ADB:Hormayr, Josef Freiherr von (Historiker)
Josef v. H., wurde zu Innsbruck am 20. Januar 1782 geboren. Schon in frühester Jugend faßte er lebhafte Neigung zur Geschichte. In einer von Merian veröffentlichten, unzweifelhaft aber von H. selbst inspirirten, Biographie wird behauptet, schon der siebenjährige Knabe sei mit tirolischen und bairischen Geschichtsquellen innig vertraut gewesen. In einem Briefe an König Ludwig I. von Baiern versichert H., er sei mit 12 Jahren Correspondent der gelehrten Mönche von St. Blasien für ihre Germania sacra gewesen und habe als solcher lange Zeit in der Cisterzienserabtei Stams gearbeitet; hier habe er auch einen historischen Kalender für Tirol nach dem Vorbilde des Westenrieder’schen für Baiern und eine Chronik Tirols bis auf Karl den Großen geschrieben. 1794 bezog er die Landesuniversität Innsbruck, wo er sich den Rechtswissenschaften widmete. 1797 trat er bei dem Stadt- und Landgericht Innsbruck in Praxis, 1799 wurde er als Auskultant an das Gubernium berufen. Schon damals entwickelte er nebenher als Historiker eine außergewöhnliche Fruchtbarkeit, mit welcher leider nicht immer Gründlichkeit und Zuverlässigkeit gleichen Schritt hielten. Außer einer nicht im Druck erschienenen „Geschichte der Abtei Stams“ verfaßte er 1795 eine „Geschichte der Grafen von Andechs“, sowie ein „Lexikon für Reisende in Tirol“. Er war, wie er in jenem Briefe erzählt, um sich gänzlich den gelehrten Studien widmen zu können, Willens, in das Kloster Stams als Novize einzutreten, als ihn der Ausbruch des Krieges mit Frankreich nöthigte, statt des weißen Habit mit schwarzem Scapulier die grüne Schützenuniform anzuziehen. 1799 trat er in die vaterländische Landwehr und wurde bald zum Adjutanten, 1801 zum Hauptmann ernannt. In dieser Stellung trat er in freundschaftliche Beziehungen zum damaligen Brigadegeneral Marquis Chasteller und wurde von ihm zur Begrüßung des zur Visitation der Festungen nach Tirol kommenden Erzherzogs Johann abgeordnet. Diese Begegnung hatte für ihn die wichtigsten Folgen; er erwarb sich das Vertrauen und die Gunst des Erzherzogs in hohem Maße und war zwei Jahrzehnte hindurch, wie man zu sagen pflegt, die „rechte Hand“ jenes Führers der deutschgesinnten Partei in Oesterreich. Nach Beendigung des Feldzugs trat H. in den Staatsdienst zurück, wurde 1802 zum Hofconcipisten, 1803 zum referirenden Hofsecretär in der Staatskanzlei und zugleich im nämlichen Jahre zum provisorischen, 1808 zum wirklichen Director des geheimen Haus-, Hof- und Staatsarchivs ernannt. Trotz anstrengender amtlicher Thätigkeit setzte er seine Forschungsarbeiten insbesondere für tiroler Geschichte fort; seit Abtretung seines engeren Vaterlandes an Baiern wuchs noch dieser Eifer, denn mit dem wissenschaftlichen Zweck war jetzt ein politischer verbunden: die Zusammengehörigkeit Tirols und der übrigen österreichischen Kronlande zu beweisen und die Anhänglichkeit seiner Landsleute an das Haus Habsburg wach zu erhalten. Aus einer großen Zahl dahin gehöriger Schriften seien nur die „Kritisch-diplomatischen Beiträge zur Geschichte Tirols im Mittelalter“ hervorgehoben. Patriotische Tendenz verfolgte auch ein größeres Unternehmen, der „Oesterreichische Plutarch“, eine Sammlung von Bildnissen und Biographien der berühmtesten Regenten, Feldherren und Staatsmänner des österreichischen Kaiserstaats in 20 Bändchen. Gleichzeitig erschien aus Hormayr’s Feder das „Historisch-statistische Archiv für Süddeutschland“, worin er insbesondere die Tiroler für Behauptung ihrer verfassungs- und friedensschlußmäßigen [132] Rechte anzufeuern suchte. Zu gleichem Zwecke bearbeitete und veröffentlichte er 1808 Beauchamp’s Schrift über den Vendeekrieg. Ein unversöhnlicher