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ADB:Zschackwitz, Johann Ehrenfried

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Artikel „Zschackwitz, Johann Ehrenfried“ von Reinhold Brode in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 45 (1900), S. 444–445, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Zschackwitz,_Johann_Ehrenfried&oldid=- (Version vom 5. November 2024, 06:52 Uhr UTC)
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Zschackwitz: Johann Ehrenfried Z., Rechtslehrer und Publicist, entstammt einer böhmischen Familie, die, in den Zeiten der Gegenreformation aus ihrem Vaterlande entwichen, sich in Kursachsen niedergelassen hatte. – Zschackwitz’ Vater war kursächsischer Floßverwalter, zuerst in Kösen a. d. Saale, sodann in Zeitz a. d. Elster. Auf dem Floßhause zu Kösen wurde Johann Ehrenfried am 25. Juli 1669 geboren. Er besuchte das treffliche, damals unter Christoph Cellarius, einem der besten philologischen Schulmänner seiner Zeit, blühende Stiftsgymnasium zu Zeitz und trieb von 1688–91 in Leipzig, namentlich unter Adam Rechenberg, Chr. Fr. Franckenstein und Friedrich Philippi theologische, juristische, historische Studien. Nach vorübergehender Beschäftigung in der sächsischen Kriegskanzlei versah er in den Jahren 1693–97 bei dem Hause Sachsen-Gotha das Amt eines Auditeurs und Quartiermeisters, und zwar im Kürassierregiment des damaligen kaiserlichen Feldmarschalllieutenants Grafen Alexander Hermann v. Wartensleben (des späteren preußischen Generalfeldmarschalls), der in dem thatenarmen Kriege gegen Frankreich die Contingente der Herzöge von Gotha, Weimar, Eisenach am Oberrhein befehligte. Der Rijswijker Friede machte dieser Thätigkeit ein Ende. Er führte den jungen Auditeur nach Dresden, wo er als Secretär des kursächsischen Statthalters Fürsten Anton Egon zu Fürstenberg († 1716) und des kursächsischen Geheimen Raths Moriz Tham Marschall von Biberstein († 1702) zugleich bei mancherlei diplomatischen Verschickungen sich verdient machte.

Im J. 1705 erscheint Z. in Leipzig, um „auf Anrathen einiger vornehmer Freunde“, wie es heißt, „der Welt durch gelehrte Schriften zu dienen“. Durch Weltbildung und wissenschaftliche Kenntnisse ohne Frage dazu in Stand gesetzt, versuchte er eine gern und umfassend geübte Schriftstellerei mit praktischer Betriebsamkeit zu verbinden. Er wurde 1711 Archivsecretär in Eisenach. Seit 1713 wirkte er als Professor historiarum am Gymnasium academicum in Coburg; seit 1716 in der gleichen Eigenschaft am Gymnasium zu Hildburghausen. In dem letztgenannten Jahre kamen seine Noten zu dem ‚Examen juris publici‘ heraus. Da er sich in diesem Werke ziemlich unverfroren über die kaiserliche Regierung geäußert hatte, zog er sich die Ungnade der Hofburg zu, und indem er dergestalt auf seine Sicherheit Bedacht nahm, entschloß er sich, Hildburghausen zu verlassen und sich unter den Schutz der Krone Preußen zu begeben. Er wählte Halle zu seinem Aufenthalt. Mit Genehmigung der königl. Akademie erlangte er die Erlaubniß, an der Friedrichs-Universität über Geschichte und öffentliches Recht vorzutragen. Die Folge war, daß er von Friedrich Wilhelm I. im J. 1731 zum außerordentlichen, im J. 1738, leider schon recht bejahrt, zum ordentlichen Professor für Reichsgeschichte und öffentliches Recht ernannt wurde. 1744 starb er.

