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ADB:Schuppanzigh, Ignaz

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Artikel „Schuppanzigh, Ignaz“ von Wilhelm Joseph von Wasielewski in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 33 (1891), S. 77–78, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Schuppanzigh,_Ignaz&oldid=- (Version vom 5. November 2024, 10:58 Uhr UTC)
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Schuppanzigh: Ignaz S. wurde 1776 in Wien geboren und starb dort am 2. März 1830. Dieser Musiker, dessen Vater Professor an der Wiener Realschule war, befaßte sich in der Jugend zu seinem Vergnügen mit dem Bratschenspiel. Später ging er zur Violine über, und im Alter von 18–19 Jahren faßte er den Entschluß, sich gänzlich der Kunst zu widmen. Unter wessen Leitung er speciell das Studium der Geige betrieb, ist nicht bekannt. Als Solospieler zeichnete sich S. nicht sonderlich aus, was mit seiner unvortheilhaften Handbildung zusammenhing. Er hatte kurze, dicke Finger, die ihm für eine saubere Intonation, besonders in den höheren und höchsten Lagen, mancherlei Schwierigkeiten verursachten. Dagegen gewann er als Quartettspieler ungewöhnliche Bedeutung. Seine öffentliche künstlerische Thätigkeit begann er 1797 mit Concerten, welche im Augartensaale während der Morgenstunden von 7–9 Uhr stattfanden. Die Gründung des von ihm geleiteten Streichquartetts erfolgte aber schon 1793. Dasselbe war an den Aufführungen betheiligt, welche zu jener Zeit regelmäßig Freitags Vormittag in der Behausung des Fürsten Lichnowsky abgehalten wurden. Zu Quartettgenossen hatte S. anfangs seinen Schüler Mayseder für die zweite Geige, sowie den Bratschisten Schreiber und den Violoncellisten Anton Kraft. Für den Letzteren trat bisweilen dessen Sohn Nikolaus ein. Weiterhin übernahm Louis Sina die zweite Violine an Stelle [78] Mayseder’s, während Schreiber die Bratsche an Franz Weiß abtrat, und Kraft mit Lincke am Violoncell abwechselte. Ein großer Gewinn war es für diesen Verband, daß Haydn demselben persönlich beim Studium seiner Compositionen rathend zur Seite stand. Mosel und Stadler waren die Instructoren für Mozart’s Quartette. Endlich gab auch Beethoven den vier Genossen Fingerzeige hinsichtlich der Auffassung seiner neucomponirten Kammermusikwerke. So durch anhaltend fleißige Uebung im Zusammenspiel für die Oeffentlichkeit gründlich vorbereitet, unternahm S. mit seinen Partnern vom Winter 1804 bis 1805 stehende Quartettakademieen. Durch dieselben gab er den Anstoß zu gleichartigen, in der Folge entstandenen Unternehmungen, die bis dahin noch nirgend gebräuchlich gewesen waren.

Damals lebte in Wien ein enthusiastischer Musikfreund. Es war der kais. russische Gesandte am dortigen Hofe, Graf Andrei Kyrillowitsch Rasoumowsky, für welchen Beethoven bekanntlich die drei Quartette Op. 57 componirte. Dieser vom russischen Kaiser 1815 in den Fürstenstand erhobene Kunstmäcen gewann das Schuppanzigh’sche Quartett im J. 1808 gegen eine feste Besoldung für seine Hausmusik. Rasoumowsky, welcher Violine spielte, betheiligte sich vielfach am Quartettspiel in seinem Palais durch Uebernahme der zweiten Stimme. Wollte er zuhören, so war Mayseder sein Stellvertreter. Die Bratsche blieb wie bisher in den Händen von Weiß, und Lincke versah den Platz am Violoncell allein, denn Kraft war nicht dabei betheiligt. Neben ihrer Thätigkeit in Rasoumowsky’s Hause veranstalteten die Genannten auch öffentliche Quartettaufführungen.

Als dieser Künstlerverband sich 1816 oder 1817 auflöste, gewährte Rasoumowsky den Mitgliedern desselben auch ferner ihr bis dahin bezogenes Gehalt. S. versuchte dann sein Glück in Rußland, kehrte indessen von dort 1824 wieder nach Wien zurück. Hier fand er eine Anstellung in der kaiserlichen Capelle, die er vier Jahre später mit dem Amt des Musikdirectors an der deutschen Oper vertauschte.

In seiner Blüthezeit war S. bei den Wienern als Quartettspieler sehr beliebt. Außer der Gabe mit Leichtigkeit vom Blatt zu lesen, besaß er die Fähigkeit, in den Geist der Compositionen genau einzudringen und das Feurige, Kräftige, aber auch das Feinere, Zarte, Humoristische, Liebliche, Tändelnde bezeichnend herauszuheben, wie es in einem Correspondenzartikel der Leipziger Musikalischen Zeitung vom Jahre 1805 heißt. Dabei hatte er jedoch nach dem Zeugniß urtheilsfähiger Zeitgenossen die Neigung zu einer Vortragsweise, welche durch mancherlei Willkürlichkeiten bezüglich des Tactes, sowie durch eine unmotivirte Phrasirung und ein zu scharfes Accentuiren einzelner Töne gekennzeichnet war. Diese Eigenthümlichkeiten traten später in noch schärferer Ausprägung hervor. Dennoch bleibt S. das unbestrittene Verdienst, die Streichquartette unserer Musikheroen, namentlich aber diejenigen Beethoven’s, zuerst, und zwar mit bedeutendem, tonangebendem Erfolg in die Oeffentlichkeit eingeführt zu haben.