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BLKÖ:Popowitsch, Johann Sigmund Valentin

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Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich
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Popović, Aca
Band: 23 (1872), ab Seite: 108. (Quelle)
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Popowitsch, Johann Sigmund Valentin (Sprach- und Naturforscher und Schriftsteller, geb. zu Arzlin im Cillier Kreise Steiermarks 9. Februar 1705, gest. zu Perchtoldsdorf bei Wien 21. November 1774). Sohn des Pflegers der gräfl. Schrattenbach’schen Herrschaft Salloch in Krain, zeigte P. schon als Knabe glänzende Anlagen und einen rastlosen Fleiß, welcher auch in dem Unterrichte seines Lehrers, eines Geistlichen, wenn schon nicht volle Befriedigung, doch freundliches Entgegenkommen fand. Bereits hatte er die Anfangsgründe der lateinischen Sprache inne, als seine Brüder, welche in Gratz studirten, auf Ferien nach Hause kamen. Als diese sich wieder an den Ort ihrer Bestimmung zurückbegeben wollten, bat P., auch mitgehen zu dürfen. Allein seine Mutter, die durch ihrer Hände Arbeit die Kinder ernähren mußte, da P. seinen Vater schon als Knabe verloren hatte, konnte es nicht gestatten. Als indessen der Wagen, der die beiden Brüder nach Gratz bringen sollte, im Markte Gonowitz stille hielt, fanden diese P. rückwärts am Wagen sitzend, und alle Versuche ihn zur Heimkehr zu bewegen, waren vergeblich, so daß ihnen nichts anderes übrig blieb, als ihn nach Gratz mitzunehmen. Nachdem er in der Poesie den ersten Preis erhalten, wurde er in das Jesuitencollegium zu St. Barbara aufgenommen, wo er seine philosophischen und theologischen Studien vollendete. Priester wurde er nicht, da er von Natur aus keinen Wein trinken konnte. Von seinem schon damals rastlosen Fleiße zeigt der Umstand, daß P., als er aus dem Institute austrat, bereits die Griechen und Römer nicht nur alle gelesen, sondern auch zu antiquarisch-historischen Untersuchungen excerpirt und bei seinem zweimaligen Aufenthalte in der Heimat, ein Herbarium angelegt hatte, das 2.000 Species aufwies, welche die Ausbeute des neun Meilen langen Bacher-Gebirges waren. P. durchwanderte nach seinem Austritte aus dem Collegium die südösterreichischen Länder, ganz Italien, Sicilien und Malta zu Fuße, welche Reise volle drei Jahre währte. Er besuchte die entlegensten Orte und keinen, ohne vorher alles gelesen zu haben, was je über ihn geschrieben worden. In der Heimat wieder angekommen, übernahm er die Stelle eines Hofmeisters, in welcher er an 15 Jahre thätig war. Er lebte abwechselnd zu Gratz und Wien, wo er auch die Vorlesungen seines berühmten Landsmannes, Erasmus Fröhlich, über Münz- und Alterthumskunde, hörte. Nachdem er sich von einer gefährlichen Krankheit, die ihn im Jahre 1735 befiel, erholt hatte, wurde ihm der Antrag gemacht, auf Staatskosten nach Constantinopel zu gehen, um dort die türkische Sprache zu erlernen, allein er wies ihn zurück, da ihm ein hochgestellter Gönner eine glänzende Stelle in Aussicht gestellt hatte. Dieser starb aber und P. war nun entschlossen, keine Hofmeisterstelle mehr anzunehmen, sondern als Privatgelehrter seinen Forschungen zu leben. Allein die Noth zwang ihn, den Antrag des berühmten und gelehrten Abtes Fixlmillner von Kremsmünster an der dort von F. gegründeten und von Maria Theresia mit Diplom vom [109] 17. December 1744 bestätigten Ritterakademie, Vorlesungen über Geschichte zu halten, anzunehmen. Doch schon nach zwei Jahren, 1746, legte P. seine Professur nieder, und beabsichtigte zunächst über Regensburg nach Leipzig zu gehen. Sein Aufenthalt in Kremsmünster dauerte jedoch noch ein volles Jahr, welches er mit der Untersuchung der dort vorkommenden Kryptogamen, besonders der Schwämme, zubrachte. 