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ADB:Schoppe, Kaspar (1. Artikel)

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Artikel „Scioppius, Gaspar“ von Richard Hoche in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 33 (1891), S. 479–484, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Schoppe,_Kaspar_(1._Artikel)&oldid=- (Version vom 5. November 2024, 04:14 Uhr UTC)
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Scioppius: Gaspar, eigentlich Kaspar Schoppe,[WS 1] hervorragender Philologe und Publicist des 16. und 17. Jahrhunderts. Er war am 27. Mai 1576 zu Neumarkt in der Oberpfalz geboren als der Sohn des Amtmanns Konrad Schoppe, der dieses Amt nach früheren Kriegsdiensten, wie 1565 unter Lazarus Schwendi in Ungarn, durch den Pfalzgrafen Johann Casimir erhalten hatte. Das Bekenntniß der Familie war das evangelische. Von des Sohnes früher Jugend ist wenig bekannt; 1593 war er Student in Heidelberg, 1594 ging er nach Altorf und fand hier in dem Juristen und Philologen Konrad Rittershaus, an den ihn der Vater empfohlen hatte, einen freundlichen Förderer. Durch diesen besonders auf die Lectüre der Alten hingewiesen, trieb er diese Studien mit angestrengtestem Eifer; von jedem Verkehre mit den Commilitonen, die er verachtete, hielt er sich fern. Ein Gedicht, in welchem er unberufener Weise den Rector der Universität Petrus Wesembecius ermahnte, die nächtlichen Gelage der Studenten zu verbieten, zog ihm vielseitige Angriffe schon damals zu. Bereits 1595 verließ er Altorf, um in Ingolstadt den berühmten Philologen Obertus Giphanius, Priester des Jesuitenordens, zu hören. Hier ließ er noch 1595 seine erste größere wissenschaftliche Arbeit erscheinen unter dem Titel: „Verisimilium libri quatuor“, eine Sammlung von Verbesserungsvorschlägen zu verschiedenen lateinischen Schriftstellern (Plautus, Symmachus, Cornelius Nepos u. a.), die „ebenso sehr von seinem Scharfsinn und seiner Belesenheit, wie von seiner Eitelkeit und Selbstgefälligkeit Zeugniß giebt“ (Bursian). Das Buch erregte in wissenschaftlichen Kreisen ein gewisses Aufsehen, selbst Scaliger schrieb dem 19jährigen Verfasser einen schmeichelhaften Anerkennungsbrief; bald wurde aber von den zahlreichen Feinden, die S. sich bereits durch seine Polemik erweckt hatte, die Behauptung verbreitet, das Beste in dem Buche sei seines Lehrers Giphanius Eigenthum; ganz grundlos war dieser Verdacht auch in der That nicht. In derselben Zeit – 1596 – erschien eine zweite philologische Arbeit, ein Commentar zu den sogenannten Priapeia. Das Büchlein, in welchem die schmutzigsten Dinge mit einem gewissen Behagen besprochen und erklärt werden, ist in Scioppius’ Leben dadurch von Bedeutung geworden, daß es zehn Jahre später – 1606 – ohne sein Wissen und gegen seinen Willen von Melchior Goldast nochmals veröffentlicht wurde, um den inzwischen katholisch gewordenen Verfasser, der sich mit einem Heiligenscheine von Sittenreinheit zu schmücken suchte, bloßzustellen. Auch später sind noch mehrfache Ausgaben dieser Jugendarbeit erschienen.

