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ADB:Hofmann, Franz

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Artikel „Hofmann, Franz“ von Ivo Pfaff in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 50 (1905), S. 434–436, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Hofmann,_Franz&oldid=- (Version vom 5. November 2024, 04:17 Uhr UTC)
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Hofmann: Franz H. war am 20. Juni 1845 zu Zdounek in Mähren geboren. Nachdem er zu Kremsier das Gymnasium absolvirt hatte, bezog er 1862 die Universität Wien, wo der talentvolle und rastlos eifrige Student, der immerdar dem Horazischen nil sine magno vita labore dedit treu blieb, mannichfache wissenschaftliche Förderung durch seine Lehrer Arndts und Unger erfuhr. Nach erlangtem Doctorgrade brachte er längere Zeit in Göttingen zu und war es ihm vergönnt insbesondere zu Heinrich Thöl in nähere, persönliche Beziehungen zu treten. Im J. 1868 habilitirte er sich in Wien auf Grund einer Abhandlung über das periculum beim Kaufe, für römisches Recht; nachdem 1869 seine venia legendi auch auf österreichisches Privatrecht, sowie Handels- und Wechselrecht erweitert worden war, erfolgte 1871 seine Ernennung zum außerordentlichen Professor und 1877 zum ordentlichen Professor des österreichischen und gemeinen Privatrechtes. Fügt man noch bei, daß sich H. 1871 vermählte, ihn 1885 die Wiener Akademie der Wissenschaften zu ihrem correspondirenden, 1890 zu ihrem wirklichen Mitglied, das Istituto di diritto Romano ihn 1888 zum Ehrenmitglied erwählte, so haben wir in kurzen Zügen seine äußeren Lebensschicksale wiedergegeben, denn wie bei den meisten Gelehrten war sein Leben wenig bewegt; es ging auf in stiller, unausgesetzter Arbeit. Er starb nach längerem Leiden am 25. October 1897.

H. war ein großer Gelehrter, ein Mann von eindringendem Scharfsinn, voll Geist und dabei ein edler Charakter mit einem weichen, gütigen Herzen, dem fremdes Leid näher ging, als eigenes. Die seltene Vereinigung dieser Eigenschaften in seiner Person hat ihm denn auch mancherlei Anfeindungen von Solchen gebracht, denen, nach Goethe’s Worten, „das Wesen wie du bist, im stillen ein ewiger Vorwurf ist“. Daß er in jungen Jahren unter dem Pseudonym Heinrich Falkland ein Bändchen lyrischer und epischer Dichtungen herausgegeben, war nur Wenigen bekannt.

Hofmann’s Studien bewegten sich, in bewundernswerther Vielseitigkeit, auf einem überaus weiten Arbeitsgebiet; im alten wie im neuen Rechte gleich bewandert hat er die allgemeinsten Fragen der Rechtswissenschaft erörtert, [435] historische Arbeiten, historische Arbeiten mit dogmatischen Zielen, Untersuchungen über die subtilsten Fragen des modernen Rechtes vollendet und in all’ diesen Arbeiten, die sich mit griechischem, römischem, gemeinem und österreichischem Recht beschäftigen, zeigt sich dieselbe Unbefangenheit, derselbe scharfe Blick für die Quellen und ihre Kritik, wie für die Bedürfnisse des heutigen Rechtslebens, überall, bei schöner Diction, eine erstaunliche Gelehrsamkeit und sichere Beherrschung des Stoffes auch in Gebieten, die einem juristischen Schriftsteller sonst ferne liegen. Und überall hat H., getreu den programmartigen Sätzen, die er in der Vorrede zu seinem ersten Werke geschrieben, historische Forschung, Dogmengeschichte, Exegese und philosophische Betrachtung verbunden, um die gestellten Probleme zu lösen.

