ADB:Liechtenstein, Otto II. von
Ulrich I. († 1275), erscheint urkundlich seit 1252 wiederholt als Zeuge und 1258 seinem Vater zur Seite als Kämpe für die Sache des Erwählten von Salzburg, Philipp, aus dem Hause der Sponheimer. Vater und Sohn gehörten zu der Partei des Premysliden Ottokar, der schließlich seinen Besitzanspruch auf die Steiermark gegen die Arpaden behauptete [619] (1260). Den Ritterschlag empfing er 1264 (October) bei Gelegenheit der prunkvollen Hochzeitsfeier des jüngeren Königsohnes von Ungarn mit der brandenburgischen Nichte des Böhmenkönigs. Das erzählt uns der steiermärkische Reimchronist Ottokar, der Dienst- und Hausgenosse der Herren v. L., die Hauptquelle für die Geschichte Innerösterreichs jener Tage. 1267–68 befehligte v. L. die steirischen Mannen, welche dem Böhmenkönige als Landesfürsten auf der kurzen Heerfahrt gegen die heidnischen Preußen das Geleite gaben. Es ist diese Angabe der Reimchronik ebenso bestimmt hingestellt, wie die zweite, welche uns, unmittelbar für die Zeit des Rückmarsches König Ottokars II. und zwar in den Tagen seiner Lagerwacht vor Breslau (Frühjahr 1268) – die dreimalige Vorladung und schließlich die Verhaftung der angesehensten Landherren der Steiermark: darunter Ulrichs von Liechtenstein, des Vaters Otto’s, – ausführlich berichtet. Herr Ulrich, den der Pettauer gleich den anderen hochverrätherischer Pläne beschuldigt, erscheint bereits 1269 wieder am Hoflager des Königs. v. L., den die Katastrophe nicht unmittelbar betroffen, mußte sich denn doch gleich dem Vater der Herrschergewalt König Ottokars immer mehr entfremdet fühlen, wenngleich Herr Ulrich nach 24 Wochen wieder in Freiheit war und 1271 als Heerführer des Premysliden in Kärnthen, 1272 als Landmarschall und Landrichter genannt erscheint. Die Landrichterschaft Otto’s im J. 1273 ist urkundlich nicht nachweisbar. Beide finden wir 1274 in der großen Versammlung der steirischen Edeln im Kloster Goeß genannt (Ulrich, den Vater als „Herr“ (dominus), Otto, den Sohn, als den „jüngeren“, unter den „Ministerialen“ an zweiter Stelle, nach dem Wildonier). Diese Zusammenkunft läßt sich als Verschwörung wohl nicht erweisen, immerhin aber war sie zu Besprechungen der gemeinsamen Interessen, Angesichts der entschiedenen Krise zwischen Ottokar und dem neuen deutschen Reichsoberhaupte sehr gelegen. Als dann der Reichskrieg gegen Ottokar II. begann, den Ulrich von Liechtenstein nimmer erlebte († 1275), und die Versammlung der Adeligen des Landes im Stift Rein (19. Septbr. 1276) sich feierlich verpflichtete, in Gemäßheit ihrer Reichsgenossenschaft und Vasallität dem deutschen Könige Rudolf treu bis in den Tod zu dienen, begegnen wir Otto II. als jetzigem Erbherrn und Haupte des Geschlechtes an vierter Stelle unter den verbündeten „Herren und Edlen“. Er zog auch alsbald mit „erbaren Rotten“ dem Habsburger gen Wien nach und weilte da längere Zeit im Lager des Reichsheeres. Auch in der entscheidenden Schlacht bei Dürnkrut 1278 focht Otto mit und soll dem Könige Rudolf zur Schonung des Lebens Ottokars II. jenen Rath gegeben haben, den der Habsburger auch befolgte, ohne jedoch den Premysliden seinem Verhängniß entreißen zu können. Er genoß die Gunst und das Vertrauen des Habsburgers, der ihm 1279 das wichtige Amt eines Landrichters (iudex provincialis) übertrug. Die Reimchronik bezeichnet ihn ausdrücklich als „Hauptmann“ des Landes, läßt jedoch durchschimmern, daß sie damit sein oberstes Richteramt im Lande meint. Jedenfalls führte er urkundlich den obigen Titel bis zum J. 1284 und wirkte, den Abt Heinrich von Admont als „Landschreiber“ zur Seite mit aller Entschiedenheit zu Gunsten des Rechtes und der Sicherheit im Lande. Er befand sich auch unter den Sendboten der Steiermark, welche in die Vorlande zogen, um König Rudolf I. zu vermögen, dem älteren Sohne Albrecht die Alleinregierung des Landes zu übertragen. 