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ADB:Heller von Hellwald, Friedrich

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Artikel „Hellwald, Friedrich Heller von“ von Viktor Hantzsch in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 50 (1905), S. 173–181, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Heller_von_Hellwald,_Friedrich&oldid=- (Version vom 18. Dezember 2024, 08:37 Uhr UTC)
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Hellwald: Friedrich Anton Heller von H., ungemein fruchtbarer geographischer, anthropologischer und culturhistorischer Schriftsteller, ist am 29. März 1842 zu Padua als Sohn des österreichischen Hauptmanns Friedrich Heller geboren. Er erhielt eine sehr sorgfältige, streng religiöse Erziehung. Infolge des öfteren Ortswechsels eignete er sich neben der deutschen auch die italienische Sprache, sowie beträchtliche Kenntnisse in verschiedenen slavischen Idiomen an. Im Alter von 16 Jahren trat er 1858 in den österreichischen Militärdienst ein. Als Lieutenant wurde er von einem Ende des vielsprachigen Kaiserstaates zum anderen versetzt. Bald stand er in Wien, bald in den deutschen Alpenländern, bald in Böhmen, bald in Galizien oder an der türkischen Grenze. Da er in tägliche Berührung mit Menschen der verschiedensten Abstammung und Culturstufe kam, gewann er bald lebhaftes Interesse für ethnographische und culturgeschichtliche Studien. Weil ihm aber sein Dienst zu wenig freie Zeit ließ, um diesen wissenschaftlichen Neigungen ungestört nachgehen zu können, erbat er 1864 seinen Abschied und nahm eine bescheidene Civilstellung an, die ihm hinlängliche Muße gewährte. Als 1866 der Krieg gegen Preußen ausbrach, wurde er wieder zum Heeresdienst einberufen und nahm an dem Feldzug in Böhmen theil. Die schweren Strapazen, denen er sich hierbei mehrfach aussetzen mußte, schädigten seine ohnehin nicht sehr widerstandsfähige Gesundheit und legten wahrscheinlich den Grund zu jenem langwierigen Leiden, dem er in den besten Mannesjahren erlag. Kurz nach Beendigung des Krieges vollendete er seine erste selbständige Schrift: „Die amerikanische Völkerwanderung“ (Wien 1866). Er bespricht darin eins der schwierigsten, bisher ungelösten ethnologischen Probleme. Von der Voraussetzung ausgehend, daß der Mensch auf der Erde überall gleichzeitig aufgetreten sei, sobald unser Planet dasjenige Stadium seiner Entwicklung erreicht hatte, das alle Vorbedingungen zur Existenz des Menschen in sich vereinigte, leugnet er die bis dahin von den meisten Forschern angenommene Einwanderung der rothen Rasse aus Asien und bezeichnet die Amerikaner als Autochthonen. Sie entstanden nach seiner Ansicht in der gemäßigten Zone nördlich vom 42. Breitengrad und wanderten von dort aus, sich allmählich in die verschiedenen Stämme trennend, immer weiter südlich bis an die Südspitze des Continents. Die älteste Cultur dieser Rasse, die er die palencanische nennt, entwickelte sich auf dem mexicanischen Hochlande. Diese Hypothese trug er ziemlich anspruchsvoll unter Beibringung eines umfangreichen litterarischen Apparates vor, doch fand er im allgemeinen wenig Beifall. Gegen Ende des Jahres 1866 ließ er sich in Wien nieder und trat in die Redaction von Streffleur’s Oesterreichischer militärischer Zeitschrift ein. Später fand er im Bureau des Kriegsministeriums [174] eine Anstellung. Nachdem er 1867 in Paris als Frucht einer Reise nach Unteritalien eine kleine Studie über: „Paestum, étude historique et archéologique“ hatte erscheinen lassen, veröffentlichte er 1869 sein zweites größeres, gerade am Jahrestage der Katastrophe von Queretaro abgeschlossenes Werk „Maximilian I., Kaiser von Mexiko. Sein Leben, Wirken und Tod, nebst einem Abriß der Geschichte des Kaiserreichs“, eine umfangreiche zweibändige Arbeit, die von österreichischem Patriotismus durchweht ist. Er vertheidigt nicht nur den unglücklichen Kaiser, für den er warme Sympathie hegt, sondern auch seinen Schützer Napoleon, dessen schmählichen