ADB:Suppius, Christoph Eusebius
*): Christoph Eusebius S., deutscher Oden- und Idyllendichter des 18. Jahrhunderts und vordem in seiner Umgebung viel gelesen, aber heute so gänzlich verschollen, daß keine Litteraturgeschichte von seinem Leben berichtet, wurde als der vierte Sohn des Pastors Johann Jakob S. in Naundorf bei Reideburg (Rgbz. Merseburg, Kreis Delitzsch) am 13. März 1709 geboren und am folgenden 18. März getauft. „Er brachte“ ein leibliches Gebrechen oder, wie der bekümmerte Vater in das Kirchenbuch geschrieben hat, „ein denen Eltern hartes ╳ mit auf die Welt“. Das nicht genannte Uebel, wahrscheinlich eine körperliche Mißbildung, mag die Entwicklung des Knaben längere Zeit aufgehalten haben. Seine Vorbildung verdankte er der lateinischen Hauptschule des Halleschen Waisenhauses, in deren 6. Classe er am 30. October 1720 eintrat. Im Herbst 1732 bezog er die Hochschule in Leipzig, um die Rechte zu studiren. Am 24. October dieses Jahres findet er sich in der dortigen Matrikel eingetragen. Da er 1748 Secretär des gothaischen Generallieutenants Johann Wilhelm v. Seebach heißt, so ist zu vermuthen, daß er diese Stelle bald nach Ablauf seiner Studien übernommen hat; denn schon 1738 wohnte er in Gotha und veröffentlichte dort „einen seiner ersten poetischen Versuche“. Als dann im Sommer 1748 der bisherige Pagenhofmeister Just Christian Stuß (s. o. S. 70 f.) zum Conrector in Ilfeld berufen wurde, erhielt er dessen Amt, offenbar als vorläufige Belohnung für die Huldigungsgedichte, welche er inzwischen dem Herzog Friedrich III. (s. A. D. B. VIII, 5 f.), dem gleichnamigen Erbprinzen († am 9. Juni 1756) und vornehmlich der geistreichen Herzogin [783] Luise Dorothea (s. A. D. B. XIX, 625 ff.) gewidmet hatte. Trotz seines Lehramtes immer noch „D(er) R(echte) C(andidat)“, wie er sich 1749 vor den „Oden und Liedern“ nennt, erlangte er kurz vor seiner Vermählung mit Margaretha Salome v. Gottesheim, vorher Hofjungfer der Herzogin (14. November 1754), eine seinen Fachkenntnissen entsprechende Versorgung als „Amts-Commissarius auf Tenneberg“ und siedelte nun von dem herzoglichen Schlosse – noch am 14. August 1754 datirt er die Vorrede zu der unten genannten Uebersetzung eines französischen Buches vom „Friedenstein“ – nach dem Städtchen Waltershausen über. 1758 vertauschte er diese Stellung mit der eines Amtsadjuncten in Gräfentonna bei Langensalza, blieb dort bis 1761 und wurde dann zum Amtmann befördert. Wohin er aber gekommen und wann er gestorben ist, hat sich bei dem Mangel jeglicher Personalacten nicht ermitteln lassen. Seit 1748 war er Mitglied der 1739 gegründeten „Königl. Deutschen Gesellschaft“ in Göttingen. – S., gewöhnlich als „Anhänger Gottsched’s“ bezeichnet, hat zwar die von letzterem geforderte Correctheit in Sprache und Form sich angeeignet, verwendet auch in metrischen Uebertragungen aus dem Lateinischen den Reim, richtet aber seinen Blick doch mehr nach Zürich als nach Leipzig. Mitten in dem Kampfe der litterarischen Gegner (1745) wagt er das Lob des Berner Dichters:
Suppius„Auch du, vielgepries’ner Haller, hast mit unerhörter Pracht
Die besung’nen Alpen ewig und dich ihnen gleich gemacht“
(„Inselsberg“, V. 131 f.)
