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ADB:Schwerin, Otto Freiherr von

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Artikel „Schwerin, Otto von“ von Ferdinand Hirsch in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 35 (1893), S. 754–763, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Schwerin,_Otto_Freiherr_von&oldid=- (Version vom 24. Dezember 2024, 18:38 Uhr UTC)
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Schwerin *): Otto v. S., brandenburgischer Geh. Rath und Oberpräsident, wurde als der zweite Sohn des pommerschen Landraths und Hauptmanns zu Uckermünde Otto v. S. am 18. März 1616 auf dem väterlichen Gute Wittstock bei Greifenhagen geboren. Er genoß eine sorgfältige Erziehung, besuchte das Gymnasium zu Stettin, dann 1634–1637 die Universität Greifswald und erwarb auch dort eine gründliche classische und theologische Bildung, im Mai 1637 aber, nachdem kurz zuvor der letzte Herzog von Pommern, Bogislav XIV., gestorben und damit dieses Land für die brandenburgische Erbfolge eröffnet war, schickte sein Vater ihn nebst seinem jüngeren Bruder Bogislav, dem späteren brandenburgischen Generalmajor, nach Königsberg, wohin sich schon damals die Gemahlin des Kurfürsten Georg Wilhelm und ein Theil des Hofes vor den Stürmen des 30jährigen Krieges zurückgezogen hatte. Die beiden jungen pommerschen Edelleute wurden dort sehr freundlich aufgenommen. Otto wurde von der Kurfürstin in ihren Hofdienst gezogen und 1638 von dem Kurfürsten, welcher damals auch nach Königsberg übersiedelte, zu seinem Kammerjunker ernannt, doch erhielt er bald darauf die Erlaubniß, zu seiner weiteren Ausbildung eine längere Reise nach Holland, England und Frankreich zu unternehmen, von der er erst Ende 1640, kurz vor dem Tode des Kurfürsten, zurückkehrte. Der neue Kurfürst Friedrich Wilhelm wußte den talentvollen, ihm durch Alter und verwandte politische und religiöse Anschauungen (S. war, wie es scheint, schon während seines ersten Aufenthaltes in Königsberg zur reformirten Kirche übergetreten) nahe stehenden jungen Edelmann zu schätzen, behielt ihn in seinem Dienst, verwendete ihn gleich Anfang 1641 zu einer diplomatischen Sendung an den schwedischen Statthalter in Stettin, ernannte ihn am 29. April 1641 zum Rath an dem Hof- und Kammergerichte in Berlin, indem er sich aber ausdrücklich vorbehielt, ihn auch zu anderen Diensten zu verwenden, und gab ihn dann dem Markgrafen Ernst, welchen er damals, während er selbst vorläufig in Preußen blieb, als seinen Statthalter nach der Mark schickte, bei. Auch dieser verwendete ihn wieder zu Anfang des nächsten Jahres zu diplomatischen Missionen an die schwedischen und kaiserlichen Generale, welche trotz des von dem Kurfürsten mit Schweden abgeschlossenen Waffenstillstandes in die Altmark eingerückt waren. Darauf kehrte S. noch einmal nach Königsberg zurück und feierte dort unter Theilnahme des ganzen Hofes am 22. April 1642 seine Vermählung mit einem Hoffräulein der verwittweten Kurfürstin, Elisabeth Sophie v. Schlaberndorff, blieb auch noch mit derselben einige Wochen als Gast des Kurfürsten auf dem Königsberger Schlosse und siedelte dann wieder nach Berlin über. Der Kurfürst, welcher im März 1643 in der Mark erschien und dort selbst die Regierung übernahm, ernannte ihn in Anerkennung seiner bisherigen Dienste am 13. October 1645 zum Mitgliede seines neu ergänzten Geheimen Rathes und nahm ihn im nächsten Jahre, als er sich nach Cleve begab, um die dortigen Verhältnisse zu ordnen und zugleich seine Vermählung mit der Tochter des Generalstatthalters der Niederlande, des Prinzen Friedrich Heinrich von Oranien, zu stande zu bringen, mit sich. S. nahm an den langwierigen, bis in das Jahr 1649 sich hinziehenden Verhandlungen mit den clevisch-märkischen Ständen, welche dem Bestreben des Kurfürsten, dort eine stärkere Regierungsgewalt zu begründen, den hartnäckigsten Widerstand entgegensetzten, [755] hervorragenden Antheil, er hat in vermittelnder Weise gewirkt, ebenso die bisweilen ungestüm hervorbrechende Heftigkeit des Kurfürsten zu beschwichtigen, wie den zähen Trotz der Stände zu mildern versucht und er hat wesentlich dazu beigetragen, daß endlich am 9. October 1649 ein Landtagsabschied zu stande kam, in welchem der Kurfürst zwar den Ständen ihre Privilegien in sehr weitgehender Weise bestätigen mußte, aber doch die wichtigsten landesfürstlichen Rechte behauptete. Zwischenein begleitete er den Kurfürsten Ende 1646 zu dessen Vermählung nach dem Haag und wurde bald nach der Hochzeit zum Hofmeister der neuen Kurfürstin Luise Henriette ernannt, deren Gunst und Vertrauen er sich bald im höchsten Maße zu erwerben wußte. Ferner nahm er theil an verschiedenen diplomatischen Verhandlungen, namentlich an denen mit der holländischen Regierung, deren Unterstützung auf dem damals zu Osnabrück und Münster tagenden Friedenscongreß sich der Kurfürst zu sichern suchte. Er scheint auch dazu mitgewirkt zu haben, daß der Kurfürst durch Nachgiebigkeit in der pommerschen Frage das Zustandekommen des Friedens erleichterte, darauf deutet wenigstens die Auszeichnung hin, welche ihm noch vor dem Abschluß desselben Kaiser Ferdinand III. erwies, indem er ihn am 24. März 1648 in den Reichsfreiherrnstand erhob. S. begleitete auch 1651 den Kurfürsten auf dem Feldzuge, welchen derselbe damals am Rhein gegen den Pfalzgrafen von Neuburg unternahm, um von diesem eine vortheilhaftere Regelung der jülich-cleveschen Frage zu erzwingen. Mit dem während desselben in den brandenburgischen Dienst getretenen Grafen Georg Friedrich von Waldeck, welcher in den nächsten Jahren einen bestimmenden Einfluß auf die auswärtige und auch auf die innere Politik des Kurfürsten ausgeübt und einen