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ADB:Stockmayer

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Artikel „Stockmayer“ von Albert Eugen Adam in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 54 (1908), S. 536–542, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Stockmayer&oldid=- (Version vom 25. Dezember 2024, 06:54 Uhr UTC)
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Stockmayer: Amandus Friedrich, Christof Friedrich, Jakob Friedrich und Johann Friedrich St.: Die frühesten Träger des Namens Stockmayer finden sich am Ende des 16. Jahrhunderts in dem altwürttembergischen Städtlein Sindelfingen; und dort auch sind im J. 1636 Potentiana geb. Hünter v. Wels in Oberösterreich, 40 Jahre alt, und ihr Gatte Balthasar Stockmayer, und zwar „mehrentheils Hungers“ (nach anderen Nachrichten an der Pest) gestorben. Balthasar St. war 30 Jahre lang evangelischer Pfarrer in Enns in Oberösterreich gewesen, aber im J. 1628 durch die Gegenreformation vertrieben worden. Von diesem Ehepaar und ihrem Sohn Stefan St., der im 30jährigen Krieg der Kriegscommissär Conrad Wiederholds, des tapferen Vertheidigers der Bergfeste Hohentwiel (s. A. D. B. XLII, 386) gewesen, stammen alle späteren Stockmayr ab, namentlich diejenigen, die durch vier Generationen bedeutende Rollen in der Geschichte der altwürttembergischen Landschaft gespielt haben. Es sind dies:

I. Christof Friedrich St. der Aeltere, geboren am 6. September 1661 zu Pfullingen als Sohn des obengenannten Stefan St., † 1749, Prälat und Abt des evangelischen Klosters Bebenhausen, einflußreiches Mitglied des Landschaftlich Größeren Ausschusses von 1730–33 und des Engeren Ausschusses von 1733–48.

II. dessen Söhne

a) Christof Friedrich St. der Jüngere, geboren 1699 in Stuttgart, † am 6. November 1782, Nachfolger seines Vaters als Prälat von Bebenhausen und in den Landschaftlichen Ausschüssen von 1748–1782;

b) Johann Friedrich St., geboren am 17. April 1705, † am 17. Januar 1782, seit 1728 in Diensten der Landschaft als ihr Secretarius, seit 1734 auch als ihr Advocat, seit dem großen Landtag von 1737 zugleich als Landschaftsconsulent (Syndikus). Daneben herzogliches Mitglied des Hofgerichtes und seit 1740 Regierungsrath hat er durch Häufung dieser Aemter in seiner Person in schweren Zeiten einen entscheidenden Einfluß auf die Landesvertretung und die Geschicke des Landes geübt und dabei unfraglich viel Tüchtiges geleistet. Sein Unglück war, daß er im J. 1752 den berühmten Johann Jakob Moser (s. A. D. B. XXII, 372) als Landschaftsconsulenten zum Amtsbruder bekam. Zwischen dem bedächtigen, in den althergebrachten, sicheren, freilich stark ausgetretenen Bahnen wandelnden Melancholiker St. und dem raschen, stets Neues ergreifenden Choleriker Moser kam es bald zu Verstimmungen und leidenschaftlichen Ausbrüchen, die dazu führten, daß bald Moser von den Ausschußgeschäften fern gehalten wurde, bald Stockmayer selber von ihnen fernblieb. Immer wieder kam es zu leidlicher Versöhnung, selbst als am Anfang des Siebenjährigen Krieges das Benehmen Moser’s, der dazumal des besonderen Vertrauens des regierenden Herzogs Karl (s. A. D. B. XV, 376) sich erfreute, ein wirklich seltsames war. Aber als Moser im Sommer 1758 nicht bloß sich beigehen ließ, ein langes von Stockmayer mit unsäglichem Fleiß ausgearbeitetes Anbringen an den Herzog durch seine (begründete) Kritik zu Fall zu bringen, so daß der