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BLKÖ:Stephanie, Gottlieb

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Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich
korrigiert
Band: 38 (1879), ab Seite: 222. (Quelle)
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Stephanie, Gottlieb (Schauspieler und dramatischer Dichter, geb. zu Breslau 19. Februar 1741, gest. zu Wien 23. Jänner 1800). Der jüngere Bruder Christian Gottlobs [siehe den Vorigen S. 216], daher auch gewöhnlich Stephanie der jüngere genannt. Er besuchte das Gymnasium [223] Elisabethinum in Breslau und sollte eben die Universität in Halle beziehen, um sich dem Studium der Rechtswissenschaften zu widmen, als er bald nach Ausbruch des siebenjährigen Krieges, 1757, da König Friedrich Soldaten brauchte, in das preußische Huszaren-Regiment Malachowski eintreten mußte. Das Jahr vorher war sein älterer Bruder Christian Gottlob, durch Familienverhältnisse gezwungen, zum Theater gegangen. In der Schlacht bei Landshut am 23. Juni 1769, in welcher Loudon das preußische Corps des Generals Fouqué aufgerieben hatte, gerieth S. in österreichische Gefangenschaft und wurde mit noch anderen Kriegsgefangenen nach Villach transportirt. Neun Monate später trat er in das kaiserliche Infanterie-Regiment Botta als Cadet ein, ging mit demselben nach Siebenbürgen, wurde Feldwebel und verrichtete dann Rechnungsführerdienste. Nach geschlossenem Frieden erhielt er seinen Abschied und kam nach Wien. Durch Vermittlung einflußreicher Gönner wurde er mit Lieutenants-Charakter nach Augsburg auf Werbung geschickt. Nach einem Jahre kehrte er zurück und da er während dieser Zeit vergeblich versuchte, eine neue Anstellung zu erhalten, trat er zufällig in einem Privattheater als Comthur in Diderot’s „Hausvater“ auf. Nun beredeten ihn seine Freunde, welche in ihm ein schönes Schauspielertalent zu entdecken vermeinten, zur Bühne zu gehen, und verschafften ihm einen Platz bei der National-Schaubühne in Wien, welche damals Baron Bender dirigirte. So betrat er denn am 1. April 1769 als Storenfels in „Graf Olsbach“ zum ersten Male öffentlich die Wiener Bühne. Er spielte das Fach der komischen Alten, Poltrons, wozu ihn sein rauhes, trotziges Wesen vor Allem befähigte, alte Bediente im Lustspiel und Tyrannen im Drama. Als Schauspieler stand er im Anbeginne ganz und gar nicht auf der Seite seines älteren Bruders, der mit Nachdruck den Hanswurst und die extemporirte Komödie befehdete; ja, vielmehr trat er gegen Sonnenfels, der ihm bei dem Uebertritte in die theatralische Laufbahn behilflich gewesen sein und auch sonst noch sich ihm liebreich erwiesen haben soll, mit einer Sonnenfels schimpflich verletzenden Parodie dem berüchtigten Stücke „Der Tadler nach der Mode“, einem nichtswürdigen Pasquill, auf, mit welchem Stephanie sich selbst gerichtet und ein bleibendes Brandmal aufgedrückt hatte. [Hier sei es gestattet, einen Druckfehler zu berichtigen, der sich im XXXV. Bande, im Artikel Sonnenfels, S. 323, eingeschlichen hat. Durch denselben wird Stephanie’s Pasquill auf Sonnenfels „Der Tadler nach der Mode“ zum „Jodler nach der Mode“ verwandelt.] In der Folge scheint wohl Gottlieb von seiner Ansicht über den Hanswurst abgekommen, zu sein, denn er stand, als Kurz Bernardon das Gedeihen einer besseren Richtung auf der Bühne durch seine