Z. ist der rechte Typus des Polyhistors seiner Tage. Seine Lehrwirksamkeit, die uns übrigens als die eines „fleißigen, munteren und aufgeweckten Rechtsgelehrten“ geschildert wird, fiel schon in die Zeit, da die junge Friedrichs-Universität ihre erste Blüthe hinter sich hatte; da der überraschende Reichthum an Celebritäten versiegt war, und die Hochschule aufgehört hatte, in jener wunderbaren Vereinigung von Theorie und Praxis die charakteristische Richtung auf das Verständige, Nützliche und Zweckmäßige zu repräsentiren, welche während des ersten Menschenalters ihres Bestehens der Wissenschaft und der Kirche wie dem Staate so reiche Früchte geschenkt hatte. Indeß auch diese Entwicklung wies ihre nicht zu verkennende Kehrseite auf. Der allein auf das zunächst Brauchbare gerichtete und aller reinen Gelehrsamkeit abgekehrte Sinn des großen Verwaltungskönigs begann allgemach seinen Einfluß geltend zu machen. Die Facultäten wurden mit Mittelmäßigkeiten überschwemmt: wobei der Umstand [445] zu Hülfe kam, daß mancher in mißbräuchlicher Rücksichtnahme auf die Sparsamkeit des Monarchen sich unterfangen konnte, seine Dienste ohne Gehalt oder doch ohne nennenswerthe Besoldung anzutragen. Die Bedeutung der Juristenfacultät in den dreißiger und vierziger Jahren des Jahrhunderts ist neben Z. durch Jakob Gabriel Wolff, Schlitte, Knorre, Schmeitzel, Carrach e tutti quanti genügend gekennzeichnet. Nirgend waren die Kathederkniffe, um vor den Jünglingen im Nimbus der Allwissenheit zu glänzen, nirgend die eigentlich erniedrigenden Werbekünste (und ähnliche Mißstände herrschten in Frankfurt, vgl. Lebensbeschreibung J. J. Mosers, 4. Bd., 3. Aufl. 1777) bei starker Concurrenz, schwacher Besoldung und noch schwächerer Begabung so in Schwung wie zu Halle. Daß man den Haufen auch durch possenhafte Späße zu unterhalten wußte, davon geben N. H. Gundling’s Aufsätze und ‚Ausführliche Discourse‘ manche erbauliche Probe. – Zschackwitz’ Schriften – ein Verzeichniß in Zedler’s Universallexikon (51, 105) umfaßt 60 Nummern! – betreffen einerseits alle möglichen gelehrten Controversen der Reichs- und Rechtsgeschichte (beachtenswerth der Commentarius de septem clypeis militaribus 1729, 4°), andererseits behandeln sie darstellend auch die Begebenheiten seiner eigenen Epoche, aber ohne Tiefe und Originalität. Zu den eigentlichen Geschichtschreibern wird man ihn demnach nicht zählen dürfen, wie denn auch sein Wirken in Franz v. Wegele’s Geschichte der deutschen Historiographie, die uns doch mit manchen recht langweiligen Gesichtern bekannt macht, keine Stelle gefunden. Gebührende Erwähnung ward ihm natürlich in Wilh. Schrader’s schöner Universitätsgeschichte von Halle I (1894), S. 283 zu theil. Als auch heute noch nicht unbrauchbar verdienen von seinen größeren Werken hervorgehoben zu werden: „Einleitung zu denen vornehmsten Rechtsansprüchen derer gekrönten hohen Häupter und anderer Souveraenen in Europa“ (3 Thle., 1727 fgg.); „Vollständige Politische Geschichte der Reiche und Staaten von Europa“ (2 Thle., 1738. 39); „Allerneuester Zustand von Europa“ (28 Thle., Leipzig 1734–1736, beginnt mit dem Wiener Frieden von 1725). Sodann gründlich und gelehrt: „Heraldica oder Wapen-Kunst … nebst Nachricht von dem alten Kriegswesen … und dem Ceremoniell großer Herren und deren Abgesandten“ (Leipzig 1735). Außerdem übersetzte Z. auch französische Flugschriften, wie die Réflexions sur l’État de l’Europe (1710), Mémoires des dernières révolutions de Pologne (1710), Soupirs de l’Europe (1713) u. a. Ferner gibt es von ihm auch Anmerkungen zu Veit Ludwig’s v. Seckendorff „Fürstenstaat“. Eine Uebersetzung des Severinus de Monzambano mit Anmerkungen (1715). – Einen sauber und gründlich zusammengestellten Katalog seiner umfangreichen Büchersammlung birgt die Bibliothek von St. Marien zu Halle a. d. S. unter ihren Schätzen.

Einzige Quelle für seine Lebensgeschichte bildet eine (höchst wahrscheinlich autobiographische) Mittheilung in: Gottlob August Jenichen, Unparteiische Nachrichten von dem Leben und den Schriften der jetzt lebenden Rechtsgelehrten in Teutschland. Nebst Anmerkungen über J. J. Moser’s Lexikon der jetzt lebenden Rechtsgelehrten in Teutschland. Leipzig 1739, 8°. Aus ihr haben alle Späteren, auch v. Dreyhaupt, Beschreibung des Saalkreises 2, 750, geschöpft.