Gegner Napoleons, dessen „Ländervermarschandiren“ alle staatliche und geistige Freiheit gefährde, war er ein eifriges Mitglied jener um Erzherzog Johann geschaarten Liga, die schon lange vor Wiederausbruch des Krieges insgeheim für eine Erhebung der von Oesterreich abgerissenen Länder thätig war. Dem mit Land und Leuten vertrauten H. wurde die Leitung der geheimen Verbindungen in Tirol übertragen. Schon 1808 pflog er mit Abgeordneten aus dem Inn- und Pusterthal, worunter auch der Sandwirth Andreas Hofer, Unterhandlungen, auf deren Grundlage ein Plan zur Befreiung Tirols entworfen wurde, dessen Tüchtigkeit sich offen bewährte, da bei der Ausführung von elf Punkten nur ein einziger, die Einnahme der Festung Kufstein, mißglückte. Das Manifest Erzherzog Johanns vom 13. April 1809, das als Signal zur wirklichen Erhebung anzusehen ist, sowie fast alle übrigen Proklamationen und Gelegenheitsschriften aus jenen Tagen sind von H. verfaßt. Als er sich später wegen seines Antheils am Aufstand heftigen Angriffen ausgesetzt sah, bestätigte auf seine Bitte Erzherzog Johann, „er habe bei jeder Gelegenheit Ursache gehabt, mit den vorzüglichen Talenten und dem warmen, rastlosen Diensteifer dieses fachkundigen Staatsmannes zufrieden zu sein, welchem der Wahrheit gemäß die kräftige Mitwirkung des Volkes zur schnellen Eroberung Tyrols größtentheils zu verdanken ist“. Auch Marquis Chasteller, dem H. unmittelbar als Hofcommissär und Intendant zugetheilt war, ertheilt seinem organisatorischen Talent das höchste Lob; ihm nur sei zu verdanken, daß der Aufstand überall gleichzeitig los brach und der Feind sich plötzlich auf allen Seiten umzingelt und von aller Hülfe abgeschnitten sah. Von seinem Eintritt ins Land Tirol bis zur vertragsmäßigen Räumung durch die kaiserlichen Truppen war die administrative Oberleitung in H.’s Händen. Insbesondere ihre finanzielle Seite bot große Schwierigkeiten. Der tiroler Bauer wollte gern für Kirche und Kaiser sein Leben wagen; weit schwerer aber war es, ihn zu überreden, daß er die Steuern, die ja das bairische Regiment so verhaßt gemacht hatten, fortzahlen müsse. H. verstand es jedoch, auf das tiroler Volk einzuwirken; gerade der überschwängliche Kraftstil, der uns heute seine politischen Schriften so geschmacklos erscheinen läßt, machte in jenen stürmischen Tagen auf das aufgeregte Gebirgsvolk unbeschreiblichen Eindruck. H. hatte auch hervorragenden Antheil an zwei für das Befreiungswerk wichtigen Ereignissen, der Bewaffnung des Salzburger Landes und der Erhebung Vorarlbergs. Durch Absendung des Hofraths Pichl und eine ausgebreitete Correspondenz mit einflußreichen Männern gelang es ihm, die Bewohner des Salzkammerguts zum Anschluß an die Tiroler zu bewegen, obwol hier die meisten Beamten und Seelsorger der Theilnahme am Aufstand widerstrebten. Auch der geheime Leiter der Veltliner Erhebung war H.; ebenso unterhielt er listig verborgene Verbindungen in Schwaben und in der Schweiz und wußte dadurch, obwol der Feind mit aller Strenge für Abschließung des insurgirten Landes Sorge trug, Pulver und Getreide nach Tirol zu schaffen. Nach dem unglücklichen Treffen bei Wörgl und dem Rückzug Chasteller’s nach Lienz ging H. ins Vintschgau und Oberinnthal und bewog die Bauern, die in Folge der angeblich am Vomperbach abgeschlossenen Capitulation die Waffen niederlegen wollten, wieder zum Ausmarsch. Die wichtigen Grenzpässe Scharnitz und Luitasch wurden genommen, die Verbindung zwischen den Abtheilungen des Obersten Grafen Max Arco und des Generallieutenants Deroy ward unterbrochen und namentlich durch das Anrücken der Colonne Hormayr’s über Zirl und Hötting sah sich Deroy in der Nacht vom 30. Mai zum Rückzug genöthigt. Die