zweideutigen Späße zu hindern suchte und den nicht auf Hebung des Geschmacks, wohl aber auf Füllung seines Sackes sorgsam bedachten Director Affligio in sein Interesse zu ziehen verstanden halte, seinem älteren Bruder hilfreich zur Seite. Die nähere Darstellung des Conflictes und der Ausgang desselben ist in der Biographie des älteren Stephanie mitgetheilt worden. Als dramatischer Dichter war Stephanie der Jüngere weit fruchtbarer als sein Bruder und hat eine ganz ansehnliche Menge von Theaterstücken, theils einzeln, theils in dramatischen Sammelwerken erscheinen lassen. Die Titel [224] derselben sind: „Die Werber. Ein Lustspiel in fünf Aufzügen. Nach dem Englischen des Farquhar“ (Wien 1769, 8°.); – „Die abgedankten Officiere oder Standhaftigkeit und Verzweiflung. Ein Lustspiel in fünf Acten“ (ebd. 1770); – „Die Wohlgeborene oder Heirathen macht alles gut. Ein Lustspiel in fünf Acten. (ebd. 1770); – „Die Wirthschafterin oder der Tambour bezahlt alles. Ein Lustspiel in zwei Acten“ (ebd. 1770); – „Gräfin Freyenhof oder Vater und Tochter in Gefahr. Ein Lustspiel in fünf Acten“ (ebd. 1771); – „Die Kriegsgefangenen oder grosse Begebenheiten aus kleinen Ursachen. Ein Lustspiel in fünf Acten“ (ebd. 1771); – „Der unglückliche Bräutigam. Ein Lustspiel in drei Aufzügen“ (ebd. 1772); – „Macbeth. Nach Shakespeare. Ein Trauerspiel in drei Acten“ (ebd. 1772); – „Der Tadler nach der Mode. Ein Lustspiel“ (ebd. 1773), das gegen Sonnenfels als Reformator der Wiener Bühne gerichtete berüchtigte Pasquill; – „Der Deserteur aus Kindesliebe“ Ein Schauspiel (ebd. 1773); – „Frau Mariandel oder die natürliche Zauberei. Eine Maschinenkomödie“ (ebd. 1773, 8°.); – „Die bestrafte Neugierde. Ein Lustspiel“ (ebd. 1773, 8°.); – „Der Unterschied bei Dienstbewerbungen. Ein Lustspiel“ (ebd. 1777, 8°.); – „Die Wildschützen. Ein Lustspiel mit Gesängen in drei Aufzügen (ebd. 1777); – „Der Ostindienfahrer oder die Liebe heilt nichts. Ein Lustspiel in einem Aufzuge“ (ebd. 1781, 8°.); – „Das Loch in der Thüre. Ein ursprünglich teutsches Lustspiel in fünf Aufzügen“ (Berlin 1781); – Sechs Operetten“ (Wien 1783); – „Christoph Ehrlich. Ein Lustspiel in einem Aufzuge. Aus dem Französischen des Dorvigny“ (ebd. 1784); – „Der Apotheker und der Doctor. Ein Schauspiel in zwei Aufzügen. Nach dem Französischen des Grafen N. „L’Apothicaire de Murcia“ (ohne Angabe des Druckortes 1788, 8°.); 2. Aufl. (Gera 1789); 3. Aufl. (ebd. 1790, 8°.); – „Gerader Sinn und Hinterlist. Ein Charaktergemälde in fünf Aufzügen“ (Leipzig 1791); – „Sämmtliche Singspiele“ (Liegnitz 1792, 8°.); – „Die Art, eine Bedienung zu erhalten“ (Leipzig 1795,. Rein); – „Betrug und Eifersucht. Lustspiel“ (ebd. 1795); – „Die unglückliche Braut., Schauspiel“ (ebd. 1795); – „Die Liebe für den König. Drama“ (ebd. 1795); – „Das Mädchen in der Irre“ (ebd. 1795); – „So muss man Füchse fangen“ (ebd. 1795); – „Die Freiwilligen. Gemälde der Zeit in einem Aufzuge“ (Wien, Wallishausser); – im theatralischen Sammelwerke „Neue Schauspiele. Aufgeführt auf dem k. k. Theater in Wien. Zwölf Bände“ (Preßburg 1771 bis 1775, Löwe, 8°.): „Die seltsame Eifersucht“ (im XI. Bande. 1775); – „Der allzu gefällige Ehemann“ (ebd.); – „Der Spleen oder Einer hat zu viel, der Andere zu wenig“ (ebd.); – „Der entlarvte Philosoph“ (im XII. Bande. 