Rückzug er als eine politische Nothwendigkeit hinzustellen sucht. Dagegen greift er in der schärfsten Weise die mexikanischen Republikaner unter Juarez und die Regierung der Vereinigten Staaten an. Da er weder die handelnden Hauptpersonen, noch den Schauplatz der Ereignisse aus eigener Anschauung kannte, war er auf die theilweise trüben Quellen der Zeitungsberichte und Parteibroschüren angewiesen und mußte daher vielfach zu schiefen und unhaltbaren Urtheilen gelangen. Auch fehlt es infolge der Verschiedenartigkeit der Quellen und der ziemlich flüchtigen Arbeitsweise des Verfassers nicht an Lücken und Widersprüchen in der Darstellung. In den nächsten Jahren betheiligte er sich in regster Weise an dem wissenschaftlichen Leben Wiens, namentlich an den Arbeiten der dortigen geographischen Gesellschaft. Einen Vortrag über Sebastian Cabot, den er in dieser Gesellschaft hielt, veröffentlichte er im folgenden Jahre in der Sammlung gemeinverständlicher wissenschaftlicher Vorträge, herausgegeben von Rudolf Virchow und Franz v. Holtzendorff. Zu gleicher Zeit ließ er, angeregt durch seinen Bruder Ferdinand, der ein gründlicher Kenner der niederländischen Litteratur war, eine nationalökonomische Abhandlung „Ueber Colonien und über die holländischen Niederlassungen in Ostindien insbesondere“ (Wien 1871), erscheinen.

Im Sommer 1871 wurde er von der J. G. Cotta’schen Verlagsbuchhandlung in Stuttgart aufgefordert, die Redaction der bis dahin von Oscar Peschel geleiteten Wochenschrift „Das Ausland“ zu übernehmen. Da er sich längst eine möglichst vielseitige litterarische Thätigkeit und die Anknüpfung persönlicher und brieflicher Beziehungen zu den bedeutendsten Vertretern seiner Lieblingsstudiengebiete gewünscht hatte, kam er dieser Einladung gern nach und verließ im Laufe des Jahres Wien, um nach Cannstatt bei Stuttgart überzusiedeln. Am 1. Januar 1872 begann er seine neue Thätigkeit. Während Peschel das unter seiner Leitung zu hohem Ansehen gelangte Blatt namentlich nach der geographischen Seite hin ausgebaut hatte, betonte H. vor allem die Anthropologie und die Culturgeschichte. Mit Feuereifer trat er namentlich für die Entwicklungslehre im Sinne Darwin’s, für den „neuen Glauben“, wie ihn David Friedrich Strauß verkündigte und für die monistische Weltanschauung Häckel’s ein. Diese neue, in zahlreichen Artikeln mit Begeisterung vorgetragene Tendenz führte der Zeitschrift viele Anhänger zu, entfremdete ihr aber auch nicht wenige alte Freunde. Die Jahre, die H. in Cannstatt zubrachte, waren in litterarischer Hinsicht die fruchtbarsten seines Lebens. Hier entstand jene lange Reihe großer populärwissenschaftlicher Werke, die seinen Namen bei allen Gebildeten weit über die Grenzen Deutschlands hinaus bekannt machten. Zuerst veröffentlichte er „Die Russen in Centralasien. Eine Studie über die neuere Geographie und Geschichte Centralasiens“ (Augsburg 1873). Diese Schrift beruht auf gründlicher und sorgfältiger Ausnutzung eines reichen Quellenmaterials. Sie stellt nicht nur die geographischen und ethnologischen, sondern auch die militärischen Verhältnisse jener weiten Gebiete klar und übersichtlich dar und ist daher noch heute von Werth. Eine englische [175] Uebersetzung (Russians in Central Asia, translated by T. Wirgman) erschien in London 1874, eine unveränderte deutsche Ausgabe in Augsburg 1878. Die erste größere Leistung Hellwald’s auf dem Gebiete der Culturgeschichte war die gemeinsam mit H. Schaaffhausen unternommene Vollendung und Herausgabe des von W. Baer begonnenen Werkes „Der vorgeschichtliche Mensch. Ursprung und Entwicklung des Menschengeschlechts für Gebildete aller Stände“ (Leipzig 1873–74), das die Theorie Darwin’s von der Abstammung des Menschen in weiteren Kreisen zu verbreiten suchte. Da es allgemein verständlich und sehr anregend geschrieben und mit mehr als 500 meist wohlgelungenen Abbildungen ausgestattet war, fand es großen Beifall und erlebte 1879 eine zweite, völlig umgearbeitete, sowie 1894 