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ADB:Ludwig V.

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Artikel „Ludwig V., Landgraf von Hessen-Darmstadt“ von Philipp Walther in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 19 (1884), S. 547–550, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Ludwig_V.&oldid=- (Version vom 25. Dezember 2024, 05:55 Uhr UTC)
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Ludwig V., Landgraf von Hessen-Darmstadt (1596–1626), wegen seiner Anhänglichkeit an den Kaiser auch der „Getreue“ genannt, ältester Sohn des Landgrafen Georg I. des Frommen und seiner ersten Gemahlin Magdalena von Lippe. Geboren am 24. September 1577, erhielt L., nachdem am 15. Februar 1596 sein Vater gestorben, am 30. April 1597 von Kaiser Rudolf II. gemeinsam mit seinen Brüdern Philipp und Friedrich die Gesammtbelehnung über die väterlichen Lande. Er fand jedoch seine Brüder bald mit Geld ab und übernahm [548] die Regierung allein. Ein beredter, entschlossener, wenngleich zuweilen sich selbst und seine politische Wichtigkeit überschätzender Fürst, erschien er im Besitz aller Mittel, um sich ganz dem Wohle seines Volkes zu widmen. Auch betrat er erst nach und nach mit der steigenden Hoffnung eines größeren Ländererwerbes die geräuschvolle Laufbahn, die ihn unter drei Kaisern (Rudolf II., Matthias und Ferdinand II.) in alle damalige Reichshändel verwickelte. Gleich bei Beginn seiner Regierung hatte er Gelegenheit, sein Territorium bedeutend zu vergrößern. Der junge Landgraf kaufte nämlich im J. 1600 von dem letzten Grafen von Isenburg das zwischen Main und Rhein in der sogen. Mainspitze gelegene Amt Kelsterbach nebst Mörfelden und Langen, die er seinem Staate einverleibte. Zwar erhoben die übrigen Familienzweige von Isenburg Klage gegen ihn wegen dieses ihrer Meinung nach ihre Rechte verletzenden Kaufs, allein der lange Jahre dauernde Proceß wurde schließlich zu Gunsten des Landgrafen entschieden. Als bald darauf, 1604, der Oheim Ludwigs, der Landgraf Ludwig IV. von Oberhessen, zu Marburg starb, glaubte L. von Hessen-Darmstadt sich zur ganzen Erbschaft berechtigt. Landgraf Moritz von Hessen-Kassel aber widersetzte sich diesen Ansprüchen und forderte – mit Recht – dem Theilungsvertrage von 1562 gemäß die Hälfte der Erbschaft für sich. Die streitenden Theile unterwarfen sich dem Ausspruche eines Austrägalgerichts und dieses entschied dahin, daß Ludwigs IV. Länder getheilt und der südliche Theil mit Gießen an Hessen-Darmstadt, der nördliche mit Marburg an Hessen-Kassel kommen sollte. L. mußte sich diesem Ausspruch vorläufig unterwerfen, erklärte aber sofort, daß er sich seine Rechte auf die gesammte Erbschaft vorbehalte. Er hielt nämlich deshalb seinen Vetter, den Landgrafen Moritz, des Erbrechtes für verlustig, weil dem Testamente des gemeinschaftlichen Oheims zu Folge keine Aenderung im Religionswesen vorgenommen werden sollte, Moritz aber den reformirten Gottesdienst zu Marburg eingeführt hatte. Wirklich erhob er deshalb Klage gegen seinen Vetter bei den Reichsgerichten und da der kaiserliche Hof ebenso günstig für das ihm trotz der Verschiedenheit der Religion stets ergebene Hessen-Darmstadt, als ungünstig für Hessen-Kassel, das mit den protestantischen Fürsten gegen den Kaiser gemeinschaftliche Sache machte, gestimmt war, so kam es dahin, daß Darmstadt durch kaiserlichen Machtspruch erhielt, was auf gesetzlichem Wege nicht erreichbar war. Nach der Schlacht bei Wimpfen (6. Mai 1622), in der Tilly den Grafen von Mansfeld aufs Haupt schlug und nachdem die Unterwerfung des Kurfürsten von der Pfalz und Königs von Böhmen, Friedrich V., erfolgt war, befahl der Kaiser aus eigener Machtvollkommenheit, daß Landgraf L., der treu zu ihm gestanden und der in seiner Treue sogar in der Gefangenschaft nicht gewankt hatte, nicht nur in den Besitz der gesammten marburgischen Erbschaft zu setzen sei, sondern auch, daß Hessen-Kassel zur Schadloshaltung für die bisher bezogenen Einnahmen aus dem wieder herauszugebenden Lande die Niedergrafschaften Katzenellenbogen nebst Schmalkalden und einigen anderen Orten an Hessen-Darmstadt abtreten müsse. Zwar unterwarf sich Landgraf Moritz keineswegs freiwillig diesem Machtspruch, allein es wurde dem Landgrafen L. nicht schwer, unter dem mächtigen Schutze der kaiserlichen Waffen sich mit Gewalt in den Besitz der ihm zugesprochenen Landestheile zu setzen und sich darin zu behaupten, bis schwedische Hülfe nach Ludwigs Tod seinem Gegner die Macht gab, das Land wieder zu erobern. Der Streit darüber endigte erst mit dem westfälischen Frieden, in welchem die Theilung, wie sie das Austrägalgericht ausgesprochen, wiederholt vorgenommen wurde. – Wie schon oben erwähnt, hatte Landgraf Moritz von Hessen-Kassel vor der Besitznahme Marburgs durch den