Theil der älteren Räthe desselben verdrängt hat, ist er wenigstens äußerlich in ein freundliches Verhältniß getreten, und es ist ihm so gelungen, gestützt auf die Kurfürstin, neben demselben seine bevorzugte Stellung sowohl am Hofe als auch in der Staatsverwaltung zu behaupten. Im Verein mit Waldeck ist er in den nächsten Jahren für eine Reform der Verwaltung, namentlich des Finanzwesens thätig gewesen, doch gerieth er Anfang 1655 gerade über diese Frage der Finanzreform in einen heftigen Streit mit demselben, welcher nur äußerlich von dem Kurfürsten beigelegt wurde und zu einer dauernden Entfremdung beider geführt hat. Zu Beginn des damales ausbrechenden schwedisch-polnischen Krieges hat S., obwohl den abenteuerlichen Plänen Waldeck’s wenig geneigt und von heftigem Mißtrauen gegen den König Karl X. Gustav, der zu früh seine Gelüste auf die preußischen Häfen des Kurfürsten offenbart hatte, erfüllt, doch ebenso wie Waldeck ein Zusammengehen des Kurfürsten mit Schweden gegen das, wie es schien, seinem Untergange entgegengehende Polen für rathsam gehalten, in der Hoffnung, daß der Kurfürst dadurch die Souveränität in Preußen und eine Erweiterung seines dortigen Besitzes erlangen würde, daneben aber hat er auf das eifrigste den Abschluß einer Allianz mit Holland betrieben. Zusammen mit Waldeck verhandelte er im Juli 1655 in Stettin mit den schwedischen Ministern und dem Könige selbst, setzte auch, nachdem dieser Versuch einer Einigung an den zu hohen Forderungen des letzteren gescheitert war, die Verhandlungen fort, indem er dem Hauptquartier des Schwedenkönigs bis nach Krakau nachfolgte, und er nahm dann auch Theil an den Unterhandlungen, welche zu Ende des Jahres der bis nach Preußen an der Spitze seines Heeres vorgerückte König dort aufs neue mit dem Kurfürsten anknüpfte und welche endlich zu dem Abschluß des für den letzteren wenig günstigen Königsberger Vertrages vom 17. Januar 1656 führten. Bald darauf begab sich S. aus privater Ursache, um das Leichenbegängniß seiner inzwischen in Berlin verstorbenen Gattin zu feiern, dorthin und kehrte erst im Mai nach Königsberg zurück. Gerade damals war es dem Grafen Waldeck gelungen, den [756] Kurfürsten für eine noch engere Verbindung mit Schweden zu gewinnen, welche in dem Marienburger Vertrage vom 25. Juni ihren Ausdruck fand und infolge deren der Kurfürst seine Armee mit der schwedischen vereinigte und mit dieser zusammen die siegreiche Schlacht bei Warschau schlug. Als aber trotz derselben die Lage des Schwedenkönigs und ebenso des mit ihm verbündeten Kurfürsten eine gefährdete wurde, da gelang es S. im Gegensatz gegen Waldeck den letzteren zu bewegen, den vorher gehegten Gedanken, sein Gebiet durch große Eroberungen in Polen zu erweitern, aufzugeben, vielmehr nur die Erlangung der Souveränität in Preußen zum Zielpunkt seiner Politik zu machen und die Einräumung derselben zunächst zur Bedingung seiner weiteren Theilnahme am Kriege auf schwedischer Seite zu machen. Er hauptsächlich hat die deswegen angeknüpften neuen Unterhandlungen mit dem schwedischen Könige geleitet und seiner zähen Festigkeit ist es endlich gelungen, denselben zu bewegen, in dem Labiauer Vertrage vom 20. November 1656 dieses Zugeständniß zu machen und sich darauf zur Anknüpfung von Friedensunterhandlungen zu bequemen. Als diese aber erfolglos blieben, Dänemark, Oesterreich und Rußland auf die Seite Polens traten und der König von Schweden, indem er sich im Juli 1657 mit dem Haupttheil seines Heeres gegen Dänemark wandte, den Kurfürsten diesen übrigen Feinden gegenüber allein ließ, da hat es wieder S. im Gegensatz gegen den jetzt ganz im schwedischen Interesse aufgehenden Grafen Waldeck durchgesetzt, daß der Kurfürst sich unter österreichischer Vermittelung auf Unterhandlungen mit Polen einließ und, nachdem ihm auch von dieser Seite die Souveränität in Preußen zugestanden war, am 19. September 1657 den Vertrag zu Wehlau abschloß, welcher durch die persönliche Zusammenkunft mit dem polnischen Königspaare zu Bromberg (30. October bis 6. November 1657) bestätigt und erweitert wurde. S. war auch bei derselben zugegen und ihm wurde bei dieser Gelegenheit unter besonderer Anerkennung der Dienste, welche er bei dieser Aussöhnung mit dem Kurfürsten geleistet, von dem Könige das polnische Indigenatsrecht verliehen. Bei den folgenden Versuchen, welche der Kurfürst, nachdem es nicht gelungen war, Oesterreich zum directen feindlichen Vorgehen gegen Schweden zu bewegen, wieder machte, einen allgemeinen Frieden zu Stande zu bringen, ist auch S. wieder thätig gewesen; der Umstand, daß ihm und dem mit ihm zu dem Schwedenkönig geschickten Weimann von diesem im Juli 1658 zu Flensburg die Audienz verweigert oder wenigstens an demüthigende Bedingungen geknüpft wurde, hat dann die Veranlassung zum offenen Bruche des Kurfürsten mit Schweden gegeben. Eine glänzende Anerkennung seiner bisherigen Thätigkeit erhielt S. bald darauf dadurch, daß der Kurfürst ihn am 9. September 1658 zum Oberpräsidenten des Geheimen Rathes und aller Civilbehörden in seinen verschiedenen Landen ernannte und ihm zugleich die erste Stellung an seinem Hofe anwies. Auch Schwerin’s Vermögensverhältnisse hatten sich inzwischen günstig gestaltet, die verhältnißmäßig reichen Einnahmen, welche er aus seinen verschiedenen Aemtern bezog, und seine sparsame Oekonomie hatten es ihm trotz seines großen Hausstandes ermöglicht, Güter zu kaufen, namentlich hatte er 1650 das Lehngut Alt-Landsberg im Barnimer Kreise erworben, welches er allmählich immer mehr vergrößerte, cultivirte und verschönerte, wo er zahlreiche fremde Reformirte ansiedelte, eine reformirte Gemeinde gründete und ein neues Schloß mit einer reformirten Kirche baute.