und steht in Verbindung mit dem Bodmer’schen Kreise, der ihn als einen Befreundeten ansieht und seinen „Inselsberg“ in kritischen Blättern über die Maßen rühmt. Bodmer selbst hat augenscheinlich seinen Verwandten und Zögling Joh. Georg Schultheß (s. A. D. B. XXXII, 696 f.) vor dessen litterarischer Reise nach Deutschland (1749–50) zu einem Besuche bei S. aufgefordert. Trotzdem ist der Besuch wohl unterblieben, da die Heimreise nach Zürich in Gesellschaft Klopstock’s und J. G. Sulzer’s erfolgte. – Nicht ohne theoretische Einsicht in das Wesen der Dichtkunst und als ausübender Poet nicht ohne Schwung, hat S. doch nach dem Ausdrucke eines Göttinger Kritikers manchmal „ein wenig zu viel die Sprache der Gewohnheit beibehalten“, d. h. er ist öfter der ungeschminktesten Prosa verfallen, ja auch dem Ungeschmack, dem „blühenden Unsinn, an dem die Zeit überreich war“. Im Hinblick darauf nennt ihn Fr. Jacobs nicht ganz mit Unrecht „einen vaterländischen Versmacher, der so von Poesie durchdrungen war, daß er sogar die Titel seiner Gelegenheitsgedichte reimte“. Und deren hat er nach damaliger Sitte nicht wenige verfaßt; denn neben dem herzoglichen Hause besingt er noch Freunde und vornehme Bekannte, nicht immer aus eigenem Antriebe, sondern häufig auf Bestellung: „I(n) f(remdem) N(amen)“, wie er beizufügen nicht vergißt. Vielleicht ist gerade die heimathliche Färbung, die landschaftliche Beschränkung in diesen Gedichten mit ein Grund gewesen, daß sie nicht bloß um die Mitte des Jahrhunderts, sondern auch noch in dem helleren Tageslichte unserer Litteratur dankbare Leser fanden, wie denn Fr. Jacobs aus eigener Beobachtung bezeugt: „Wir haben selbst noch Staatsbeamte von Range gekannt, die sich rühmten, ihren Geist nach vollbrachter Arbeit an einem Gedichte von Suppio zu erheitern.“ – Ein umfänglicheres Verzeichniß der Gedichte findet sich nur bei G. Reinhardt (s. u.), doch mit sehr verkürzten Titeln. Alle sind in Gotha ans Licht getreten. 1745 erschien: „Der Inselsberg besungen den 10. August 1745 von einem Meistersänger daselbst. Nebst einem Anhang“ (o. J.; 4 Bll., 76 S. 4°), der Herzogin Luise Dorothea zum Geburtstage gewidmet, wie auch der „Anhang“ (S. 65–76), ein früheres, schon am 10. Aug. 1738 in nur 100 Abdrücken verbreitetes und hier wiederholtes Gedicht verwandten Inhaltes in 28 achtzeiligen jambischen Strophen und mit gereimtem Titel. Der [784] Inselsberg ist darin als allegorische Person gedacht und richtet selber seine huldigenden Worte an die Fürstin, freilich mehrfach mit komisch wirkender Naivetät. Das vorangehende größere Gedicht über den Inselsberg (S. 1–63), wohl die beste Leistung von S., sechs Gesänge in trochäischen Tetrametern ohne Strophenform, bezeichnet gegen das ältere einen bedeutenden Fortschritt; doch macht sich auch hier „die Sprache der Gewohnheit“ öfters bemerklich. Mit der Beschreibung des Berges und der Lebensart seiner Bewohner verbinden sich moralische Betrachtungen, „auf welche die Einsamkeit einen philosophischen Geist führen kann“. Uebrigens hatten schon vorher der Kammerjunker Veit Ludwig v. Seckendorf (s. A. D. B. XXXIII, 519 ff.) nach der Erbauung eines „Lusthauses“ durch Ernst den Frommen (1649) und der Bibliothekar Joachim Bartholomäus Meyer (s. A. D. B. XXI, 583 f.) im J. 1690 den gleichen Stoff behandelt. Auf den ersten Vorgänger bezieht sich S.: er will den Berg besingen,
„weil nach jenes Tages Feier
Alle Welt von dir geschwiegen, nichts in deinen Thälern klang,
Seit dich Herzog Ernst gekrönet und sein Seckendorf besang“
(V. 30 ff.).
