Album der Rittergüter und Schlösser im Königreiche Sachsen II. Section/H24
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wend. Nussin oder Nutzin in einer reizenden und höchst angenehmen Gegend, 4 Stunden nördlich von Freiberg und 8 Stunden von Dresden an der Freiberger Mulde gelegen.
Das in der Abbildung befindliche Schloss von Nossen liegt auf einem Felsen, welcher schon im 11. Jahrhundert und vielleicht noch vorher eine Burg trug. Die frühesten bekannten Besitzer derselben waren die Brüder Peter und Johann von Nuzzin (auch Noscin), von denen der erstere bereits in der Dotationsurkunde des Klosters Alt-Zelle 1185 vorkommt. Zwischen beiden aber und diesem Kloster musste schon 1197 der Bischoff von Meissen einen Grenzstreit schlichten. Diese Ritter von Noscin blieben bis zum Jahre 1315 im Besitze von Nossen, wo Stadt und Burg der Bischoff Wittigo II. von Meissen erkaufte und die alte Burg wegreisen und auf deren Stelle ein festes, grosses die Umgegend beherrschendes Schloss erbauen lies, welches bis auf einige Restaurationen und auf die im Jahre 1554 erfolgte Erweiterung bis auf unsre Zeiten in seiner ursprünglichen Gestalt uns erhalten worden ist.
Zu Anfang des 15. Jahrhunderts und zwar 1411 sah sich der Bischoff Thymo genöthigt, das Schloss zu Nossen zu versetzen und durch diesen Versatz kam es, dass die Zinsen das schuldige Kapital bald überstiegen, weshalb Bischoff Johann IV. gezwungen war, Schloss und Stadt an den Abt zu Alt-Zelle zu verkaufen. Dieser Kauf wurde im Jahre 1437 ratificirt.
Erst im Jahre 1483 erliess Kaiser Friedrich III. an besagtes Kloster die Verordnung, das Schloss, weil es Reichslehn sei, wieder frei zu geben und an den Bischoff von Meissen zu überlassen. Durch die Bischöffe kam es an das Churhaus Sachsen. Churfürst August lies vom Jahre 1554 an das Schloss restauriren, neue Gebäude anbauen und zum Sitze eines Amtes errichten, wozu die Alt-Zellischen Kloster-Dörfer geschlagen wurden, so dass das ganze Amt aus 3 Städten, 5 Rittergütern und aus 49 ganzen und 11 halben Amtsdörfern bestand.
Dem Amte Nossen fiel im 16. Jahrhundert das Rittergut Augustusberg anheim, worauf es im 17. Jahrhundert anderweit vom Landesherrn vererbt wurde. Doch schon im Jahre 1620 wurde dieses Gut vom Amtsschöffer Gerlach gegen 20,000 Gulden dem Amte wieder zurückgegeben. Nach 13 Jahren wurde es an den Forstmeister Christoph Zschimmer vertauscht, das Dorf jedoch 1651 zum Amte geschlagen, während das Vorwerk bis auf dessen Enkel im Jahr 1689 kam, der es 1705 an den churfürsth. Oberküchenmeister und Kämmerer Johann Adolph von Haugwitz verkaufte. Dieser erhielt wieder das Dorf Augustusberg dazu, und ist bis heutigen Tages auch abgesondert in Privathänden geblieben.
Dieses Amt Nossen existirte bis zum Jahre 1856 als solches, wo es durch die Einführung der neuen Gerichtsorganisation in ein Gerichtsamt verwandelt wurde, welches jetzt nur aus 2 Städten (Nossen und Siebenlehn) und aus 53 Landgemeinden besteht.
Der Commun Nossen stand erst ein Stadtrichter und einige Stadtgerichtsschöppen, so wie ein Communvorsteher vor, seit Einführung der Städteordnung ein Stadtrath, welcher die Polizeigewalt über die Stadt übt, und eine Freistelle auf der Meissner Fürstenschule, auch ein Familien-Stipendium für Studierende zu vergeben hat.
Im Stadtsiegel befindet sich der Nossner Kirchthurm mit dreien in Trieangel gesetzten Nussbäumen. Ganz dasselbe Siegel führt auch die hiesige Schützengesellschaft.
