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ADB:Nitschke, Theodor

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Artikel „Nitschke, Theodor“ von Ernst Wunschmann in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 23 (1886), S. 707–709, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Nitschke,_Theodor&oldid=- (Version vom 24. Dezember 2024, 18:40 Uhr UTC)
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Nitschke: Theodor Rudolf Joseph N., Botaniker, geb. zu Breslau am 3. April 1834, † zu Münster in Westfalen am 30. August 1883. Auf dem Gymnasium seiner Vaterstadt vorgebildet, studirte N. von 1853–1858 in Breslau Theologie, Philosophie und Naturwissenschaften. Er wurde am 28. August 1858 zum Dr. phil. promovirt und habilitirte sich zwei Jahre darauf als Docent für Botanik an der Akademie zu Münster. Im Jahre 1867 wurde er zum außerordentlichen Professor und Director des bot. Gartens und 1875 zum ordentlichen Professor ernannt. In dieser Stellung verblieb er bis zu seinem Tode. N. hat mit seiner Doctor-Dissertation: „Commentatio anatomico-physiologica de Droserae rotundifoliae irritabilitate“, welche er 1858 publicirte, sowie durch die sich [708] hieran anschließenden Arbeiten in der Botan. Zeitung: „Wachsthumsverhältnisse des rundblättrigen Sonnentaues“ (1860) – „Ueber die Reizbarkeit der Blätter von Drosera rotundifolia“ – „Morphologie des Blattes von Drosera rot.“ (1861) – „Anatomie des Sonnentau-Blattes“, einen wesentlichen Beitrag zu der Frage geliefert, welche Ch. Darwin’s berühmtes Werk „Insectenfressende Pflanzen“ für alle Botaniker in den Vordergrund des Interesses gerückt hat. An mehr als einer Stelle seines Buches kommt der englische Naturforscher auf Nitschke’s ausgezeichnete Arbeiten zurück, welche in der That die Naturgeschichte des Drosera-Blattes in so erschöpfender Weise behandeln, daß Neues in der Erkenntniß derselben seit jenen Arbeiten nicht mehr zu Tage gefördert wurde. Die übrigen, noch während seines Breslauer Aufenthaltes verfaßten Arbeiten beschäftigen sich mehr mit morphologisch-systematischen Untersuchungen. Dahin gehören „Vorträge in der botan. Section der schles. Gesellschaft für vaterländ. Kultur“ (Göttinger gelehrte Anzeigen 1859). – „Ueber die hybriden Arten der Gattung Rosa“ (34. Jahresber. d. Schles. Ges. f. vaterl. Cultur). – „Untersuchungen über das genus Lappa.“ – „Ueber d. Gattung Hieracium, mit besonderer Rücksicht auf schlesische Formen desselben“ (ibid. 35. Jahresber.). Eine Zeit lang hatte N. die Redaction der Zeitschrift „Natur u. Offenbarung“ übernommen und einige populärwissenschaftliche Abhandlungen für dieselbe verfaßt: „Torf, Braun- und Steinkohle“ (1860–1862). – „Die Sinnpflanzen“ (1861). – „Ueber Förderung und Verbrauch von Steinkohlen“ (1863). – „Die Volvocineen, oder über die Grenze zwischen Thier- und Pflanzenreich“ (1863). – „Die Moose“ (1864). Diese Thätigkeit sagte N. indessen wenig zu, da sie seinen rein wissenschaftlichen Untersuchungen Abbruch that und war wohl nur durch seine wenig günstige äußere Lage veranlaßt, in welcher er als unbemittelter Privatdocent Jahre lang verharren mußte. Leider hat die Zeit pecuniärer Bedrängniß auf Nitschke’s körperlichen Zustand einen so nachtheiligen Einfluß geübt, daß, als er sich später in gesicherter Lebensstellung befand, sein Organismus erschüttert, seine geistige Schaffenscraft bereits gelähmt war. Diesem