ADB:Reimer, Dietrich
Georg Andreas R. (s. A. D. B. XXVII, 709–712) und jüngerer Bruder des gleichfalls durch seine buchhändlerische Thätigkeit bekannten Georg Ernst R. (ebenda S. 712–713), ist am 13. Mai 1818 zu Berlin geboren. Nach dem Besuche des Gymnasiums erlernte er den Buchhandel und eröffnete am 1. Januar 1845 unter der Firma Buch- und Landkartenhandlung von Dietrich Reimer in dem väterlichen Hause Wilhelmstraße 73 ein Sortimentsgeschäft, das rasch aufblühte, so daß er beschloß, auch ein Verlagsunternehmen zu begründen. 1847 übernahm er deshalb aus dem Verlage seines eben genannten Bruders eine größere Anzahl gut eingeführter geographischer, archäologischer und kunstgeschichtlicher Werke, darunter die Atlanten und Karten Rühle’s von Lilienstern (1825 ff.), den Atlas von Asien zu C. Ritter’s Allgemeiner Erdkunde (1884 ff.), des Freiherrn [283] Th. v. Liechtenstern Atlas zur Erd- und Staatenkunde (1846), die kostspieligen Prachtwerke von W. Zahn, Die schönsten Ornamente und merkwürdigsten Gemälde von Pompeji, Herculanum und Stabiae (1827 ff.) und W. Ternite, Wandgemälde von Pompeji und Herculanum (1827 ff.), ferner C. H. v. Gelbke, Abbildung der Wappen sämmtlicher europäischer Souveraine (1830 ff.) und desselben Abbildungen und Beschreibung der Ritterorden und Ehrenzeichen sämmtlicher Souveraine und Regierungen (1832 ff.), weiterhin F. v. Quast, Die altchristlichen Bauwerke von Ravenna (1842), C. Poppe, Sammlung von Ornamenten und Fragmenten antiker Architectur (1843 ff.), Hessemer, Arabische und altitalienische Bauverzierungen (1844), sowie die berühmten Darstellungen aus dem Lied der Nibelungen, zu Goethe’s Faust und zu Tasso’s Befreitem Jerusalem, gezeichnet von P. v. Cornelius, gestochen von Lips, Ritter, Ruscheweih, Thäter und Eichens. An diesen Grundstock des Verlags schlossen sich nun in rascher Folge zahlreiche neue Werke, die der Firma bald einen weitausgebreiteten guten Ruf verschafften. R. suchte seine Ehre darin, nur ernsthafte und brauchbare Bücher auf den Markt zu bringen und alles Minderwerthige oder gar Anstößige grundsätzlich auszuschließen. Sein Hauptaugenmerk richtete er zunächst auf Landkarten und Atlanten sowohl für den wissenschaftlichen als auch für den Haus- und Schulgebrauch. 1852 gelang es ihm, den hervorragend tüchtigen Kartographen Heinrich Kiepert von Weimar nach Berlin zu ziehen, und dieser stand ihm nun 40 Jahre hindurch als treuester und leistungsfähigster Mitarbeiter zur Seite. Kiepert’s Verdienst ist es zum guten Theil, daß die Firma Dietrich Reimer in die vorderste Reihe der großen kartographischen Anstalten rückte und diese angesehene Stellung bis auf die Gegenwart bewahrt hat. Von seinen Arbeiten, die zum Theil in zahlreichen Auflagen und in hunderttausenden von Exemplaren Verbreitung fanden, sind namentlich folgende hervorzuheben: der Neue Handatlas über alle Theile der Erde in 45 Karten (1855 ff.) nebst verschiedenen Auszügen und Ergänzungsblättern, eine große Erdkarte in Mercator’s Projection (1856), eine Generalkarte von Europa in 9 Blättern (1858), der berühmte Atlas antiquus in 12 Karten zur alten Geschichte (1861), der auch in englischer, amerikanischer, französischer, holländischer, italienischer und russischer Ausgabe erschien, der Kleine Atlas der neueren Geographie (1863), später Kleiner Handatlas genannt, der Schulatlas in 27 Karten (1864), der Elementaratlas für preußische Volksschulen (1864), der Kleine Schulatlas für die unteren und mittleren Klassen in 23 Karten (1869) mit mehreren Sonderausgaben für einzelne Provinzen, der Historische Schulatlas zur alten, mittleren und neueren Geschichte in 36 Karten, gemeinsam mit C. Wolf herausgegeben (1879), der Kleine Schulatlas der alten Welt in 12 Karten (1883), eine Sammlung physikalischer, politischer und historischer Wandkarten für den Schulgebrauch und eine sehr große Zahl von Handkarten einzelner Erdtheile und Länder, von Kriegskarten, Schlachtplänen, Eisenbahnkarten, sowie Specialkarten kleiner Gebiete. Auch Heinrich Kiepert’s Sohn Richard, der sich gleichfalls als Kartenzeichner einen guten Namen erworben hat, war viele Jahre hindurch für die Firma Dietrich Reimer thätig. Seine Hauptleistung ist ein sehr umfangreicher, in vielen Unterrichtsanstalten des In- und Auslandes eingeführter Schulwandatlas der Länder Europas in physikalischer und politischer Ausgabe (1881 ff.). Außer den Werken dieser beiden Hauptmitarbeiter hat der Verlag noch zahlreiche andere kartographische Erzeugnisse veröffentlicht, darunter E. Voigt, Historischer Atlas der Mark Brandenburg (1848), A. von Freyhold, Vollständiger Atlas zur Universalgeschichte (1850), W. Liebenow, Karte von Hohenzollern (1854), E. v. Cosel, Topographische Karte der Provinz [284] Brandenburg (1861), A. Brecher, Historische Wandkarte von Preußen (1867), G. A. v. Klöden, Repetitionskarten über alle Theile der Erde (1869), – C. Wolf, Historischer Atlas zur mittleren und neueren Geschichte (1877), E. Curtius und J. A. Kaupert, Atlas von Athen (1878) und Karten von Attika (1878 ff.), Steffen, Karten von Mykenai (1884), sowie C. Lehr, Physikalische Reliefkarte der Formen der Erdoberfläche (1886). Außerdem wurde der Verlagshandlung vom Reichsmarineamt der Vertrieb der deutschen Admiralitätskarten und der amtlichen Segelhandbücher übergeben. Auch überließ ihr die namhafte amerikanische Firma Rand, Mc Nally & Co. in Chicago und New-York den alleinigen Verkauf ihrer Karten und Atlanten für den europäischen Continent. – Eine weitere Specialität des Reimer’schen Verlags bildeten die Himmels-, Erd- und Reliefgloben von verschiedenster Größe und Ausführung. 1852 kaufte R. die alteingeführte Globenfabrik von C. Adami in Potsdam. Er erweiterte den Betrieb bedeutend, unterstellte ihn der wissenschaftlichen Leitung Heinrich Kiepert’s, erwarb mehrere Patente und brachte allmählich so vollkommene Erzeugnisse auf den Markt, daß sich seine Firma auch in diesem Artikel eines wohlbegründeten Weltrufs erfreute.
