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ADB:Landeck, Konrad Schenk von

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Artikel „Schenk von Landeck, Konrad“ von Konrad Burdach in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 31 (1890), S. 58–61, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Landeck,_Konrad_Schenk_von&oldid=- (Version vom 5. November 2024, 09:18 Uhr UTC)
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Schenk: Konrad S. von Landeck (Landegge), Minnesänger aus dem begüterten Ministerialengeschlecht, dessen Stammburg auf einer Bergkuppe über der von St. Gallen in die Grafschaft Toggenburg führenden Straße lag und welches das Schenkenamt der gefürsteten Abtei St. Gallen inne hatte. – St. Gallen, obwol alle Schicksale der geistlichen Bildung des deutschen Mittelalters abspiegelnd, hat sich doch stets eine gewisse Sonderart erhalten: einen Zug freieren geistigen Lebens, selbständigere künstlerische und wissenschaftliche Regungen, einen gewissen Sinn für die profanen Interessen. Hier hatte zuerst des großen Karl Anregung fruchtbare Studien im Dienste der Muttersprache geweckt, und seitdem war die Schule zum Mittelpunkt des Klosters geworden. Hier hatte im 9. Jahrhundert Kalligraphie, Malerei und Tonkunst geblüht, und welch gesunde Weltlichkeit hier lebendig blieb, lehren Männer wie Tutilo, der mit der Meisterschaft in allen bildenden Künsten und der Musik zugleich die wunderlichsten Kraftleistungen eines Recken vereinigte; wie Notker Balbulus, der Reformator des Kirchengesangs und Verfasser der liebenswürdigen, sagen- und anecdotenreichen Gesta Caroli; wie Ekkehard I., der Dichter des Waltharius. So blieb es das ganze 10. Jahrhundert über bis ins 11. Jahrhundert hinein: die von Frankreich kommende asketische Bewegung der Cluniacenser fand hier zunächst keinen Boden: man braucht nur zu denken an Notker Teutonicus, den deutschgesinnten Uebersetzer antiker Autoren, und vor allem an seinen Schüler Ekkehard IV., dessen Casus monasterii s. Galli nichts weiter sind als ein Protest im Namen des älteren Geschlechts gegen den fanatischen, weltflüchtigen Geist [59] der jüngeren Generation, zugleich aber ein Loblied auf die gute alte Zeit und ihren profanen Sinn, dem er selbst huldigt, wenn er das alte Waltherlied aufs neue bearbeitet. Um die Mitte des 11. Jahrhunderts ist indeß auch hier der große Kampf zwischen priesterlicher und Laienbildung im vollen Gange: um 1160 zeigt das Gedicht Memento mori, daß die hierarchisch-demagogischen Tendenzen der kirchlichen Reform in der alten Benedictinerabtei das Uebergewicht erlangt haben. Aber dieser Sieg im Verein mit den furchtbaren Kriegsstürmen während des Investiturstreites wurde verhängnißvoll: mit dem 13. Jahrhundert folgt ein um so stärkerer Rückschlag nach der entgegengesetzten Seite. Das Diesseits macht verschärft seine Rechte geltend, Frau Welt triumphirt, und nun spülen die Wellen der mächtig aufstrebenden richterlich-höfischen Cultur in die stille Klosterzelle und zerstören auch alle wissenschaftliche Blüthe. St. Gallen wird zum Fürstenthum erhoben, die Mönche verwandeln sich in wohllebende bequeme Chorherren mit mehrfachen Pfründen, der adlige Stand wird zur Bedingung für die Aufnahme ins Kloster, die hohe Politik treibt an der ehrwürdigen Stätte des heiligen Gallus ihr unruhvolles, wirrnißstiftendes Wesen. Fortan steht St. Gallen und seine Dienstmannschaft im Mittelpunkt des im Thurgau blühenden Minnesangs. Der Truchseß der Abtei, Ulrich v. Singenberg (s. daselbst), eifert dem genialen Weltkinde Walther v. d. Vogelweide nach. Aus dem Geschlecht seines Gönners, des Abtes