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ADB:Menzel, Wolfgang

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Artikel „Menzel, Wolfgang“ von Hermann Fischer in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 21 (1885), S. 382–384, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Menzel,_Wolfgang&oldid=- (Version vom 25. Dezember 2024, 05:18 Uhr UTC)
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Menzel: Wolfgang M., Schriftsteller, geb. zu Waldenburg in Schlesien den 21. Juni 1798, † zu Stuttgart den 23. April 1873. – M. war der Sohn eines schlesischen Arztes, aus wohlhabender Familie. Er verbrachte seine Kindheit in seiner Geburtsstadt, vom Mai 1810 an auf dem von seiner früh verwittweten Mutter erworbenen Rittergut Ober-Arnsdorf zwischen Strehlen und Neiße. Bis zum 16. Jahr von einem Hofmeister unterrichtet, bezog er an Ostern 1814 das Elisabethen-Gymnasium in Breslau, in das er, nachdem er sich, ohne aber den Auszug mitmachen zu können, für den Krieg von 1815 in die Reihen des preußischen Heeres gestellt hatte, noch im nämlichen Sommer zurückkehrte, um nunmehr an den Bestrebungen der Turner hervorragenden Antheil zu nehmen. Ebenso war er, nachdem er 1818 die Jenaer Hochschule bezogen hatte, einer von den Gründern und eifrigsten Theilnehmern der deutschen Burschenschaft. M. studirte Geschichte und Philosophie, mußte aber, als nach Sand’s Attentat den preußischen Studenten der Aufenthalt auf nichtpreußischen Hochschulen verboten wurde, Jena verlassen und ging nach Bonn. Dort mit der Behörde in Conflict gerathen, entzog er sich den gegen die Mitglieder der Burschenschaft gerichteten Verfolgungen, indem er sich im Frühjahr 1820 nach der Schweiz wandte. Da seine Familie durch den Krieg verarmt war, mußte er selbst für sein Weiterkommen sorgen. Er ließ sich noch im selben Jahre in Aarau als Turnlehrer – neben anderen Lehraufträgen – anstellen. Schon nach zwei Jahren gab er diese Stellung auf, um von den Erträgnissen seiner Feder zu leben. Mit Troxler, Friedrich List, L. A. Follen und Mönnich gab er die „Europäischen Blätter“ heraus (Zürich, 1824 f.), zog aber selbst schon 1824 nach Heidelberg, weil ihm in Aarau die litterarischen Hilfsmittel fehlten. In Heidelberg griff er in die Händel zwischen Paulus, Voß und Creuzer ein („Voß und die Symbolik“). Mit Maßmann wollte er nach München gehen und verließ Heidelberg am 21. März 1825, blieb aber in Stuttgart, wo ihm Cotta die Redaction seines Litteraturblattes anbot. Menzel hat Stuttgart nur für kürzere Reisen wieder verlassen, deren zwei, die österreichische von 1831 und die italienische von 1835, er in eigenen Schriften geschildert hat. Er verheirathete sich schon ein Jahr nach seiner Ankunft mit einer Schwäbin und verwuchs auch durch seine starke Familie immer mehr mit Schwaben. Außerdem wurde er 1831 in die württembergische Kammer gewählt und wiederum 1848, während er für das Frankfurter Parlament dem Candidaten der Linken weichen mußte. Zuerst der liberalen Opposition angehörig, stellte sich M. in den Revolutionsjahren auf die Seite der conservativeren Parteien. Der Mann, der in allem ein leidenschaftlicher und heftiger Verfechter seiner Meinungen war, hat auch darüber Manches hören müssen; es ist aber hier nicht der Ort darauf einzugehen. Seit dem Eingehen des Cotta’schen Litteraturblattes, dem er 1852 bis 1869 ein selbständiges in anderem Verlage folgen ließ, blieb M. ohne feste Stellung, von dem Ertrag seiner überaus fleißigen Feder lebend, auch an mehreren wissenschaftlichen Vereinen betheiligt – es sei hier nur der litterarische Verein in seinen Anfängen genannt –, bis zu seinem Tode in Stuttgart. – Seiner Schriftstellerei, die zwölf Jahre nach seinem Tode schon recht sehr vergessen ist, gerecht zu werden, ist nicht leicht; schon deshalb, weil der Jüngere die mannigfachen Händel, in die der streitlustige Mann verwickelt war, gar nicht recht mehr begreift und sie, von irgend einem Standpunkte der Gegenwart aus betrachtet, mitunter fast gegenstandslos erscheinen müssen. M. war ein sehr fleißiger und vielseitiger, wohl aber auch ein gar zu fleißiger und vielseitiger Schriftsteller. Auf den Erwerb durch Schriftstellerei angewiesen, durch ein ungestümes Naturell zur lebhaften und eifrigen Geltendmachung seiner Empfindungen getrieben, hat M. sich nicht so recht die Zeit zur gänzlichen Ausreifung [383] seiner Ideen gelassen. Was er in Theologie, Sagenkunde und Naturwissenschaft