Reimer: Dietrich Arnold R., namhafter Verlagsbuchhändler, dritter Sohn des angesehenen Berliner VerlegersEin mit den Karten und Globen eng zusammenhängendes Gebiet, das R. ausgiebig pflegte, war die wissenschaftliche Geographie. Unter den vielen bedeutsamen Verlagswerken dieser Abtheilung sind hauptsächlich folgende zu nennen: C. Pieschel, Die Vulkane der Republik Mexiko (1856), H. Barth, Reise durch das Innere der europäischen Türkei (1862), mehrere Arbeiten von A. Bastian (1868 ff.), J. G. Kohl, Geschichte der Entdeckungsreisen und Schifffahrten zur Magellansstraße (1877), O. Blau, Reisen in Bosnien und der Herzegowina (1877), F. v. Richthofen, China, nebst dem zugehörigen Atlas (1877 ff.), H. Kiepert, Lehrbuch der alten Geographie (1878), desselben Leitfaden der alten Geographie (1879), sowie K. Humann und O. Puchstein, Reisen in Kleinasien und Nordsyrien (1890). In das geographische Fach gehören auch die werthvollen periodischen Publikationen des Verlags, die Zeitschrift für allgemeine Erdkunde, Band 1–6 und Neue Folge 1–19 (1853 bis 65), die Zeitschrift der Gesellschaft für Erdkunde zu Berlin, Band 1–25 (1866–90), nebst den Verhandlungen dieser Gesellschaft, Band 1–17 (1874 bis 90), die Mittheilungen der Afrikanischen Gesellschaft in Deutschland, Band 1–5 (1879–89) und die Verhandlungen der 9 ersten Deutschen Geographentage von 1882–91, sowie ein Sammelwerk Beiträge zur Entdeckungsgeschichte Afrikas, von dem 1873–81 vier Hefte mit Beiträgen verschiedener Autoren erschienen. – Weit weniger umfangreich war der Verlag der Firma auf dem Bereiche anderer Wissenschaften wie der Meteorologie und der Astronomie. Erwähnenswerth sind mehrere Schriften von H. W. Dove, darunter Die Verbreitung der Wärme auf der Oberfläche der Erde (1852), Das Gesetz der Stürme (1857) und die Klimatologischen Beiträge (1864 ff.), ferner L. A. Veitmayer, Vorbereitungen zu einer zukünftigen Wasserversorgung der Stadt Berlin (1871 ff.) und H. Mohn, Grundzüge der Meteorologie (1883), endlich J. F. J. Schmidt, Karte der Gebirge des Mondes (1878).
So war R. durch seine rege Thätigkeit, seinen Unternehmungsgeist und durch gute Beziehungen zu vielen angesehenen Autoren allmählich einer der namhaftesten unter den großen deutschen Verlagsbuchhändlern geworden. Das Sortiment hatte er bereits 1858 aufgegeben und gleichzeitig sein Geschäft nach der Anhaltstraße Nr. 11, später in das größere Grundstück Nr. 12 verlegt. Am 1. Januar 1868 trat sein langjähriger kaufmännischer Mitarbeiter Hermann August Höfer als Mitbesitzer in die Firma ein, die nunmehr die Bezeichnung Dietrich Reimer (Reimer & Höfer) erhielt. R. war noch 20 Jahre [285] hindurch die Seele der Handlung. Erst als sich die Altersbeschwerden einstellten, schied er am 1. October 1891 aus. Er wurde ersetzt durch den Consul a. D. Ernst Vohsen, so daß die Firma seitdem Dietrich Reimer (Höfer & Vohsen) lautete. R. verlebte noch acht Jahre in wohlverdienter Ruhe und Erholung. Am 15. October 1899 beschloß er in Berlin sein arbeitsvolles und reichgesegnetes Leben.
- Verlags-Catalog der geographischen Verlagshandlung Dietrich Reimer in Berlin 1845–1895. Berlin 1895. – Börsenblatt für den deutschen Buchhandel 66 (1899), S. 7665. – Biogr. Jahrbuch IV (1900), S. 162 (H. Ellissen).