In kirchlicher Hinsicht gehörte Nossen im 14. Jahrhundert unter den Rossweiner Sprengel der Domprobstei Meissen, welche in Rosswein einen Erzpriester hatte, dem 21 Kirchen untergeordnet waren. Dieser Erzpriester führte den Titel Pleban, und vor der Reformation waren es meistentheils Mönche vom Kloster Alt-Zelle, welche diesen Posten bekleideten.
Das nach der Reformation zu Nossen entstandene Pastorat war anfänglich der Freiberger Inspection unterstellt, bis Nossen selbst eine Superintendur erhielt und mit eigner Inspection versehen wurde. Eingepfarrt [186] nach Nossen sind die Dörfer: Augustusberg, Breitenbach, Nieder-Eula, Nieder-Gruna, so wie die Obermühle, die Mittelmühle, die rothe Mühle, Beyermühle, Steyermühle und Klostermühle.
Die Kirche selbst zu Nossen enthält Nichts besonders Sehenswerthe; aber über dem einen Kirchthore ist an einer Kette eine vermeintliche Riesenrippe verwahrt, welche der Sage nach einem 18jährigen Fräulein von Neideck angehört haben soll.
Die Gegend von Nossen ist reizend, anziehend und fruchtbar, und in früheren Zeiten baute man ausser Getreide und Obst auch Wein.
Im 14. Jahrhundert liess der Bischof Konrad von Meissen Weinberge hier anlegen, von welchem aber keine Spur mehr existirt. Die Stadt Nossen selbst mit seinen 218 bewohnten Gebäuden und 2214 Einwohnern erfreut sich eines herrlichen Feldbaues und einer vortrefflichen Viehzucht. Und Brauerei und Brennerei sind heute noch bedeutende Erwerbszweige, wie solche schon früher gepflegt wurden.
Die Hauptstrassen von Dresden über Waldheim nach Leipzig, von Freiberg nach Lommatzsch und Döbeln führen durch die Stadt und verschaffen solcher Nahrung und Frequenz, obschon durch die verschiedenen Bauten der Eisenbahnen solche im Abnehmen begriffen ist.
Anlangend die Schicksale des Ortes, so hat solcher durch Feuersbrünste, durch den 30jährigen Krieg, durch die Jahre 1812–1813 stark gelitten und am 7. Mai 1813 wurde die Stadt fast ganz ausgeplündert.
Merkwürdig und interessant zugleich für den Altertumsforscher, für den Freund der Natur ist dieses unser Nossen noch wegen der in dessen Nähe befindlichen Klosterruinen von Alt-Zelle.
Nur eine kleine halbe Stunde von hier liegen die berühmten Ruinen, wohin heute noch wie früher Wanderungen und Wallfahrten statt finden. Wenn auch diese Wanderungen im andern Sinne wie früher unternommen werden, so staunt doch immer noch der menschliche Geist das Grossartige früherer Schöpfungen an und fühlt sich zum Danke verpflichtet zu den grossen edlen Wohlthätern der Menschheit, die im Sinne der damaligen Zeit wirkten und zur Veredlung, zur Versittlichung der Menschheit reiche Opfer brachten. Die wahre Frömmigkeit suchte in Klöstern ihr Asyl und hier wurde die Idee eines Gemeinwesens erhalten, wodurch es kam, dass die einzelnen Glieder eines solchen zu einer höheren Ausbildung gelangten: denn nur in Klöstern bestand damals ein gemeines Leben, eine Vereinbahrung Vieler zu einem moralischen Ganzen. So fand hier Gemeinsinn statt, welcher das Herz erweitert und erwärmt und die Quelle bot zu den edelsten Interessen, Kräften und Tugenden.
Darum auch heute noch dieses Sichhingezogenfühlen zu diesen Ueberbleibseln des Alterthums, darum das Wallfahrten heute noch hieher; Darum früher die grossen Anstrengungen zur Unterhaltung dieser Klöster, darum die grossen Schenkungen und Stiftungen für dieselben.
Auch Nossen war, wie wir oben erwähnt haben, einst dem Kloster Alt-Zelle einverleibt und war unter dessen Schutze glücklich und reich.
