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ADB:Winzerer, Kaspar

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Artikel „Winzerer, Kaspar“ von August Hartmann in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 43 (1898), S. 511–513, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Winzerer,_Kaspar&oldid=- (Version vom 25. Dezember 2024, 06:28 Uhr UTC)
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Winzerer: Kaspar W., hervorragender bairischer Kriegsmann, geboren entweder 1475 oder 1465, je nachdem wir einer im J. 1526 auf ihn geschlagenen Denkmünze, oder dem Grabstein glauben wollen. Sein Vater, Kaspar Winzerer II, Herr zu Sachsenkam, Pfleger in Tölz und Rentmeister in Straubing († 1515) wurde durch Herzog Albrecht IV. häufig zu Staatsgeschäften verwendet; der Großvater, Kaspar W. I war ebenfalls schon Pfleger von Tölz an der Isar und herzoglicher Rath. Unser Kaspar W. wurde anfänglich, laut seiner Resignationsurkunde auf eine Kirchenpfründe, für den geistlichen Stand bestimmt, widmete sich aber bald den ritterlichen Künsten. Die Theilnahme eines Kaspar W. an der Vertheidigung von Braunau im Landshuter Erbfolgekrieg 1504 mag sich vielleicht eher auf den gleichnamigen Vater beziehen. Dagegen war jener Kaspar W., den der römische König Maximilian nach dem Sieg über die Böhmen bei Schönberg in der Oberpfalz (11. September 1504) neben einer Anzahl fürstlicher Personen zum Ritter schlug (Fugger’s Chronik Cgm. 900b, fol. 45), vermuthlich der dritte dieses Namens, der nachher ständig mit dem Ehrentitel des „goldenen Ritters“ (miles auratus) erscheint. Im J. 1517 durfte Kaspar W. III. sich mit Kaiser Max zu Wien im Turnier messen (Freydal). Beim Zug des Schwäbischen Bundes gegen Herzog Ulrich von Wirtemberg (Frühjahr 1519) befehligte W. die bairischen Truppen; er schildert in einem Bericht die Einnahme von Göppingen, Weiler, Au und Teck und überschickt dann ein Verzeichniß von etwa 40 eroberten Städten und Flecken. Auch im zweiten Feldzug des Schwäbischen Bundes wider Ulrich (September und October 1519) finden wir Kaspar W. als „Oberen Hauptmann“ des bairischen Fußvolks. Seine glänzendste Waffenthat geschah am 24. Hornung 1525, da er in der [512] Pavierschlacht als Anführer unter Jörg von Frundsberg den französischen König Franz I. gefangen nehmen half. Noch erhaltene, zum Theil durch W. selbst verfaßte Berichte an die Höfe von Oesterreich, Baiern und Brandenburg-Ansbach erzählen den nähern Verlauf dieses Kampfes. In einem Schreiben aus Italien, unmittelbar vor der Schlacht von Pavia, urtheilt W. – ähnlich seinem Freunde Jörg von Frundsberg – bitter über die päpstliche Politik, blieb aber doch weiterhin, gleich Frundsberg, der reformatorischen Bewegung ferne. Von Wälschland zurückgekehrt, mußte er kurz darauf wieder fortziehen in den Bauernkrieg. Herzog Wilhelm hatte den tapferen Pfleger von Tölz zum Hauptmann über den bairischen Landsturm gegenüber einem drohenden Einfall der Allgäuer und Tiroler Bauern ernannt. Einige Tage später berichteten die herzoglichen Commissäre, sie hätten von Tölz, dem Tölzer Landgericht, dem Isarwinkel und deren Hofmarken bis in die vierthalbhundert Mann zusammengebracht, die dann gar willig und gehorsam gewesen. W. dichtete damals, wie mir scheint, zur kriegerischen Anfeuerung und zum Lobe der treuen Tölzer und Isarwinkler sein „Liedlein von den Bauern im Isarwinkel“ (cantiunculam de rusticis in angulo Isarae habitantibus). Leider ist dieses Lied, von dem uns der Humorist Michael Lindener gelegentlich Meldung thut, verloren gegangen. Vielleicht als Anerkennung für erfolgreiche Grenzhut schenkte Herzog Wilhelm im gleichen Jahre W. den „Wörth“, die jetzige Roseninsel im Starnberger See.