Verdienste Hormayr’s in jenem denkwürdigen Volkskrieg wären williger anerkannt worden, wenn er sie nicht selbst [133] durch eitle Ruhmredigkeit der Mißachtung ausgesetzt hätte. Zumal in den späteren Schriften Hormayr’s über den tiroler Krieg erscheint seine eigene Persönlichkeit immer und überall im Vordergrund; Andreas Hofer aber ist nur der „Wein- und Pferdehändler und Gastwirth am Sand“, „ohne allen militärischen und Verwaltungsinstinkt“, „von dem kein einziger Befehl oder Disposition zum Marsch, Angriff oder Beobachtung existirt“, „um den künstlich der möglichste Nimbus angehäuft ward“, und nicht viel glimpflicher werden die übrigen Führer der Bewegung behandelt. Unbegründet ist der damals gegen H. erhobene Vorwurf, daß er seine Landsleute im Stich gelassen habe; der zu Znaim in Folge der Niederlage bei Wagram geschlossene Waffenstillstand mußte, wenn sich auch die Bauern nicht darum kümmerten, der Thätigkeit eines österreichischen Beamten in Tirol ein Ziel setzen. An der letzten Schilderhebung des Bergvolkes hatte er daher keinen Antheil mehr, er kehrte nach dem Abzug Chasteller’s in das Hauptquartier des Erzherzogs Johann und nach Beendigung des Feldzugs nach Wien zurück, wo er in Anerkennung der geleisteten Dienste zum wirklichen Hofrath befördert wurde. In diese Zeit fällt die Herausgabe des 20 Bände umfassenden „Archiv für Geschichte, Statistik, Litteratur und Kunst“ und des „Taschenbuch für vaterländische Geschichte“, das mit kurzer Unterbrechung alljährlich bis zum Tode Hormayr’s Fortsetzungen erhielt. Die Bändchen sind eine reiche Fundgrube für Geschichte, insbesondere Kulturgeschichte Oesterreichs und Baierns. Außerdem erschienen damals „Beiträge zur Lösung der Preisfrage des Erzherzogs Johann über Innerösterreichs Geographie und Geschichte im Mittelalter“. Hormayr’s Ehrgeiz genügte jedoch nicht gelehrte Forscherarbeit als Feld für seine Thätigkeit, er konnte nicht vergessen, daß er in Tirol eine leitende Rolle gespielt hatte, und fahndete auch in Wien auf neue Gelegenheit, seine staatsmännische Begabung zu verwerthen. Als sich das preußische Cabinet durch die Volksstimmung zur Erhebung gegen Frankreich genöthigt sah, hielten H. und seine Gesinnungsgenossen den Zeitpunkt für gekommen, auch das zögernde österreichische Gouvernement zu raschem Bruch mit Napoleon fortzureißen. Durch den Ausbruch eines Aufstands in Tirol sollte es compromittirt werden; H. knüpfte daher im Einverständniß mit Erzherzog Johann aufs neue in seiner Heimath geheime Verbindungen an. Metternich erhielt jedoch durch Anzeige eines ehemaligen Vertrauten Hormayr’s, des Kreishauptmanns Roschmann, Kenntniß von diesen Umtrieben. Roschmann erklärte sogar, die Partei, deren Haupt H. sei, erstrebe für Tirol die vollständige alte Constitution und die Erhebung Erzherzog Johanns zum König von Rhätien. H. wurde deshalb am 7. März 1813 verhaftet und nach der Festung Munkats an der siebenbürgischen Grenze abgeführt. Der großes Aufsehen erregende Vorgang sollte dem Rheinbundstaate Baiern, der in jener Zeit Annäherung an Oesterreich suchte, Vertrauen einflößen und zugleich die Constitutionsfreunde im eigenen Lande einschüchtern. Vom Standpunkte des Ministers aus war es auch sicher nicht unberechtigt, daß er in jenen hinter dem Rücken des Cabinets geplanten Umtrieben etwas Strafwürdiges erblickte. H. hat aber dem Minister jene Festungstage nie verziehen, obwol er schon im nächsten Jahre, „da seine Verhaftung nur vorübergehend eine rein politische Maßregel gewesen sei“, freigelassen und in alle Aemter und Würden wieder eingesetzt wurde. Fast auf jeder Seite seiner historischen und politischen Schriften verräth sich leidenschaftliche Stimmung gegen den leitenden Staatsmann