1775); – im Sammelwerke „Neues Theater von Wien. Acht Theile“ (Wien 1768–1779, Kraus, 8°.); „Die Bekanntschaft im Bade“ (1776); – „Die Wölfe in der Heerde oder die beängstigten Liebhaber. Lustspiel“ (ebd.); – „Sie lebt in der Einbildung. Ein Lustspiel“ (ebd.); – „Peter Zapfel oder die Schatzgräber. Ein Lustspiel“ (ebd.). – und im Sammelwerke „Das kais. kön. Nationaltheater. Sieben Bände“ (Wien 1778 u. f., [[BLKÖ:Gräffer, August#Gräffer, Rudolph|]], 8°.): „Die Ueberraschung. Ein Lustspiel in zwei Aufzügen“ (im II. Bande, 1779); – „Nichts. Ein Lustspiel in einem Aufzuge“ (ebd.); – „Der Oberamtmann und die Soldaten. Ein Schauspiel in fünf Aufzügen“ (im vierten Bande, 1780). Der größere Theil der vorangeführten Stücke hat wiederholte Auflagen erlebt; oben wurden meist nur die ersten Auflagen berücksichtigt. Stephanie selbst veranstaltete eine Sammlung [225] seiner Stücke, welche auch unter dem Titel: „Sämmtliche Schauspiele. Sechs Theile“ (Wien, I. Theil 1775 und wieder 1777; II. Theil 1774; III. Theil 1776; IV. Theil 1777; V. Theil 1780, und VI. Theil 1786, Ghelen, gr. 8°., mit 6 KK.) erschien. Es ist beinahe auffallend, daß bei dem geringen Werthe dieser Stücke, die noch dazu meist eine locale Färbung haben, doch so viele gedruckt werden konnten. Sie waren meist wenig correct in Plan, Charakteren, Ausführung, Dialog und in der Sprache, und nichtsdestoweniger fanden sie nicht nur in Wien gute Aufnahme, sondern wurden auch auf auswärtigen Bühnen meist mit Beifall gegeben. Es war überhaupt Mangel an Stücken, daher mußte man sich mit Mittelgut begnügen. Von seinen Operetten hat „Doctor und Apotheker“, die jedoch kein Original, sondern Bearbeitung aus dem Französischen ist, wohl durch ihren musikalischen Theil sich am längsten auf den Brettern erhalten. Obgleich der Werth der dramatischen Arbeiten Stephanie’s, wie oben erwähnt, ein geringer ist, so ist das Weglassen seines Namens in der deutschen Literaturgeschichte von Menzel, Laube u. A., sowie die abfertigende Behandlung mit zwei oder drei Zeilen von H. Kurz nicht ganz gerechtfertigt. Stephanie war seiner Zeit beliebt, seine Arbeiten, wenn sie das Repertoire auch nicht beherrschten, behaupteten sich auf demselben, seine Stücke müssen daher immerhin etwas besessen haben, was an sie fesselte, und dieses Etwas zu erforschen und es zu bezeichnen, da es ein Charakteristicum der Zeit und des Autors zugleich ist, ist Aufgabe des Literaturhistorikers. Fingerzeige dazu gibt das Werk „Chronologie des deutschen Theaters“ (Leipzig 1774), das die dramatische Thätigkeit beider Stephanie’s ziemlich aufmerksam verfolgt und unbefangen beurtheilt.

Fast sämmtliche bei seinem Bruder Christian Gottlob S. angeführten Quellen berichten auch über Gottlieb. Außerdem Sonnenfels’ Briefe über die Wiener Schaubühne. – Chronologie des deutschen Theaters (Leipzig 1774, 8°.) S. 283, 302, 315, 316, 327, 337, 346 und 359. – Ladvocat (Abt), Historisches Handwörterbuch (Ulm 1803, Stettini, gr. 8°.) Bd. IX, S. 963. – GoedekeGoedeke (Karl)]], Grundriß zur Geschichte der deutschen Dichtung. Aus den Quellen. (Hannover 1839 u f., L. Ehlermann, 8°.) Bd. II, S. 593, Nr. 246. – Baur (Samuel), Gallerie historischer Gemälde aus dem achtzehnten Jahrhunderte. Ein Handbuch für jeden Tag des Jahres (Hof 1805, G. A. Grau, 8°.). Zweiter Theil: April bis Junius, Seite 95.
Porträt. Lange p., J. E. Mansfeld sc., Gürtelbild (8°.).