S. ist in den nächstfolgenden Jahren außer Stande gewesen, die umfassende Wirksamkeit, welche ihm der Kurfürst zugedacht hatte, wirklich auszuüben, da er von demselben fortgesetzt zu anderen Geschäften verwendet wurde. Er hatte zunächst seinen Herrn auf dem Feldzuge zu begleiten, welchen dieser vom Herbst 1658 an bis zu Ende des nächsten Jahres gegen die Schweden in Jütland und [757] dann in Vorpommern führte. Nach dem Abschluß des Olivaer Friedens (2. Mai 1660) hatte er dann mitzuwirken bei der jetzt von dem Kurfürsten in Angriff genommenen Auseinandersetzung mit den Ständen der verschiedenen Lande. Er begab sich zunächst Ende 1660 mit dem Kurfürsten zusammen nach Cleve, wo die Stände sich zur Annahme eines neuen, ihre Rechte wesentlich einschränkenden Recesses bequemen mußten, und er wurde dann im Mai 1661 von dem vorläufig noch dort zurückbleibenden Kurfürsten nach Preußen geschickt, um zusammen mit der dortigen Regierung die Landtagsverhandlungen zu leiten und die Stände zur Anerkennung der Souveränität des Kurfürsten, zur Annahme einer neuen, dessen Rechte erweiternden Landesverfassung und zur Ableistung eines neuen Huldigungseides zu bewegen. S. hat dort infolge des Mißtrauens der Stände gegen die Absichten des Kurfürsten und der Hartnäckigkeit, mit welcher sie an ihren Rechten und Forderungen festhielten, mit den größten Schwierigkeiten zu kämpfen gehabt. Zwar gelang es ihm durch unablässige Bemühungen, gütliche Vorstellungen und Drohungen, die beiden Oberstände, Landräthe und Ritterschaft, von dem dritten Stande, den Städten, unter denen Königsberg sich ganz besonders widersetzlich zeigte, zu trennen und die ersteren zur Anerkennung der Souveränität zu bewegen, als aber dann der Kurfürst auch hier, ähnlich wie in Cleve, die Annahme einer neuen, schon fertigen Regierungsverfassung verlangte, da erhob sich der heftigste Widerstand sowohl von seiten der Stände, als auch der ihre eigenen Befugnisse durch dieselbe geschmälert sehenden Regierungsbehörde, der Oberräthe, und wenn auch S. diese zu beschwichtigen wußte, so waren doch alle seine Bemühungen, die Stände umzustimmen, erfolglos. Die Königsberger verweigerten sogar die von den beiden anderen Ständen bewilligte Accise und schritten zu geradeswegs hochverrätherischen Handlungen vor, so daß S., welcher überzeugt war, daß nur durch gütliche Verständigung mit den Ständen eine Dauer versprechende Ordnung der Dinge zu erreichen sei, daß aber nur die persönliche Anwesenheit des Kurfürsten eine solche herbeizuführen im stande sein werde, fortgesetzt in denselben drang, nach Preußen herüber zu kommen, und im Juni 1662, nachdem dieser sein Erscheinen daselbst zu Ende des Sommers in Aussicht gestellt hatte, um seine vorläufige Rückberufung bat. Dieselbe erfolgte und er kehrte im Juli nach Berlin zurück. Seine Befürchtung, daß es einer mit seinem Verfahren in Preußen unzufriedenen Partei unter den Geh. Räthen, namentlich Fr. v. Jena, gelungen sei, den Kurfürsten gegen ihn einzunehmen, erwies sich als grundlos. Allerdings war der Kurfürst, welcher Mitte September nach Königsberg aufbrach, entschlossen, die Unruhestifter zur Strafe zu ziehen und auch gegen die Stände schärfer vorzugehen, aber er gab S. einen neuen Beweis seines Vertrauens, indem er ihn in Ausführung eines schon lange gehegten Plans zum Hofmeister seines ältesten Sohnes, des jetzt sieben Jahre alten Kurprinzen Karl Emil bestellte und ihm die Leitung der Erziehung desselben übertrug, zugleich ihn und die übrigen zurückbleibenden Geheimen Räthe mit der Führung der Regierung in der Mark während seiner Abwesenheit beauftragte. Die Erziehung des Kurprinzen und des zwei Jahre jüngeren Prinzen Friedrich, welcher im Juli 1665 auch seiner Obhut anvertraut wurde, hat S. in der sorgsamsten und verständigsten Weise geleitet und er hat dieser Aufgabe einen großen Theil seiner Zeit und auch die Behaglichkeit des Familienlebens geopfert. Er schlief und speiste mit den Prinzen zusammen, betete des Morgens mit ihnen und lehrte sie Sprüche und geistliche Lieder, er beaufsichtigte den Unterricht, welcher ihnen von besonderen Lehrern ertheilt wurde, sowie ihre Spiele und Vergnügungen, begleitete sie auf Spazierfahrten und Ausflügen und nahm auch des Abends oft an ihren