Oesterreichs, jede Gelegenheit benützt er, seiner Erbitterung gegen den „völkerverderbenden Egoisten und die vor ihm wedelnden Knechtseelen“ Luft zu machen. Diese Tendenz tritt schon ziemlich unverhüllt zu Tage in seiner 1817 veröffentlichten „Allgemeinen Geschichte der neuesten Zeit vom Tod Friedrichs des Großen bis zum zweiten Pariser Frieden“. Es kann demnach nicht [134] überraschen, daß die Stellung Hormayr’s in Wien trotz seiner Ernennung zum Historiographen des Reichs und des kaiserlichen Hauses immer unhaltbarer wurde und der mißliebige Publicist sich nicht selten von polizeilicher Chicane verfolgt sah. Da bestieg im October 1825 Ludwig I. den baierischen Königsthron und bald darauf wurde das deutsche Publicum durch die Kunde überrascht, daß H., der so hervorragenden Antheil am tiroler Aufstand genommen und auch in seinen Schriften den „Rheinbundsclaven“ Baiern in heftigster Weise verfolgt hatte, auf Einladung König Ludwigs nach Baiern übersiedeln werde. Man hat diese Berufung mit angeblich in Hormayr’s Besitz befindlichen Briefen, worin Ludwig sein Mißbehagen über die Politik seines Vaters drastisch ausgedrückt haben soll, in Verbindung gebracht, allein diese Erklärung ist schon deshalb nicht stichhaltig, weil Ludwig aus seiner Anschauung jener Verhältnisse auch sonst kein Hehl gemacht hat. Aus der Correspondenz, die der damalige Ministerialrath Eduard Schenk im Auftrag Ludwigs mit H. führte, geht vielmehr hervor, daß es dem König nur darum zu thun war, sich zur Vertretung seiner politischen und künstlerischen Projecte eine gewandte Feder dienstbar zu machen. Ein akademisches Lehramt wollte H. nicht annehmen. „Ich gestehe“, schreibt er am 22. April 1826, „gegen den Kanzelvortrag eine Schwachheit zu haben, ein erbärmliches Vorurtheil, aber ein bereits historisch gewordenes, das wenigstens zeigt, wie wenig ich ein nivelleur ein ultra liberal bin, ich glaubte dadurch meinen Töchtern die opinion ihrer Abkunft zu verderben, denn leider kennen wir Deutsche Niemanden von altem Adel, von der Noblesse d’épée, der sich in dieser Weise dem Lehrstand widmete“. Schließlich einigte man sich dahin, daß H. nur „mittelbar durch litterarische Thätigkeit auf die geistige Hebung des baierischen Volks und die Förderung des Staatsscredits nach außen wirken“ sollte. Im Herbst 1828 siedelte er, zum wirklichen Geheimrath ernannt, nach München über. Nur allzu deutlich spiegelt sich dieser Umschwung seiner Lebensverhältnisse auch in seinem historisch-publicistischen Schaffen. Der Tadel, den Wurzbach über das „treulose Verhalten Hormayr’s gegen Oesterreich“ fällt, ist nicht unbegründet. Wie anders lauten die Urtheile über die Habsburger in den Werken der späteren Epoche als die Schilderungen im österreichischen Plutarch! Diese Parteilichkeit, sowie die pretiöse und überladene Schreibweise vergällen die Lectüre der Schriften des welterfahrenen und geschichtskundigen Mannes. Dies gilt hauptsächlich von den „Lebensbildern aus dem Befreiungskrieg“ und den „Anemonen aus dem Tagebuch eines alten Pilgersmannes“. Beide Werke erschienen ohne Nennung des Verfassers, aber der Stil und das aufdringliche Hervortreten der eigenen Persönlichkeit gestatten darüber keinen Zweifel. Interessantes Material ist darin in Fülle geboten, es sei nur an die unschätzbaren Briefe Stein’s und Gneisenau’s aus der Zeit der Befreiungskriege erinnert, aber der dankbare Stoff ist nicht glücklich verarbeitet. An die Herausgabe der Lebensbilder knüpfte sich ein heftiger Federkrieg. Ein Dr. Faber (Zimmermann?) schrieb zur Vertheidigung des österreichischen Cabinets eine scharf gewürzte Erwiderung, indem er H. nicht blos der ungerechtesten Animosität, sondern sogar absichtlicher Fälschung historischer Documente bezichtigte. Dagegen konnte ein Kritiker in den „Blättern für litterarische Unterhaltung“ (Jahrg. 