Noch Eines müssen wir gedenken, was für Nossen in der Neuzeit von Wichtigkeit geworden: Es ist dies der Actienverein der Leipziger Papierfabrik zu Nossen. So viel Anfechtungen auch dieser Verein bei seinem Entstehen erlitten hat, so steht durch technische Gutachten von hochgeachteten Männern so viel fest, dass dieses Unternehmen rentiren muss, und dass das Vertrauen, welches den Leitern des Unternehmers geschenkt worden, gerechtfertigt werden wird.
Die obenerwähnte rothe Mühle ist zur Erlangung der zum Betriebe der Papierfabrik stets nöthigen Wasserkraft für die Actiengesellschaft acquirirt worden und es kann deshalb nie an Wasser für die Fabrik selbst fehlen.
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ein für die Literaturgeschichte merkwürdiger Ort, liegt 1¼ Stunde südlich von der Residenz an der Chaussee nach Dippoldiswalde in einer herrlichen reizende Aussichten gewährenden Gegend, an dem darnach benannten Bache.
Das in der Abbildung befindliche Schloss befindet sich in der Tiefe des Thals. Trotz seines Alters gewährt solches doch einen schönen Anblick und von seinem Thürmchen eine weite Aussicht nach dem Loschwitzer Gebirge. Das Schloss selbst enthält mehre kurze Flügel und die Gebäude sind in 2 Gehöfte vertheilt.
Auf diesem Schlosse stand der grösste Theil der Bibliothek, welche der König 1764 vom Grafen von Bünau für 40,169 Thaler für die Dresdner Bibliothek erkaufte, andere Theile derselben befanden sich zu Dahlen, Weimar und Dresden. Diese Bibliothek wurde am 7. April 1769 nach Dresden geschafft. Dieselbe bestand aus 33000 Bänden, unter denen sich 6600 Folio und 10000 Quartbände befanden. Die Literaturgeschichte war 6000, die alte Philologie 700, die Universalgeschichte 1300, die deutsche Geschichte 2000, die Physik 1000, die Jurisprudenz 2600 Werke stark; sie war besonders reich an Büchern über das Staatsrecht, die deutsche Reichsgeschichte und überhaupt über die Staatengeschichte.
Auf dem Schlosse zu Nöthnitz lebten sehr oft grosse und berühmte Gelehrte: Lippert, Hagedorn, Oeser, Heyne bildeten hier einen wissenschaftlichen Club; hier arbeitete Graf Heinrich von Bünau selbst den grössten Theil seiner deutschen Reichsgeschichte aus; hier fertigte Franke, sein Bibliothekar, den berühmten Catalog der Bibliothek; hier bildete sich auch der unsterbliche Winkelmann, welcher unter Franke in den Jahren 1748–1756 an der Bibliothek arbeitete und da die ersten Ideen zu seiner Geschichte der Kunst fasste. Winkelmann war früher Conrector zu Seehausen und wurde von dem Besitzer des Schlosses hierher gezogen. Hier in Nöthnitz lernte ihn der päpstliche Nuntius-Archinto kennen und veranlasste ihn zu einer Reise nach Rom, wo er sein übriges Leben zubrachte. Im Jahre 1768 wollte Winkelmann in seine Heimath zurückkehren, wurde aber zu Triest von Franz Archangeli, dem er seine Kostbarkeiten unvorsichtiger Weise gezeigt hatte, meuchlings ermordet.
Alle diese berühmten Männer, die das Schloss von Nöthnitz bewohnten, zog der allbekannte gelehrte Staatsmann Heinrich Graf von Bünau hierher, welcher durch Vermählung mit Auguste Helene von Döring dieses Gut erworben hatte.
Später acquirirte die Sahr’sche Familie das Gut Nöthnitz mit Rosentitz, von welcher die Besitzung an die Herren von Könneritz kam. Der gegenwärtige Besitzer ist der Oberhofmeister der Prinzessin Auguste, Geheimerath Julius Bernhard von Könneritz, Ritter des Albrechtsordens.
Beide Güter umfassen zusammen 400 Scheffel gutes Feld, 40 Scheffel Wiesen, 120 Scheffel gut bestandnes Holz. Ausserdem besitzt das Rittergut grosse Gärten, starken Obstbau auf den Feldern, Brauerei und Brennerei. Alleen und Obstplantagen zieren den Ort.