Spielen und Beschäftigungen, die er möglichst instructiv zu gestalten suchte, theil. Regelmäßig brachte er einen Theil [758] des Frühjahrs und des Sommers mit ihnen auf seiner Besitzung Alt-Landsberg zu, wo die Prinzen, obgleich ihre Studien fortgesetzt wurden, Gelegenheit erhielten, sich in Garten, Wald und Feld zu tummeln und sich auch unter seiner Aufsicht an anderen ländlichen Vergnügungen zu erfreuen. Er hatte die Freude, daß die Prinzen, von denen namentlich der ältere einen aufgeweckten Geist und glückliche Anlagen zeigte, schnelle Fortschritte machten und nicht nur durch ihre Kenntnisse, sondern auch durch frühe geistige Reife und gewandtes Benehmen sich hervorthaten. Freilich haben die von Anfang an bei dem Kurprinzen hervortretenden Untugenden, Jähzorn, Eigenwilligkeit und Störrigkeit ihm manche Schwierigkeiten bereitet, doch ist es ihm durch ernste Ruhe und consequente Entschiedenheit gelungen, dieselben zu bemeistern und sich auch die Zuneigung und das Vertrauen seiner Zöglinge zu erwerben. Förderlichste Unterstützung dabei erhielt er einerseits durch die kurfürstlichen Eltern, welche seine Erziehungsweise durchaus billigten und seine Autorität bei jeder Gelegenheit stützten, andererseits durch seine zweite Gemahlin Helene Dorothee geb. v. Kreytzen, Wittwe des Freiherrn Truchseß v. Waldburg, mit der er sich mitten in der Kriegszeit, im October 1656, zu Königsberg vermählt hatte. Dieselbe ist wie seinen eigenen Kindern aus erster Ehe, so auch den Prinzen eine zweite Mutter geworden und hat sich deren Zuneigung in hohem Grade erworben, ebenso wie auch seine Kinder, die täglichen Spielgefährten der Prinzen, mit diesen in freundschaftlichstem Verhältniß standen. S. hat über die Erziehung der Prinzen eigenhändig ein noch erhaltenes Tagebuch geführt, hat während der Abwesenheit der Eltern diesen regelmäßig zweimal in der Woche über dieselben Bericht erstattet und mit der Kurfürstin auch sonst, so oft sie abwesend war, einen lebhaften Briefwechsel geführt, welcher zeigt, wie sehr er deren Vertrauen besessen, wie sie in allen, namentlich auch in ihren ökonomischen Angelegenheiten ihn zu Rathe gezogen, bei manchen Gelegenheiten sogar dem Kurfürsten gegenüber seine Vermittlung in Anspruch genommen hat. Aber auch der Kurfürst stand zu S. in einem geradezu vertrauten Verhältniß. Derselbe unterrichtete ihn von Preußen aus regelmäßig eigenhändig über den Verlauf der dortigen Dinge, begehrte in einzelnen Fragen seinen Rath, zog ihn auch zu der Erledigung aller anderen wichtigeren Geschäfte hinzu, daneben aber nahm er dessen Thätigkeit auch für seine Privatangelegenheiten, Gutskäufe, Erwerbung des Jagdrechts auch auf den an die kurfürstlichen Domänen angrenzenden Gütern u. a. in Anspruch. Besonders beschäftigt war S. in dieser Zeit durch die ihm übertragene Regelung des ständischen Creditwesens in der Mark und durch die ebendamals auf Befehl des Kurfürsten gemachten Versuche, ein freundlicheres Verhältniß zwischen den beiden evangelischen Religionsparteien, den Lutheranern und Reformirten, herbeizuführen, er, der ähnlich wie der Kurfürst selbst auf das eifrigste solche irenischen Tendenzen verfolgte, führte den Vorsitz in den zu diesem Zwecke in Berlin (September 1662 bis Juni 1663) abgehaltenen, freilich wenig erfolgreichen Religionsgesprächen. Doch fehlte es auch nicht an Differenzen zwischen ihm und seinem kurfürstlichen Herrn. Er war wenig zufrieden mit dem Verlauf der Dinge in Preußen, namentlich mit dem schroffen Auftreten besonders Jena’s gegenüber den dortigen Ständen, fühlte sich gekränkt durch die geringschätzige Art, mit welcher dieser und dessen Genossen über sein früheres abweichendes Verfahren dort urtheilten. Er beklagte sich darüber beim Kurfürsten, und als dieser ihn ziemlich kurz abwies, dadurch noch mehr verletzt, bei der Kurfürstin, sprach sogar den Wunsch aus, sich ganz von den Geschäften zurückzuziehen. Dieselbe tröstete ihn aber, tadelte seine allzu große Empfindlichkeit, versicherte ihm, daß er nach wie vor die Gnade und das Vertrauen des Kurfürsten besitze, drang in ihn, an der Spitze der Geschäfte zu bleiben, und stellte ihm in Aussicht, [759] daß er entlastet, Jena vom Hofe entfernt und dadurch seine Amtsthätigkeit erleichtert werden solle.