Landgrafen von Hessen-Darmstadt in dieser Stadt mit Gewalt und gegen die Neigung der meisten Einwohner die reformirte Lehre eingeführt und dadurch [549] viele Lehrer der Universität, die eifrige Anhänger der Lehre Luther’s waren, bewogen, Marburg zu verlassen. Landgraf L. gewährte ihnen Schutz und Aufnahme in Gießen und errichtete mit ihrem Beistand dort ein Lyceum (1605), das er zwei Jahre später mit kaiserlicher Bewilligung und Privileg zur Universität erhob. Diese Stiftung gereicht L. zu besonderem Verdienst und blieb eine dauernde Wohlthat für das Land. Nach der Besitznahme Marburgs durch L. wurden zwar die beiden Universitäten zu Marburg wieder vereinigt. Nachdem diese Stadt aber wieder an Hessen-Kassel zurückgefallen war, errichtete Ludwigs Nachfolger, Georg II., aufs neue die Universität zu Gießen. – In den ersten Jahren der Regierung Ludwigs blieb sein Land von den Leiden des Kriegs verschont oder wurde doch minder hart als andere Länder davon betroffen, doch in den letzten Jahren änderte sich das. L. war zwar der evangelischen Lehre von Herzen zugethan und beschützte sie eifrig, allein sowol aus Staatsklugheit und Liebe zum Frieden, als auch weil er wirklich eine aufrichtige Anhänglichkeit für den Kaiser hatte, weigerte er sich, der Union beizutreten, welche die evangelischen Fürsten im J. 1610 unter sich errichtet hatten. Ebensowenig aber lieh er anfangs dem Kaiser seine Waffen, sondern war gesonnen, sich vollständig neutral zu halten. Nun aber fiel der Administrator von Halberstadt, Prinz Christian von Braunschweig, im J. 1621 in Oberhessen ein und L. sah sich genöthigt, zu seiner Vertheidigung die Waffen zu ergreifen. Er ließ daher sein Heer zu den herbeieilenden baierischen Truppen stoßen und Prinz Christian wurde zum Rückzug genöthigt. Damit aber waren auch die Feindseligkeiten eröffnet. Die protestantische Partei, die in dem protestantischen Landgrafen ihren Gegner sah, gedachte ihn zum Uebertritt in ihre Reihen zu zwingen. Schon im folgenden Jahre (1622) kam der Kurfürst Friedrich von der Pfalz mit dem bei Wimpfen geschlagenen Markgrafen von Baden und dem Grafen Ernst von Mansfeld plötzlich und unvermuthet vor Darmstadts Thore. Die Stadt mußte sich ergeben und L. wurde mit seinem Sohn gefangen, jedoch nach einem Monate schon wieder freigelassen unter der Bedingung, daß der Landgraf sich für den Kurfürsten, der inzwischen bei Höchst (19. August 1622) von Tilly geschlagen worden war, bei dem Kaiser verwenden möge. Eben zu dieser Zeit war es, wo das entschiedene Uebergewicht der kaiserlichen Waffen dem Streite des Landgrafen mit seinem Vetter Moritz von Hessen-Kassel über die Marburgische Erbschaft die oben schon erwähnte günstige Wendung gab. Von nun an aber war L. dem Kaiser mit verdoppeltem Eifer zugethan und es mochte wol nicht ohne Grund sein, wenn ihn die protestantischen Fürsten Deutschlands tadelten, daß er der Einzige ihrer Partei gewesen sei, der 1623 auf dem Reichstag zu Regensburg den harten Beschlüssen der Katholiken gegen die Union und besonders gegen den Kurfürsten von der Pfalz beigestimmt habe. Der Landgraf erhielt nun den Beistand kaiserlicher und ligistischer Truppen, um sich in Besitz der Landestheile zu setzen, die ihm vom Kaiser zugesprochen worden waren. Nachdem er Oberhessen mit Marburg erobert hatte, rückte er vor Rheinfels in der niederen Grafschaft Katzenellenbogen, um es zu belagern. Hier aber ereilte ihn, der kaum 49 Jahre alt war, am 27. Juli 1626 der Tod. – Während L. so glänzende Vortheile errang und die Grenzen seines Landes erweiterte, wurde indessen seinem Lande von Freund und Feind hart zugesetzt. Tilly’s Truppen hausten wie die Räuber. So versank denn das namentlich unter des Landgrafen Georgs I. Regierung so emporgekommene Land in tiefes Elend. Unrecht wäre es, das dem L. Schuld zu geben. Der 30jährige Krieg mit seinen Gräueln hat ganz Deutschland verwüstet. Die Tüchtigkeit oder Untüchtigkeit eines einzelnen Fürsten konnte daran nichts ändern.

[550] L., der sich am 4. Juni 1598 mit Magdalene, Tochter des Kurfürsten Johann Georg von Brandenburg, vermählt hatte, wurde Vater von 12 Kindern, sieben Töchtern und fünf Söhnen. Ihm folgte sein Sohn Georg als Georg II.; Johann, der zweite seiner Söhne, ist als kaiserlicher Feldherr berühmt geworden; Friedrich, der jüngste, wurde katholisch, Cardinal, Bischof von Breslau und Gesandter des Kaisers am päpstlichen Hofe. Nach dem Tode seiner Gemahlin (1616) trat L. eine Reise nach dem hl. Grabe an, um sich zu trösten, kam indessen nur bis Malta, wo ihn der Großmeister zur Rückkehr überredete.

Rommel, Geschichte von Hessen. – Franck, Die Politik Ludwigs V. (Darmstadt 1863). – Baur, Die Pilgerreise des Landgrafen Ludwigs V. von Hessen nach dem hl. Grabe und sein Besuch bei Paul V. In Malten’s Weltkunde, 1845, III.