geleistet hat („Mythologische Forschungen und Sammlungen“, „Odin“, „Die vorchristliche Unsterblichkeitslehre“, „Christliche Symbolik“, „Naturkunde im christlichen Geiste“), das darf wol am ehesten, als allzusehr den Dilettanten und Freund phantastischer Einseitigkeiten verrathend, bei Seite gelassen werden. Daß M. seine poetischen Versuche nicht fortgesetzt hat, kann bedauert werden; denn er zeigt in ihnen viel Frische und Geist. Ausgedehnt ist seine Thätigkeit im Gebiete der Litteratur. Er stellte sich schon in seinen ersten Schriften („Streckverse“, 1823) auf den Boden der Romantik, kämpfte für specifisch germanische und christliche Auffassung und Pflege der Dichtung, bekämpfte den Rationalismus, so namentlich Paulus und Voß, aber auch die Hegel’sche Philosophie, der er die Schellings gegenüber stellte, vor allem aber Goethe als den Urverderber der Zeit. Man kann diese ganze Richtung aus Menzel’s Jugendleben begreifen. In ländlicher Umgebung hatte er vier Jahre seiner Jugend zugebracht, die Gesellschaft war ihm in seiner Vaterstadt nur in der Gestalt eines wenig geistvollen Protzenthums vor Augen gekommen; in seine Gymnasiasten- und Studentenzeit fielen die Befreiungskriege. So konnte sich leicht eine Verachtung der ruhig-gemessenen Weltbildung, eine Ueberspannung der Ideen, die ohnehin in der gährendcn Zeit lagen, in ihm ausbilden. Unermüdlich eifernd und polternd hat M. diese Ansichten in seinem Litteraturblatt und in dem 1828 zuerst erschienenen Werke „Die deutsche Litteratur“ entwickelt; vieles, vielleicht das meiste von dem, was er dort mit dem unermüdlichen Eifer eines Adepten immer wieder predigte, ist jetzt, unter ganz anderen Verhältnissen, ohne alles Interesse; mitunter möchte man ihm gern beifallen, aber er ist zu einseitig, zu blind in seinem Eifer, und namentlich seine Opposition gegen Goethe (man darf da freilich nicht vergessen, daß die schönsten Zeugnisse für Goethes Persönlichkeit erst später an den Tag getreten sind) ist so maßlos, daß man unwillkürlich selbst gegen das Wahre, was er da etwa gesagt hat, unwillig sich verschließt. Diese Kundgebungen brachten M. in Conflicte verschiedener Art, in denen er nur immer mehr sich in seine Ideen verbohrte, und gipfelten in den Händeln mit dem jungen Deutschland, von dessen Vertretern er sich die schlimmsten Dinge sagen lassen mußte (Kottenkamp, Anti-Menzel, Stuttgart 1835; Börne, Menzel der Franzosenfresser, Schriften (1862), Bd. VI; Heine, Ueber den Denuncianten, Werke, Bd. XIV; vgl. auch Gutzkow’s „Rückblicke“ und Strauß, Streitschriften, Heft II.), auf die er die Antwort nicht schuldig blieb. Seine Ansichten hatten sich schon früh so petrificirt, daß er sie umzubilden nicht im Stande war; daher hat er nach jener Zeit ebenso sehr jede größere Bedeutung für die Litteratur verloren, wie seit 1848 für die Politik. – Wohl am wichtigsten sind Menzel’s historische Werke, jedenfalls füllen sie in der Sammlung seiner Schriften den größten Raum aus. Aber seine „Geschichte der Deutschen“ (1824 ff.) hat sich auch in der That Freunde gewonnen und den patriotischen Sinn bei Vielen genährt, während die zusammenfassenden Geschichtsübersichten seiner späteren Jahre keine bleibende Bedeutung beanspruchen können.

Für Menzel’s Biographie s. seine, von seinem Sohn Konrad herausgegebenen Denkwürdigkeiten (Bielefeld und Leipzig 1877), die leider in ihrer etwas senilen und selbstgefälligen Redseligkeit mehr Anekdotenkram als wirklich Werthvolles enthalten. Sein Bild findet sich ebendaselbst. – Menzel’s Werke sind aufgezählt bei Goedeke, Grundriß, III. 1021–1024; einige Fehler des btr. Artikels sind oben berichtigt, und ich trage noch die bei G. fehlenden Werke Menzel’s nach: „Deutsche Dichtung von der ältesten bis auf die neueste Zeit“, 3 Bde., Stuttg. 1858 f., ein Werk, das sich vor anderen Behandlungen des Gegenstandes durch die Mitberücksichtigung der in lateinischer [384] Sprache gehaltenen Litteratur auszeichnet; „Kritik des modernen Zeitbewußtseins“, Frankf. a. M. 1869; 2. Aufl. 1873; „Die vorchristliche Unsterblichkeitslehre“, 2 Bde., Leipz. 1870; „Geschichte der neuesten Jesuitenumtriebe in Deutschland“, Stuttg. 1873. Auch muß ich nachtragen, daß von Menzel’s „Mythologischen Forschungen und Sammlungen“ (Goedeke Nr. 17) nur ein Bändchen erschienen ist, und daß seine zeitgeschichtlichen Uebersichten nach seinem Tode zusammengefaßt wurden als „Geschichte der Neuzeit 1789–1871“, 13 Bde., Stuttg. 1877–78.