Nach der Rückkehr des kurfürstlichen Paares nach Berlin im November 1663 gestalteten sich die Verhältnisse für S. auf das günstigste, sein Gegner Jena wurde wirklich zeitweilig auf seinen Kanzlerposten nach Halberstadt entfernt und die folgenden Jahre hindurch bis Anfang 1669 hat er die einflußreichste Stellung am Hofe wie im Rathe des Kurfürsten eingenommen. Vor allem hatte er die Leitung der auswärtigen Angelegenheiten, er entwarf die Instructionen für die in die Fremde geschickten Gesandten und die an dieselben abgehenden Rescripte, unterhielt meist neben dem amtlichen auch noch einen privaten Briefwechsel mit ihnen, er führte ferner die Verhandlungen mit den am Hofe des Kurfürsten erscheinenden fremden Gesandten, stand in Correspondenz mit den leitenden Ministern anderer Staaten, und die besonnene, vorsichtige, friedliche und versöhnliche Politik Brandenburgs in diesen Jahren trägt so recht den Stempel des Schwerin’schen Geistes. Namentlich entspricht das sehr vorsichtige Verhalten des Kurfürsten in dem Erfurter Streite und dessen behutsames Eingreifen in die polnischen Wirren durchaus seinen Rathschlägen, ebenso auch die Politik desselben im Münsterschen Kriege, die Verbindung mit Holland und Annäherung an Frankreich, dann aber die vermittelnde Thätigkeit und die dadurch erreichte gütliche Beilegung des Streites, bevor er zu den Waffen zu greifen brauchte. S. mit den Prinzen hat damals den Kurfürsten nach Cleve begleitet, dort die entscheidenden Verhandlungen mit dem holländischen und französischen und andererseits mit dem österreichischen und englischen Gesandten geführt und bei den schließlich dort eröffneten Friedensverhandlungen (29. März bis 19. April 1666) mit Blaspeil zusammen als Vermittler zwischen den verschiedenen Parteien gewirkt und den Abschluß des Friedens zustande gebracht. Er hat dann die geheimen Allianzverhandlungen mit dem kaiserlichen Gesandten de Goeß geführt, zugleich Theil genommen an den Versuchen, eine endgültige Beilegung des jülich-cleveschen Streites durch Verständigung mit dem Pfalzgrafen von Neuburg zu erreichen, ist selbst zeitweise zu diesem gereist, um ihn zu weiteren Concessionen in den kirchlichen Fragen zu bewegen, hat aber andererseits auch dahin gewirkt, daß von seiten des Kurfürsten möglichste Nachgiebigkeit bewiesen wurde, und er hat die am 9. September 1666 abgeschlossenen Verträge gegen die von einem Theile der Räthe des Kurfürsten erhobenen Einwürfe vertheidigt. Er begleitete dann den Kurfürsten zu der persönlichen Zusammenkunft mit dem Pfalzgrafen, auf welcher die neu geschlossene Freundschaft befestigt und nähere Verabredungen über die Erhebung des letzteren auf den polnischen Thron, zu deren Unterstützung sich der Kurfürst verpflichtet hatte, getroffen wurden, ebenso hat er bei der folgenden neuen Huldigung der cleveschen Stände und den weiteren Verhandlungen mit denselben mitgewirkt und ist dann im November mit dem Hofe nach Berlin zurückgekehrt. Auch auf die sehr vorsichtige Politik des Kurfürsten im Devolutionskriege (1667–68) hat er den bedeutendsten Einfluß ausgeübt. Er hat den Kurfürsten, welcher über das gewaltsame Auftreten Ludwig’s XIV. sehr ungehalten und geneigt war, demselben entgegen zu treten, zurückgehalten und ihn veranlaßt, zunächst eine abwartende Stellung einzunehmen und seine Entscheidung wesentlich davon abhängig zu machen, welche Aussichten ihm von der einen oder der anderen Partei in der für seine Interessen noch wichtigeren polnischen Frage gemacht werden würden, und schließlich auf die Anträge Ludwig’s XIV., welcher sich erbot, seine früheren Pläne in Polen aufzugeben und dort auch die Throncandidatur des Pfalzgrafen von Neuburg zu befördern, wogegen der Kurfürst sich nur zur Neutralität im niederländischen Kriege verpflichten sollte, einzugehen. S. nebst Somnitz und Jena hat mit [760] Millet den darauf bezüglichen Vertrag vom 15. December 1667 unterzeichnet.