Der Aufenthalt in Ingolstadt und der Verkehr mit den Jesuiten hatten schon damals eine gewisse Hinneigung zum Katholicismus in S. hervorgerufen; wohl um dem entgegenzutreten veranlaßte ihn sein Vater, noch 1596 nach Altorf zurückzukehren. Hier ließ er schon im folgenden Jahre zwei neue Werke erscheinen: „Suspectarum lectionum libri V …, in quis … Plautus, Apuleius, Diomedes Grammaticus alii corriguntur“ und „De arte critica“. Das erstere, eine Fortsetzung der Verisimilia, bringt in der Form von Briefen an hervorragende Gelehrte, wie Scaliger, Casaubonus u. a., eine große Anzahl zum Theil werthvoller Verbesserungen, das zweite ist eine methodologische Anleitung zur Handhabung der Kritik, besonders zur Verbesserung der Schreibfehler in den lateinischen Handschriften, mit zahlreichen Beispielen aus den Handschriften des Plautus und Symmachus. Bald darauf folgten „Notae in Tertulliani Apologeticum et librum adversus Judaeos“ in der Ausgabe des Tertullian von Franz Junius (1597), eine Frucht der Ingolstädter Studienzeit, und ein „Spicilegium in Phaedri fabulas“ (1598) in der Phaedrus-Ausgabe seines Lehrers und Freundes [480] Konrad Rittershaus. – Vornehmlich einer Handschrift wegen war er bereits 1597 nach Verona gereist, von dort aber schon nach wenigen Wochen nach Deutschland zurückgekehrt und nach Prag gegangen, wo er in die Nähe des kaiserlichen Hofes zu gelangen hoffte. Sein Wunsch war damals, im Frühjahr 1598 nach Polen, wobei ihn „eine große Sehnsucht trieb“, oder nach Leyden zu gehen. Hier in Prag lernte S. durch seinen Freund Tob. Scultetus den kaiserlichen Rath Joh. Matthäus Wacker von Wackenfels kennen, der sich in seinen Mußestunden mit philologischen Studien beschäftigte. Dieser beauftragte S. mit der Herausgabe seiner gegen Justus Lipsius gerichteten Schrift „De cruce et furca veterum“, zu deren Fertigstellung ihm selbst die Staatsgeschäfte keine Zeit ließen. S. wurde hierdurch zum Studium specifisch katholischer Schriften, namentlich der Annales ecclesiastici des Cardinals Baronius veranlaßt; in diesem Buche, erzählt er selbst in seinem „De migratione sua ad Catholicos libellus“ „habe ich, während ich das Kreuz suchte, das Heil gefunden; ihm verdanke ich den wahren Glauben, die wahre Erkenntniß Gottes und das ewige Heil des Körpers und der Seele“. Nachdem er noch kurz vorher in Prag ein beißendes Gedicht gegen die Katholiken herausgegeben hatte, trat er hier jetzt zur katholischen Kirche über.

Dieser Schritt ist für Scioppius’ Leben von entscheidender Bedeutung geworden. Es kann dahin gestellt bleiben, in wie weit der „Durst nach äußeren Gütern“, den ihm seine Feinde vorwarfen, für den Glaubenswechsel mitbestimmend gewesen ist; thatsächlich sind seine Vermögensverhältnisse immer nur bescheiden geblieben und der seiner Eitelkeit schmeichelnde Verkehr mit „Papst und Cardinälen, Kaiser, Königen und Fürsten“ hat ihm nur pomphafte Titel und Würden eingebracht. Schon in Prag scheint er nach dem Uebertritte in ein amtliches Verhältniß zu dem kaiserlichen Rathe Wacker von Wackenfels getreten zu sein; sicher ist, daß er diesen im Juli 1598 nach Ferrara begleitete, wohin derselbe als kaiserlicher Gesandter zu Papst Clemens VIII. geschickt war. Als hier im Novbr. 1598 der König Philipp III. von Spanien sich mit der Erzherzogin Margarethe von Steiermark vermählte, schrieb S. einen Panegyricus auf den König und auf Clemens VIII., gab auch 1599 eine eigene Geschichte der Hochzeitsfeierlichkeiten heraus. Die junge Königin reichte ihm mit eigenen Händen für das Lobgedicht ein ansehnliches Ehrengeschenk; wichtiger wurde ihm aber, daß er durch dasselbe die dauernde Gunst des Papstes erwarb. Diesem folgte er mit der kaiserlichen Gesandtschaft im December 1598 nach Bologna, dann über Florenz nach Rom. Hier glaubte er eine neue Heimath gefunden zu haben; schon am 22. Januar 1599 theilte er seinem Freunde Rittershaus den Entschluß mit, seinen dauernden Aufenthalt in Rom zu nehmen, weil er hier allein „in Muße jeden Zweig der Wissenschaft treiben“ könne, wo „die marmornen Bildsäulen und steinernen Paläste zum Studiren antreiben und uns jene Heldengestalten des Heiden- und Christenthums wieder ins Gedächtniß zurückrufen“. Als daher der kaiserliche Gesandte nach einiger Zeit nach Prag zurückkehrte, begleitete S. ihn nicht; er blieb in Rom, um sich nun ganz den neuen Aufgaben zu widmen, die sich ihm hier boten.