landschaftliche Ausschuß es gar nicht absandte, sondern als Moser auch noch in öffentlichen Schriften die Gewaltschritte der Mecklenburgischen Herzoge gegen ihre Landstände lobte in dem Augenblick, wo sich die württembergischen Landstände der Gewaltschritte ihres Herzogs kaum erwehren konnten, und als er zugleich (unbeabsichtigt) [537] seinen Collegen St. als Verfasser eines landschaftlichen Anbringens enthüllte und damit der Rache des Herzogs aussetzte, da stieg Stockmayer’s Groll aufs höchste, und unter Scheltworten verlangte er im Wahn seiner Unentbehrlichkeit standhaft seinen Abschied – in der sicheren Erwartung, daß man nicht ihn, sondern seinen unleidlichen Amtsbruder Moser werde ziehen lassen. Um so enttäuschter war St., als vom Ausschuß umgekehrt Moser festgehalten und dafür ihm selbst der oft erbetene Abschied im December 1758 ertheilt wurde mit einem Ruhegehalt von nur 500 fl., zumal da ihm nun auch Hz. Karl das doch auf Lebenszeit bewilligte Regierungsrathsgehalt von 600 fl. und das Gehalt von 200 fl. als Mitglied der Residenzbaudeputation entzog. (St. selbst berechnete als sein Einkommen: Landschaftliche Ordinaribesoldung 560 fl., Schreibverdienst durchschnittlich 860 fl., Kleidergeld von der herzogl. Landschreiberei 45 fl., Speisungsgeld während der Ausschuß-Convente 248 fl., als Mitglied der Residenzbaudeputation 200 fl. und der Accisdeputation 75 fl., Taggelder als Consulent 220 fl., Remunerationen bei Conventen wenigstens 120 fl., Wohnung im Landschaftshaus wenigstens 180 fl., 1–2 Eimer Wein wenigstens 50 fl., zusammen 2558 fl. = 4385 Mk; daneben 600 fl. als Regierungsrath und Belohnungen bei der Abrechnung mit den Oberamtspflegen und dem Abhör der Rechnungen, bei temporellen Deputationen, bei Beeidigungen u. dergl.) Unablässig lag daher St. dem Ausschuß an, daß er ihn entschädige und ihn wieder ganz ins Consulentenamt einsetze. Schon seit Moser’s Verhaftung war er vom Ausschuß[WS 1] trotz Verabschiedung wieder gebraucht worden; St. war es, der die im J. 1757 begonnenen geheimen Negotiationen fortführte, um den früheren herzoglichen Legationsrath Gottfried Adam Hochstetter in Berlin (Friedrich’s d. Gr. polit. Corresp. 10, S. 154; 11, S. 179, 188, 205, 211; 14, S. 318) als Sachwalter der Landschaft zu gewinnen im Kampf gegen den die Verfassung umstürzenden Herzog Karl. St. reiste (unter dem Namen Hofrath F. W. Meyer) mehrmals zu Hochstetter, der (unter dem Namen Hilnaer) wiederholt an den Landesgrenzen, ja selbst im Land im Bad Boll und auf Stockmayr’s Gut Großheppach sich einfand, ferner nach Gotha zu dem ehemals württembergischen, jetzt gothaischen Geheimen Rath Dietrich v. Keller, dann nach Berlin und Sanssouci, um Rath und Hülfe beim König von Preußen als Garanten der württembergischen Verfassung zu erbitten, endlich nach dem Hubertusburger Frieden zu dem kurhannöverschen Gesandten in Regensburg, Freiherrn Ludwig Eberhard v. Gemmingen-Hornberg (Hardenberg’s Denkwürdigkeiten von Ranke 1, S. 30, 44, 61). Allein der Landschaftliche Ausschuß hielt sich aus Furcht vor einem Cassensturz des Herzogs beim besten Willen außer Stande, alle Geldforderungen Stockmayer’s zu erfüllen; er war zudem verletzt durch die unwahren Vorwürfe Stockmayer’s, um des gemeinen Besten willen sei er zur Ruhe gesetzt worden, ja, er sei um sein Amt durch den Ausschuß gebracht worden, wie Moser um das seine durch den Herzog; und er fühlte sich abgestoßen durch das