Neben der Leitung der auswärtigen Politik hat S. auch in dieser Zeit die verschiedenartigsten Geschäfte der inneren Verwaltung zu erledigen, namentlich die Verhandlungen mit den märkischen Ständen über die Ordnung des Creditwesens und die Versuche, den kirchlichen Frieden herzustellen, fortzusetzen gehabt. Schwer betroffen wurde er durch den Tod seiner Gönnerin, der Kurfürstin Luise, am 18. Juni 1667, er hat die Prinzen an das Sterbelager der Mutter geführt und sie nachher in ihrem Schmerze zu trösten gesucht. Wenn man vermuthet hatte, daß durch diesen Todesfall Schwerin’s Stellung erschüttert werde, jetzt seinen Gegnern der leitende Einfluß zufallen werde, so erfüllte sich dieses nicht, vielmehr blieb auch nachher S. an der Spitze der Geschäfte, und der Kurfürst hätte ihm keinen größeren Beweis seines Vertrauens geben können, als daß er ihn, und zwar ihn allein unter seinen Räthen, zum Mitwisser des Anfang 1668 auftauchenden Planes einer zweiten Vermählung mit der verwittweten Herzogin Dorothea von Lüneburg gemacht und seinen Rath und seine Unterstützung auch in dieser Angelegenheit in Anspruch genommen hat. S. fiel auch die Aufgabe zu, die seiner Obhut anvertrauten beiden Prinzen auf den bevorstehenden Schritt ihres Vaters vorzubereiten und mit demselben zu versöhnen, und er gehörte zu dem kleinen Gefolge, welches den Kurfürsten zu der am 24. Juni zu Gröningen stattfindenden Hochzeit begleitete. Auch zu der neuen Kurfürstin hat S. zwar nicht in einem so vertrauten, aber doch in durchaus freundlichem Verhältniß gestanden. Auch an äußerem Lohne hat es S. damals nicht gefehlt, namentlich verlieh ihm der Kurfürst nach dem Tode seines Stiefsohnes, des Freiherrn Truchseß v. Waldburg, 1665 die vorher diesem gehörigen Wildenhof’schen Güter in Preußen, und belehnte ihn nach dem glücklichen Ausgange eines längeren Rechtsstreites mit der Waldburgschen Familie 1668 feierlich mit denselben. Ende August 1668 begab sich der Kurfürst mit seinem Hofe nach Preußen, um angesichts der bevorstehenden Königswahl Polen näher zu sein, S. folgte ihm auch dorthin, aber erst etwas später. Ueble Folgen seiner Abwesenheit vom Hofe mußte er gleich nach seiner Ankunft in Königsberg in dem veränderten Verhalten der Prinzen, namentlich des Kurprinzen bemerken, welcher schon längst der Studien überdrüssig und jetzt durch anderweitige Einflüsse aufgereizt, sich seiner Beaufsichtigung entwachsen dünkte und seinen Mahnungen und Anordnungen störrischen Widerstand entgegensetzte, so daß er zu strengen Mitteln greifen mußte, um seine Autorität aufrecht zu erhalten und die Fortsetzung regelmäßiger Studien durchzusetzen. Im Februar 1669 wurde er dann von einer schweren Krankheit befallen, welche ihn fast ein halbes Jahr von den Geschäften fernhielt. Auch nachdem dieselbe geheilt war, fühlte er sich nicht mehr im vollen Besitz seiner früheren Kräfte, und theils deswegen, theils infolge von Verstimmung über neue Anfeindungen von seiten seiner Gegner richtete er gleich nach seiner Rückkehr nach der Mark an den Kurfürsten, dem er zusammen mit den Prinzen vorausgereist war, ein Entlassungsgesuch. Der Kurfürst lehnte dasselbe in der gnädigsten und für ihn ehrenvollsten Form ab, versprach aber, ihn von einem Theile seiner verschiedenartigen Amtspflichten zu entlasten, doch ist das nur in geringfügiger Weise geschehen. S. behielt neben seiner Stellung als Hofmeister der Prinzen auch nach wie vor die Leitung der auswärtigen Geschäfte. Bei dem Subsidienbedürfniß des Kurfürsten und der Vernachlässigung, welche derselbe vom Kaiser und auch von Holland erfuhr, ist auch er jetzt für eine nähere Verbindung mit Frankreich gewesen, hat die mit dem Abschluß des Vertrages vom 31. December 1669 endigenden Verhandlungen mit dem von Ludwig XIV. zu dem Kurfürsten geschickten Vaubrun geführt, hat auch in den [761] beiden nächsten Jahren das Festhalten an dem Bündniß mit Frankreich befürwortet und sich wenigstens den Anschein gegeben, als ob er keine neuen gewaltthätigen Unternehmungen Ludwig’s XIV. befürchte, aber doch dahin gewirkt, daß der Kurfürst den ihm damals französischerseits gemachten Anträgen, an dem bevorstehenden Angriff gegen Holland Theil zu nehmen, ausgewichen ist. Daneben hat er die Neuordnung des ständischen Schuldenwesens in der Mark fortgeführt, hat ferner Theil genommen an den weiteren, mit dem Pfalzgrafen von Neuburg über die Regelung der kirchlichen Verhältnisse in den beiderseitigen rheinisch-westfälischen Gebieten geführten Verhandlungen, ist auch, freilich gegen seinen Willen, zu den preußischen Angelegenheiten herangezogen worden. Er hat auch jetzt bei den fortgesetzten Conflicten mit den dortigen Ständen dem Kurfürsten zu möglichster Milde gerathen, auch in dem Kalckstein’schen Processe hat er freilich erfolglos sich bemüht, denselben zur Zurücknahme seines Befehls, sofort mit der Folter gegen den Angeklagten vorzugehen, zu bewegen.

