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BLKÖ:Koháry, Stephan (II.)

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Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich
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Kohaut, Joseph
Band: 12 (1864), ab Seite: 282. (Quelle)
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Koháry, Stephan (II.) (Feldherr und Staatsmann, geb. auf dem Schlosse Csábrag 11. März 1649, gest. 29. März 1731). Aeltester Sohn des bei Levenz für das Vaterland gefallenen Stephan (I.) [s. d. S. 286, Nr. 11] aus dessen Ehe mit Judith Balassa. Nachdem er zuvor zu Hause unterrichtet worden, bezog er für das Studium der höheren Wissenschaften die Hochschule zu Wien, und schon im Begriffe, die theologische Laufbahn einzuschlagen, gab der unerwartete Heldentod seines Vaters seinem Geschicke eine andere Wendung: Kaiser Leopold I. ernannte ihn nämlich an seines Vaters Stelle zum Commandanten der Feste Fülek. Die Tokölischen Rebellen vereint mit den Türken, verwüsteten und beunruhigten das Land und ein Hauptpunct ihrer Streifzüge auf Plünderung war die Umgebung von Fülek. Koháry strafte diese Unbilden und reizte dadurch den Gegner. Tököly erhielt neue Zuzüge von türkischer Seite, insurgirte weit und breit alles Land, Kaschau, Szathmar waren bereits in seiner Gewalt und nun sollte auch Fülek das gleiche Schicksal treffen. Koháry leistete heldenmüthigen Widerstand, 17 Tage bereits dauerte der Kampf um die Festung, 3000 stürmende Türken lagen auf der Wahlstatt. Schon waren die Außenwerke genommen, aber jeden Fußbreit vertheidigte K. auf das Heldenmüthigste. Endlich nur mehr auf die Vertheidigung des Schlosses beschränkt, harrte K. noch immer aus, aber seine pflichtvergessene ehrlose Mannschaft zwang ihn nicht nur zum Aufgeben [283] des Kampfes, sondern hinter seinem Rücken im Einverständnisse mit dem Feinde, übergab sie den Feldherrn und die Feste. Tököly versuchte nun vorerst einen so mächtigen und einflußreichen Gegner, wie Koháry war, für sich zu gewinnen. Der Held aber wies die glänzendsten Anerbietungen zurück, ließ sich durch keine Drohung einschüchtern und ertrug lieber die grausamste Kerkerhaft, ehe er von der Treue gegen den Kaiser lassen wollte. Tököly ließ auch die Koháry’schen Güter verwüsten, zerstörte das Schloß Csábrag und übte alle erdenkliche Gewalt gegen K. aus. Die Wächter, milder als ihr Herr, ließen K. entfliehen und schlossen sich ihm auf der Flucht an, um mit ihm unter den Fahnen des Kaisers zu dienen. Sie wurden aber alle ergriffen, Koháry’s Gefährten an Pfähle gespießt, er selbst in noch schwerere Haft nach Munkacs gebracht. K. jedoch verlor den Muth nicht, und in dieser Zeit entstanden jene Werke K.’s, die seinem Namen in der Literatur Ungarns eine bleibende Stelle gesichert haben. Alle Versuche Tököly’s, Koháry’s Sinn zu beugen oder doch gefügiger zu machen, blieben fruchtlos; so wanderte der Held von Kerker zu Kerker, von Munkacs nach Unghvár, von Unghvár nach Patak, an welch letzterem Orte einige Erleichterungen in seiner Haft eintraten. Als endlich bei Wien, 1683, der große Sieg über die Türken erfochten und ihr Heer von den Siegern bis tief nach Ungarn verfolgt wurde, schlug auch für K. bald die Stunde der Erlösung. Patak, wo eben K. im Kerker schmachtete, fiel in die Hände der Kaiserlichen und K. wurde nach schwerer Haft von 