anmaßende, herrschsüchtige Gebaren Stockmayer’s, der auf Reisen ging und seinen Schwiegersohn Dr. Jakob Friedrich Stockmayer auf Reisen schickte ohne Auftrag, ja ohne Wissen der Landschaft, und der von seinen Negotiationen nur bruchstückweise mittheilte, was ihm gefiel. Nur zögernd erhöhte daher der Engere Ausschuß Stockmayer’s Bezüge um einige hundert Gulden, die er aus der sog. Geheimen Truhe nahm; von der Wiederanstellung als Consulent wollte er gar nichts wissen. St. aber beharrte auf vollkommener Geldentschädigung und auf Wiederanstellung, weil er als Landschaftsconsulent durch den Reichshofrath am besten geschützt wäre, da seine auswärtigen Negotiationen nicht verborgen geblieben; St. bezog die persönlichen Drohungen in des Herzogs Resolutionen an die Landschaft auf [538] sich und fürchtete, daß nun Montmartin (s. A. D. B. XXII, 204) den Herzog auf ihn „loslassen“ werde, wie vorher auf Moser und Rieger (s. A. D. B. XXVIII, 546); der von ihm bei Dänemark, Hannover und Preußen gesuchte öffentliche Charakter war nicht zu erreichen und hätte ihn zudem kaum besser geschützt als seinen Amtsbruder Moser der dänische „Etatsrath“. Die Abneigung der Landschaft gegen seine Wünsche schrieb St. allein dem Uebelwollen der Consulenten Eisenbach und Hauff (Großvater des Dichters Wilhelm H.) zu, der sich allerdings förmlich weigerte, neben St. zu dienen, und namentlich dem des vorsitzenden Ausschußprälaten Ludwig Eberhard Fischer (s. A. D. B. VII, 78). Um die Widerstrebenden zu zwingen, stellte St. im J. 1764, als gerade die Landschaft durch die vom Herzog gewaltsam eingeführte Vermögenssteuer im größten Gedränge war, nicht nur seine Dienste mitten in einer wichtigen Negotiation ein, sondern drohte mit Proceß und öffentlicher Bekanntgabe seiner Sache. Damit brachte er den Ausschuß, der wohl wußte, daß ihm diese Irrungen mit St. bei seinen, stets von St. selbst, seinem Sohn und Schwiegersohn bedienten auswärtigen Gönnern überall im Wege standen, endlich dahin, daß er ihm 6000 fl. als Abfindung fürs Vergangene und für künftig 1800 fl. Jahrgeld nebst Speisungsgeldern und einem Eimer Wein bewilligte, auch seine völlige Restitution als Consulenten „beim ersten schicklichen Tempo“ versprach. Doch St. gefällt sich auch ferner in einer abfälligen Kritik aller ohne ihn gemachten Schritte der Landschaft (gerade wie sein jetzt in Freiheit gesetzter ehemaliger Amtsbruder Moser), und er theilt diese Kritik auch den in Stuttgart erschienenen Gesandten der garantirenden Höfe Preußen, Hannover und Dänemark mit. Doch diese wollen jetzt von der Rückkehr des melancholischen, herrschsüchtigen und rechthaberischen Mannes ins Landschaftliche Collegium so wenig wissen als dieses selbst, in dem nur noch sein Bruder, der Prälat (s. o.), und sein Sohn Amandus Friedrich (s. III.) seine Partei nehmen. Wieder droht er, seine Sache öffentlich bekannt zu machen oder an den neuberufenen Landtag zu bringen; aber immer wieder gelingt es dem Ausschuß, ihn durch Geldbewilligungen zu beschwichtigen und seine Reactivirung hinauszuschieben. Mit der im Erbvergleich von 1770 gewährten allgemeinen Amnestie fiel auch für Stockmayer’s Drang nach Reactivirung ein Hauptgrund weg; auch Alter und Krankheiten mußten sie ihm nun selbst unerwünscht erscheinen lassen. So hören denn jetzt diese Gesuche an den Ausschuß auf und St. begnügt sich, die errungenen hohen Bezüge ohne Gegenleistung weiter zu beziehen bis an sein Ende.