Die Gasthöfe in Nöthnitz, die Bruchschenke, die Obermühle unterm Nöthnitzer Schlosse und die vererbpachtete Nieder-Nöthnitzer Mühle sind ebenfalls Zubehör vom Rittergute Nöthnitz.
Das Nöthnitzer Wasser entspringt am östlichen Fusse des Horkenberges oder am westlichen des Göhligberges, gegen 950 pariser Fuss über dem Meere, dasselbe hat keinen Zufluss und fällt nach einstündigem Laufe bei Strehla in den Knitzbach, sein Thalgrund bei Nöthnitz ist zwar nur gegen 50 Ellen tief, aber wegen der schön begrünten, steilen Anhöhen, die ihn einschliessen, sehr angenehm; seine Richtung ist nordnordöstlich.
Dieses Wasser scheidet Nöthnitz von Rosentitz, einem sehr alten Orte, welcher einst dem Kloster Seuslitz zinsbar war. Auch dieses Seuslitz war im 18. Jahrhundert Besitzthum der von Bünau’schen Familie. Im Jahre 1729 wurde in Seuslitz ein Bünau’scher Geschlechts-Convent gehalten, welchem 30 Bünauer beiwohnten. Zum Andenken jenes Tages [188] wurde dem Senior, dem Minister und Kanzler Heinrich von Bünau, dem gleichzeitigen Besitzer von Nöthnitz, ein silberner, stark vergoldeter Becher überreicht. Im Speisesaal des Schlosses zu Seuslitz hängt auch das Bildniss des Grafen Heinrich von Bünau.
Doch auch im Schlosse zu Nöthnitz ist des Grafen Heinrich von Bünau Bildniss im sogenannten Ahnensaal zu schauen. Aber noch lebhafter ist sein Bild in aller Herzen eingeprägt, die da wissen und zu würdigen verstehn, was dieser Mann für geistige Ausbildung gewirkt und geopfert und deshalb auch stets seine grösste Aufmerksamkeit Kirchen und Schulen zugewendet hat.
So suchte er auch in so fern eine Verbesserung mit Nöthnitz bezüglich des Kirchenganges herbeizuführen, als er die Auspfarrung von der Frauenkirche zu Dresden, und die Einpfarrung von Nöthnitz und Rosentitz nach Leubnitz bewirkte, da letztrer Ort den beiden ersteren Dörfern näher liegt.
Die Kirche zu Leubnitz, welche unter der Inspection Dresden steht ist im Jahre 1459 von der Markgräfin Agathe gestiftet und gehörte unter das Kloster Zelle. Bei Ausbesserung des Thurmknopfes im Jahre 1666 fand man in dem zinnernen Knopfe desselben ein bitteres Klagschreiben eines hiesigen Plebans, des Bruders Anton von Zelle, gegen Luther’s Lehre, auch verschiedene Reliquien nebst dem Evangelium Johannis, welchem man damals eine blitzableitende Kraft zutraute, weshalb es so häufig in die Thurmknöpfe gelegt wurde. Auf dem Kirchhofe von Leubnitz ruht der bekannte ausgezeichnete Landmann Pahlitzsch, von seines Gleichen nur der Sternguker oder der Bauernprofessor genannt.
Er zeichnete sich durch seine mathematischen und astronomischen selbst erworbenen Kenntnisse aus. Neben der Landwirthschaft, die er keineswegs vernachlässigte, trieb er eifrig Astronomie, Physik und Naturgeschichte. Sein Haus war ein kleines Museum, das umsomehr überraschte, weil man es hier nicht suchte. Es enthielt eine ausgesuchte Büchersammlung, mehrere Naturalien und viele Instrumente.
Den Garten zierten viele ausländische Gewächse.
Pahlitzsch ist der Entdecker des grossen Kometen von 1769, denn die englischen Astronomen haben erst später auf diesen Kometen aufmerksam gemacht. Die Naturforscher lehrte er einen neuen Polypen kennen. Er wurde von den Gelehrten der damaligen Zeit sehr hoch geschätzt und von den Grossen geachtet und geliebt.
Der grosse Hirschel[VL 1] in London war sein Freund, mit England stand er häufig in Briefwechsel.