3 Jahren und 2 Monaten frei. Nachdem K. längere Zeit bedurft, um die durch harte Kerkerhaft zerrüttete Gesundheit herzustellen, begab er sich zum Kaiser nach Wien, wo er auf das Glänzendste empfangen wurde. Mit den Worten „Es lebe der Märtyrer der Treue“ hing ihm der Kaiser selbst in Gegenwart des zahlreich versammelten Hofes und Hofstaates die goldene Verdienstkette um. Für das verwüstete Csábrag beschenkte ihn der Kaiser mit dem Gebiete von Fülek, daß es für alle Zeiten bei seiner Familie bleibe, und verlieh ihm im folgenden Jahre das Vice-Generalat des ungarischen Landdistricts diesseits der Donau. Weit und breit erschallte Koháry’s Ruhm, selbst der Papst ehrte den Helden mit dem damals höchst seltenen Geschenke eines geweihten Hutes. In sein Vaterland zurückgekehrt, erschien K. alsbald wieder auf dem Kriegsschauplatze. Bei seinen Versuchen, den Türken das von ihnen besetzte Erlau zu entreißen, wurde er jedoch am Arme schwer verwundet, und dieser in der ärztlichen Behandlung durch Verletzung des Nervs steif, so daß K. unfähig ward, ferner die Waffe zu führen, selbst der Feder nicht mehr sich bedienen konnte. Da ward ihm von seinem Kaiser ein neues Zeichen der Huld. Auf einem in Form eines Halbmondes gekrümmten Stück Silber ließ der Kaiser Koháry’s Namenszug stechen und übergab dieß dem Helden mit dem Bedeuten, daß er den Abdruck dieses Petschaftes stets als echte Unterschrift desselben ansehen werde. Dieser Silberstich ist die berühmte lamina Koharii, deren auch im Corpus juris hungarici Erwähnung geschieht. Von nun an hielt sich K. den öffentlichen Angelegenheiten fern und lebte daheim den Wissenschaften und der Poesie. Als 1703 die Unruhen in Ungarn wieder begannen und Rakoczy ringsum das Banner des Aufruhrs erhob, war das Glück einige Zeit den Aufrührern günstig, [284] da die kaiserlichen Truppen zu sehr mit den Franzosen beschäftigt waren. Nach der Schlacht bei Hochstädt nahmen jedoch die Dinge für die Unserigen eine vortheilhaftere Wendung; Rakoczy selbst fand es für gut, um Waffenruhe zu bitten. Der Kaiser, entschlossen, Frieden zu machen, entsendete Koháry nach Schemnitz, um mit den Rebellen zu unterhandeln, deren Vertreter Bercsényi aber so hartnäckig auf seinen Forderungen beharrte, daß die Verhandlungen zu keinem Ziele führten. Inzwischen starb Kaiser Leopold. Sein Nachfolger Kaiser Joseph I. übertrug gleiche Huld auf Koháry, den er 1707 zum Feldmarschall-Lieutenant ernannte und ihm für sich und seine Nachkommen im Jahre 1710 die Erbobergespanswürde des Honter Comitates verlieh. Joseph’s Nachfolger Karl VI., ernannte aber K. im October 1714 zum geheimen Rathe und am 29. December d. J. zum Oberlandesrichter von Ungarn. Diese hohe Würde bekleidete K. bis zu seinem Tode, der ihn im hohen Alter von 82 Jahren seinem Fürsten und dem Vaterlande entriß. Wie als Held und Staatsmann K. eine Zierde seiner Nation ist, so lebt er auch durch seine wohlthätigen Spenden und Stiftungen im Herzen, durch seine Schriften in der Literatur seines Volkes. Diese letzteren, von denen er den größeren Theil in schwerer Haft verfaßte, sind: „Tintinnabulum tripudiantium“ (Tyrnau 1720, später 1729, und wieder Ofen 1747); den Inhalt dieses Werkes, dessen sonderbarer Titel im damals herrschenden Ungeschmacke seinen Erklärungsgrund hat, bilden didactische und geistliche Gesänge; – „Munkács kővárabén ... szerzett