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BLKÖ:Steigentesch, Conrad

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Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich
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Band: 38 (1879), ab Seite: 13. (Quelle)
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Steigentesch, Conrad (Schauspieler, geb. zu Constanz im J. 1744, gest. in Wien im Jahre 1779). Ueber seine Jugendjahre liegen keine Nachrichten vor. Im J. 1767, damals 23 Jahre alt, befand er sich in Wien, um die Arzneikunde zu studiren. Theils aus eigener Lust, theils von Anderen auf seine schauspielerischen Eigenschaften aufmerksam gemacht, gab er das Studium auf und ging zum Theater. In Wien war, Anfangs 1769, Prehauser [Bd. XXIII, S. 246] gestorben und mit ihm der Wiener Hanswurst, der auf der Bühne seine Pritsche schon so lange geschwungen, zu Grabe gegangen. Die Mitglieder seiner Truppe hatten sich geeinigt, nunmehr regelmäßige Stücke zu agiren. Glücklicher Weise war auch Freiherr von Bender, welcher das deutsche Theater übernommen hatte, dieser neuen Richtung hold und trug dem Director Heufeld [Bd. VIII, S. 449] auf, lauter regelmäßige Stücke zu geben. Zu den neu gewonnenen Kräften gehörte neben Stephanie d. J., Weiner, Dr. Kummersberg und Dr. Teutscher auch Steigentesch, der in Heufeld’s dreiactigem Drama „Julie oder Wettstreit der Pflicht und Liebe“, einer nicht ganz ohne Geschick ausgeführten Bearbeitung aus Rousseau’s „Neuer Heloise“, die Rolle des Sigmund spielte. Der Erfolg war ein günstiger und er trat nun in mehreren anderen Stücken, als Belton in der „Indianerin“, als Minister im „Abgedankten Officier“ u. s. w. und immer mit Beifall auf. Dieser Erfolg ermuthigte ihn. S. verwendete auf das Studium seiner Rollen großen Fleiß und war insbesondere bedacht, alle Charaktere, welche er darstellte, mit Naturwahrheit zu spielen. So wurde er bald eines der besten Mitglieder der Wiener Bühne und war namentlich in komischen Rollen unübertrefflich. Durch seinen eisernen Fleiß war es ihm sogar gelungen, sein von Natur hartes, unangenehmes Organ so zu verbessern, daß es nicht mehr störend wirkte. Außer den bereits angeführten Rollen waren noch Marinelli, der Westindier, Germeuil, [14] der Neugierige, der Eifersüchtige seine gelungensten Darstellungen. Da zu jener Zeit das Repertoire noch ziemlich dürftig bestellt war, so versuchte sich S. selbst in dramatischen Arbeiten, die er aus fremden Sprachen bearbeitete, wie z. B. „Der englische Weise (irrig hie und da „Die englische Waise“) oder: Wenige denken so“, ein Lustspiel in 3 Aufzügen, aus dem Französischen (Wien 1771, 8°.); – „Die junge Griechin“; ein Lustsp. in 3 Aufz., nach dem Französischen von Favart (ebd. 1772, 8°.); – „Die gute Frau“, ein Lustsp. in 5 Aufz., aus dem Englischen (ebd. 1776, 8°.); die genannten drei Stücke sind auch in das unter dem Namen „Neues Wiener Theater“ bekannte Sammelwerk aufgenommen. Jedoch sprach sein Spiel nicht Jeden an; man mußte sich an seine Darstellungsweise erst gewöhnen. So schrieb z. B. ein deutscher Tourist, welcher sich unter der Chiffre K. R. verbirgt, in seinen im Jahre 1783, also schon etliche Jahre nach Steigentesch’s Tode, erschienenen „Briefen über Deutschland“ über Steigentesch das Folgende: „Von den Acteurs vom ersten Range ist keiner mehr übrig, als Herr Steigentesch, den ich lieber bei mir im Zimmer als auf dem Theater sehe. Er ist ein Mann von ausgebreiteten Kenntnissen, spricht verschiedene lebende Sprachen und hat Witz. Seine kleine Figur und eine gewisse Affectation schaden seinem Theaterspiele, worin er aber doch viel Verstand und Weltkenntniß äußert. Er macht Stutzer und Chevaliers, die aber hier, sowie die jungen bürgerlichen Liebhaber überhaupt, schlecht besetzt sind.“ Im Uebrigen war Steigentesch nicht frei von jenen Schwächen, an denen die Komödianten aller Zeiten und Völker leiden und worin sie oft bis zu einer gefährlichen Leidenschaftlichkeit sich hinreißen lassen. Wir meinen den Künstlerneid. So hatte denn auch Steigentesch unter seinen Collegen manche, die ihm ein Dorn im Auge waren. Der eine davon war der Schauspieler Lange, ein Bruder des berühmten Heldenspielers Joseph Lange [Bd. XIV, S. 97], ein zweiter der Schauspieler Weiner, der Liebhaber und kleinere Rollen spielte. Gegen Lange artete sein Groll in Haß aus und S. vergaß sich so weit, daß er in einer Rolle, in welcher er Lange zu erstechen hatte, mit einem geschliffenen Dolche nach ihm stach und ihn auch blutig verwundete. Die Sache machte großes Aufsehen, es kam auch zur Untersuchung, aber Steigentesch behauptete, der wirkliche Dolch müsse durch Versehen an Stelle des Theaterdolches ins Requisitorium gekommen sein und er habe sich die Waffe, als er sie nahm, gar nicht näher angesehen. Doch will man später erfahren haben, daß Steigentesch selbst den Dolch habe schleifen lassen. Nicht so weit in seinem Grolle ging er gegen Weiner, den er aber doch, wo und wann sich ihm Gelegenheit darbot, in jeder Weise neckte und quälte, so daß dieser eines Tages in seiner Aufregung über Steigentesch den Ausspruch that: „Dieser Mensch wird mich selbst im Tode nicht in Ruhe lassen.“ Und in der That, es geschah merkwürdiger Weise so. Beide starben zu gleicher Zeit und die Leichen beider wurden in ihren Särgen in die Michaelerkirche zur Einsegnung gebracht. Da geschah es, daß der höher stehende Sarg des Steigentesch herabglitt und polternd und erschütternd auf Weiner’s Sarg niederstürzte. Conrad Steigentesch ist der Großvater des nachmaligen [15] Gesandten, General-Majors und dramatischen Dichters August Freiherrn von Steigentesch, dessen Lebensskizze voranging.

Gallerie von teutschen Schauspielern und Schauspielerinen der älteren und neueren Zeit (Wien 1783, Ign. Nep. Edler von Epheu, 8°.) S. 227. – Allgemeines Theater-Lexikon ... Herausgegeben von K. Herloßsohn, H. Marggraff u. A. (Altenburg und Leipzig [o. J.], 8°.), Neue Ausgabe Bd. VI, S. 32. – Chronologie des deutschen Theaters (Leipzig 1774, 8°.) S. 283, 316 und 339. – (De Luca), Das gelehrte Oesterreich. Ein Versuch (Wien 1778, von Trattner, 8°.), I. Bds. 2. Stück, S. 386. – Meyer (J.), Das große Conversations-Lexikon für das gebildete Publicum u. s. w. (Hildburghausen, Bibliographisches Institut, gr. 8°.). Zweite Abtheilung, Bd. X, S. 175.