1747 verließ P. Kremsmünster und ging, wie er sich vorgenommen, nach Regensburg mit dem festen Willen allsogleich weiter zu wandern. Die freundliche Aufnahme aber, die ihm von Seite der Gelehrten Regensburgs und Nürnbergs zu Theil wurde, bestimmte ihn zu einem längeren Aufenthalte, der sich endlich auf drei Jahre erstreckte. Auch den botanischen Schätzen Bayerns schenkte er seine vollste Aufmerksamkeit, ohne deshalb seine historischen und philologischen Arbeiten zu vernachlässigen. Von dem Aufenthalte in Regensburg datirt sich P.’s. Thätigkeit als Schriftsteller; so veröffentlichte er einige Untersuchungen in den regensburgischen „wöchentlichen Nachrichten“ und im Jahre 1749 erschien seine erste Schrift über Roschmann’s „Veldidena“, unter dem Titel: „Erstes Probestück vermischter Untersuchungen“ (Regensburg 1749). Dem Rufe als Secretär der österreichischen Gesandtschaft nach Venedig zu gehen, leistete er keine Folge, sondern ging nach Leipzig. Mittlerweile erschienen auf Veranlassung einer von Professor Schwarz zu Altdorf herausgegebenen Schrift: „De columnis Herculis“, seine „Untersuchungen vom Meere“ (Frankfurt und Leipzig 1750, 4°.), welche von sämmtlichen literarischen Blättern damaliger Zeit mit bedingungsloser Anerkennung besprochen wurden. In Leipzig wurde P. ebenso gastfrei und freundlich wie in Regensburg aufgenommen. Bei Professor Kappe genoß er freie Wohnung und freien Tisch; im Hause des Hofraths Menke schrieb er eine Recensionen für die „Acta Eruditorum“, und besonders viel verkehrte er mit Gellert. Jedoch nicht lange blieb P. in Leipzig, da ihm zwei Anträge gemacht wurden, der eine von München, um die Fortsetzung der erst kürzlich begonnenen Wochenschrift: „Auserlesene historische alte und neue Nachrichten von bayerischen Staatsmerkwürdigkeiten“ zu besorgen und der andere von Wien, die öffentliche Lehrerstelle der deutschen Sprache und Beredsamkeit an der Wiener Hochschule und der Savoyschen Ritterakademie anzunehmen, welchem hauptsächlich von dem Erzbischofe Grafen Trautson ausgehenden Rufe P. Folge leistete und bereits im October 1753 seine Vorlesungen begann. Hier hatte nun P. bittere und heftige Kämpfe mit den Anhängern Gotsched’s, als dessen entschiedener Gegner er sich schon in Leipzig zeigte, zu bestehen, welche kein Mittel, wenn es auch noch so schlecht war, scheuten, um P. zu verleumden und Unannehmlichkeiten zu bereiten. Auch würde P. sich kaum gehalten haben, hätte es nicht Männer gegeben, die seine Verdienste würdigend, allen ihnen zu Gebote stehenden Einfluß aufboten, um den Bedrängten zu ermuthigen. P. erhielt nun den Auftrag von Seite der Regierung, eine hochdeutsche Sprachlehre zu verfassen, die auch unter dem Titel „Die nothwendigsten Anfangsgründe der teutschen Sprachkunst, zum Gebrauche der österreichischen Schulen ausgefertigt (Wien 1754) erschien, welche aber, nachdem kaum die ersten eilf Druckbogen ausgegeben waren, von seinen Gegnern, den Gotschedeanern, bereits in Flugblättern [110] aller Art, mit Hohn und Spott