Als zu Ende des Jahres 1671 der Entschluß Ludwig’s XIV. Holland anzugreifen deutlich hervortrat, nun in letzter Stunde die holländische Regierung sich um die Bundesgenossenschaft des Kurfürsten bemühte, dagegen der französische König durch glänzende Anerbietungen denselben wenigstens zur Neutralität zu bewegen suchte, da ist S. ebenso wie die Mehrzahl der Räthe des Kurfürsten gegen eine offene Verbindung desselben mit Holland gewesen und dessen entgegengesetzter Beschluß hat ihn mit schweren Sorgen erfüllt. Er hat bei den Verhandlungen mit dem holländischen Gesandten Amerongen sich sehr wenig entgegenkommend gezeigt, so daß dieser lieber sich an den Kurfürsten persönlich wandte, doch hat S. nachher den Allianzvertrag vom 6. Mai 1672 mit unterzeichnet und ist dann dem Kurfürsten ins Feld gefolgt. Vom Hauptquartier bei Frankfurt a. M. aus hat er dann wiederholte Sendungen zu den rheinischen Kurfürsten unternommen, um diese zum Anschluß an die Verbündeten oder wenigstens zur Gestattung freien Durchzuges zu bewegen. Er ist auch zu den Sitzungen des Kriegsraths hinzugezogen worden und hat jetzt trotz des Mißerfolges des Feldzuges dem Kurfürsten gerathen, auf der Seite Hollands auszuharren, hat dann, als der Winter herankam, dem Abmarsch der ganzen kurfürstlichen Armee nach Westfalen widersprochen. Als dieser dennoch erfolgte, auch in Westfalen aber der Feldzug unglücklich verlief und dem Kurfürsten, der sich von den Kaiserlichen verrathen glaubte und auch von Holland schlecht unterstützt wurde, neue Anerbietungen zu einem Separatfrieden mit Frankreich gemacht wurden, da hat auch er gerathen, auf dieselben einzugehen, zunächst durch Unterhandlungen Zeit zu gewinnen und dann, als die Lage des Kurfürsten eine immer bedrohtere wurde, ernstlich den Frieden zu suchen. Ebenso hat er auch nach dem Abschluß des Friedens von Vossem die Politik des Kurfürsten vertreten, welche dahin zielte, eine mittlere Richtung zwischen Frankreich und dem jetzt mit diesem im Kriege begriffenen Kaiser einzuhalten und den allgemeinen Frieden zu vermitteln, und er ist daher den Annäherungsversuchen der damals ähnliche Ziele verfolgenden schwedischen Regierung entgegengekommen; S. zusammen mit Somnitz und Jena hat die Verhandlungen mit den nach Berlin gekommenen schwedischen Bevollmächtigten Mardefeld und Wangelin geführt und mit denselben den Vertrag vom 11. December 1673 vereinbart. Der Stellung als Hofmeister des jetzt erwachsenen Kurprinzen war S. enthoben worden, dagegen leitete er nach wie vor die Erziehung des Prinzen Friedrich. Als der Kurfürst ihm 1673 auch die seines dritten Sohnes, des jetzt siebenjährigen Prinzen Ludwig übertragen wollte, suchte sich S. dem zu entziehen und richtete bei dieser Gelegenheit aufs neue an den Kurfürsten unter Hinweis auf seine Kränklichkeit das Gesuch, ihn ganz aus seinem Dienste zu entlassen, der Kurfürst aber antwortete, er könnte bei den jetzigen gefährlichen [762] Conjuncturen seines Rathes am wenigsten entbehren, und S. ließ sich nicht nur bewegen im Dienste zu bleiben, sondern auch die Erziehung des Prinzen zu übernehmen, die er dann in derselben sorgsamen Weise wie die der älteren Brüder desselben geleitet hat.

Als Anfang 1674 nach den neuen Uebergriffen Ludwig’s XIV. auf das Reichsgebiet neue Versuche von seiten des Kaisers und dann auch Hollands gemacht wurden, den schon längst über den französischen Uebermuth und die säumige Subsidienzahlung entrüsteten Kurfürsten auf ihre Seite zu ziehen, ist S. im Gegensatz zu den meisten anderen Räthen für eine solche Verbindung gewesen, ihm und den ihm gleichgesinnten Somnitz und Blaspeil wurden daher die Verhandlungen mit dem kaiserlichen Gesandten de Goeß und dem holländischen Achtienhoven übertragen und sie haben, nachdem endlich die Subsidienfrage geregelt war, mit diesen am 1. Juli den Allianzvertrag abgeschlossen, auf Grund dessen dann der Kurfürst am Kriege gegen Frankreich Theil genommen hat. Auf dem Feldzuge nach dem Oberrhein aber hat S. denselben nicht begleitet, er erhielt vielmehr den Auftrag, sich mit den beiden seiner Obhut anvertrauten Prinzen nach Cleve zu begeben, um dieselben dort ihre Studien fortsetzen und den älteren eine Kur bei einem berühmten niederländischen Arzt durchmachen zu lassen, zugleich aber auch von dort aus in Holland für das brandenburgische Interesse zu wirken und in Cleve selbst eine weitere Reform des Kammerstaates und vollständige Durchführung der Accise zu betreiben. S. ist dort bis Anfang Sommer 1676 geblieben, fern von dem Kriegsgetümmel, in welches bald auch die Mark infolge des Einbruchs der Schweden hineingezogen wurde, sehr erfreut über die Muße, welche ihm sogar die Fortsetzung lang entbehrter Studien gestattete, dabei aber doch nach Möglichkeit für die Interessen seines Herrn thätig. Er hat dort die Verhandlungen mit den Ständen geführt und die Aufbringung vermehrter Geldmittel für den Krieg betrieben, zugleich in Holland auf Zahlung der Subsidien und Hülfeleistung gegen Schweden gedrungen. Schwer ist er in dieser Zeit betroffen worden durch den am 27. November 1674 zu Straßburg erfolgten Tod seines ehemaligen Zöglings, des Kurprinzen Karl Emil. Mit dem Kurfürsten hat er einen lebhaften Briefwechsel unterhalten, dieser unterrichtete ihn wieder fortgesetzt über den Gang der kriegerischen Ereignisse, theilte ihm seine Sorgen