Johann Friedrich St. wurde durch seine erste Ehe Schwiegersohn seines Amtsbruders, des Landschaftlichen Consulenten Heinrich Sturm, und Schwager des Geheimen Rathes Philipp Eberhard Zech. Als diese Frau im ersten Wochenbette starb, heirathete St. die Maria Elisabeth, Tochter des Eßlinger Bürgermeisters Friedrich Balthaser v. Rhaw; dadurch wurde er Schwager seines Vetters, des Kirchenrath-Expeditionsraths Rudolf Amandus Stockmayer und insbesondere des Regierungs-, später Geheimen Rathes Joh. Konrad Renz. Als diese Frau im J. 1752 im 15. Wochenbett starb, heirathete er Charlotte Luise Oetinger, Witwe des Kammerrathes Greiner; diese dritte Ehe blieb kinderlos. Sieben Kinder aus zweiter Ehe erreichten ein höheres Alter; von den vier Töchtern heirathete die eine den Universitäts-Professor, späteren Prälaten Hnr. Chrf. Bilfinger, die zweite den Geheimen Archivar Chrn. Hnr. Eisenbach (Bruder des Landschaftsconsulenten E.), die dritte den Tübinger Arzt Dr. phil. Sigmund Palm, die vierte ihren Geschwisterenkel Kanzleiadvocat Dr. Jakob Friedrich v. Stockmayer (geb. Stuttgart 20. October 1736, † Wien 22. October 1788), der während des Processes der Landschaft mit dem [539] Herzog viel zu landschaftlichen Sendungen gebraucht wurde (s. o.) und von 1772 an bis zu seinem Tod als landschaftlicher Geschäftsträger, daneben allmählich auch als badischer Ministerresident und Geheimer Legationsrath und als Bückeburger, Nassauer und Reußischer Geschäftsträger in Wien thätig war, seit 1782 selbst von Herzog Karl von Württemberg mit Aufträgen für Wien betraut wurde, ohne freilich von diesem Bezahlung erreichen zu können. (Er war in zweiter Ehe mit einer Tochter des Geheimen Rathes Renz [s. o.], in dritter Ehe mit einer v. Stettner aus Wien verheirathet [vgl. Karl Friedrich’s v. Baden polit. Correspondenz I, S. 16, 137, 237, 308, 343].) – Von den Söhnen von Johann Friedrich ist Amandus Friedrich (s. III) der älteste; der mittlere Christof Friedrich 1737–73, erst Lieutenant, zuletzt Posthalter in Plochingen, war ebenfalls vielfach zu landschaftlichen Sendungen gebraucht; der dritte Johann Friedrich d. J. 1744–1807 wurde im J. 1776 Amtmann der der Landschaft verpfändeten Herrschaft Weiltingen und erhielt im J. 1793 von Herzog Karl (auf Betreiben seines Bruders Prinz Ludwig Eugen) die Stiftsverwalterstelle in Stuttgart übertragen; sein Sohn ist der verdiente General Ludwig Friedrich v. St. (s. A. D. B. XXXVI, 315).