noch eine dritte, wohlfeile Ausgabe. Weniger günstig wurde es von der wissenschaftlichen Fachpresse beurtheilt, welche nahezu einstimmig erklärte, daß es nicht wünschenswerth sei, das urtheilslose große Publicum in derartige noch wenig geklärte Gebiete einzuführen. Sie warf dem Verfasser nicht nur Mangel an Kritik vor, sondern wies auch nach, daß er die Gründe, welche für und wider die von ihm vertretenen Ansichten sprächen, nicht scharf und unparteiisch genug dargestellt und überdies die Aeußerungen verschiedener Fachgelehrten völlig mißverstanden hatte. Man behauptete sogar, daß die in weiten Kreisen verbreiteten irrigen und schiefen Meinungen über Darwin’s Theorie nicht zum wenigsten durch seine Schuld entstanden wären. H. ließ sich indessen durch solche Kritiken nicht abschrecken, sondern trat bald darauf mit einem neuen, von demselben Geiste durchwehten Werke hervor, das seinen Namen in den weitesten Kreisen bekannt und geradezu populär gemacht hat, nämlich mit seiner berühmten und mehrfach als geradezu epochemachend bezeichneten „Culturgeschichte in ihrer natürlichen Entwicklung von den ältesten Zeiten bis zur Gegenwart“, die er seinem Freunde und Gesinnungsgenossen Ernst Häckel widmete (Augsburg 1874, 2 Bände; zweite, wesentlich vermehrte Auflage, ebenda 1876; dritte, neubearbeitete Auflage, ebenda 1883; billige Volksausgabe, Stuttgart 1890; vierte, völlig umgearbeitete Auflage, herausgegeben von M. v. Brandt, L. Büchner, A. Conrady u. a., Leipzig 1896–98, 4 Bände). Sie war veranlaßt durch Friedrich Kolb’s Culturgeschichte der Menschheit (Leipzig 1868–70), die H. im „Ausland“ vom Standpunkte principieller Gegnerschaft aus besprochen hatte. Sein Verleger Lampart in Augsburg forderte ihn nämlich auf, nachdem er im „Ausland“ gezeigt habe, wie eine Culturgeschichte nicht sein dürfe, eine solche zu schreiben, wie sie sein solle. Er kam dieser Anregung um so lieber nach, als er dadurch eine willkommene Gelegenheit fand, seine Darwinistischen Ueberzeugungen abermals in weiten Kreisen der Gebildeten zu verbreiten. Unter ausgiebiger, aber nicht immer einwandfreier Heranziehung einer reichen Litteratur versuchte er es, die Culturentwicklung der Menschheit im Lichte der monistischen Weltanschauung zu schildern und auf die der Naturentwicklung zu Grunde liegenden einfachen Gesetze zurückzuführen. Mit allen idealen und übernatürlichen Factoren, mit Teleologie und sittlicher Weltordnung räumt er kurzerhand auf, indem er alle diese Begriffe als Krücken für Liebhaber der Bequemlichkeit und Selbsttäuschung, für poetische Gefühlsschwärmer und phantastische Schönfärber erklärt. Die einzelnen Theile des Werkes sind von sehr ungleichem Werthe. Am besten sind die Abschnitte über die vorgeschichtliche Cultur und über die Naturvölker gelungen. Die Culturbedeutung des Griechenthums, des christlichen Mittelalters und der Renaissance ist dem Verfasser nicht hinlänglich klar geworden. Auch der großartigen Entwicklung des modernen Geisteslebens wird er nicht völlig gerecht. In methodischer Hinsicht ist das Werk von großem Interesse als Versuch, die mechanische Naturerklärung [176] auf die Geschichte der Menschheit zu übertragen, doch zeigt es deutlich, daß sich H. der Schwierigkeit dieses Problems nicht überall genügend bewußt war. Auch hat er nicht immer die besten Quellen benutzt, sondern sich öfters mit nicht einwandfreien Broschüren und Zeitungsaufsätzen begnügt. Die dritte Ausgabe des Buches wurde ins Italienische übersetzt (Storia della civiltà nel suo naturale svolgimento fino al presente. Prima traduzione italiana, eseguita col consenso dell’ autore sulla terza edizione tedesca e corredata di uno studio critico dall’ avv. V. Wautrain Cavagnari. Genova 1887). Für diejenigen Leser, welche nicht das ganze Werk, sondern nur dessen wesentliche Ergebnisse kennen lernen wollten, erschien ein kurzer Auszug: „Lichtstrahlen aus Friedrich von Hellwald’s Culturgeschichte in ihrer natürlichen Entwicklung“ (Augsburg 1880).

