Zum Inhalt springen

ADB:Pfyffer von Wyher, Franz Ludwig

aus Wikisource, der freien Quellensammlung

Empfohlene Zitierweise:

Artikel „Pfyffer von Wyher, Franz Ludwig“ von Franz Joseph Schiffmann in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 25 (1887), S. 724–727, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Pfyffer_von_Wyher,_Franz_Ludwig&oldid=- (Version vom 5. November 2024, 04:16 Uhr UTC)
Allgemeine Deutsche Biographie
>>>enthalten in<<<
[[ADB:{{{VERWEIS}}}|{{{VERWEIS}}}]]
Band 25 (1887), S. 724–727 (Quelle).
[[| bei Wikisource]]
Franz Ludwig Pfyffer in der Wikipedia
Franz Ludwig Pfyffer von Wyher in Wikidata
GND-Nummer 124247326
Datensatz, Rohdaten, Werke, Deutsche Biographie, weitere Angebote
fertig
Fertig! Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle Korrektur gelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
Kopiervorlage  
* {{ADB|25|724|727|Pfyffer von Wyher, Franz Ludwig|Franz Joseph Schiffmann|ADB:Pfyffer von Wyher, Franz Ludwig}}    

{{Normdaten|TYP=p|GND=124247326}}    

Pfyffer von Wyher: Franz Ludwig P. v. W., königl. französischer Generallieutenant, schweizerischer Topograph; geboren in Luzern am 18. Mai 1716, † ebendaselbst am 7. November 1802. – Ein Sohn des französischen Brigadiers Jost P. v. Wyher in Luzern und der A. Maria Pfyffer v. Altishofen erhielt P. seine Erziehung in einem Cadettenhause in Frankreich, trat 1733 als Cadett in die Schweizergarde in Paris und machte in derselben, im Range aufsteigend, die Feldzüge des polnischen und des österreichischen Erbfolgekrieges 1733–1747 mit. Vor Menin, Yprès, Freiburg i. Br. und bei Rocroi und Laufeld sich auszeichnend, 1742 Ritter und 1776 Commandeur des Ordens von St. Louis, 1748 (10.Mai) Maréchal de Camp, 1763 Inhaber eines Schweizerregimentes in Frankreich, 1768 (1. Januar) Generallieutenant, nahm er 1769 seinen Abschied und kehrte für bleibend – nach der Familientradition 1772 – in die Heimath zurück, die er beinahe alljährlich, oft in Gesellschaft seines Waffenkameraden, des Dichters Salis, im Urlaube besucht hatte. Schon 1736 war P. in Luzern zum Mitgliede des Großen Rathes, 1752 zum Mitgliede des [725] engern oder Kleinen Rathes (der Regierung) ernannt worden; er bekleidete jetzt auch noch andere Aemter, wurde 1788 Venner und bei der Entstehung der „Helvetischen militärischen Gesellschaft“ 1779 deren erster Präsident. Seine Muße in Urlaubszeiten aber und nach seiner bleibenden Ansiedlung in Luzern widmete er mit unausgesetztem, steigendem Eifer der Ausführung des zuerst von ihm gefaßten Gedankens, die schweizerischen Alpen auf Grundlage von Messungen und Zeichnungen plastisch darzustellen. In vieljähriger eiserner persönlicher Arbeit schuf er das erste topographische Relief der Centralschweiz, das seine Zeitgenossen viel bewunderten und noch die Gegenwart mit dankbarer Anerkennung und regem Interesse betrachtet. Die erste Idee zur Anlegung eines Reliefs soll in P. durch die Collection des reliefs des places fortes de France bei den Invaliden in Paris erweckt worden sein; jedenfalls wurde sie aber bestärkt und von P. zuerst näher ausgebildet durch den Anblick des Pilatusberges bei Luzern, den er öfter als irgend Jemand bestieg, betrachtete und schon 1756 in einer anziehenden „Promenade au mont Pilate“ in Frerons Journal étranger beschrieb. Er verfertigte ein Relief des Berges in Pappe, das Aufmerksamkeit erregte (s. G. E. Haller, Bd. X, 430 oben, „Versuch eines kritischen Verzeichnisses“ etc. 1759, I. 139, und Bibliothek d. Schweizergesch. 