III. Amandus Friedrich St. der Aeltere, geboren in Stuttgart am 13. November 1731, † am 21. März 1813. Nach dem Besuch der Universität Tübingen, wo er 1753 de legato universali, aere alieno gravato pro licentia disputirt, wurde er Hofgerichtsadvocat in Tübingen und am 12. Juni 1755 vom Landschaftlich Engeren Ausschuß in Stuttgart auf die von seinem Vater Johann Friedrich St. hierzu abgetretene Stelle eines Landschaftssecretärs gewählt. Die Streitigkeiten mit Herzog Karl gaben ihm Gelegenheit, sich in vielfacher Weise verdient zu machen, insbesondere führte er großentheils die geheime Correspondenz mit den auswärtigen Freunden und mit seinem Vater und seinem Vetter Jakob Friedrich St. (s. II) während ihrer landschaftlichen Sendungen. Er wird auch selbst zu solchen Sendungen gebraucht; so im J. 1765 nach Frankfurt a. M., Hanau und Rumpenheim zu Conferenzen mit dem Geh. Rath v. Keller (s. II) und dem dänischen Gesandten v. Eyben, im December 1768 wieder nach Hanau zur Begrüßung des Königs von Dänemark, seines Ministers Bernstorff (s. A. D. B. II, 499) und des dänischen Gesandten Achaz Ferd. v. d. Asseburg (s. dessen Denkwürdigkeiten. Berlin 1842), um die Sendung Asseburg’s nach Stuttgart an Eybens Stelle zu erbitten und um in Wasserlos bei Hanau nach dem Rechten zu sehen, wo Oberst Rieger (s. II) als landschaftlicher Vertrauensmann bei Prinz Ludwig Eugen von Württemberg weilte, aber der Landschaft verdächtig geworden war; später wiederholt zu Prinz Friedrich Eugen von Württemberg ins Wildbad und nach Mömpelgard. In der Landschaft erhält St. im J. 1770 die nach Verabschiedung seines Vaters abgeschaffte, aber jetzt neu errichtete Advocatenstelle, d. h. im wesentlichen die Befugnisse des Vorsitzenden übertragen. Nun dirigirte er als Secretär die landschaftliche Kanzlei, als Advocat das landschaftliche Collegium; dazu hatte er, der von jeher „mit Rechnungssachen gern umging“, die Geheime Negotiationskostenrechnung seit 1763 unter sich, führte seit 1785 auch die Geheime Truhen-Rechnung; auch vorübergehend eingerichtete Nebencassen, wie die Fruchtcasse bei der Theurung 1771, verwaltete er, und auch bei der allgemeinen Casse (Landschafteinnehmerei) hatte er maßgebenden Einfluß, namentlich bei Aufnahme und Ablösung von Capitalien. Mit dem „Schlüssel zum Futterkasten“ in der Hand war er der einflußreichste Mann in der Landschaft geworden, viel einflußreicher als die dem Rang nach höher stehenden Consulenten, deren Amt er daher auch nicht anstrebte. Daneben war er seit April 1778 von Prinz Ludwig Eugen von Württemberg als sein Sachwalter im Herzogthum [540] mit dem Titel Hofrath aufgestellt (wie ehedem Oberst Rieger); dieses Verhältniß löste der Prinz zwar im Januar 1784 im Unfrieden; aber die ihm ebenfalls übertragene Geschäftsführung für Prinz Friedrich Eugen dauerte fort und brachte ihm im J. 1788 wieder den Hofrathstitel. Das enge Verhältniß des ersten Mannes in der Landschaft zum Hofe mußte den Unwillen vertiefen, der sich gegen St. allmählich im Land angesammelt hatte: alle Vorwürfe wegen Leisetreterei gegenüber dem Hof, schlechter Verwaltung der Landesgelder, übermäßiger Bezüge daraus, die dem Ausschuß gemacht wurden, trafen vor allem St. als den Lenker des Ganzen. Nach seiner eigenen Angabe im J. 1797 bezog er: Gehalt als Advocat 60 fl., als Secretär 300 fl., Schreibverdienst (von jedem, von anderen geschriebenen Blatt 2 Kreuzer) durchschnittlich 2000 fl., an Speisungsgeld (z. Z. der Ausschußconvente 1 fl. 12 Kreuzer, bei durchschnittlich 