Ulrich v. Sax, stammen der Minnesänger Heinrich v. Sax, der auf Schloß Clanx, einem St. Gallischen Burglehen, hauste (s. A. D. B. XXX, 458), und der Spruchdichter und Dominicaner Eberhard v. Sax (s. A. D. B. XXX, 457). Etwas älter ist der staufisch gesinnte Spruchdichter Heinrich v. Hardegge (urkundlich 1227–1275, vgl. Grimme, Germania 33, 55 f.). Ein Abt des Klosters dichtet nach dem Zeugniß Hugo’s v. Trimberg (Renner V. 4245 ff.) gar Tagelieder: das kann nur der prunksüchtige, ritterlich-kriegerische, freigebige Berchtold v. Falkenstein (1244–1272) sein. Und zu Ende des Jahrhunderts ist vor lauter Politik und Weltfreude Aebten, Propst, Pförtner, Kämmerer des Klosters die Kunst des Schreibens abhanden gekommen! In diese Zeit fällt unser Konrad v. Landeck, wenig später sein ihm litterarisch verwandter Zeitgenosse Konrad v. Altstetten, gleichfalls Ministeriale St. Gallens (s. A. D. B. I, 374). Konrad v. Landeck läßt sich 1271–1306 urkundlich nachweisen. Er reicht eben noch hinein in die Glanzzeit St. Gallens unter dem genannten poetisch begabten Abt Berchtold, dem frohsinnigen Freunde der Schenken von Winterstetten, gewiß auch des Dichters, Ulrich’s von Winterstetten (s. unten), dem Gönner der Fahrenden, dem Veranstalter prächtiger Feste und Turniere, der durch den Pomp seines ritterlichen Gefolges selbst den Papst blendet, dem zähen und energischen Vertheidiger seiner fürstlichen Selbständigkeit gegen den Bischof von Constanz. Von dem lockeren bewegten Treiben unter Berchtold’s Regiment gibt uns der treffliche Christian Kuchimeister in seiner St. Gallischen Chronik ein anschauliches Bild. Nichts charakteristischer, als wie der Abt dem Bischof den Frieden kündigt, weil er einen Geistlichen wegen Unzucht vor sein Gericht geladen. Was bedeutet die Reinheit der Klostersitten gegenüber einem Eingriff in die fürstliche Jurisdiction, die fürstliche Autonomie! – Konrad v. Landeck war aber, wie seine Vorfahren, gleichzeitig Dienstmann der Grafen v. Toggenburg, mithin hatte er sicher auch Beziehungen zu seinem Dienstherren, dem Grafen Kraft II. von Toggenburg (von 1260), der selbst Minnelieder dichtete (s. unten). Konrad v. Landeck machte im Gefolge König Rudolf’s von Habsburg 1276 die Belagerung von Wien mit: damals dichtete er das Lied an die in der Heimath weilende Geliebte. Der König erkannte seine Treue an, indem er ihm am 11. Juni 1281 zu Nürnberg die Vogtei Scheftenau in der Grafschaft Toggenburg für 30 Mark Silber zum [60] Lohn geleisteter und noch zu leistender Dienste verpfändete. Und vor 1287 machte ihn der Abt Wilhelm von Gallen zum Schloßhauptmann von Singenberg, nachdem die Familie der Truchsessen von Singenberg vor geraumer Zeit mit dem Enkel des Dichters erloschen war. So kam denn jene Burg, die einst der Schüler Walther’s v. d. Vogelweide erbaut und zu Ehren der Sangeskunst bedeutungsvoll benannt hatte, wieder an einen Singenden und zwar als ein Pfand für den Friedensvertrag zwischen dem König und Abt Wilhelm, den Konrad v. Landeck als der beiden Gegnern lehenspflichtige Gewährsmann herbeiführen sollte. Der Dichter hat sich dann auch nach Frankreich begeben. Im Spätherbst, während an der Seine und an dem Meer der Reif liegt, sendet er von der Aisne an die Geliebte zum Bodensee einen poetischen Gruß: Hennegau, Brabant, Flandern, Frankreich und die Picardie haben nichts so schönes noch solch lieblich Angesicht. Vielleicht führte ihn, wie v. d. Hagen vermuthete, auch dorthin die Kriegsfahrt König Rudolf’s gegen den Pfalzgrafen Otto von Hochburgund im J. 1289. – Erhalten sind uns von Konrad v. Landeck nicht weniger als 22 Lieder: alle im Charakter der rein