übergossen wurde. Allein die Anerkennung, die ihm von Seite der unparteiischen Literaturblätter und von den gelehrten Gesellschaften, von denen viele ihn durch ihre Ehrendiplome auszeichneten, zu Theil wurde, bewog P. auf dem begonnenen Wege rüstig vorzugehen. Bevor noch dieses Werk ganz zu Ende gedruckt war, veranstaltete P. einen Auszug aus demselben und vertheidigte sich in einer geharnischten Schlußrede gegen die vielfachen und unverdienten Angriffe. In dem Zeitraume von beinahe 15 Jahren, während welchem er als öffentlicher Professor in Wien wirkte, verließ er dasselbe nur zweimal, im Herbste 1764, um die Umgebung des Neusiedler Sees kennen zu lernen und 1765, um den hohen Grimming zu besteigen und mit dessen Flora das schon früher angelegte vaterländische Herbarium zu vervollständigen. Schon im Jahre 1763 begannen seine körperlichen Leiden, welche ihn im Jahre 1768 zwangen, der Lehrkanzel Lebewohl zu sagen. Die Kaiserin Maria Theresia belohnte seine Verdienste mit einer jährlichen Pension von 400 fl. Popovitsch zog sich nun auf das Land nach Perchtoldsdorf bei Wien zurück, wo er sich ein Haus mit einem Weingarten kaufte und daselbst allein, ohne alle Bedienung ruhig und zufrieden seinen Forschungen lebte, bis im August 1773 sich schon unverkennbare Spuren der Auszehrung zeigten, welches Uebel ihn auch im folgenden Jahre dahin raffte. Sein kleines Vermögen bestimmte er zu Stipendien für arme Studierende seines Vaterlandes. Er ruht auf dem Friedhofe zu Perchtoldsdorf, wo sein Grab durch ein kleines Denkmal mit der Inschrift: „Popovich. Quod. Fuit.“ bezeichnet ist. Außer den bisher angeführten Schriften erschienen noch bei seinen Lebzeiten: „Programma de inveterato corrupti stili Germanici malo“ (Wien 1754, 4°,); – „Abhandlung über das Briefschreiben“ (Wien 1760), und außerdem noch eine „Abhandlung über den Mergel“ in den Schriften der „pfälzischen öconomischen Gesellschaft“. Ob auch die nachfolgende Schrift „Excerpta es futili libello, qui in Saxonia aliquot Imperialibus emitur, si occurat (rara avis!) sic inscripto: Arcticae horulae subcisivae etc. Adami Wochorizh“ (Witebergae 1684[WS 1], 8°.), gedruckt erschienen oder Handschrift geblieben, kann ich nicht sagen. Nach P.’s Tode wurde auf Anregung des Professors Brink, dem er seine Manuscripte übergeben, durch den Ex-Jesuiten Ignaz Lethmüller folgendes Werk herausgegeben: „Versuch einer Vereinigung der Mundarten von Teutschland: als eine Einleitung zu einem vollständigen Wörterbuche mit Bestimmungen der Wörter und beträchtlichen Beiträgen zur Naturgeschichte; aus den hinterlassenen Schritten des berühmten Professors J. S. V. Popowitsch“ (Wien 1780, 8°.). Außerdem sind noch im Manuscripte erhalten: „In grammaticam Vindicam edendam, id est: Viniđarum seu Vindorum australium cogitata et praeparata“; – „Specimen vocabularii Vindo-Carniolici“; – „Universale Glossarium, ad quod exiguntur voces, probaene sint an corruptae“ alle drei aus der Zeit vor dem Jahre 1777 stammend. Merkwürdig ist die Art, wie P. zum Behufe seiner Arbeiten sammelte und Auszüge machte. Auf einzelne Blätter von gleichem Formate – ihre Anzahl war zuletzt auf viele Tausend angewachsen – wurde das Gelesene bemerkt und das Selbstgedachte niedergeschrieben. In seinem Zimmer hatte jede wissenschaftliche Abtheilung [111] einen besonderen Schrank, welcher in mehrere Fächer zerfiel, in die dann das vollgeschriebene Blatt systematisch