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ADB:Robert, Ludwig

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Artikel „Robert, Ludwig“ von Franz Brümmer in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 28 (1889), S. 720–722, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Robert,_Ludwig&oldid=- (Version vom 25. Dezember 2024, 05:45 Uhr UTC)
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Robert: Ernst Friedrich Ludwig R., wurde am 16. December 1778 zu Berlin als der Sohn eines reichen jüdischen Geschäftsmannes geboren, der damals noch den Namen Levin Marcus führte, dann aber, als die Juden feste Familiennamen annehmen mußten, sich Robert-Tornow nannte. Der Sohn genoß unter der Leitung einer verständigen Mutter theils im Elternhause, das durch geistige Bildung und gesellige Verhältnisse sich vor vielen andern auszeichnete, theils auf dem französischen Gymnasium eine sorgfältige Erziehung und eine für den Kaufmannsstand berechnete Bildung. Er widmete sich dann diesem Berufe in Breslau und Hamburg, doch nur für kurze Zeit; sein Interesse galt mehr den freien humanistischen Studien, und in den Gesellschaftskreisen seiner älteren Schwester Rahel, der Frau Varnhagen’s v. Ense, schien man seine poetische Begabung hoch anzuschlagen. Seine ersten lyrischen Versuche veröffentlichte R. in dem von Chamisso und Varnhagen herausgegebenen Musenalmanach, sie fanden aber, wie der Almanach selber, wenig Beachtung. Bald verlegte er den Schwerpunkt seiner litterarischen Thätgigkeit auf das dramatische Gebiet. Er hatte die deutsche Bühne in ihrer ersten Blüthe kennen gelernt und versprach sich sehr viel von ihrer fortschreitenden Entwickelung; zu ihrem Glanze thätig mitwirken zu können, erschien ihm die lohnendste Aufgabe seines Lebens. Er eröffnete seine Thätigkeit mit einer Bearbeitung von Molière’s „précieuses ridicules“ für die deutsche Bühne, einem Einacter, der später (1826) in „neuer freierer Bearbeitung“ unter dem Titel „Die Ueberbildeten“ im „Jahrbuch deutscher Bühnenspiele“ zum Abdruck gelangte. Das Stück, das am 3. April 1804 in Berlin zuerst aufgeführt wurde, hatte die Grundzüge des kecken französischen Possenspiels beibehalten und paßte zu den Berliner, geschweige deutschen Sitten durchaus nicht, so daß es nur eine getheilte Billigung fand und Robert’s Stellung in der Litteratur gleich vom Beginn an eine schiefe Richtung gab, die er bis an sein Ende nicht wieder verlassen hat. Zwei Jahre später wurde von ihm in Berlin „Die Sylphen. Zauberoper in 3 Acten nach Gozzi, Musik von H. Himmel“ (1806) aufgeführt, die auch nur theilweise gefiel, „weil Dichter und Musiker alles Maß auch des Guten und Besten, was man dem Publikum an Einem Abend aufzunehmen zumuthen darf, überschritten hatten“. Wenig erbaut von diesen ersten Erfolgen, verließ R. Berlin, machte eine größere Reise durch Deutschland, weilte einige Zeit in Wien und ging dann nach Halle, um durch den Besuch der Universität seiner Bildung eine feste Grundlage zu geben. Indessen ihm fehlte die Ausdauer, um den „trockenen Vorlesungen“ über Fachwissenschaften zu folgen, ja nicht einmal Männer wie Steffens und F. A. Wolf vermochten ihn zu fesseln. So hielt er es denn in Halle nicht lange aus, sondern begab sich durch Holland nach Paris, von wo er nach der Schlacht bei Jena in seine Vaterstadt zurückkehrte. Hier lernte er Fichte kennen, dessen philosophische Vorlesungen mächtig auf ihn einwirkten, ihnen „verdankte er zugleich den leichtesten Uebergang zu den Lehren des Christenthums, welchem er seit seiner Taufe mit ernster Wahrhaftigkeit, aber auch mit aller Freiheit eines protestantischen Forschers anhing“. R. nahm auch in Glaubenssagen den freien humanistischen Standpunkt ein, den die ausgezeichnetsten Männer seiner Zeit vertraten, und sein Wirken blieb nach wie vor mehr einem ästhetischen als religiös-politischen Gebiete zugewandt. Die Folge zeitigte übrigens auch seine erste selbständige Tragödie „Die Tochter Jephtha’s, Trauerspiel in 5 Acten“ (1820), die 1813 zuerst in Prag aufgeführt wurde. Das in Versen geschriebene Stück hat sich, wiewohl es R. für sein gediegenstes Product hielt, keiner allgemeinen Verbreitung erfreut, und muß, trotzdem sich in ihm ein [721] Streben nach Auffindung und Entfaltung poetischer Motive nicht verkennen läßt, als völlig mißlungen bezeichnet werden. An dem Freiheitskriege hatte R. keinen Antheil genommen, wohl aber die Erhebung Deutschlands gegen die Fremdherrschaft nach Kräften in seinen Kreisen mitbefördert. Um doch in einer Weise für das Vaterland thätig zu sein, nahm er eine Stelle als Hülfsarbeiter bei dem russischen Gesandten Grafen Goloffkin in Stuttgart an, die er bis zum Sommer 1814 inne hatte. In dieser Zeit schreib er seine „Kämpfe der Zeit. Zwölf Gedichte“ (1816). Es sind lang ausgesponnene, philosophisch reflectirende Gedichte in den verschiedensten Strophenformen, voll ehrenvoller patriotischer Gesinnung und