Schon gleich nach seinem Uebertritte hatte er in mehreren Schriften seinen Eifer für die katholische Kirche erwiesen: 1598 erschien in Rom „Pro auctoritate Ecclesiae in decidendis fidei controversiis libellus“, im Jahre darauf die schon erwähnte Schrift: „De migratione sua ad Catholicos“; die besondere Huld des Papstes erwarb er aber durch die beiden im Jahre 1600 herausgegebenen Schriften „Erga Anni Jubilaei sive de Indulgentiis commentarius“ und „Annotationes in Bullam Jubilaei S. D. Clementis VIII.“ Bald konnte er sich seinen deutschen Freunden gegenüber als Eques sacrique Lateranensis Palatii et Curiae Romanae Comes vorstellen; seine Bemühungen freilich, auch diese zur alleinseligmachenden Kirche zurückzuführen, blieben ohne Erfolg. Als er in diesen Bekehrungsversuchen [481] so weit ging, seinen alten Gönner Konrad Rittershaus, der sich durchaus ablehnend verhalten hatte, in einer „Epistola de variis fidei controversiis ad primarium quendam Germaniae Jurisconsultum“, die er 1600 in Ingolstadt erscheinen ließ, in ungebührlichster Weise anzugreifen, kündigte Rittershaus ihm die Freundschaft. Um so enger wurden dagegen seine Beziehungen zu den Cardinälen Baronius, Cynthius Aldobrandini und besonders Madruccio, die auch seine philologische Gelehrsamkeit zu würdigen wußten. In der That ging auch neben den Bestrebungen für die Interessen der Kirche eine fleißige gelehrte Thätigkeit nebenher: 1605 erschienen „Symbola critica in L. Apuleii opera“ und „M. Terentii Varronis de lingua latina libri a G. S. recensiti“, 1606 die „Epitheta et synonyma poëtica“.

Eine an sich ziemlich bedeutungslose wissenschaftliche Differenz, in welche S. mit Scaliger gerathen war, veranlaßte 1607 den Ausbruch eines Zwistes zwischen beiden Männern, der namentlich für S. nach manchen Seiten unheilvoll werden sollte. Im J. 1607 ließ S. unter dem Titel „Scaliger Hypobolimaeus hoc est Elenchus Epistolae Josephi Burdonis Pseudoscaligeri de vetustate et splendore gentis Scaligerae“ eine Schmähschrift ausgehen, auf deren 360 Quartseiten er Scaliger als Philologen, namentlich aber als „prahlerischen Calvinisten und Ketzer“ angriff und die von Scaliger mit besonderem Stolze gepflegte Tradition über die Herkunft seiner Familie von dem fürstlichen Geschlechte della Scala mit treffendem Witze und beißendem Hohne zu vernichten suchte. Die Antworten blieben nicht aus; D. Heinsius veröffentlichte die Satiren „Hercules tuam fidem“ und „Virgula divina“, sowie in Verbindung mit Rittershaus die „Vita et parentes G. Scioppii“ in denen S. arg zerzaust wurde, während Scaliger selbst eine „Confutatio stultissimae Burdonum Fabulae“ 1608 erscheinen ließ, auf die S. erst nach Scaliger’s Tode mit den „Ampholites Scioppianae“ unter dem Pseudonym Operinus Grubinius 1611 antwortete. Der dauernde Erfolg dieser Polemik war für ihn u. a. der, daß in der Folge jede seiner philologischen Veröffentlichungen in den Anhängern Scaliger’s und des von ihm in ähnlicher Weise behandelten Casaubonus feindlich gesinnte Kritiker fand.