Während der Bearbeitung der Culturgeschichte hatte H. seine übrigen Forschungsgebiete nicht vernachlässigt. Besonders seine Studien über Centralasien hatte er soweit gefördert, daß er mit einem zweiten, wiederum mit Karten und Abbildungen ausgestatteten populärwissenschaftlichen Werke über diese Gebiete hervortreten konnte: „Centralasien. Landschaften und Völker in Kaschgar, Turkestan, Kaschmir und Tibet. Mit besonderer Rücksicht auf Rußlands Bestrebungen und seinen Kulturberuf“ (Leipzig 1875; 2. Auflage, ebenda 1880). Seit dem Erscheinen dieses Buches verging kaum ein Jahr, das nicht ein neues umfangreiches Werk aus der Feder Hellwald’s brachte. Zunächst veröffentlichte er: „Hinterindische Länder und Völker. Reisen in den Flußgebieten des Irawaddy und Mekong, in Birma, Anam, Kambodscha und Siam“ (Leipzig 1876, mit Abbildungen; 2., vermehrte Auflage, ebenda 1880). Ausgehend von den geographischen Verhältnissen und von dem Interessengegensatze zwischen England und Frankreich beschreibt er in anziehender Weise auf Grund neuerer Reisewerke die einzelnen Landschaften der hinterindischen Halbinsel und die Eigenthümlichkeiten ihrer Bewohner nach Körperbeschaffenheit, Charakter, Lebensweise und Bildungsstand. Noch in demselben Jahre vollendete er eine warm empfundene Biographie eines von ihm hochverehrten Meisters der Wissenschaft: „Oscar Peschel. Sein Leben und Schaffen“ (Augsburg 1876; 2. Ausgabe, ebenda 1881). Dieser Nachruf für den verdienten, kurz vorher verstorbenen Forscher ist ein schönes Denkmal der Freundschaft, die beide Männer verknüpfte, doch hält er sich nicht frei von Uebertreibungen und ist darum mit Vorsicht zu benutzen. Das folgende Jahr brachte vier theils abgeschlossene, theils erst später vollendete Werke Hellwald’s auf den Markt. Drei davon waren veranlaßt durch den eben ausgebrochenen Türkenkrieg. Zwei derselben sind nur Gelegenheitsschriften: „Die Türkei im Kampfe mit Rußland“ (Augsburg 1877), und „Der Islam. Türken und Slaven. Acht Capitel aus der Culturgeschichte in ihrer natürlichen Entwicklung“ (ebenda 1877). Wichtiger ist die dritte, die beiden anderen an Umfang weit übertreffende Arbeit, die H. in Gemeinschaft mit L. Beck herausgab: „Die heutige Türkei. Bilder und Schilderungen aus allen Theilen des osmanischen Reiches in Europa und Asien“ (Leipzig 1877, 2 Bände mit Karten und Abbildungen; 2. Auflage, ebenda 1878–79; neue Ausgabe, ebenda 1882). Sie wurde wegen ihrer interessanten ethnographischen und culturhistorischen Schilderungen viel gelesen und auch ins Schwedische übersetzt (Turkiet i våra dagar. Bilder och skildringar från alla delar af det osmaniska riket. Öfv. af O. W. Ålund. Stockholm 1877–79). In demselben Jahre erschienen auch noch die ersten Lieferungen eines Buches, das trotz seines nicht immer einwandfreien Inhalts doch wegen seiner anziehenden und anregenden Form der Darstellung auch außerhalb Deutschlands in weiten Kreisen der [177] Gebildeten ein lebhafteres Interesse für Länder- und Völkerkunde erweckte: „Die Erde und ihre Völker. Ein geographisches Handbuch“ (2 Bände mit Karten und Abbildungen. 