1825, J. P. Sollinger, 8°.) S. 312. – Chronologie des deutschen Theaters (Leipzig 1774, 8°.) S. 180, 184, 197, 203, 208, 285, 303, 315, 316 und 338. – Kinderfreund (Karl Jos.), Thalias und Euterpes Klagen (Wien 1850) S. 93.
Porträt. J. E. Mansfeld del. et sc. (8°.).