Im Kriege 1779 wurde er mit einem Besuche des Prinzen Heinrich und des Herzogs Leopold von Braunschweig beehrt. Ersterer lud ihn oft zu sich nach Dresden ein und machte ihm Geschenke an Büchern und Instrumenten. Auch der Herzog von Braunschweig bezeigte sich auf jegliche Art freigebig gegen Pahlitzsch. Selbst der Churfürst von Sachsen unterhielt sich oft und gern mit ihm. Dabei blieb er der einfache Landmann in Kleidung, Lebensweise und Arbeit. Er pflügte und ladete Dünger, wenn die Wirthschaft es heischte und studierte blos in freien Stunden. Er starb am 22. Februar 1788.
Sein Bild ist auf Kosten des Geheimen Raths von Ferber äusserst ähnlich vom[VL 2] Graf gemalt und im Jahre 1782 von Schultze gestochen worden.
Pahlitzsch war in dem ebenfalls nach Leubnitz eingepfarrten Dorfe Prohlis geboren und soll viel auch mit dem Grafen von Bünau in Nöthnitz verkehrt haben, und vorzüglich dieser Verkehr die Veranlassung gewesen sein, weshalb Pahlitzsch mit so viel grossen Männern in Verbindung kam.
Nirgends passender in diesem Album als gerade bei der Beschreibung von Nöthnitz dürfte daher die Erwähnung eines so grossen Mannes angebracht sein und man wird daher diese kleine Abschweifung gewiss gerne verzeihen.
Wir haben von Nöthnitz nur noch zu erwähnen, dass ausser dem Rittergutsgebäude keine besonderen grossen Güter hier existiren. Doch sind im Orte eine Mühle und ein Gasthof; ausserdem nur 25 Häuser, wovon im Jahre 1813 nicht weniger als 6 ein Raub der Flammen wurden.
Die Einwohner, die über 100 betragen, sind in das Gerichtsamt Dresden gewiesen.
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in den Urkunden auch Stuchowe, liegt 2 Stunden von Lommatzsch, am Wege nach Oschatz über Jahna hinaus.
Wer unsrer Leser sollte Staucha nicht kennen, den Ort, wo einst an der Stelle der Diaconats- und Cantorats-Gebäude das berühmte Benedictiner-Nonnenkloster stand, so genannt vom Abt zu Aniane, Benedikt, dessen Bestimmungen über Einrichtung und Ordnung derartiger Klöster nach jenen des heiligen Benedikt von Nursia gezogen waren.
Das Kloster selbst war von dem meissn. Burggrafen Meinher I. zwischen 1190 und 1232 gestiftet. Dasselbe stand unter der Meissner Domprobstei. Der Burgvoigt war Schirmvoigt, der Markgraf von Meissen oberster Schutzherr.
Das Pfarrlehn zu Staucha erhielten die Nonnen vom Burggraf Meinher in dem Jahre 1261 und 1263 das zu Leuben, wogegen sie aber demselben die bisher gehabten Patronatrechte über die Kirchen zu Hof, Hohenwussen, Blosswitz, Neckanitz, Nanndorf abtraten.
Später und zwar im Jahre 1344 wurde dieses Kloster nach Döbeln translocirt.
Zu dieser Zeit war auch auf dem hiesigen Klosterhofe eine Capelle erbaut. Die Altarleute zu Staucha bedienten sich aber noch im Jahre 1443 des Klostersiegels. Jetzt sind von diesem Kloster keine Spuren mehr vorhanden, als höchstens ein verfallener, unterirdischer Gang, welcher vom Kloster aus unter der Diaconat-Wohnung nach Niederstaucha führte.
Wir sagen Niederstaucha und man wird fragen, ist dies ein andrer Ort, als unser Staucha. Strenggenommen nicht: doch von jeher war die Einteilung in Ober- und Niederstaucha üblich, und eigentlich waren auch 2 Rittergüter oder Vorwerke vorhanden, die aber von jeher nur einen Besitzer hatten.