Ueber seine sonstige Thätigkeit in Rom während dieser Periode wird vornehmlich berichtet, daß er unter den dorthin kommenden Deutschen eifrig Propaganda für den Katholicismus machte, besonders aber seitens der päpstlichen Curie den deutschen Fürsten, welche Rom besuchten, als gelehrter Führer beigegeben wurde und im Interesse der Kirche bei diesen zu wirken suchte. Auch zu politischer Schriftstellerei wurde S. vom Papste Paul V., dem Nachfolger von Clemens VIII. vielfach verwendet, namentlich in dem lange zwischen der Curie und der Republik Venedig schwebenden Streite, der erst im Jahre 1607 beigelegt wurde. Als S. im September d. J. auf Befehl des Papstes nach Deutschland reiste, wurde er in Venedig wegen seiner Schrift „Nicomedi Macri civis Romani cum Nic. Crasso civi Veneto Disceptatio de paraenesi Cardinalis Baronii ad Ser. Rempublicam Venetam“ verhaftet und einige Tage gefangen gehalten. Er eilte dann nach Graz zum Erzherzog Ferdinand und nach Prag an den kaiserlichen Hof; sein Auftrag war, dem Kaiser Rudolf „einige fromme Rathschläge auseinander zu setzen, durch welche die Wiederherstellung der katholischen Religion in Deutschland am meisten gefördert werden könnte“, wie das päpstliche Einführungschreiben besagte. Als „consiliarius“ Ferdinand’s wohnte er 1608 dem Regensburger Reichstage bei, wo seitens der Katholiken die Restitution der säcularisirten geistlichen Güter von den Protestanten verlangt wurde, verfaßte auch eine ganze Reihe religionspolitischer Schriften und besuchte im Auftrage des Erzherzogs eine große Zahl deutscher Fürsten, um den Boden für die Pläne [482] Ferdinand’s vorzubereiten. Er selbst bezeichnet sich später als den wahren Stifter der katholischen Liga; sicher ist, daß er bei Maximilian von Baiern in hohem Ansehen stand.