1748: „Ode an Tit. HERRN M. Just Christian Stuß Conrectorn zu Ilefeld und Mitglied der Deutschen Gesellschaft zu Göttingen gerichtet“ (o. J.; 4 Bll. 4°), ein Lobgedicht auf König Georg II. von Großbritannien und wie alle folgenden Oden gereimt. – 1749: „ODE, Dem Hochwohlgebohrnen Herrn Herrn Ludwig Heinrich Freyherrn Bachov von Echt, als von der Königl. Deutschen Gesellschaft zu Göttingen Dieselben zu einem Ehren-Mitgliede erwählet worden, unterthänig gewidmet“ (o. J.; 28 S. 4°), dem Hauptinhalte nach ein Lob der Dichtkunst. – „Seiner Hochfürstlichen Durchlauchtigkeit zu Sachsen-Gotha und Altenburg, Herrn Herzog Friederich dem Dritten weiheten den 25 April 1749 bey höchst erwünschter Zurücklegung DERO Funfzigsten Lebens Jahres folgende poetische Erstlings-Früchte als ein schuldiges Opfer Drey unterthänigst gehorsamste Knechte“ (o. J.; 16 S. 4°), von den jungen Adeligen Phil. v. Lillieström, Karl Rud. v. Grone und Hartwig Gotthard Hans v. Both gewagte poetische Versuche, denen (S. 3–6) eine Ode von S. vorangeht. – „Oden und Lieder, gesammlet von. Chr. E. S. D. R. C. der Königl. Deutschen Gesellschaft zu Göttingen Mitgliede“ (1749; 8 Bll., 367 S.), 60 Gedichte in fünf Büchern mit den Ueberschriften: 1. Gedichte aus der Möglichen Welt (voran eine Abhandlung über solche Gedichte), darunter (S. 3–11) „Der Inselsberg“, d. h. der oben genannte „Anhang“; 2. Geistliche Oden; 3. Moralische Oden; 4. Freuden- und Trauer-Oden, u. a. diejenige auf den Kammerjunker Bachov v. Echt (s. o.); 5. Sapphische, Anakreontische und übersetzte Oden, darunter „Georg der Andere“, die bereits erwähnte Ode von 1748 an Just Chrn. Stuß. Auf diese Sammlung bezieht sich Schultheß an der u. a. zweiten Briefstelle mit dem seltsamen Urtheil: „S. hat elendes Zeug jüngst herausgegeben: er scheint Günther II. zu sein.“ – 1750: „Hylas, ein Hirten-Gespräche, nebst einer Ode an den May, legte Unserem theuresten Erbprinzen … Friederich, Herzoge zu Sachsen, … bey Deroselben höchsterfreulichen (so!) Wiederkunft aus fremden Landen, den 19 May 1750 unterthänigst zu Füssen Chr. E. S. (o. J.; 12 Bll. 4°). – 1751: „Hirten-Gespräche, aufgezeichnet von Chr. E. S.“ (16 Bll., 174 S.); 1763 neu gedruckt als „Menalk in der Schäfer-Stunde“, 10 dialogische Idyllen in Alexandrinern, meist mit Hirtennamen in den Ueberschriften, nach Fr. v. Blankenburg’s Ansicht (s. u.) „im Tone des Hirten, nur nicht des dichterischen oder dichtenden Hirten“. – 1753: „Der Falke. Ein Gedicht. Erster Gesang. Den 24 May 1753“ (o. J.; 8 Bll. 4°). – Endlich hat S. noch aus dem Französischen übersetzt: „Des Herrn la Croze kurzer Begrif (so!) der allgemeinen Weltgeschichte“ [785] (1754. Nunmehr von neuem durchgesehen, bis auf gegenwärtige Zeiten fortgesetzt und mit einigen Anmerkungen vermehrt. Dritte vermehrte Auflage. 1768), ein heute veraltetes Lehrbuch, aber darum noch werthvoll, weil es (Bl. 2b) eine von der Forschung bisher unbeachtete hübsche in Kupfer gestochene Vignette mit den Bildnissen der beiden jugendlichen Brüder Ernst Ludwig (nachmals Herzog Ernst II.) und August von Sachsen-Gotha enthält. Der zweite ist der bekannte, mit seinem Neffen, dem Herzog August, oft verwechselte Prinz, der Freund und Gönner unserer großen weimarischen Dichter.
- J. G. A. Galletti, Versuch einer Geschichte der Herrschaft Tonna S. 61. Tonna 1777; – Derselbe, Geschichte und Beschreibung des Herzogth. Gotha, 3. Thl., S. 71, Anmerk. a. Gotha 1780. – Fr. Jacobs, Vermischte Schriften, 1. Thl., S. 60 f. Gotha 1823. – G. Reinhardt, Geschichte des Marktes Gräfentonna S. 367. Langensalza 1892. – Vgl. auch: Göttingische Zeitungen von Gelehrten Sachen auf d. J. 1749, 121. Stück, S. 961–963. – Friedrich’s v. Blankenburg Litterar. Zusätze zu J. G. Sulzer’s allgem. Theorie der schönen Künste, 2. Bd., S. 129b. Leipzig 1797. – Zürcher Taschenbuch auf d. J. 1894, N. F.: 17. Jahrg., S. 33 u. 39. Zürich 1894(93). (Enthält S. 1–46: „Briefe von Joh. Georg Schultheß an Bodmer. Hrsg. von Jak. Bächtold.“) – Die Schriften mit Ausnahme des Neudruckes der Hirten-Gespräche in der herzogl. Bibliothek zu Gotha, die 3. Aufl. des Buches von de la Croze in der Zofinger Stadtbibliothek. – Was die Quellen nicht boten, das verdanke ich den gef. Mittheilungen der Herren: Cantor R. Becher in Keuschberg (Rgbz. Merseburg), Pastor Harihausen in Naundorf, Pfarrer F. Perthes in Hörselgau (Sachsen-Gotha), Stadtkirchner E. Böttner in Gotha, Rector G. Reinhardt in Gräfentonna, Oberbibliothekar Dr. K. Dziatzko und Custos Dr. Falckenheiner in Göttingen, Oberbibliothekar Dr. O. v. Gebhardt und Prof. Dr. Jungmann in Leipzig, Director Dr. Aßmus in Merseburg, Director Dr. W. Fries und Dr. Lübbert in Halle a. S.
[782] *) Zu S. 165.