1785. I. 435). Der Erfolg gab P. den Entschluß zu einem größeren Werke ein; er entwarf den Plan eines Reliefs der ganzen Centralschweiz und schritt zur Ausführung. Nachdem er sich in den erforderlichen geometrischen Kenntnissen vervollkommnet hatte, bereiste er die Gebirge und scheute keine Mühe und Gefahr, um die darzustellenden Gegenden bis in alle Einzelheiten genau kennen zu lernen und aufzunehmen. Noch fehlte es im Ganzen durchaus an zureichenden Karten; alles mußte er selbst thun, selbst „festlegen“. Die Schwierigkeiten der Aufgabe wurden durch das Mißtrauen erhöht, womit die auf ihre Freiheit eifersüchtige Bevölkerung der Gebirgskantone jede Aufnahme des Landes, von der einst ein Feind Nutzen ziehen möchte, betrachtete; zwei Mal wurde P. förmlich als Spion angehalten. Viele Arbeiten machte er daher in mondhellen Nächten. Er besuchte Thäler und Gipfel, die für unzugänglich galten; vier Mal bestieg er den Titlis, höher hinauf, als sonst Gemsjäger zu klettern pflegten. Bei längerm Aufenthalte in Gegenden;, wo keine Lebensmittel erhältlich waren, pflegte er einige Ziegen mitzunehmen, von deren Milch er sich nährte. Bei seinen Arbeiten hatte er als Gehülfen die längste Zeit hindurch nur seinen Diener Plazid Balmer aus dem Entlebuch; in den letzten Jahren half ihm einigermaßen sein Enkel Jost Pfyffer, nachmals schweizerischer Artillerieoberst. Bei der plastischen Ausarbeitung des Erforschten suchte P. der Gestalt aller einzelnen modellirten Theile dadurch die möglichste Richtigkeit zu geben, daß er dieselben Leuten der betreffenden Gegenden, Bauern und Gemsjägern, vorwies, sie zu genauer Prüfung jeder nachgebildeten Formation des Bodens einlud und nach ihren Bemerkungen vorhandene Fehler verbesserte. So entstand sein großes Relief, das in einem Rechtecke von 6,61 Meter Länge auf 3,89 Meter Breite die Kantone Luzern (mit Ausnahme einiger westlicher oder nordwestlicher Grenzstriche), Unterwalden, Uri, Schwyz, Zug und angrenzende Theile der Kantone Bern und Zürich darstellt. Das Ganze umfaßt ungefähr 180 schweizerische Quadratstunden Landes, wobei der angenommene Maßstab für die horizontalen Entfernungen 1 : 125 000, für die verticalen Erhebungen 1 : 10 000 betragen zu haben scheint. Daß das Ganze auf wirklichen geometrischen Vermessungen beruht, ist aus vergleichenden Messungen nach dem Werke selbst mit Sicherheit zu erkennen. Die Masse, aus welcher das Relief geformt ist, besteht nach Pfyffer’s eigener Aeußerung aus Wachs, Pech und einem Kerne von Pappe. Die Oberfläche zeigt in Form und Farbe das natürliche Aussehen des Terrains: bewohnte Orte, angebautes Land, Wälder, [726] Felsen und Gletscher, Gewässer aller Art, Straßen und Fußpfade. Wie lange Zeit die Herstellung des Ganzen in Anspruch nahm, läßt sich daraus abnehmen, daß das Relief im Herbste 1765 (Fäsi, Staats- und Erdbeschreibung der schw. Eidgen. Bd. 2, Vorrede S. 3) die Berge am Vierwaldstättersee, einen Theil der Unterwaldnergebirge und die Luzern zunächst liegenden Vogteien der Stadt umfaßte; daß es 1776 (Coxe, Travels in Switzerland I, 150, 165) schon ungefähr 60 Quadratstunden begriff, während für eben so viel weitere Gegenden die grundlegenden Zeichnungen bereit waren; daß Saussure Voyages inédits IV. 119) 1783 ungefähr 100 Quadratstunden im Relief vollendet sah und Letzteres 1786 seinen vollen Umfang erreicht hatte. – Das Werk machte auf die Zeitgenossen, die es sahen, einen überwältigenden Eindruck. Dieß bezeugen nicht nur die bewundernden Aeußerungen von Männern wie Coxe und Saussure (a. a. O.), sondern auch die überaus zahlreichen Erwähnungen und Beschreibungen des Reliefs in Zeitschriften, in biographischen und in Reisewerken der damaligen Zeit, wie z. B. in Zurlaubens topographiques etc. de la Suisse, Paris 1780/88, Meiners’ Briefen über die Schweiz, Berlin 1785, II. 127, Fr. L. v. Stolbergs Reisen, Königsberg 1794, I. 121 u. A. m. Die Persönlichkeit Pfyffer’s trug zu der Wirkung des von ihm Geschaffenen bei. Denn den Mann, der mit größter Gefälligkeit Jedermann den Zutritt zu seinem Kunstwerke eröffnete, zeichneten mannigfache äußere und innere Vorzüge, Kraft und Gesundheit des Leibes und Geistes, ein leutseliges, offenes, altschweizerisches Wesen und zugleich seine weltmännische Bildung in glücklichster Weise aus. Der Hamburger Senator Günther (s. A. D. B. X, 174) erzählt in seinen „Erinnerungen“ (S. 