Auch in den nächsten Jahren, während deren S. in Ferdinand’s Diensten blieb, finden wir ihn mehrfach zu diplomatischen Sendungen verwendet; so wurde er namentlich 1609 mit einer Mission an den Papst zur Anbahnung eines „allgemeinen Unionswerkes von allen christlichen katholischen Potentaten“ betraut. Diese Anwesenheit am Sitze der Curie wurde die Veranlassung, daß S. in den seit einigen Jahren zwischen dem Papste und dem Könige Jacob I. von England schwebenden Streit über den Treueid eingriff durch eine Schrift: „Ecclesiasticus auctoritati Jacobi Regis oppositus“ (1611), in welcher die Oberhoheit des Papstes über alle weltlichen Fürsten aufgestellt und der König auf das schonungsloseste angegriffen wurde. Jacob ließ das Buch verbrennen, den Verfasser in einem Schauspiele verspotten und in effigie hinrichten; auch das Pariser Parlament verbot das Buch wegen der Angriffe auf den vor kurzem ermordeten König Heinrich IV. S. antwortete mit neuen Schmähschriften, in denen nunmehr auch die französischen Calvinisten Du Plessis, Mornay und Casaubonus angegriffen wurden. Der hieraus sich entwickelnde Zwist mit diesen Männern, der von beiden Seiten in zahlreichen Schriften mit denkbarster Bitterkeit geführt wurde, hat sich bis 1615 hingezogen. – In diese Zeit fällt auch eine Reise nach Neapel, welche S. auf Ferdinand’s Wunsch unternahm; diese bot ihm Gelegenheit, mit dem dort gefangen gehaltenen Philosophen Thomas Campanella in Verbindung zu treten. Der schwärmerischen Anschauung dieses Mannes über die spanische Monarchie als das von Gott gewollte Mittel zur Herstellung einer allgemeinen Herrschaft des Papstes und Herbeiführung eines „harmonischen goldenen Zeitalters“ stand auch S. nahe. Nach der Rückkehr aus Italien (1610) wurde S. durch Aufträge des Erzherzogs nach Rorschach, Kloster Weingarten, Augsburg und nach anderen Orten geführt; die wichtigste Reise war die im J. 1613 nach Madrid zur Ausgleichung verschiedener Differenzen zwischen Ferdinand und der spanischen Krone unternommene. Durch die Gunst des Königs Philipp’s III. und der Königin Margarethe ausgezeichnet – er wurde u. a. zum Grafen von Clara Valle ernannt –, blieb er ein ganzes Jahr in Madrid; ein Ueberfall durch Diener der englischen Gesandtschaft, welche ihn wegen seine Angriffe auf König Jacob tödten wollten, veranlaßte ihn 1614 zur Rückkehr nach Deutschland. Aber auch hier glaubte er seine Sicherheit durch die protestantischen Fürsten bedroht; 1617 siedelte er nach Mailand über. Von hier aus ließ er im J. 1619 seine berüchtigte Brandschrift „Classicum belli sacri“ ausgehen, in welcher er die katholischen Fürsten zum allgemeinen Kriege gegen die Protestanten anfeuerte; gleichzeitig erschien sein „Consilium Regium“ für Philipp III. Beide Schriften riefen in Deutschland, namentlich unter den Protestanten eine gewaltige Aufregung hervor; eine wahre Fluth von Gegenschriften folgte, unter denen, die von pfälzischen Räthen veranstaltete Sammlung „Flores Scioppiani“ namentlich auf die Wahlverhandlungen des Jahres 1619 wesentlichen Einfluß geübt hat. S. scheint von da an wieder ständig in Verbindung mit Ferdinand gewesen zu sein; die bekannten Depeschen desselben an den spanischen Hof, welche die Protestanten 1621 abfingen und unter dem Titel „Cancellaria Hispanica“ veröffentlichten, wurde wohl mit Recht S. zugeschrieben. Mit neuen Streitschriften trat er in den nächsten Jahren nicht mehr hervor, wandte sich vielmehr wieder seinen philologischen Studien zu. Als Frucht derselben erschien 1628 seine „Grammatica philosophica sive institutiones grammaticae latinae“, ein Werk, „das neben vielen Paradoxien auch manche scharfsinnige und fruchtbare Bemerkungen enthält“ (Bursian).