Schon das nächste Jahr 1526 brachte eine neue ehrenvolle Aufgabe. Herzog Wilhelm sandte dem vom Türken schwer bedrängten Ungarnkönig Ludwig Hülfskräfte zu und stellte W. an ihre Spitze. Der bairische Succurs war, wie Finsterwalder (Germania princeps) sich ausdrückt, „ein auserlesenes Corps aus den bessern Truppen und Adel des Landes“, vermochte aber freilich den Fall Ungarns durch die furchtbare Niederlage von Mohács (29. August 1526) nicht abzuwenden. Bei der Krönung Ferdinand’s, des jüngeren Bruders Karl’s V., zum König von Böhmen (Februar 1527) erschien W. als bairischer Abgesandter in Prag. Hier wurde er durch zwei Ritter des Ungarnkönigs Johann Zápolya aufgesucht und eingeladen, mit ihnen an den Hof nach Gran hinabzureiten, was er unter dem Vorwande, er wolle sein Pflegschloß Dürnstein an der Donau in Niederösterreich besuchen, heimlich that. In Gran schlug ihm König Johann vor, einen Zug gegen die Türken mitzumachen, nahm ihn als „erfahrenen Kriegsmann“ mit einem Sold von tausend ungarischen Gulden in seinen Dienst, beglaubigte ihn aber zugleich als seinen Vertrauensmann bei den bairischen Herzogen Wilhelm und Ludwig. Winzerer’s eigentliche Aufgabe war, das geheime Einverständniß zwischen beiden Herzogen und Zápolya, dem ungarischen Gegenkönig Ferdinand’s, zu vermitteln und so der Machterweiterung Habsburgs entgegenzuarbeiten – eine bedenkliche Rolle für den deutschen Ritter, kaiserlichen Rath und Lehnsmann. Gleichwol dauerte diese Verbindung durch Winzerer’s Person zwölf Jahre (1527–1539). Er hielt sich während dessen theils längere Zeiträume in Ofen und Großwardein, theils auf seiner väterlichen Burg Tölz auf; von diesen Orten aus schrieb er an die bairischen Herzoge zahlreiche Berichte und empfing dort ihre Weisungen. Der leicht erkannte wahre Zweck seines Verweilens in Ungarn hatte schon im ersten Jahr (1527) für W. die Folge, daß König Ferdinand ihm die erwähnte Pflege Dürnstein, sowie das Untermarschallamt des Hochstiftes Regensburg abnahm. Um einer Verhaftung in Oesterreich zu entgehen, zog W. 1534 von Ungarn, trotz des Podagras, das ihn plagte, auf dem Umweg durch Polen, die Mark Brandenburg und Hessen (wo er auch mit Landgraf Philipp zu verhandeln hatte) nach Baiern; ehe er hier anlangte, mußte er sich auf Befehl der Herzoge beim Sohn seines alten Waffengefährten Jörg von Frundsberg in Mindelheim verborgen halten. Schwerer jedoch, als Gefahren und Mühsale, mag er das Zweideutige seiner Stellung [513] empfunden haben. Ueberdies wurde er seinen eigenen Fürsten, deren Interessen er so lange aufopferungsvoll vertreten hatte, im Laufe der Zeit verdächtig. Nachdem W. schon 1531 vorübergehend in ihre Ungnade gefallen war, mußte er sie 1534 bitten, ihn „doch nicht ganz zu verlassen“ und als er 1535 nicht mehr nach Ungarn ziehen wollte, beschuldigte ihn Kanzler Leonhart von Eck eigennütziger Hinneigung zu Oesterreich und beantragte, W. in Haft zu nehmen und zu behalten. Dieser verantwortete sich und ging abermals nach Ofen. Als aber 1537 ein türkischer Ueberfall gegen das Reich zu erwarten war und der Sultan den Ungarnkönig zur Theilnahme hieran auffordern ließ, da bat W. die Herzoge um Erlaubniß, heimzuziehen. Sie möchten ansehen, daß er als ein alter getreuer Diener ihres Vaters übergeblieben sei, daß er Gefahren bestanden, wie Wenige, davon er bis auf diesen Tag gar keine Gnade von Seite der Herzoge erhalten habe bis auf ein kleines Amt (wol seine Pflege Tölz). Uebrigens habe er auch von K. Johann noch keinen Pfennig gehabt; er wolle nun von ihm seinen Abschied und die Bezahlung seiner Schuld verlangen. Es war ein Glück für W., als 1538 eine Versöhnung zwischen dem Reich und Baiern eintrat. Er kam infolgedessen aus des Kaisers Ungnade und erhielt die ihm früher entzogenen Lehen zurück. Sein letztes Schreiben aus Ungarn an die Herzoge ist vom 9. Aug. 1539 datirt.