mit und erbat sich seinen Rath, namentlich zuletzt, als er trotz der Erfolge gegen die Schweden infolge der mangelhaften Unterstützung seiner Alliirten und der Benachtheiligung in der Quartierfrage nicht wußte, wie er seine Armee erhalten und verstärken sollte. S. hat damals die Bitte des jetzigen Kurprinzen, auf der Rückreise Kassel besuchen und dort seine Verlobung mit der von ihm schon lange geliebten hessischen Prinzessin Henriette feiern zu dürfen, unterstützt und den Kurfürsten, welcher anfangs der befürchteten Kosten wegen dagegen Bedenken erhoben hatte, zur Einwilligung bewogen. Bald nach seiner Rückkehr nach Berlin, 30. Juni 1676, wurde er der Aufsicht über den Kurprinzen Friedrich enthoben, er leitete aber auch ferner die Erziehung des Prinzen Ludwig und hat während der Abwesenheit des Kurfürsten und seiner Gemahlin im Felde in den folgenden Jahren eine Art von Oberaufsicht über den ganzen in Berlin zurückgebliebenen Hof geführt, zeitweilig, im Sommer 1677, waren alle Kinder des Kurfürsten bei ihm in Alt-Landsberg zu Gaste. Auch die Direction des Geh. Rathes hat er fortgeführt und auch an den diplomatischen Geschäften wieder Theil genommen. Nach längeren Verhandlungen mit dem holländischen Gesandten van der Tocht hat er nebst v. Brandt und Meinders mit diesem die neue Defensivallianz vom 2. März 1678 und den Vertrag über die Erledigung der Hofeyser’schen Schuldsache abgeschlossen. Ebendamals gerieth er mit dem Kurfürsten in Differenzen, [763] welche einen ernsteren Charakter annahmen als die früheren bald vorübergehenden Verstimmungen, er bat aufs neue um seine Entlassung und hielt sich, da er keinen Bescheid darauf erhielt, vier Wochen vom Hofe und vom Geh. Rathe fern, doch hat dann die Kurfürstin eine Wiederaussöhnung vermittelt, der Kurfürst lehnte auch, als S. zu Ende des Jahres sein Gesuch erneuerte, dasselbe ab, enthob ihn aber aus Rücksicht auf seine Kränklichkeit der Direction im Geh. Rathe und stellte ihm auch baldige Entbindung von der Erziehung des Prinzen Ludwig in Aussicht. Die damaligen weiteren glücklichen Erfolge des Kurfürsten gegen die Schweden begleitete S. mit freudigster Theilnahme, nach der Eroberung Stralsunds (October 1678) beglückwünschte er den Kurfürsten dazu auf das herzlichste, sprach den Wunsch aus, daß derselbe diese Stadt und sein ganzes Heimathland dauernd behalten möge, und gab ihm Rathschläge, wie dies zu erreichen sei, wobei er schon auf eine eventuelle Verständigung mit Frankreich hinwies. Der Kurfürst hat auch in der Folgezeit seine Dienste mehrfach in Anspruch genommen. Als Ende 1678 durch den Einfall der Schweden in Preußen neue militärische Anstrengungen nöthig wurden, beauftragte er S., von den märkischen Ständen die Bewilligung der dazu erforderlichen Geldmittel zu erwirken. Als er dann 1679 infolge des Abfalls seiner Verbündeten und des von Frankreich ausgeübten Zwanges sich zu dem unglücklichen Frieden von St. Germain verstehen mußte, darauf aber in einer engeren Verbindung mit Frankreich eine Stütze suchte und durch Meinders, welcher jenen Frieden abgeschlossen hatte, Unterhandlungen deswegen anknüpfen ließ, begehrte er (Anfang August 1679) wieder den Rath Schwerin’s; dieser hat anfangs abgerathen, nachher aber doch die Richtigkeit der von dem Kurfürsten geltend gemachten Gründe anerkannt und nur empfohlen, zunächst eine reservirte Haltung einzunehmen und schrittweise mit den Anerbietungen vorzugehen. Vor gewaltsamen Maßregeln, die der Kurfürst damals gegen Holland und Spanien im Sinne hatte, um diese Mächte zur Zahlung der ihm noch schuldigen Subsidien zu nöthigen, hat er ernstlich gewarnt, ebenso nachher (Mitte October) vor ähnlichen Schritten gegen den Herzog von Hannover, welcher durch Verweigerung des Durchzuges den Zorn des Kurfürsten gereizt hatte. Damals war S. schon schwer krank. Er hatte, um Ersatz für seine am 26. August 1677 verstorbene Gattin zu finden, sich am 26. März 1679 zum dritten Male mit der verwittweten Frau Dorothea von Fleming, geb. v. Schlieben verheirathet, war aber am 17. September zu Alt-Landsberg erkrankt. Dort setzte er am 23. September sein Testament auf, Anfang October siedelte er, da das Fieber zunahm, nach Berlin über, doch verschlimmerte sich sein Zustand immer mehr, er versank in vollständigen Trübsinn, gewann jedoch zuletzt sein Gottvertrauen wieder und starb am 14. November 1679. Seine Leiche wurde am 22. December feierlichst zu Alt-Landsberg bestattet.

Geschichte des Geschlechts von Schwerin, herausgegeben von Gollmert, Wilhelm und Leonhard Grafen v. Schwerin, Berlin 1878. – v. Orlich, Friedrich Wilhelm der Große Kurfürst, Berlin 1836. – v. Orlich, Geschichte des Preußischen Staates im 17. Jahrhundert, 3 Bde. Berlin 1838, 1839. – Isaacsohn, Geschichte des preußischen Beamtenthums. 2. Bd. Berlin 1878. – v. Holly, Die staatsmännische Thätigkeit Ottos v. Schwerin unter der Regierung des großen Kurfürsten, Programmabhandlungen Neustadt-Eberswalde 1874 und Marne 1876. – Urkunden und Aktenstücke zur Geschichte des Kurfürsten Friedrich Wilhelm von Brandenburg[WS 1], Bd. 1–14, Berlin 1864–1890. – Akten des Berliner Geh. Staatsarchivs.

[754] *) Zu Bd. XXXIII, S. 425.


Anmerkungen (Wikisource)

  1. Herausgegeben von Theodor Hirsch (1806–1881), nach dessen Tod fortgeführt von seinem Sohn Ferdinand Hirsch (1843–1915), dem Autor dieses Artikels.