Nach der Reformation finden wir im Besitze dieser Güter Nikol von Salhausen. Nach dem Aussterben dieser Familie im 17. Jahrhundert waren die Herren von Nitzschwitz Besitzer und dann über 100 Jahre und zwar bis zum 19. Jahrhundert die Familie von Hartitzsch, von welcher die Güter an den Herrn von Kruhm[VL 3] gekommen sind, der solche jetzt noch besitzt. Die herrschaftlichen Gebäude gewähren ein schönes Ansehen u. sie sind verschiedenen Zeiten restaurirt und in neuerem Geschmacke hergestellt.
Das Areal der Güter ist nicht unbedeutend und die Gegend schon sehr fruchtbar, weshalb auch alle Getreidearten gedeihen. Auch wird in den zum Gute gehörigen Gärten vortreffliches Obst erbaut, Brauerei und Brennerei werden schwunghaft betrieben und die Viehzucht ist sogar eine ausgezeichnete zu nennen.
Zu den Hauptgütern gehört das Vorwerk Pösig oder das Pösighaus, wozu ein Wald von 62 Ackern 57 Quadrat-R. gehört, welcher aus Eichen, Birken und Buchholz besteht. In diesem Walde soll, wie die Sage geht, vor Zeiten ein Schloss gestanden haben und ein besondrer Platz in diesem Walde führt noch den Namen „des Walls.“ Nach Zerstörung dieses Schlosses sei ein neues in dem eine Viertelstunde davon entfernten Gleina, welches zur Gerichtsbarkeit von Staucha ebenfalls gehörte, erbaut, welches die Herren von Glyna nachher besessen haben sollen.
Der Wald Pösig kommt in den Urkunden des Jahres 1261 unter dem Namen Biscowe (Biskowe) vor und im Jahre 1544 wird er Peskau genannt. Ein einzelnes Stück desselben heisst bis zum heutigen Tage das Streitholz.
[190] Dem Pösighaus steht das Recht des Schankes zu und liegt an der ehemaligen Poststrasse, die von Meissen nach Oschatz und Hubertusburg führte.
Der Besitzer von Staucha ist auch Collator über die dasige Kirche, in welche 24 Ortschaften gepfarrt sind, und zwar Altsatteln, Arntitz, Berntitz, Denschütz, Dobernitz, Dreben, Gleina, Grauswitz, Ibanitz, Marschitz, Panitz, Platitz, Pösig, Prositz, Stauchitz, Steuden, Stössig, Tösitz, Tragen, Waitschenhain, Wilschütz und Wunitz.
Zur Stiftung dieser starken Parochie hat vorzüglich das frühere Benedictiner-Nonnenkloster Veranlassung gegeben.
An hiesiger Kirche sind ein Pastor, ein Diaconus, ein Subdiaconus und ein Cantor und Schullehrer angestellt. Das Subdiaconat entstand im 16. Jahrhundert aus dem ehemaligen Rectorat und deshalb musste derselbe bis auf die neueste Zeit einigen Unterricht in der Schule ertheilen.
Von dem früheren Kloster sind bis auf dem heutigen Tag noch einige Stiftungen und Gebräuche übrig, wie z. B. das Weiberchor, die Amtsverrichtungen des Pastors im Orte selbst und die Besorgung der Auswärtigen vom Diaconus. Einer alten Stiftung gemäss müssen die Besitzer des Ritterguts Stauchitz bei Seerhausen, sobald an Festtagen in der Kirche zu Staucha auf dem Altare 3 Kerzen brennen, die mittelste und höchste derselben, nebst dem Leuchter anschaffen, wofür ihnen aber auch, wenn sie das Abendmahl geniessen, 3 Kerzen angezündet werden.
Merkwürdig ist auch noch, dass die 3 nach Staucha eingepfarrten Dörfer Arntitz, Berntitz und Wunitz, welche nahe beisammen liegen und eine Gemeinde bilden, die Stauchaer Dörfer heissen. Berntitz bildet den nördlichsten, Arntitz den westlichen und Wunitz den südlichen Theil der Gemeinde.
Wuhnitz hat wohl seinen Namen vom Wendischen Wuhon, die Viehtrift.
Alle drei Orte gehören zu den wohlhabensten hiesiger Gegend und liegen in einer herrlichen Pflege.
