Zum Inhalt springen

ADB:Weißenbach, Johann Kaspar

aus Wikisource, der freien Quellensammlung

Empfohlene Zitierweise:

Artikel „Weißenbach, Johann Kaspar“ von Ludwig Julius Fränkel in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 41 (1896), S. 601–602, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Wei%C3%9Fenbach,_Johann_Kaspar&oldid=- (Version vom 15. November 2024, 04:47 Uhr UTC)
Allgemeine Deutsche Biographie
>>>enthalten in<<<
[[ADB:{{{VERWEIS}}}|{{{VERWEIS}}}]]
<<<Vorheriger
Weißenbach, Alois
Band 41 (1896), S. 601–602 (Quelle).
[[| bei Wikisource]]
Johann Caspar Weissenbach in der Wikipedia
Johann Caspar Weissenbach in Wikidata
GND-Nummer 118630571
Datensatz, Rohdaten, Werke, Deutsche Biographie, weitere Angebote
fertig
Fertig! Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle Korrektur gelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
Kopiervorlage  
* {{ADB|41|601|602|Weißenbach, Johann Kaspar|Ludwig Julius Fränkel|ADB:Weißenbach, Johann Kaspar}}    

{{Normdaten|TYP=p|GND=118630571}}    

Weißenbach: Johann Kaspar W., Dichter, wurde geboren in Zug in der Schweiz am 9. October 1633, gebildet zu Einsiedeln, wo sein Vater Stiftskanzler war, dann Gehilfe seines Oheims väterlicher Seite, Obervogts der Einsiedelnschen Herrschaft Gachnang im Thurgau, dem er auch im Amte folgte, und zwar 13 Jahre lang. 1657 ehelichte er A. M. Brandenberg von Zug. 1666, nach [602] seines Vaters Tode, zog es ihn heim, und nach Streitereien mit andern Familienmitgliedern erhielt er 1668 den St. Karlshof in der Geburtsstadt, wo er nun, mit dem Titel als „Fürstl. (d. h. fürstäbtlich) Einsidlischer Raht“ bis zum plötzlichen Tode (miserabile casu!) am 16. November 1678 lebte. Daß er bei den Mitbürgern angesehen war, beweisen wol auch die am 14. und 15. September 1672 in seinem Heimathorte erfolgte öffentliche Aufführung der comedia ’Contrafeth‘ und die an denselben Daten 1678 vor sich gegangene seines Passionsstücks. Ueber etwaige sonstige öffentliche Thätigkeit W.’s ist nichts bekannt.

W. war als Dichter nicht bloß strenggläubiger Katholik, sondern inhaltlich vielfach mystischer, formell schwülstiger Tendenzpoet. Seine Art trieb ihn empfindsamer Lyrik in die Arme, wie die dramatischen Leistungen deutlichst bekunden. Im Vordergrunde steht „Eydgnoßsisches CONTRAFETH Auff- vnnd Abnemmender Jungfrawen HELVETIAE“, zuerst 1673 in Zug gedruckt, ebd. 1701 und 1705, Luzern 1702 erneuert. Bis auf wenige Reste des alten Volksschauspielstils in Nebenscenen enthalten diese fünf Acte eine theatralisch aufgereihte Schweizergeschichte seit der Selbständigkeitsgründung der drei Urkantone – ein eigenes Telldrama schrieb W. aber nicht – in uneinheitlichem Gewande: heidnische Antike und christliche Symbolik, religiöses und patriotisches Pathos neben Realismus des Alltags, die verschiedensten metrischen Gebilde durchkreuzen sich, dazu Chöre und Musik, am Schlusse des Druckes durch Singnoten illustrirt. Der andere Bühnenversuch Weißenbach’s, „Trawr-Gedancken Einer Christlichen Seelen vnder dem Namen HAGIOPHILAE, Von dem schmertzhafften Leyden vnd Sterben JESU CHRISTI“, 1679 gedruckt, steht noch mehr im Banne der phrasenhaften Rhetorik der damaligen Gefühls- und Versdrechsler und zeigt gar keine volksmäßigen Elemente mehr.

Weißenbach’s umfänglichstes Werk ist das dreibändige Compendium seiner Lyrik: „DAMONS Deß Unseligen Hirten einfältige Cither, mit Teütschen Seiten gespannt. Daß ist: Wunderlichen Weltgedancken Erster Theil 1678. Wunderlichen Weltgedanken Ander Theil 1678. – DAMONS Deß unglück-seeligen Hirten lustige Meyen-Pfeiffen, Daß ist: Wunderlichen Weltgedancken Dritter Theil 1681“. Verstiegenheit in Idee, Auffassung und Wiedergabe kennzeichnen es, ja, er übertrifft darin sogar seine von ihm durch die Blume genannten Muster Friedrich v. Spe(e), Jakob Balde, Laurentius v. Schnüffis u. a. Meistens bietet er außer pointeloser Gnomik geistliche Eklogen, und auch die wenigen weltlichen und gleichsam kirchengeschichtlichen Gedichte halten den blumenreichen, verschnörkelten, sprachlich ungelenken Ton aufrecht. Doch ist der letztere, da wo wirklicher persönlicher Antheil ihn durchzieht, wesentlich leichter, z. B. wenn er den politischen und confessionellen Gegensatz seiner Landsleute vernünftig ironisirt. Sinn für reifere dichterische Kunstübung läßt W. allenthalben vermissen; er stellt eine interessante Station im Verfalle der überlebten Renaissancepoesie dar und darf eine gewisse culturhistorische Rücksicht beanspruchen.

Für die Litteraturgeschichte gewann ihn zuerst W. Menzel, Gesch. d. dtsch. Dchtg. II 416 f., der ihn in Bezug auf Invention und Intuition relativ günstig beurtheilt. Scharf lautet das Votum J. Bächtold’s, Gesch. d. dtsch. Lit. i. d. Schweiz, S. 462 f. und 470 f. (Anmerkungen dazu S. 149 und 156). Zur Personificirung des Schweizer Vaterlandes vgl. Fränkel, Ztschr. f. dtsch. Philol. XXII, S. 337 f., zur Behandlung des Tellthemas Roethe in „Forschungen zur deutschen Philologie. Festgabe für Rud. Hildebrand“ (1894), S. 228 (wo für Göttingen eine Zug 1705 erschienene Ausgabe angezogen wird) u. 249. Vom „Contrafeth“ lagen mir alle drei Ausgaben, von Damon zwei Exemplare vor, wie sie die kgl. Bibliothek zu Berlin besitzt; das erstere verzeichnete Goedeke, Grundr. z. G. d. d. D.2 III, S. 224, § 189, Nr. 65, bloß bibliographisch.