versek“, d. i. Die in der Festung Munkács geschriebenen Gedichte (Wien 1720); sie erschienen auch einzeln unter den Titeln: „Énekek á szerencsé forgandó voltáról“, d. i. Gesänge von dem Wechsel des Glückes (1683), – „A bú enyhődésére szerzett versek“, d. i. Gedichte, geschrieben zur Erleichterung des Kummers (1684), – „Vasba vert rabnak versekbe vett sétálása“, d. i. Spaziergang in Dichtungen des in Eisen geschmiedeten Gefangenen (1685), wurde von dem Neograder Pfarrer Albert Sztrákos in’s Lateinische übersetzt und unt. d. Tit. „Salicetum Heliconis“ (Ofen 1726, 4°.) herausgegeben; – „Istenes Könyörgések“, d. i. Religiöse Gebete (1685); – „Keseredett rabnak ébren alva látott álma“, d. i. Der im Schlafwachen geschaute Traum eines betrübten Gefangenen (1685) – und „Üdőmulatás közben szerzett versek“, d. i. Dichtungen, zur Kurzweil geschrieben (Wien 1720 u. öft.), und zwar wie er selbst angibt, als er mit der Heilung seines verwundeten Armes (1687) beschäftigt war. Noch sind Gedichte aus den Jahren 1706, 1708, 1721 und 1728 unter verschiedenen Titeln, jedoch ohne Angabe des Druckortes und Jahres erschienen. Das Pesther Nationalmuseum bewahrt zahlreiche handschriftliche Lieder des Helden. Er schrieb auch in lateinischer Sprache, und daß er in derselben mit Gewandtheit, ja mit Eleganz sich zu bewegen verstand, dafür geben einen Beweis seine „Chronographica Budae composita“ (1706) und seine „Antidota melancholiae“ (1722). Was seine wohlthätigen Spenden betrifft, so ist hier nicht der Raum, alle aufzuzählen; jedoch sei des Wichtigsten gedacht: Er gründete die Schulen von Kecskemet, stiftete einen Fond zur Ausbildung von 24 jungen Seelsorgern; in seinem Testamente verschrieb er für Spitäler und Arme an 48.000 fl., für arme Studirende und literarische Unterstützungen [285] 111.000 fl.; bei Lebzeiten erbaute er mehrere Kirchen, darunter jene zu Leva, wo er seinem Vater ein Denkmal setzen ließ; auch schenkte er mehreren geistlichen Ordenshäusern zu wohlthätigen Zwecken ansehnliche Summen. Seine Beamten und seine Dienerschaft dotirte er so, daß sie alle wohl versorgt waren. Sein Lieblingsspruch – dessen er sich gern und oft bediente und der sein frommes schlichtes Gemüth kennzeichnet – war: „Dat Deus cui vult“, unter welchen Bercsényi, der Genosse Rakoczy’s, als er Koháry’s Schloß Cábrag geplündert und zerstört hatte. mit räuberischem Uebermuthe seinen Namen und daneben „Accipit ubi vultu schrieb. [Ueber Kohary’s literarische Bedeutung siehe unten die Quellen.] Stephan war unvermält geblieben und sein jüngerer Bruder Wolfgang pflanzte diesen Heldenstamm fort.

Zur Biographie. a) Ungarische und Lateinische Quellen. Kázy (Ferencz), Posthuma memoria res pace belloque gestas comitis St. Koháry, curiae regiae judicis primi complectens (Tyrnaviae 1732, 12°.). – Horányi (Alexius), Memoria Hungarorum et Provincialium scriptis editis notorum (Viennae 1776, Loewe, 8°.) Tom. II, p. 390 [nach diesem geb. 29. März 1649, gest. 1730; wie diese Angaben unrichtig, so ist noch manches andere in Horányi’s Skizze falsch]. – Péterffi (Carolus), Curia judicum regni Hungariae (Tyrnaviae 1726, 8°.) p. 101. – A. Kolosváry rom. kath. nyilvános zelyes gymnasium évkönyvéi, d. i. Programm des Klausenburger röm. kath. Gymnasiums, 4. Jahrg. (1854/5): „Gróf Koháry István néhai országbíró életrajza“, d. i. Biographie des Grafen Stephan