traurigen Umstande ist es zu verdanken, daß N. sein bedeutendstes Werk: „Pyrenomycetes germanici“ nicht mehr vollenden konnte. Von dem auf 10 Lieferungen berechneten Buche sind nur die beiden ersten Lieferungen des ersten Bandes in den Jahren 1867 bis 1870 erschienen. Das Wenige aber, was erschienen ist, sichert dem Verfasser eine ehrenvolle Stellung in der mykologischen Litteratur. Vorzugsweise auf Tulasne’s Untersuchungen gestützt, die er selbst bestätigt und vielfach bereichert hat, versucht N., im Besitze eines reichen Pflanzenmaterials und vollständig vertraut mit der einschlägigen Litteratur, in die kleine, aber schwierige Gruppe der Kernpilze Ordnung und Uebersichtlichkeit zu bringen. Ohne Zweifel wäre das Werk nach seiner Vollendung grundlegend für alle späteren Arbeiten auf jenem Gebiete geworden. Glücklicherweise sind die hinterlassenen Sammlungen und Manuscripte in den Besitz der Akademie zu Münster übergegangen, so daß zu hoffen steht, daß sie von berufener Hand bearbeitet, der Wissenschaft nicht vorenthalten bleiben werden. Ob dies bereits geschehen und in welchem Umfange das hinterlassene Material bei der Neubearbeitung der bekannten Rabenhorst’schen „Kryptogamenflora von Deutschland, Oesterreich und der Schweiz,“ für welche Dr. Georg Winter die Pilze bearbeitet, Verwerthung gefunden hat, ist Referenten unbekannt geblieben. Als akademischer Lehrer wirkte N. höchst anregend. Ein Schüler von Göppert und Cohn, war er selbst ein trefflicher Lehrer in der Kunst des Mikroskopirens und wußte seine Schüler auf botanischem, wie auf zoologischem Gebiete zu fesseln und zu fördern. Gleichzeitig lenkte N. sein Interesse auch praktischen gemeinnützigen Bestrebungen zu. Im J. 1869 stiftete er den Münster’schen Gartenbau-Verein zur Förderung der praktischen Pflanzenkunde und gründete ein Jahr darauf den Verschönerungs-Verein für die Stadt Münster behufs [709] Hebung der seiner Zeit arg vernachlässigten Promenaden und Schmuckanlagen dieser Stadt. Sehr verdienstvoll war ferner Nitschke’s Thätigkeit als Leiter des botan. Gartens, den er aus seinem chaotischen Zustande zu einem hohen Grade der Entwicklung führte. Ein großartig angelegtes Palmenhaus ist unter seiner Direction entstanden. Nach dem Muster der in Breslau bestehenden Gesellschaft für vaterländische Cultur suchte N. auch für Münster ein ähnliches Institut zu schaffen, das in systematischer Gliederung und unter einheitlicher Leitung alle in der Provinz Westfalen auf Förderung von Kunst und Wissenschaft gerichteten Bestrebungen zu unterstützen und auszudehnen bestimmt sein sollte. Er hatte die Anregung zu dem Unternehmen gegeben. Zur Ausführung gebracht wurde es durch den verdienstvollen Oberpräsidenten der Provinz von Kühlewetter, unter dessen Aegide die Constituirung des westfälischen Provinzial-Vereins für Wissenschaft und Kunst im Jahre 1872 stattfand. Daß der Verein innerhalb kurzer Zeit sich zu fröhlichem Gedeihen entwickelte, dazu half auch N. unermüdlich, so lange seine Kräfte es gestatteten. Als diese aber versagten in einem Alter, wo sonst des Mannes Schaffenskraft auf dem Höhepunkt zu stehen pflegt, da beklagten nicht nur die Männer der botanischen Wissenschaft, sondern auch Hunderte schnell erworbener Freunde aus den verschiedensten Berufsständen der neuen westfälischen Heimath den schmerzlichen frühzeitigen Verlust.

12. Jahresbericht des Westfäl. Provinzial-Vereins 1883.