1845, Nr. 6), der „im übrigen kein Freund der historisch-diplomatischen Saalbaderei“ Hormayr’s, den Nachweis liefern, daß sich Dr. Faber selbst zweideutiger Mittel bediente, um seinen Gegner zu verdächtigen. Das wichtigste Material zu jenen Publicationen hatte H. aus dem Archiv des ehemaligen hannöverschen Ministers Grafen Münster erhalten, dessen Bekanntschaft er in Hannover gemacht hatte. Dahin war er nämlich 1832 als baierischer Ministerresident versetzt worden; die Gründe, warum er plötzlich seinem bisherigen Wirkungskreis in München entzogen [135] wurde, sind noch nicht genügend aufgeklärt. Allein auch im gewöhnlichen diplomatischen Verkehr verwickelte ihn sein unruhiges, aggressives Wesen in manche Ungelegenheiten; er wurde daher 1837 mit dem harmloseren Posten eines baierischen Geschäftsträgers bei den Hansestädten betraut und nahm seinen Wohnsitz in Bremen. Gemeinsam mit einem Freunde, dem Senator Duckwitz, veröffentlichte er 1840 die „Fragmente über Deutschlands, in Sonderheit Bayerns Welthandel“; auch für die Bremer Zeitung, die Wiener Litteraturzeitung, die Jahrbücher der Litteratur etc. lieferte er viele Beiträge. Mit Friedrich Graf von der Decken stiftete er den historischen Verein für Niedersachsen, wie er denn überhaupt ein thätiges Mitglied vieler historischer Vereine und gelehrter Gesellschaften war. Allein auch diese ausgebreitete Wirksamkeit konnte den nach höheren Zielen strebenden Politiker nicht befriedigen. Er wandte sich deshalb wiederholt an den König mit Bitten und Vorstellungen. Als diese fruchtlos blieben, schrieb er (2. Mai 1841), er fühle, daß er bald „im fernen, kalten, protestantischen Nebelland“ sterben werde, und bat, der König möge dafür Sorge tragen, daß nach seinem Tode sein Herz in der geliebten Stiftskirche von Stams beigesetzt und vor der Wuth Metternich’scher Schergen geschützt werde. König Ludwig erwiderte blos, er sei bereit, sich bei der österreichischen Regierung für Erfüllung der Bitte zu verwenden, im übrigen könne ja H., wenn er das Klima im Norden nicht vertragen könne, in Ruhestand treten. Dagegen nahm Ludwig sehr gnädig auf, daß H. 1846 die Angriffe, die gelegentlich der Errichtung des Tillystandbildes in der Münchener Feldherrenhalle gegen den königlichen Bauherrn gerichtet wurden, in einer Vertheidigungsschrift parirte. Im nächsten Jahre wurde daher H. an Stelle des in Abel’s Sturz verwickelten Freyberg zum Vorstand des allgemeinen Reichsarchivs ernannt. Eben hatte er dem Ministerium Vorschläge über eine Reform der Monumenta Boica und andere weitgehende Unternehmungen zur Hebung der reichen Schätze der baierischen Archive unterbreitet, als er in Folge eines Schlagflusses am 5. October 1848 starb. Von seinen Schriften, die nach seiner eigenen Angabe mehr als 170 Bände umfassen, seien noch das verdienstliche Werk „Wien, seine Geschichte und seine Denkwürdigkeiten“ (Wien 1823–24) und die (in den zuverlässigen Theilen auf das von Archivar Muffat gesammelte Material gestützte) „Goldne Chronik von Hohenschwangau“ (München 1842) hervorgehoben.
Hormayr: Josef Freiherr v. H., Staatsmann und Publicist, ein Enkel des tirolischen Kanzlers und Rechtsgelehrten- Personalacten in den königl. Staatsministerien des Aeußern und des Innern in München und andere ungedruckte Acten und Correspondenzen. – Biographische Züge aus dem Leben deutscher Männer. I. Josef Freiherr v. Hormayr von J. H. Merian), Leipzig 1815. – Selbstbiographie im „Gelehrten Deutschland“, XVIII. – Blätter für literarische Unterhaltung, Jahrgang 1849, Nr. 1. – Neuer Nekrolog der Deutschen, Jahrg. 1848, S. 676.