200 Tagen) 240 fl., dazu je eine Maß Wein 75 fl., aus der Weiltinger Casse 50 fl., Kleidergeld von der herzoglichen Rentkammer 45 fl., Holz 60 fl., freie Wohnung 200 fl., für davon abgegebene Zimmer 40 fl., Neujahrsducat 5 fl., bei der Rechnungsabhör 13 fl., zusammen 3093 fl. = 5300 Mark. Dabei sind noch gar nicht gerechnet die unständigen, sehr reichlichen Belohnungen fast bei jedem Convent und die für seine Cassenführung und für seine Mitgliedschaft bei Deputationen. Auch der gegen die Landschaft erhobene Vorwurf des Nepotismus trifft wesentlich Stockmayr: wie durch seinen Vater er, so wurde durch ihn sein Sohn Amandus Friedrich der Jüngere (s. IV) Landschaftssecretär; der andre Landschaftssecretär Konr. Abel war sein Schwiegersohn; daneben war bis 1782 sein Oheim (s. o. II) vorsitzender Prälat im Engeren Ausschuß; und nach dessen Tod erschien sein Geschwisterenkel Bürgermeister Rudolf Fr. St. von Stuttgart (übrigens ein sehr tüchtiger Mann), sowie sein Schwager und sein Vetter, die Prälaten Bilfinger und Wild, im Ausschuß; seinen Bruder ließ er zum landschaftlichen Amtmann in Weiltingen wählen, und sein Vetter und Schwager Dr. Jacob St. wurde landschaftlicher Geschäftsträger in Wien. So schien in der That die Landschaft ein Stockmayerisches Familien- und Erbgut geworden, wie es J. J. Moser im J. 1758 vorausgesagt hatte. Zuletzt entfremdete sich St. durch seine zweite, im December 1796 mit seiner Haushälterin geschlossene Ehe auch noch die eigene Familie. Der ihm im März 1797 von Friedrich Eugen von Württemberg als nunmehrigem Herzog verliehene Titel eines Geheimen Legationsrathes vermochte ihn nicht mehr zu schützen: der wenige Tage darauf nach 27jähriger Pause endlich berufene Landtag ließ es sein erstes Geschäft sein, St. zur Niederlegung seiner Aemter aufzufordern. Er kam der Aufforderung nach. Aber die übertriebenen und theils ganz unbegründeten Angriffe, die fortwährend gegen ihn und den früheren Ausschuß gerichtet, die Art, wie sie ungehört im Landtag verdammt, wie ihm das zugesicherte Ruhegehalt immer nicht bewilligt wurde, erbitterten ihn mit Recht und trieben ihn vollends dem Hof in die Arme. Als Herzog Friedrich den fruchtlosen Landtag im J. 1799 aufgelöst und einen neuen im J. 1800 berufen hatte, drängte er diesem den abgedankten Landschaftsadvocaten St. nun als Consulenten auf. St. gab sich dazu her; und nun beginnt der letzte, wahrhaft traurige Abschnitt seiner Thätigkeit. Er fühlte sich als Vertrauensmann des Regenten, vertrat dessen Standpunkt in der Landschaft und berichtete diesem, was in der Landschaft vorging; schmählich war, daß er bei des neuen Kurfürsten Gewaltschritten gegen die Landschaft im Herbst 1804 sogar die eigene Schwiegertochter dem Kurfürsten denuncirte (s. IV). Der neue Landtag im December 1804 sprach zwar allen Mitgliedern und übrigen Beamten des alten Ausschusses seinen Dank aus für ihr treupatriotisches Benehmen und bestätigte sie in ihren Aemtern, den Geheimen [541] Legationsrath St. aber forderte er zur abermaligen Niederlegung seines Amtes auf. Er willfahrte gegen ein landschaftliches Ruhegehalt von 2500 fl. Damit war seine Rolle endgültig ausgespielt. – Aus seiner ersten Ehe mit der Kaufmannstochter Christine Rosine Aulber von Stuttgart (geb. 16. Juli 1736, † 2. August 1794) sind sieben Kinder entsprossen, von denen aber nur der Sohn Amandus Friedrich d. J. (s. IV) den Mannsstamm fortgepflanzt hat; der einzige Sohn aus seiner zweiten Ehe mit Anna Barbara Valois ist jung gestorben.