1. und 2. Aufl. Stuttgart 1877–78; 3., umgearbeitete Aufl., ebenda 1883–84; 4. Aufl., bearbeitet von W. Ule, ebenda 1896–97). Das Werk fand trotz der theilweise wenig günstigen Beurtheilung durch die wissenschaftliche Kritik solchen Beifall, daß es in mehrere Sprachen übersetzt wurde, so ins Italienische (La terra e l’uomo. Geografia universale illustrata. Torino 1877–79, 2 Bände. Die Uebersetzung ist von Gustavo Strafforello. Zwei einzelne Abschnitte daraus wurden später nochmals abgedruckt: Asia secondo le notizie più recenti und Africa secondo le notizie più recenti, beide Torino 1885), Niederländische (De Werelddeelen, bewerkt naar Fr. v. Hellwald’s „Die Erde und ihre Völker“ door J. C. van den Berg. Haarlem 1878–82), Schwedische (Jorden och dess folk. Allmän geografi. Öfv. ochbearb. af E. Hildebrand. Stockholm 1877–79; Ny fullständigt omarbetad upplaga af O. H. Dumrath. Stockholm 1897–98), Norwegische (Jorden og dens Beboere. Oversat med Forfatterens Samtykke af John Hazeland og Hans H. Reusch. Kristiania 1877–83), Finnische (Maan kansat ja valtakunnat. Saksalaisesta teoksesta suom N. Hauvonen. Helsingissä 1880. Von dieser Uebersetzung erschien nur ein Band, der Europa behandelt), Russische (Semlja i jeja narody. Perewod ss njemezkago. St. Petersburg 1898), Polnische (Ziemia i jéj mieszkàncy, przeklad z niem. L. Kaczyńskiéj. Warszawa 1877–78) und Czechische (Země a obyvatelé jeji. Illustrovaná zeměpisná, dějepisná a narodopisná kniha domáci. Vzdělali J. V. Prásek a T. Cimrhanzl. Praze 1879–81; 2. Auflage ebenda, 1881–85).

Bald nach diesem großen buchhändlerischen Erfolg erschienen zwei nicht sehr bedeutende Arbeiten Hellwald’s: „Die Umgestaltung des Orients als Culturfrage“ (Augsburg 1878), eine Beleuchtung der Verhandlungen des Berliner Congresses, und „Hölder’s geographische Jugend- und Volksbibliothek“ (Wien 1879, 8 Hefte mit Karten und Abbildungen, herausgegeben unter Mitwirkung von Friedrich Umlauft). Beide Schriften wurden wenig beachtet, umsomehr aber das nächste größere Werk „Im ewigen Eis. Geschichte der Nordpolfahrten von den ältesten Zeiten bis auf die Gegenwart“ (Stuttgart 1879–81, 2 Bände mit Abbildungen), dem zwar der Vorwurf unwissenschaftlicher Quellenbenutzung und flüchtiger Compilation nicht erspart blieb, das aber die mit dem Stoff untrennbar verbundene Einförmigkeit durch lebhafte Darstellung glücklich überwand und bei dem allgemeinen Interesse, das namentlich in Nordeuropa die Unternehmungen der Polarforscher begleitete, auch ins Schwedische (I höga norden. Nordpolsforskningarna från äldsta till närvarande tider. Fri öfvers. af C. R. Sundström. Stockholm 1879–81), Norwegische (I den evige Is. Skildring af Nordpolsreiserne fra de aeldste Tider indtil vore Dage. Autoriseret Oversaettelse for Norge og Danmark ved B. Kaalaas. Kristiania 1882) und Französische übersetzt wurde (Au pôle nord. Voyages au pays des glaces. Trad. de Ch. Baye. Paris 1880–81).