Am 28. October 1542 beschloß W. sein wechselreiches Leben – einer Ueberlieferung zufolge in Brannenburg am Inn, das schon sein Vater besessen hatte. Die örtliche Sage will wissen, er habe daselbst mit Jörg Frundsberg auf dem „Badanger“ eine ritterliche Uebung angestellt, sei hiebei unter einer schlecht verwahrten Stelle des Harnisches verwundet worden und an den Folgen dieses Unfalls gestorben. Diese Erzählung hat aber schwerlich Grund, da Jörg Frundsberg’s († 1528) gleichnamiger Enkel damals (1542) erst 9 Jahre alt war. Ein Marmorgrabstein in der Pfarrkirche von Tölz zeigt W.s Bildniß in ganzer Figur, einen Feldherrenstab in der Rechten. Die lateinische Inschrift rühmt den Kriegshelden; W. verkehrte aber auch mit Männern der Kunst und Wissenschaft. Der berühmte Componist Ludwig Senfl widmete ihm eines seiner musikalischen Werke und der erste deutsche Uebersetzer Homers, Simon Schaidenreißer, genannt Minervius, seine Verdeutschung der Paradoxa Cicero’s, da W. ein „besonderer Liebhaber“ von dessen Schriften sei. Aventin hatte von W. eine Anzahl in Baiern gefundener Römermünzen zum Geschenk erhalten; er nennt ihn einen „Bewunderer und Förderer des Alterthums“. – W. war in erster Ehe mit Margareta von Höhenrain vermählt, in zweiter mit Ursula von Bubenhofen, von welcher er zwei Söhne hatte. Einer derselben, Wilhelm, fiel 1544 vor Carignano; der andere, Hans Kaspar, starb 1561 als Letzter des Stammes. – Als man in der Heimath Winzerer’s, zu Tölz, ein Denkmal für die Tapferen des jüngsten deutsch-französischen Krieges errichtete (1887), schmückte man es mit dem Standbild des „goldenen Ritters“.

Wiguleus Hundt, Stammenbuch III, 784. – Freydal, Turnierbuch, S. CI u. Tf. 176. – Jos. Bergmann, Medaillen I, 151–159 u. Tf. 11. – Anzeiger f. K. d. d. Vorzeit VI, 17–23; XV, 345–350. – Oberbair. Arch. IV, 97–99; V, 285–286; X, 166–172; XL, 1–50 u. 194–217. – Hormayr’s Taschenb. XXXIX, 247–265. – Jörg, Deutschland 1522–1526, S. 380–387. – Quellen u. Erört. z. b. u. d. Gesch. IV. – Ranke, Werke II, 389. – v. Liliencron, Hist. Volkslieder III, 434. – Goedeke u. Tittmann, Dtsch. Dichter d. 16. Jh. I, 275. – J. N. Sepp, Die Kriegsthaten d. Isarwinkler, Mch. 1874; ders., Leben Winzerer’s, M. 1887. – Riezler, Gesch. Baierns III, 596–597 u. 616–717; ders., Die treuen Bauern am Peißenberg, S. 746 und 770. – G. Westermayer, Chronik von Tölz, 1. Aufl. 1871, 2. Aufl. 1893.