1284 muß er – wahrscheinlich aus Aerger über den großen Einfluß des Abtes von Admont in den Regierungsfragen – das beschwerliche und verantwortungsreiche Amt eines Landrichters niedergelegt haben, um es bald mit dem des Landkämmerers (Camerarius Styriae, „oberster Kamerer in Steyr“) zu vertauschen. Als solcher erscheint er zum ersten Male in einer Heiligenkreuzer Urkunde vom J. 1286 und fortan in steirischen Diplomen von 1287–1304. In dem Kriege [620] Albrechts I. mit Andreas III. von Ungarn 1291 diente der Liechtensteiner dem habsburgischen Landesfürsten mit 60 Reisigen. Als der Aufstand der steiermärkischen Landherren gegen ihren Herzog (Frühjahr 1292) im Bunde mit Salzburg und Baiern losbrach, war der „Alte“ von Liechtenstein vorschauend genug, dem Wagniß fern zu bleiben, was die ins Oberland eingefallenen Baiern höchlichst befremdet und ihnen die ganze Unternehmung verleidet haben soll. 1304, hochbejahrt und zum drittenmale verheirathet – ohne daß wir über diese letzte Gattin Genaueres erführen, wie über die beiden ersten Ehefrauen: Agnes (?) und Adelheid von Pottendorf – im Besitze von 3 Söhnen und 2 Töchtern, dürfte der Altherr von Liechtenstein das Landeskämmereramt mit bleibendem Ruhestande vertauscht haben. Daß ihn eine Urkunde vom 18. Septbr. 1311 d. Wien, worin von seinen „Brüdern und Erben (!)“ die Rede ist: Camerarius Styriae et Iudex Provincialis nennt, kann wohl nur in dem Sinne vormaliger Wirksamkeit genommen werden. Er lebte noch 7 Jahre nach diesem Rücktritt und zwar mit besonderer Vorliebe auf dem Hauptschlosse in Murau, das Otto aus dem Zustande der Zerstörung wieder erhob, in welchen es die Strafmaßregel König Ottokars II. von 1268 gebracht hatte, – während der Lieblingssitz seines Vaters die „Frauenburg“ bei Unzmarkt gewesen war. Sein hier, auf Schloß Murau, 10. Octbr. 1311 (Sonntag nach S. Dionysen) aufgesetzter letzter Wille, dessen Datirung die Annahme des Monats September als Zeitpunkt seines Ablebens unmöglich macht und zu Gunsten der Angabe J. A. Cäsars: v. L. sei den 14. Novbr. 1311 gestorben, spricht, enthält zwei interessante Bestimmungen. Die eine betrifft die Verbindlichkeit, das Almosen an die überseeischen Hospitäler (des Orients) zu zahlen, „als es der Papst vorgeschrieben hat und als es der Christenheit vorgegeben ist und wozu ich in meiner Jugend für meinen Vater verbunden bin“, – in der zweiten bezeichnet sich v. L. als „Geselle“, der auch mit einem Legate bedachten „Schreiberzunft in Wien“. Mit frommen Stiftungen erscheinen namentlich die Klöster in Judenburg bedacht. Auch des Erträgnisses am „Erzberge“ und des Besitzes von Häusern in Judenburg, Graz, Bruck, W. Neustadt und Wien geschieht Erwähnung. Otto der „Alte“ von Liechtenstein hatte nichts mit dem Vater in Hinsicht der Ueberschwenglichkeit im Cultus der Ritterschaft und des Frauendienstes gemein, er kennzeichnet sich als eine kluge, praktische, auf tüchtige Vertretung seiner öffentlichen Aemter und Mehrung des Eigengutes durch Kauf und gute Wirthschaft bedachte Persönlichkeit von hohem Ansehen im Kreise der Standesgenossen.
Liechtenstein: Otto (II.), Herr von L. († 1311), Sohn und Erbe des bekannten Adelsherrn und Dichters- Ottokars steier. Reimchronik a. b. Pez scr. rer. a. III. Bd. J. Aquil. Cäsar, Ann. duc. Styriae II und dessen Staats- und Kirchengeschichte des Herzogth. Steiermark, IV. Bd. Muchar, Gesch. des Herzogth. Steierm. V. VI. (bezw. II. III.). – Falke, Gesch. d. H. Liechtenstein, I. Bd. Für Einzelheiten wurden auch die Vormerke und Regesten des steierm. Landesarchivs eingesehen.