höfischen Minnepoesie und zwar in jener Spielart derselben, die sich im südlichen Schwaben und Alemannien während des 13. Jahrhunderts herausgebildet hatte. Alle knüpfen an die Jahreszeit an, nur zwei sich mit kurzem Hinweis begnügend, die übrigen mit ausführlichem Natureingang. Elf sind Sommerlieder, ebenso viele Winterlieder. Einige geben sich als Gesellschaftgedichte, fordern zur Freude oder Trauer, zum Tanz und Reigen auf, sprechen zu den Hörern oder in ihrem Namen; andere erscheinen als rein persönliche Bekenntnisse, wenden sich an die Geliebte oder reden in fingirter Einsamkeit. Es ist in diesen Liedern fast alles conventionell, fast alles typisch. Die beiden in der Fremde gedichteten bieten weitaus das Individuellste, und sie allein bekunden und erwecken ein tieferes Gefühl. Alle übrigen arbeiten mit dem hergebrachten Apparat virtuos, aber ohne echtes Leben und ohne Wahrheit. Gelegentliche Reminiscenzen an den älteren Reinmar und Walther, an Ulrich v. Winterstetten begegnen, aber im ganzen ist doch Gottfried v. Neifen (s. A. D. B. XXIII, 401 ff.) das Vorbild. Indeß gibt Konrad v. Landeck nur einen schwachen Abglanz. Auch er spielt mit den technischen Mitteln, mit den Künsten der Anapher, rührendem, grammatischem und innerem Reim, mit Annomination, Allitteration und Häufung, aber ihm fehlt der decorative Glanz, die Verve, und sein Gedankenkreis ist noch enger und ärmer. Wir sind froh, wenn in den meist auch ganz farblosen Natureingängen ein paar Details für die Anschauung gegeben werden: die dirne, die im Mai singt voll Verlangen nach den Blumen des Angers; die Stimme der Goldamsel aus dem Laub, der Drossel in der Waldwildniß, der Lerche über den Feldern; die einzelnen Farben der Blumen; das Bild, daß der Winter dem Wald und der Aue nicht länger den geliehenen Glanz borgen wolle. Sonst gehts in den landläufigen Gleisen: die Stichworte der minniglichen Theorie froide, wîbes güete, liebe, hôchgemüete, genâde, wân, gedinge u. s. w. wirbeln durch einander wie Kugeln eines Jongleurs. Besondere Vorliebe hat der Dichter gleich Neifen und seinen Landsleuten Heinrich v. Tetingen (s. daselbst), Walther v. Klingen (s. A. D. B. XVI, 189), Graf v. Toggenburg und andern für die Wiederholung derselben Wortstämme. Gewiß ist diese Manier auch befördert durch das Vorbild Rudolf’s von Ems. Dem Grafen v. Toggenburg nachgeahmt ist das Wortspiel mit dem Begriff guot als Versteckname für die Dame im neunzehnten Liede. Ueberall hat offenbar die Rücksicht auf die Gesellschaft bestimmender gewirkt als die innere Empfindung. So nehmen denn auch allgemeine Betrachtungen und lehrhafte Ergüsse über den Werth und das Glück der Liebe einen breiten Raum ein. In einer Zeit, da die alten höfischen Lebensmächte unrettbar dem Verfall entgegengingen, ist dieser Dichter noch ihr [61] gläubiger und beredter Apostel. Charakteristisch, daß seiner Leier auch nicht ein Ton jener realistisch-parodistischen Weise entfährt, wie sie Neidhart, Tannhäuser und vor allem sein Zeitgenosse und Landsmann Steinmar, mit dem er zusammen in Wien war, anstimmten. Und auch aus der Musterkarte, die sein Vorbild Neifen ihm bot, tilgt er mit Bedacht alle frivolen und burlesken Elemente. So bleibt denn nur der süße eintönige Singsang von Lenz und Minne, von treuem, vergeblichem Dienste und all den anderen schönen und rührenden Dingen.

v. d. Hagen, Minnesinger I, 351 ff.; III, 644; IV, 307 ff. – Bartsch, Die Schweizer Minnesänger, Nr. XXI, S. CXXVIII ff., 206 ff. – Bächtold, Geschichte der deutschen Literatur in der Schweiz, S. 158 f. – Pupikofer, Geschichte des Thurgaus. 2. Ausgabe. I. Frauenfeld 1886, S. 420 f., 444, 451.