Koháry. – Magyar irók. Életrajz-gyüjtemény. Gyüjték Ferenczy Jakab és Danielik József, d. i. Ungarische Schriftsteller. Sammlung von Lebensbeschreibungen. Von Jacob Ferenczy und Joseph Danielik (Pesth 1856, Gustav Emich, 8°.) I. Theil, S. 260. – Nagy (Iván), Magyarország családai czimerekkel és nemzékrendi táblákkal, d. i. Die Familien Ungarns mit Wappen und Stammtafeln (Pesth 1860, Moriz Ráth, 8°.) Bd. VI, S. 288. – Toldy (Ferencz), A Magyar költészet kézikönyve a Mohácsi vésztől a legújabb időig, d. i. Geschichte der ungarischen Dichtung seit der Schlacht von Mohács bis auf unsere Tage (Pesth 1855, gr. 8°.) Bd. I, S. 273 u. f. – In Gyöngyösi’s Werke: „Rozsakoszoru“, d. i. Kranz geistlicher Lieder (1690), befindet sich auch Koháry’s Lebensskizze. – b) Deutsche und andere Quellen. Kertbeny (C. M.), Album hundert ungrischer Dichter (Dresden 1854, 16°.) S. 515. – Oesterreichisches Militär-Konversations-Lexikon, herausg. von J. Hirtenfeld (Wien 1850, 8°.) Bd. III, S. 565. – Toldy (Franz), Handbuch der ungrischen Poesie. In Verbindung mit Julius Fenyéry herausgegeben (Pesth und Wien 1828, G. Kilian und K. Gerold, gr. 8°.) Bd. I, S. XXXII u. S. 95. – Toldy (Franz Dr.), Geschichte der ungrischen Dichtung von den ältesten Zeiten bis auf Alexander Kisfaludy. Aus dem Ungrischen übersetzt von Gustav Steinacker (Pesth 1863, Heckenast, 8°.) S. 295 u. f. – Ungarns Männer der Zeit. Biografien und Karakteristiken hervorragendster Persönlichkeiten. Aus der Feder eines Unabhängigen (Prag 1862, A. G. Steinhausser, 8°.) S. 243. – Ungarischer Plutarch oder Biographien merkwürdiger Personen des Königreichs Ungarn. Aus authentischen Quellen geschöpft und ... dargestellt von Carl Vinc. Kölesy und Jacob Melzer (Pesth 1816, Eggenberger, 8°.) Bd. II, S. 145. – Wigand’s Conversations-Lexikon (Leipzig 1846 u. f., gr. 8°.) Bd. VII, S. 600. – Nouvelle Biographie générale ... publiée sous la direction de M. le Dr. Hoefer (Paris 1850 et s., Firmin Didot frères, 8°.) Tome XXVIII, p. 29. – Porträte. 1) E. Widemann del. et sc.b; – 2) von Pfeffel gestochen (Augsburg, Fol.); – 3) ohne Angabe des Zeichners und Stechers (Almanach-Kupfer), mit der Unterschrift: Stephan Kohárÿ (sic). – Koháry als Dichter und Schriftsteller. Toldy, ungarischerseits wohl der berechtigteste Stimmführer in der literarischen Kritik seiner Nation, nennt Koháry einen „ernsten philosophischen Geist, dem in der Gefangenschaft wie in der Freiheit, insbesondere unter den Verhältnissen seiner hohen Stellung, „das Leben“ Stoff zu Betrachtungen und Dichtungen bot. Die Speculation ist eine der Hauptquellen seiner Poesie, [286] gepaart mit tiefer Empfindung und jenem elegischen Ton, wozu Anfangs seine Leiden, später seine Erfahrungen sein Gemüth stimmten. Auch er liebt gleich Stephan Gyöngyösi [s. d. Bd. VI, S. 60], mit welchem er eine gleichmäßige Ausbildung gewann, und dessen jüngerer Zeitgenosse, sowie Verehrer und Nachfolger in der Poesie er gewesen, das Symbolische, die Exemplification, die mythologische Ausdrucksweise; wird aber wegen der Beschränktheit seines Gesichtskreises häufig breit und matt, zwar weniger in der zrinyischen Stanze als in den kurzzeiligen Versarten, welche seit Balassa so ziemlich zur Herrschaft gelangten und durch das häufige Vorkommen des Reims den Schriftsteller zur Wortfülle verführen. Sein Vortrag ist edel, regelrecht, von Fleiß zeugend“.