eingereiht wurde. So hatte die österreichische Mundart einen Schrank mit 500, die Orthographie der hochdeutschen Sprache einen mit 1000 Fächern u. s. w. Auf seinem Tische standen 10 oder 12 Fächer unter den Aufschriften: „Peregrina releganda; Peregrina relegata; Orthographica restituenda; Orthographica restituta; Interroganda; Etymologica; Dubia; Dialecti; Libri emendi; Varia; und hatten sich die in denselben enthaltenen Blätter stark vermehrt, so vertheilte er sie in die Schränke. Hier folgen noch einige seiner Lieblingsansichten, welche er öfter bei passenden Gelegenheiten anzubringen pflegte, weil sie ebenso eigenthümlich sind, als geeignet erscheinen, die Charakteristik dieses interessanten Gelehrten zu vervollständigen. So pflegte er zu sagen: „Die Naturgeschichte leidet wegen der Sprache und diese wegen jener; der Naturforscher verläßt sich auf den Sprachforscher und dieser auf jenen. Weder die eine, noch die andere wird aus dem Wuste der Verwirrungen herauskommen, wenn nicht starke Sprachforschung und starke Naturforschung in einem Manne zusammentreffen.“ – „Einem Menschen, der sich in Wissenschaften vertieft, muß man Vieles verzeihen. Sein Kopf ist meistens auf seinen Gegenstand gespannt; er vergißt in seiner Einöde auf das, was die Menschen hochschätzen, und schätzt hoch, was die Meisten nicht kennen; ist es ein Wunder, wenn er nur von Sachen spricht, die das Volk Narrheiten nennt?“ – „Die Muttersprache war bei den Römern und ist bei den Franzosen eines der größten Staatsgeheimnisse. Vorlängst mahnten Leibnitz und Puffendorf daran. Das Geheimniß besteht in einer zweifachen Sorge für die Ausbildung und Verbreitung der Muttersprache und in der Sorge für die Einschränkung, Ausschließung und wo mögliche Unterdrückung einer fremden – besonders der Sprache eines benachbarten und mächtigen Volkes.“ – „Ich habe ohne Ausnahme richtig gefunden: Ein Deutscher, der das Französische stark liebt und zu verbreiten sucht, hat einen leichten Kopf und ein kaltes Herz für sein Vaterland.“

Oesterreichische Zeitschrift für Geschichts- und Staatskunde; herausgegeben von J. P. Kaltenbäck [Fortsetzung des Hormayr’schen Archivs] (Wien, Beck, 4°.) II. Jahrg. (1836), Nr. 6–10. – Tagespost (Gratzer polit. Blatt) 1865, Nr. 274 u. 275, im Feuilleton: „Aus dem Culturleben der Steiermark. Ein steierischer Gelehrter des 18. Jahrhunderts“. – Meusel (Johann Georg), Lexikon der vom Jahre 1750 bis 1800 verstorbenen teutschen Schriftsteller (Leipzig 1806, Gerh. Fleischer d. J., 8°.) Bd. X, S. 499. – Paul Jos. Šafařík’s Geschichte der südslavischen Literatur. Aus dessen handschriftlichem Nachlasse herausgegeben von Jos. Jireček (Prag 1865, Friedr. Tempsky, 8°.) I. Slovenisches und glagolitisches[WS 2] Schriftthum, S. 22, 62, 71. – Steiermärkische Zeitschrift. Redigirt von Dr. G. F. Schreiner, Dr. Alb. von Muchar, C. G. Ritter von Leitner, A. Schrötter (Gratz, 8°.) Neue Folge, VI. Jahrgang (1840), 2. Heft, S. 49. – Lebensbilder der Vergangenheit (Gratz 1863, 8°.) S. 43. – Oesterreichische National-Encyklopädie von Gräffer und Czikann (Wien 1835, 8°.) Bd. IV, S. 253. – Poggendorff (J. C.), Biographisch-literarisches Handwörterbuch zur Geschichte der exacten Wissenschaften (Leipzig 1859, J. Ambr. Barth, gr. 8°.) Bd. II, Sp. 531. – Schimmer (Karl Aug.), Bilder aus der Heimat (Wien 1853), S. 288.

Anmerkungen (Wikisource)

  1. Jahreszahl irrig.
  2. Vorlage: glogolitisches.