Die ganze Gegend und somit auch Staucha hat im 30jährigen Kriege und auch in den Kriegen zu Anfang des 19. Jahrhunderts furchtbar gelitten; aber vermöge der günstigen Lage seiner Bewohner sich auch bald wieder erholt und die langen Friedensjahre haben hierauf wohlthätig eingewirkt. Bemerkenswerth von Staucha ist noch, dass dieser Ort früher Marktrecht hatte und überhaupt noch viel bedeutender war, als jetzt.
Oberstaucha mit Niederstaucha und Pösig haben zusammen 92 bewohnte Gebäude mit 802 Einwohnern, die in’s Gerichtsamt Oschatz gewiesen sind.
[191]
nahe bei Berggiesshübel, 1¾ Stunde von Pirna, 1½ Stunde von Liebstadt in sanfter und fruchtbarer Gebirgsgegend, Friedrichswalde gegenüber gelegen, bis zur Para hinab in nordwestlicher Richtung sich erstreckend, ist wohl zu unterscheiden von Ottendorf bei Radeburg und von Ottendorf bei Schandau.
Woher der Name stammt, ist nicht so recht ermittelt! Aller Wahrscheinlichkeit nach, ist derselbe deutschen Ursprungs und einem Ott von Bernstein zuzuschreiben, denn diese Familie soll zuerst Besitzerin von diesem Gute gewesen sein, deren Stammsitz das nahe Bärenstein, Bernstein oder Pernstein war.
Im Jahre 1489 besass Ottendorf Hans von Bärenstein, oder Bernstein, ein Vetter des Valzig von Bernstein, welcher in demselben Jahre vom letzteren das Schloss Bärenstein erbte.
Hans von Bernstein gerieth in missliche Vermögensverhältnisse und musste 1496 sein Gut an Herzog Albrecht nebst mehrern andern Besitzungen verkaufen. Allein sein Sohn Christoph, welcher so glücklich war, den Herzog Heinrich bei dem Ausfalle aus der von den Friesen belagerten Stadt Franken zu retten, bekam durch dieses Fürsten Vermittlung die Güter des Vaters wieder und die Familie von Bernstein besass die Besitzungen noch bis in’s 17. Jahrhundert. Von Ottendorf stammt auch Weinhold von Bernstein, dem der berühmte Räuber des 15. Jahrhunderts Witticho oder Wittich vom sogenannten Wittichs-Schloss nachstrebte. Letztrer wurde aber vom Weinhold von Bernstein gefangen genommen und erschlagen. Der Markgraf von Meissen hatte auf Wittichs Einlieferung einen grossen Preis gesetzt; allein Herr von Bernstein hatte sich sehr genügsam weiter nichts erbeten, als dass er ein Wild, welches er auf seinem Gebiete überall gehetzt habe, auch ausserdem und selbst bis auf die Dresdner Brücke verfolgen dürfe.
Nachdem die Familie von Bernstein mit Damm von Bernstein ausgestorben war, kam das Gut Ottendorf an das Geschlecht derer von Bünau. Vom Jahre 1643–1661 war der Oberküchenmeister Rudolph von Bünau damit beliehen. Im Jahre 1693 besass es ein Oberlieutenant von Bünau und 1696 der Kreissteuereinnehmer von Bünau, und so blieb das Gut noch bis zum 18. Jahrhundert bei dieser Familie, worauf es an die Familie von Lindenau kam.
Im 17. Jahrhundert acquirirte Ottendorf das Geschlecht derer von Carlowitz, welches noch im Besitze davon ist.
Der derzeitige Besitzer ist Herr Otto Rudolph Wilhelm von Carlowitz.
Das dasige neue Herrengebäude hat 9 Fenster in der Fronte und in der Abbildung bemerkt man noch das eigentliche alte Schloss, welches früher mit Wall und Mauer umgeben war.
An die neue Schlosswohnung stösst ein schöner Garten mit herrlichen Anlagen.
Das Areal des Gutes ist nicht unbedeutend. Von den Waldungen [192] desselben liegen 316 Scheffel auf Gottleubaer Flur und andere Stücke auf den frühern Hammergütern Cratza und Fichte, welche mit Ottendorf combinirt sind.
Ausserdem gehört zum Gute eine Mühle, eine grosse Ziegelei und ein Kalkofen.