IV. Amandus Friedrich St. der Jüngere, geboren in Stuttgart am 14. October 1760, † am 2. Februar 1837. Im J. 1784 von Wien zurückgekehrt, wird er zunächst Regierungssecretär, im März 1786 aber Landschaftssecretär, eine Stelle, die sein Vater zu seinen Gunsten niedergelegt (s. III). Seine Sendung nach Wien an den Reichshofrath, die im J. 1799 seitens des Landschaftlichen Engeren Ausschusses im Streit mit Herzog Friedrich geschah, trug ihm wohl die Zufriedenheit seiner Auftraggeber, aber auch die Ungnade des Herzogs ein. Im August 1800 mit vielen anderen Fremden von der Polizei aus Wien ausgewiesen, kehrte er nach Stuttgart zurück im Gefühl, den besonderen Haß des Landesfürsten auf sich geladen zu haben. In dem fortdauernden Kampf der Landschaft um die Landesverfassung schritt Kurfürst Friedrich im Sommer 1804 dazu, fünf Ausschußmitglieder, den Consulenten Kerner und die Secretäre St. und Fr. Weißer (XLI, 610) des Amtes zu entsetzen und Beide zuerst auf dem Stuttgarter Rathhaus, nachher auf Hohenasperg gefangen zu setzen. Der letzte Anlaß hierzu war eine Unterstützung, die der Ausschuß dem mit dem Vater zerfallenen Kurprinzen Wilhelm gewährt hatte, darauf der Entschluß des Kurfürsten, die ganze landschaftliche Cassenverwaltung, gegen den Erbvergleich von 1770, durch kurfürstliche Räthe untersuchen zu lassen, andererseits die Weigerung der Ausschußmitglieder, vor diesen Räthen zu erscheinen und die Weigerung der Secretäre, die landschaftlichen Sigille auszuliefern. Bereits verhaftet, vermochte St. seine Frau Friederike Luise, geb. Frommann, noch zu benachrichtigen, daß der Kurfürst die landschaftlichen Rechnungspapiere wegnehmen und untersuchen lassen wolle, und sie zu beauftragen, nach dem ihm vom Ausschuß gewordenen Auftrag dies durch sichere Verwahrung der Rechnungen zu vereiteln. Die muthige Frau gehorchte und verbarg die Rechnungsacten im Archivgewölbe der Landschaft, während die kurfürstlichen Commissäre bereits im Landschaftshaus weilten. Unbegreiflicher Weise befahl aber St. seiner Frau noch weiter, seinem Vater, Geheimen Legationsrath St. (s. III), von ihrer That Mittheilung zu machen. Ungern gehorchte sie diesmal, theilte aber ihrem Schwiegervater das Versteck selbst nicht mit. Dieser wußte nichts eiligeres zu thun, als den Kurfürsten zu benachrichtigen, worauf die Frau ebenfalls sammt ihrem Säugling gefangen gesetzt und wiederholt inquirirt wurde. Aber beharrlich weigerte sie sich, ohne Auftrag ihres Mannes, als dessen Werkzeug sie gehandelt, das Versteck zu nennen und erwarb sich durch ihre Standhaftigkeit bewundernde Theilnahme in allen Kreisen. Vergebens ließen die kurfürstlichen Commissäre (darunter J. J. Moser’s Schwiegersohn Karl Gg. Mohl) Kisten und Kasten in der Landschaft und in dem Stockmayerschen Schloßgut in Großheppach erbrechen. Weniger standhaft war ihr Mann. Lange hatte er alle Auskunft über den Verbleib der Acten verweigert unter Berufung auf