Kurz nach dem Abschluß dieses Werkes trat in Hellwald’s äußeren Lebensumständen insofern eine wichtige Veränderung ein, als er mit Ende 1881 nach zehnjähriger Thätigkeit die Redaction des „Ausland“ niederlegte und an Friedrich Ratzel übergab. Die Gründe seines Rücktritts waren verschiedener Art. Entscheidend dürfte für ihn gewesen sein, daß gegen das Blatt wegen seiner Stellung zu Darwin’s Entwicklungslehre und zur monistischen Weltanschauung der Vorwurf einseitiger Interessenvertretung erhoben wurde und namentlich in den letzten Jahren der Kreis der Freunde kleiner, die Zahl der [178] Gegner aber immer größer und einflußreicher geworden war. Durch den Verlust dieser Stellung gerieth H. in ziemlich unsichere Verhältnisse. Da er kein beträchtliches Vermögen besaß, sah er sich hauptsächlich auf den Ertrag seiner Feder angewiesen. Um ein standesgemäßes Leben führen zu können, mußte er viel und schnell produciren, und diese fieberhafte, nicht selten durch ein allmählich sich entwickelndes zehrendes Rückenmarksleiden unterbrochne und dann mit verdoppeltem Fleiße wieder aufgenommene Thätigkeit kam der Güte seiner litterarischen Erzeugnisse nicht zu statten. Zunächst blieb er in Cannstatt wohnen, siedelte dann aber nach Stuttgart über und vollendete hier auf buchhändlerische Bestellung in rascher Folge fünf umfangreiche Werke, zu denen er das Material zum großen Theil bereits früher zusammengetragen hatte. Zwei davon waren anthropologischen und culturgeschichtlichen Inhalts: „Naturgeschichte des Menschen“ (Stuttgart 1882–84, 2 Bände mit zahlreichen vortrefflichen Abbildungen von Franz Keller-Leuzinger, auch ins Holländische übersetzt als Natuurlijke geschiedenis van den mensch. Vrij vertaald door Paul Haring. Haarlem 1882–85; 2. Ausgabe ebenda 1890), und „Die menschliche Familie nach ihrer Entstehung und natürlichen Entwicklung“ (Leipzig 1887–89 als Band 10 und 11 der 2. Folge der von Ernst Häckel herausgegebenen Darwinistischen Schriften). Die drei übrigen gehören dem geographischen Gebiete an: „Amerika in Wort und Bild. Eine Schilderung der Vereinigten Staaten“ (Leipzig 1883–85, 2 Bände; 2. Aufl., ebenda 1892–94), „Frankreich in Wort und Bild. Seine Geschichte, Geographie, Verwaltung, Handel, Industrie und Production“ (Leipzig 1884–87, 2 Bände; ein Auszug ohne Bilder erschien unter dem Titel: „Frankreich, das Land und seine Leute“, ebenda 1887), und „Die weite Welt. Reisen und Forschungen in allen Theilen der Erde. Ein geographisches Jahrbuch“ (1.–3. Jahrgang, Stuttgart 1885–87). 1887 war sein Leiden soweit vorgeschritten, daß er sich veranlaßt sah, einen Curort aufzusuchen. Er siedelte deshalb nach Bad Tölz in Oberbaiern über. Hier lebte er, da er unverheirathet war, mit seiner alten Mutter zusammen. Leider vermochten die angewendeten Curmittel sein unheilbares Uebel nicht zu bessern. Um sich von den quälenden körperlichen Schmerzen zu retten, die seine Arbeitsfähigkeit und damit seine Existenz in Frage stellten, griff er zur Morphiumspritze. In Tölz entstanden noch folgende größere Arbeiten: „Haus und Hof in ihrer Entwicklung mit Bezug auf die Wohnstätten der Völker“ (Leipzig 1888), „Paris und seine Umgebung“ (ebenda 1889), die Frucht einer Reise nach Frankreich, „Die Welt der Slawen“ (Berlin 1890), eins seiner besten Werke, in dem er, gestützt auf umfassende Belesenheit, auf geographischem und geschichtlichem Hintergrunde ein inhalt- und farbenreiches Bild des slavischen Volksthums entwarf, „Die Magiker Indiens“ (Leipzig 1890, Band 4 der Schriften der Gesellschaft für Experimentalpsychologie zu Berlin), eine Ausgabe der gesammelten Werke Alexander von Humboldts in 12 Bänden (Stuttgart 1889–90), endlich das letzte zu seinen Lebzeiten erschienene Werk: „Ethnographische Rösselsprünge. Kultur- und volksgeschichtliche Bilder und Skizzen“ (Leipzig 1891), eine Sammlung kleiner Aufsätze vermischten Inhalts. Am 1. November 1892 starb er zu Tölz an der Rückenmarksschwindsucht. Unter seinen nachgelassenen Papieren fand man noch eine Reihe theilweise vollendeter Arbeiten. Diese Manuscripte gingen nebst seiner reichen und werthvollen Bibliothek, die gegen 16 000 Bände umfaßte, in den Besitz der Antiquariatsfirma Heinrich Kerler in Ulm über. Einige kamen nach seinem Tode im Druck heraus, doch fanden sie nur mäßigen Beifall. Zu erwähnen sind: „Rom in Vergangenheit und Gegenwart“ (Ulm 1894), ein Gang durch die Sehenswürdigkeiten der ewigen Stadt, „Werden und Vergehen des [179] Buddhismus“ (Ulm 1894), „Aus der Urzeit“ (Leipzig 1897), eine Umarbeitung eines Abschnittes der Culturgeschichte, sowie „Zauberei und Magie“ (Ulm 1901), eine Frucht occultistischer Studien, denen sich H. in seinen letzten Lebensjahren mit Vorliebe hingegeben hatte. Wenig bedeutsam und kaum des Abdrucks würdig ist auch sein Briefwechsel mit Ernst Häckel (Ulm 1901).