entschiedener Feindseligkeit gegen Napoleon. Wenn Formgewandtheit, edle Gesinnung und Gedankengehalt das Wesen der Poesie ausmachten, dann würden diese Gedichte einen hohen Grad von Schönheit besitzen; so aber fehlt ihnen jeder ergreifende lyrische Ton, den R. vielleicht absichtlich vermieden hat, da er die seltsame Ansicht ausspricht, ein lyrisches Gedicht sei nur das, in welchem das subjective Ich des Dichters anzutreffen ist. Die „Kämpfe der Zeit“ wurden später in die nach Robert’s Tode gesammelten „Gedichte“ (Schriften, 1. u. 2 Th., 1838) aufgenommen, über welche Gustav Schwab also urtheilt: „Robert’s Gedichte sind zwar großentheils nur Kinder des Gedankens und der Empfindung, und die Phantasie hat den geistigen Haushalt des Dichters wohl als Freundin besucht, aber nie sich das Regiment in demselben angemaßt; nichtsdestoweniger gehört ihr Verfasser unter die Zahl derjenigen Dichter, die durch ihr rein ausgebildetes Geschmacksurtheil, ihren Wahrheitssinn und ihre hohe Gewalt über Form und Sprache auf die poetische Richtung ihrer Zeit selbst als reinigende Geister einzuwirken berufen sind, Dichter, die allen Zeiten wohl anstehen, die zuweilen schon bei der Mitwelt viel gelten, von der Nachwelt aber als Mitlenker und Richter des Nationalgeschmacks hoch gehalten werden. Dichter, wie R., wissen sehr wohl, daß viele ihrer Productionen nur Studien im Dienste der Kritik sind.“ – R. hatte nach seinem Rücktritt von der diplomatischen Laufbahn erst in Frankfurt geweilt und war dann nach Berlin zurückgekehrt, wo er seine eigentliche Hauptarbeit, mit der er sich lange getragen, zum Abschluß brachte. Es ist dies „Die Macht der Verhältnisse. Ein Trauerspiel im 5 Aufzügen“ (1819), womit er unsere gesellschaftlichen Verhältnisse auch in ihren tragischen Conflicten auf die reale Bühne zu bringen unternahm. Das in Prosa geschriebene, mit der tödtlichsten Kälte und Berechung angelegte Stück will gegen die Einbildung bevorrechteter Stände in der Duellfrage auftreten und verfolgt die Tendenz, daß in Ehrensachen die Standesunterschiede aufhören müssen, daß auch dem Bürgerlichen das Ehrgefühl des Adels, das ohne Duell nicht bestehen könne, zu vindiciren sei, daß also das Duell nicht beseitigt, sondern als ein Nothrecht des Bürgers wie des Adels angesehen werden müsse. In der Ausführung des Stückes erzielt der Verfasser aber eine Wirkung, die der beabsichtigten geradezu entgegengesetzt ist, und am Schlusse bleibt ihm nichts als die Lehre, daß sich Niemand in Kreise drängen solle, die über seinem Stande liegen. – Nachdem R. einige Zeit in Breslau gelebt hatte, wo er in Verbindung mit seinem Freunde Karl Schall vergeblich eine heilsame Einwirkung auf die Bühne erhofft hatte, begab er sich nach Karlsruhe, wo seit 1815 seine Schwester Rahel und ihr Gatte Varnhagen lebten. Hier und in Stuttgart genoß er wieder einige Jahre der glücklichsten Freiheit und war angesehen und beliebt in den ersten Kreisen, denen er jedoch eine stille Thätigkeit und vertraulichen Freundesumgang vorzog. Im J. 1818 lernte er Friederike Braun, die Tochter des Magisters Braun in Böblingen kennen, eine durch bewunderungswürdige Schönheit, sowie durch seltene Eigenschaften des Herzens und Geistes ausgezeichnete Dame, mit der er sich 1822 [722] verband und dann nach Dresden übersiedelte. Obgleich ihm der Verkehr mit Tieck sehr wohl that, fand er hier doch für seinen Thätigkeitsbetrieb keinen geeigneten Boden, und so kehrte er wieder nach Berlin zurück, wo er eine geregelte journalistische Thätigkeit fand und der Bühne wieder näher trat. Besonders hoffte er für das neue königstädtische Theater zu wirken, für das er „Ein Schicksalstag in Spanien. Komödie mit Gesang in 3 Acten“ (1839) schrieb. Das Stück, an sich nicht ungeschickt gearbeitet, machte kein sonderliches Glück, und als sein Lustspiel „Er wird zur Hochzeit gebeten, oder: Die Nichtigen“ (1825) auf der Hofbühne durchfiel, auch andere Stücke geringen Erfolg aufzuweisen hatten, zog er 1824 wieder nach Karlsruhe, wo er sich des Theaters uneigennützig annahm. Von hier aus machte er mit seiner Frau eine Reise nach Paris und kehrte dann 1827 nach Berlin zurück. Für die Julirevolution konnte er sich nicht begeistern, und der politische Enthusiasmus jener Zeit ließ ihn kalt: daher kam es auch wohl, daß, als er 1831 vor der nahenden Cholera aus Berlin nach Baden floh, ihm hierher allerhand abenteuerliche Nachreden und Verdächtigungen seines Charakters folgten, und daß Leichtsinn und böser Leumund seinen redlichen Sinn laut verunglimpften. Die dadurch bedingten steten inneren Aufregungen zogen ihm im Juni 1832 ein Nervenfieber zu, dem er am 5. Juli erlag. Wenige Wochen später, am 10. August 1832 folgte ihm seine Gattin im Tode nach.

Karl Goedeke, Grundriß zur Geschichte der deutschen Dichtung, 3. Bd., S. 425 ff. – Neuer Nekrolog der Deutschen, Jahrg. 1832, S. 528 ff. – J. Hub, Deutschlands Balladen- und Romanzendichter, 1. Bd., S. 342.