den vom Ausschuß erhaltenen Auftrag. Allein durch den Vorhalt der kurfürstlichen Commissäre, daß die Ausschußmitglieder erklärt hätten, sie wüßten von keinem ihm wegen Verwahrung der Rechnungsacten ertheilten Auftrag (während diese in Wahrheit sich zur Ertheilung des Auftrages bekannten), wurde er in Furcht gesetzt, daß nun auf ihn der kurfürstliche Groll [542] in seiner ganzen Wucht stürzen werde; die lange Haft und die dadurch hervorgerufene Krankheit thaten das übrige; und so ließ sich St. endlich dazu herbei, das Versteck der Acten zu nennen unter der, von den Commissären zugesagten Bedingung, daß sie von landesherrlichen Deputirten nicht würden geprüft werden. Zwar weigerte er sich bis zuletzt, auch das Versteck der Schlüssel zum Archiv zu nennen; aber der Vorwurf der Inconsequenz kann ihm gleichwohl nicht erspart werden, und er hat sich durch sie um die Früchte seines Martyriums gebracht, das sich ohnedies dem Ende zuneigte. Die landschaftlichen Deputirten in Wien, Klüpfel (s. A. D. B. XVI, 257) und Baz, reichten nämlich beim Reichshofrath eine Klage gegen den Kurfürsten ein, und dieser zog vor, seine offenbar verfassungswidrigen Maßnahmen fallen zu lassen und nochmals zu versuchen, auf gütlichem Weg bei der Landschaft seine Absichten durchzusetzen. Er berief einen Landtag, entließ die Verhafteten und gestattete allen, außer Klüpfel und Baz, ihre landschaftlichen Aemter wieder auszuüben. Nicht bloß einzelne Amtsversammlungen und einzelne Landtagsabgeordnete, sondern der neue Landtag insgesammt sprach den Ausschußmitgliedern, dem Consulenten Kerner und den Secretären am 6. December 1804 seine Zufriedenheit und seinen Dank für ihr Verhalten aus, am meisten aber der Frau Secretarius St.; und ihr bewilligte er überdies ein Geschenk von 150 Speciesducaten (ca. 1400 M.) und eine Wittwenpension von 400 fl. (gegen 700 M.) jährlich. Nach Aufhebung der alten Verfassung am 30. December 1805 wurde St. in den Dienst des Kurfürsten, nun Königs, als Oberfinanzrath übernommen. Nach seinem Tode zahlte die Staatscasse der Wittwe die ihr von der Landschaft zugesagte Pension aus. Allerseits hochverehrt ist sie am 9. Juni 1846 gestorben. Der „letzte Württemberger“ Präsident Eberhard Georgii (s. A. D. B. VIII, 714) hatte ihr als „Tribut der Achtung, welche ihm ihre seltene patriotische Standhaftigkeit eingeflößt“, die goldene Denkmünze vermacht, die ihm der Landtag im J. 1799 bei seinem Austritt als Consulent verehrt hatte. (Das ihm damals zugleich verehrte Silbergeschirr hatte Georgii der Landschaft bereits am 24. Januar 1801 zurückgegeben, um es mit anderen Kostbarkeiten einzuschmelzen zur Bezahlung der französischen Brandschatzungen.)

Acten des Ständischen Archivs in Stuttgart. Vgl. dazu: Karl v. Stockmayer in Württ. Vierteljahrshefte für Landesgesch. 1905, 36–63. Genealogisches in F. F. Faber’s Familienstiftungen Heft 7, 10, 21, 24.


Anmerkungen (Wikisource)

  1. Vorlage: Ausschutz