Außer seinen größeren Werken hat H. noch eine unübersehbare Menge von mehr oder weniger umfangreichen Abhandlungen vorwiegend geographischen, anthropologischen, völkerkundlichen, culturgeschichtlichen, naturwissenschaftlichen, politischen und militärischen Inhalts für eine große Zahl von Zeitschriften verfaßt. Namentlich für das „Ausland“ hat er während der 10 Jahre seiner redactionellen Thätigkeit fast jede Woche mehrere kleine Beiträge geliefert. Viele dieser oft ganz flüchtig niedergeschriebenen und darum theilweise ziemlich minderwerthigen Aufsätze sind nicht mit seinem Namen unterzeichnet und deshalb nicht mehr zu ermitteln. Da ein Versuch, sie zusammenzustellen, bisher nicht vorliegt, möge hier wenigstens ein Verzeichniß der wichtigeren folgen: Ausland 1863: Virgils Grab; 1864: Das Schloß von Monselice; 1865: Die Lagunen von Venedig; 1866: Die Altertümer am Tifata bei Capua; 1868: Geographische Parallelen; Die Insel Geby in den Molukken; 1870: Einiges über holländische Volkssitten; 1871: Ueber Gynaikokratie im alten Amerika; Zur Geschichte des alten Yucatan; Beiträge zur peruanischen Ethnologie; Spitzbergen nach den neuesten Forschungen; 1872: Der Kampf ums Dasein im Menschen- und Völkerleben; Nisida; Neue Forschungen in Centralasien; Zustand der australischen Landwirtschaft; Die Ethnologie der Balkanländer; Eine Culturgeschichte wie sie nicht sein soll; 1873: Neue culturgeschichtliche Forschungen; 1874: Puzzuoli; 1875: Die Fahrten der Phönizier; Zur Polarforschung der Gegenwart; Oscar Peschel; Der internationale Congreß für geographische Wissenschaften in Paris; 1876: Die Vorgänge auf der Balkanhalbinsel; Nordenskjölds Fahrt auf dem Jenissei; 1877: Ein offenes Wort über Nordpolarfahrten; Der Balkan, nach Kanitz; 1878: Von unserer Sprachgrenze; Rohlfs’ Project zur Erforschung der östlichen Sahara; 1879: Cabot und die Anfänge der Polarforschung; 1880: Die ältere Entschleierung Innerafrikas; Amerikanische Forschungsreisende; 1881: Transatlantisches; 1890: Zur Entwicklungsgeschichte der Liebe; Ursprung und Entwicklung des Schmuckes. – Globus 1863, III: Die Solfatara bei Puzzuoli; 1863, IV: Der Pausilipp bei Neapel; 1890, LVII: Zwischen den Belten. – Oesterreichische Wochenschrift für Wissenschaft, Kunst und öffentliches Leben, 1863, I: Das Drama des Vesuvs; 1864, II: Die niederländischen Colonieen in Ungarn und Siebenbürgen. – Zeitschrift für allgemeine Erdkunde, 1864, XVI: Cumä. – Wiener Abendpost 1864: Eine antiquarische Reise durch Centralamerika; 1875: Die Handelswege nach Jünnan; 1876: Zur Ethnologie Deutschlands; 1879: Die Kenntnis der Alten und der Portugiesen von Centralafrika. – Die Natur 1865: Studien über Mexiko; 1871: Algerien, eine geographisch-physikalische Skizze. – Jahrbuch des österreichischen Alpenvereins 1867: Die Eiszeiten der Alpen; 1869: Die Elementarereignisse in den Alpen im Herbst 1868. – Internationale Revue 1867: Die Culturdenkmale Centralamerikas. – Nouvelles annales des voyages 1867: Des origines de la civilisation péruvienne. – Mitteilungen der k. k. geographischen Gesellschaft in Wien 