Kurz nach der Publication seiner Arbeit über das periculum 1870 erschienen in rascher Aufeinanderfolge die „Beiträge zur Geschichte des griechischen und römischen Rechtes, „Ueber den Verlobungs- und Trauring“, sowie zwei Aufsätze in der Gerichtszeitung von 1870, Nr. 9, 10 und 40 „Ueber dingliche und persönliche, absolute und relative Rechte“ und „Ueber das Wesen der Servituten“. Ferner zwei Aufsätze zur Theorie des Pfandrechtes in Ihering’s Jahrbüchern X. Bd. (1871); in der Zeitschrift für Rechtsgeschichte XI (1873) die drei Abhandlungen „Ueber die Zahlenspielerei in der Eintheilung der Digesten“, „Zur Beerbung der liberta“, „Zum pr. Inst. de cod. 2, 25“; ein Essay über den ersten nordischen Juristentag (Gerichtszeitung 1873, Nr. 15); „Zur Lehre vom titulus und modus acquirendi und von der justa causa traditionis“ 1873, eine Arbeit voll von eigenen Gedanken, die H., in seiner großen Bescheidenheit, einen Commentar und tiefere Begründung der von Arndts aufgestellten Sätze nannte. Im J. 1874 publicirte er „Die Entstehungsgründe der Obligationen, insbesondere der Vertrag“ und drei Aufsätze im 1. Band der Grünhut’schen Zeitschrift: „Ueber die Pränotation des Pfandrechts“, „Zur Frage nach der Restitution einer durch Schulderlaß bestellten dos“, „Ueber den Unterhaltsanspruch des überlebenden Ehegatten nach § 796 a. b. G. B.“ Aus den folgenden Jahren sind noch hervorzuheben: „Zur Beerbung und Arrogation des libertus“, „Zur Zahlenmystik Justinians“, beide im 12. Band der Zeitschrift für Rechtsgeschichte; „Wesen und Wirkung des Erbverzichtes und des Erbvertrages“ (Grünhut’sche Zeitschr. III. 1876); „Ludwig v. Arndts“ ebendas. VI. 1878; „Zur Lehre vom beneficium inventarii und von der separatio bonorum“ ebendas. VIII. 1881; „Schenkungen unter Gatten und Brautleuten“ ebendas.; „Ueber Lebensversicherungspolizzen“ (Jur. Blätter 1882); „Kritische Studien im römischen Rechte“ 1885; „Verwandtschaft und Familie“ (Vortrag in der feierlichen Sitzung der k. Akademie der Wissenschaften) 1891; Art. „Fideicommisse“ im österr. Staatswörterbuch 1894. Außerdem hat H., im Verein mit L. Pfaff, den Commentar zum österr. allg. bürg. Gesetzbuch (Wien 1877 ff. I, 1. 2; II, 1–5) und Excurse, Beilagen zum Commentar (Wien 1877 ff. I, 1–4; II, 1–3) begonnen, das „Lehrbuch der Pandekten“ von Arndts in 10.–14. Aufl. (1879 ff.) herausgegeben, für die 3. Auflage des Holtzendorff’schen Rechtslexikon die Artikel bona fides, causa und (Familien-)Gewalt geschrieben und aus dem Papyrusschatz des Erzherzogs Rainer das fragmentum de formula Fabiana edirt und erläutert. Hofmann’s reiche Sprachkenntnisse ermöglichten ihm auch bei seiner ausgebreiteten kritischen Thätigkeit (siehe Recensionen insbes. in Grünhut’s Zeitschrift) zahlreiche Werke der ausländischen, insbesondere auch der skandinavischen, Litteratur zu besprechen; daß seine Entdeckung des spanischen Ursprunges der Fideicommisse (s. Excurse, Abh. Zur Geschichte der Fideicommisse, 1884) durch seine Kenntniß der spanischen Sprache wesentlich gefördert wurde, sei auch hier gelegentlich erwähnt.

[436] Und wie H. als Schriftsteller vom römischen Recht seinen Ausgang genommen, so hat er uns auch ein romanistisches Werk hinterlassen, das, ein Meisterwerk in Inhalt und Form, ein anschauliches Bild der byzantinischen Zeit und ihrer Verlogenheit gibt, die allgemein herrschende Lehre Bluhme’s über die Entstehung der Digesten gründlich widerlegt und eigene, höchst ansprechende und einleuchtende Vermuthungen über die Arbeitsweise der Compilatoren aufstellt. („Die Compilation der Digesten Justinians, Kritische Studien von Franz Hofmann. Nach des Verfassers Tode hgg. von J. Pfaff.“) Hat H. einerseits eine erfolgreiche schriftstellerische Thätigkeit entwickelt, die dafür bürgt, daß sein Name unter den besten unserer juristischen Litteratur immerdar ruhmvoll genannt zu werden verdient, so hat er andrerseits auch als akademischer Lehrer wie wenige verstanden, durch Wort und That bildend und veredelnd auf andere einzuwirken. Seine Vorträge, die er, sorgfältig vorbereitet, doch immer erst auf dem Katheder frei sprechend gestaltete, ließen den Schüler, der ihm aufmerksam folgte, thätig mitarbeiten und eiferten zu selbsteigener Forschung an; denn H. gab als wahrer Lehrer sich selbst, seine Person, seine ganze Persönlichkeit „und nicht etwa bloß das, was er von dem Vorrathe seines Wissens abzugeben für gut fand“. Und so hat er denn den schönen Satz, daß „alles wahre Lehren auf Geben und Nehmen, auf volle Gegenseitigkeit und Gemeinsamkeit des Besitzes, auf persönliches Zusammensein, auf Liebe und Freundschaft gegründet ist“ (Curtius, Alterthum und Gegenwart, S. 193) in seinen Vorlesungen bewahrheitet und eine Menge dankbarer Schüler herangebildet. Wie schmerzlich, daß ein so kostbares Leben so frühzeitig erlöschen mußte! Doch was H. dereinst von seinem verehrten Lehrer Ludwig v. Arndts so schön gesagt hat, das gilt auch von ihm selbst: „Seiner Familie und seinen Freunden ist er nun entrissen; aber ein gut Theil von ihm lebt in seinen Schriften und seinen Schülern fort; und diese Nachwirkung wird selbst dann nicht erlöschen, wenn die Schüler todt und die Schriften dereinst weniger gelesen sein werden. Denn auch in der Wissenschaft liegt eine Gemeinschaft der Geister, ein Meer, in das des Einzelnen Thätigkeit mündet, um bald den Augen zu entschwinden, in Wahrheit aber für immer erhalten zu bleiben“.

Nekrolog v. L. Pfaff i. d. Wien. Gerichtsztg. 1897, Nr. 45 u. im Biogr. Jahrb. u. dtsch. Nekrol., hsg. v. A. Bettelheim II (1898), 157 – Almanach d. kais. Akademie d. Wiss. 48. Jahrg., S. 256 ff.; Rede auf Frz. H. geh. am 15. Nov. 1903 bei d. Enth. der in d. Univ.-Arkaden aufgestellten Büste H.s v. L. Pfaff (Ztschr. f. d. Priv.- u. öff. Recht Bd. 31).