289), daß P., obwohl er bei Vollendung seines Reliefs im siebzigsten Jahre stand, sich noch mit dem Gedanken trug, dasselbe auf die ganze übrige Schweiz auszudehnen und das nur Bedenklichkeiten von Zürich und Bern gegen die auf ihrem Gebiete vorzunehmenden Vermessungen P. verhinderten, an diese weitere Arbeit zu schreiten. Mit der Lebhaftigkeit und Energie, die ihm eigen war, hatte P. sich übrigens auch an den politischen Ereignissen betheiligt, die Luzern in der Zeit von Pfyffer’s vollster Kraft bewegten. Als 1769 das Erscheinen einiger Schriften gegen die geistlichen Orden die bittern Streitigkeiten unter dem Patriciat in Luzern hervorrief, in denen es sich in die gegnerischen Parteien der „Conföderirten“ und „Dissidenten“ spaltete, stellte sich P., obwohl bisher an kirchlichen Dingen wenig betheiligt, als Gegner Valentin Meyer’s (s. A. D. B. XXI, 616 oben) entschlossen in die Reihen der Conföderirten. Bei einer Uebung der Artillerie vor zahlreicher Gesellschaft schob er eines Tages eine jener verhaßten Schriften in die Mündung einer geladenen Kanone und reichte die brennende Lunte seiner neben ihm stehenden Gemahlin, die auf sein Commando das Stück abfeuerte. Von da an zählte P. zu den Häuptern seiner Partei. – Verdienstlicher blieb die militärische und topographische Wirksamkeit des ausgezeichneten Mannes, der bis zu seinem im 86. Jahre erfolgten Ableben vollster Gesundheit und des verdienten Ansehens genoß. Sein Relief, ohne dessen Besichtigung kein Reisender Luzern verließ, gab auch zu bildlichen Darstellungen des betreffenden Landes durch die Hand geschickter Künstler Anlaß. Schon 1777 erschienen in Zurlauben’s erwähntem Werke zwei in Paris gestochene Blätter nach Zeichnungen, die A. A. Duncker (geb. in Stralsund 1746, † in Bern 1807) nach Pfyffer’s Relief angefertigt hatte. Etwas später veröffentlichte der Zuger Kupferstecher J. J. Clausner (geb. 1744, † 1795) ein ähnliches, unter den Augen des Generals P. verfertigtes Blatt. Chr. Mechel in Basel gab 1786 von Duncker’s, 1799 von Clausner’s Blättern Nachbildungen heraus. Das Relief selbst benutzte der französische General Lecourbe 1799 beim Gebirgskriege in der Schweiz gegen die Oesterreicher und [727] Russen. Noch 1803 zog dasselbe die Aufmerksamkeit der französischen Regierung auf sich. General Rey, damals ihr Gesandter in der Schweiz, ließ sich von dem französischen Geniehauptmann Joseph Virvaux einen Bericht über Pfyffer’s Werk erstatten, wobei der Verfasser einen Ankauf des Reliefs für Frankreich befürwortete. Glücklicherweise für Luzern und für die Schweiz kam das Geschäft nicht zum Abschluß. Das Relief blieb im Besitze der Familie Pfyffer und wurde 1865 von dem damaligen erbberechtigten Eigenthümer Dr. med. Pfyffer-Segesser der Bürgergemeinde Luzern zu Handen ihrer öffentlichen Bibliothek geschenkt, die auch die Büste, ein Porträt des Generals und 73 seiner Aufnahmeblätter (Geschenk von Herrn Jost Pfyffer-Göldlin) besitzt. Im Besitze der Familie befinden sich zwei Porträts, von denen das eine, wahrscheinlich von Reinhard gemalt, P. in seinem Bergreisecostüm darstellt. Seit 1873 ist das Relief lehensweise dem Besitzer des „Gletschergartens“ in Luzern zum Behufe der Besichtigung durch Fremde, anvertraut; ebendaselbst werden Pfyffer’s Bergstock, der mit einer Vorrichtung für die Aufnahmen versehen ist, und die Sandalen gezeigt, deren er sich bei seinen Wanderungen bediente. Unter den vielen neuern Beschreibungen des Reliefs ist als eine der trefflichsten diejenige von Mac Gregor (Note-book [Switzerland] London 1835) zu erwähnen. –

Quellen: Die im Texte genannten Schriften. – Helvetia, Zeitschr. von Balthasar, Luzern 1823. I. S. 205. – Rud. Wolf, Biographien zur schweiz. Kulturgeschichte. Zweiter Cyclus. Zürich 1859. S. 234. – B. Studer, Geschichte der physischen Geographie der Schweiz. Zürich 1863 – Ganz vorzüglich aber: R. Wolf, Geschichte der Vermessungen in der Schweiz. 4°. Zürich 1879. S. 117 ff.