[483] Erst 1630 kehrte S. nach Deutschland zurück und trat von neuem in die politische Thätigkeit, u. a. auf dem Regensburger Kurfürstentage, ein. In seinen jetzt veröffentlichten Schriften legte er dem Kaiser und den Kurfürsten einen Plan zur Beilegung des Religionskrieges vor („Consultatio de causis et modis componendi … Religionis dissidii“; „Fundamentum pacis“ u. a.), in welchem er die Berufung eines Nationalconcils verlangte, welches die Protestanten zur katholischen Kirche zurückführen sollte. Er vertrat hiermit den Standpunkt des Papstes Urban VIII. gegen den ganz von den Jesuiten beherrschten Kaiser; bald entwickelte sich aus diesen Anfängen eine Fehde mit der Gesellschaft Jesu, der er schon früher nicht freundlich gegenüber gestanden hatte. Im J. 1632 nach den Siegen Gustav Adolf’s erschien seine Schrift „Flagellum Jesuiticum oder wohlmeynende und unparteiische Erinnerung, was wegen der Jesuiten jetziger Zeit in Deutschland zu berathschlagen“, in welcher er nachweist, daß der Orden an allem Unglücke Schuld sei, welches den Kaiser neuerlich betroffen habe. Ungefähr zu gleicher Zeit erschien seine Schrift „Mysteria Patrum S.-J.“, ein Dialog zwischen einer Novize und einem Pater professus, der die Lehre der Jesuiten und ihren schädlichen Einfluß schonungslos darlegt. Eine Reihe von Schriften gleichen Zweckes folgte diesen ersten, namentlich auch gegen die Unterrichtsmethode des Ordens gerichtet; es gelang S. aber nicht, die Väter Jesu aus der Umgebung Ferdinand’s zu verdrängen. Im Gegentheil wendete der Kaiser sich mehr und mehr von S. ab, und als schließlich auch der Papst, dem er unbequem geworden war, ihn aufgab, sah er sich genöthigt, den Schutz der Republik Venedig gegen die Nachstellungen des Ordens anzurufen. Die Gunst der Republik hatte er durch eine Schrift gewonnen, in welcher er ein Decret derselben gegen die Jesuiten vertheidigt hatte. Im J. 1683 übernahm er noch einmal eine diplomatische Mission für einen türkischen Abenteurer, der sich Sultan Jacchia, Sohn Mohamed’s III., nannte und die Ungläubigen aus Europa vertreiben wollte; er suchte für diesen in Lucca, Genua und Florenz Hilfe zu gewinnen, natürlich ohne jeden Erfolg. Von da an ist S. im öffentlichen Leben nicht mehr hervorgetreten; aus Furcht vor den Nachstellungen seiner Feinde – und deren Zahl war sehr groß – lebte er in strengster Zurückgezogenheit seit 1636 in Padua, wo er seine Wohnung nicht mehr zu verlassen wagte. Am schmerzlichsten war ihm, daß das Drucken seiner ferneren Schriften vom Papste, dem Kaiser und dem Könige von Spanien verboten wurde; seine letzten Arbeiten, meist philologischen, theologischen und didaktischen Inhalts, erschienen meist in Basel, Konstanz und Amsterdam. Erwähnenswerth ist von diesen die „Paedia humanarum ac divinarum litterarum“, 1636, „eine Art Programm seiner Methode des Unterrichts, nicht sowohl wegen ihres wissenschaftlichen Werthes, als wegen der erstaunlichen Unbefangenheit, mit welcher der Verfasser darin seine angeblichen Vorzüge und Tugenden der Welt anpreist“ (Bursian). In den letzten Jahren seines Lebens beschäftigte S. sich vornehmlich mit der Erklärung der Apokalypse; mit hierauf bezüglichen Schriften pflegte er den Cardinal Mazarin zu belästigen. Den Druck seines letzten Werkes „Quellen und Schlüssel der Weisheit, Ankündigung der baldigen Ankunft Christi und das System der prophetischen Kunst“ erlebte er nicht mehr; er starb in Padua am 19. November 1649.

Die wichtigsten Quellenschriften über S. sind die zahlreichen Streitschriften, namentlich außer den schon angeführten: Cave canem s. de vita, moribus, rebus gestis G. Scioppii Apostatae (von Caspar Barth) 1612, Hebii Scioppius excellens 1612, Wottoni epistola de Scioppio 1613, Vita et parentes Scioppii in „Hercules tuam fidem“ 1608, Operini Grubinii Ampholites Scioppianae 1610, desselben Mantissa Amphiotidum 1611 u. v. a. – Zu vergleichen ist ferner: J. M. Reinelius, de plagio 1679, S. 243. – Niceron, Mémoires [484] pour servir à l’histoire des hommes illustres 1736, S. 165–230. – Th. Blount, Censura autorum 1694, S. 985–987. – Zedler, Univ.-Lex. Bd. 36, S. 595–601. – Bayle, Dict. hist. IV, p. 172–180. – Jöcher IV, S. 421–425. – Neuerdings ist S. ausführlich behandelt von Nisard, Les gladiateurs de la republique des lettres 1860, S. 1–206, und von H. Kowallek, Ueber Gaspar Scioppius, in den Forschungen zur deutschen Geschichte. XI, S. 401–482, welchem die vorstehende Darstellung vornehmlich folgt. Daselbst von S. 469–481 ein Verzeichniß von Scioppius’ Schriften. Die philologische Seite von Scioppius’ Thätigkeit behandelt Bursian, Geschichte der Philologie, S. 283–286; über den Streit mit Scaliger handelt J. Bernays in seiner Biographie Scaliger’s (1855).


Anmerkungen (Wikisource)

  1. Zu dieser Person existiert in Band 39 eine Ergänzung.