Ausserdem war noch vor Einführung der neuen Gerichtsorganisation das Dorf Nenntmannsdorf, dessen Felder zu den besten der hiesigen Gegend gerechnet worden, ein schriftsässiger Ort von Ottendorf.
Nenntmannsdorf ist geschichtlich merkwürdig geworden durch das Jahr 1813.
In der Nähe des Gasthofes „der Laurich“ genannt, welcher nahe über den obersten Häusern des Dorfes an der Strasse von Dresden und Pirna nach Liebstadt zu liegt und zu Weesenstein gehört, kam es im gedachten Jahre zu einem bedeutendem Gefechte zwischen Russen und Franzosen, wobei über 100 der letzteren ihren Tod in den dasigen Kalkbrüchen fanden.
Dabei kommen wir auf die in hiesiger Gegend liegenden Kalksteinbrüche zu sprechen, welche den Gärtnern und Häuslern hier reichliche Nahrung gewähren.
Aus diesen Brüchen wird in die ganze Umgegend viel Kalk als Dünger geliefert. Die vielen Kalköfen liefern viel Kalk nach Pirna und an die Elbe zum weitern Verschaffen.
Ueberhaupt kann man nicht anders sagen, als dass sich die Einwohner von Ottendorf und Nenntmannsdorf gut nähren und in Wohlstand befinden. Ackerbau und Viehzucht werden sehr gut und vortheilhaft betrieben. Die Viehzucht vorzüglich wird durch die schöne Gräserei ungemein begünstigt.
Weizen und Roggen gerathen besonders. Der Obstbau ist gut zu nennen und früher wurde sogar Wein erzielt.
Der Besitzer von Ottendorf ist auch Collator über dasige Kirche und Schule, worüber die Inspection der Superintentur Pirna zusteht. In die Kirche zu Ottendorf sind die Dörfer Dohma, Nieder- und Obergersdorf eingepfarrt.
Im 14. Jahrhundert gehörte die hiesige Kirche unter das Meissner Archidiaconat und den Sedes Pirna.
Um Kirche und Schule haben sich vorzüglich durch milde Stiftungen und andere grosse reiche Gaben die Familien von Lindenau und von Carlowitz verdient gemacht und sich ein dankbares Andenken gesichert.
Um noch ein Mal auf das schon erwähnte Kalksteingebirge, oder wie sie auch sonst genannt werden, auf die Maxner Marmorgebirge zurückzukommen, so sind dieselben in hiesiger Gegend namentlich zwischen den Dörfern Gersdorf, Borna, Nenntmannsdorf und besonders Maxen in horizontalen Lagern von verschiedener Stärke aufgesetzt.
Das Gestein ist grauweiss und von gelbgemischter bläulicher Farbe, bald mehr, bald weniger feinkörnig. Der Werth dieses Gesteins wird noch durch seine angenehme weiss und gelbgemischten bläulichen, verschiedentlich eingesprengten Farben erhöhet.
Im Anfange des 18. Jahrhunderts wurde der sogenannte Marmor hiesiger Gegend stark verführt.
Früher waren die Steinbrecher und Tagelöhner; in späterer Zeit ist die ganze Arbeit auf bergmännschen Fusse eingeführt worden.
Die Höhe im Norden von Ottendorf gewährt eine herrliche Aussicht in das schöne Elbthal, die reiche Abwechselungen und interessante Punkte von der Ferne dem Beschauer bietet. Jeder Ort, jeder Platz, den das Auge erspähet, entzücket die Jugend sowohl wie das Alter, welches letztre dabei noch in reichen Erinnerungen schwelgt und deshalb doppelt geniesst.
Ottendorf an sich ist kein bedeutender Ort, da es nur 50 Häuser mit 399 Einwohnern zählt, worunter sich 1 Mühle, eine Schänke und eine Schmiedewerkstelle befinden; aber alle Bewohner sind fleissig und betriebsam und befinden sich in einem gewissen Wohlstand.
Seit der Einführung der neuen Gerichtsorganisation gehört Schloss und Dorf Ottendorf zum Gerichtsamt Pirna, Cratza mit Bärenhau und Fichte mit Höllendorf ist dem Gerichtsamte Gottleube zugetheilt.
Anmerkungen der Vorlage
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