1868, XI: Abyssinien nach den vorhandenen Quellen dargestellt; 1869, XII: Die neue Verbindung Amsterdams mit der Nordsee; 1870, XIII: Die Zuydersee; 1871, XIV: Ueber Colonien und über die holländischen Niederlassungen in Ostindien insbesondere; 1875, XVIII: Die Verhandlungen des internationalen Congresses für geographische Wissenschaften in Paris. – Deutsche Rundschau [180] 1874, I: Die Polarforschung der Gegenwart; 1875, V: Neue Schriften über die Türkei; 1876, VI: Eines Spaniers Studien über die geistige Bewegung in Deutschland; 1876, VIII: Neue Schriften zur Kunde von Afrika; Der Stand der jüngsten Ausgrabungen in Rom; Nordamerikanische Zustände. – Jahresbericht der geographischen Gesellschaft in München 1875, IV–V: Die Ethnologie der Balkanländer; Die Erforschung des Tian-Schan. – Oesterreichische Monatsschrift für den Orient 1875: Ein neuer Handelsweg nach dem südlichen China; 1876: Ein Blick auf Kaschmir; 1877: Die Expedition Jean Dupuis und die Erschließung Tonkins; 1878: Ein Blick auf Ost-Turkestan; Archäologisches aus China und Japan; 1879: Eine Fahrt auf dem Blauen Fluß; 1880: Die Ruinenplätze Kambodschas; 1881: Das Volk der Giljaken in Ostsibirien; Von den Salomons-Inseln; 1882: Zur Erinnerung an die Novara-Expedition; 1883: Zur Tonkin-Frage; 1885: Aus dem Thal des Zerafschân; 1887: Korea; 1888: China und seine Fortschritte; 1890: Vom Aberglauben der Türken; Die Altertümer der Khmer in Kambodscha. – Grenzboten 1875: Die geographische Erforschung Afrikas. – Unsere Zeit 1875: Das Kaisertum Brasilien und seine jüngste Entwicklung; 1878: Die Afrikaforschung der Gegenwart; 1882: Nordafrika und seine Bedeutung in der Gegenwart; 1883: Die Polarforschung der Gegenwart; 1884: Annam und Tonkin; 1885: Südafrika und die südafrikanischen Wirren; 1886: Aegypten und der Sudan; 1887: Die deutsche Colonie Kamerun; Ostafrika und die Deutschen. – Die Gegenwart 1876: Die Fortschritte der anthropologischen Wissenschaft; 1878: Indien und Afghanistan; 1879: Englands südafrikanische Verlegenheit; 1882: Die Regentschaft Tunis; Die Forschungen im Kongo-Gebiet; 1884: Die internationalen Polarstationen; 1885: Deutschland in Ostafrika; 1887: Die Italiener am Roten Meer. – Kosmos 1877, I: Bedeutung und Aufgabe der Völkerkunde. – Blätter für literarische Unterhaltung 1878: Eine Reise in Centralasien. – Westermanns Monatshefte 1879: Das südafrikanische Problem; 1882: Im Winter über die chilenischen Anden. – Deutsche Rundschau für Geographie und Statistik 1879, I: Die Insel Cypern; Ein Blick auf Scandinavien; 1880, II: Nieder-Cochinchina; 1881, III: Das Atrek-Thal und der Feldzug der Russen gegen die Teke-Turkmenen; 1896, XIX: Streifzüge auf der Insel Sardinien. – Vom Fels zum Meer, 1884: Leben und Treiben in Mexiko; 1886–87: Das Berliner Museum für Völkerkunde; 1887–88: Die Bewohner Sibiriens. – Tägliche Rundschau, 1888: Aus dem Isarwinkel. – Revue de géographie, 1888: Le Pamir d’après les plus récentes explorations. – Außerdem schrieb H. zahlreiche Artikel für Meyer’s Conversationslexikon und Gustav Jäger’s Handwörterbuch der Zoologie und Anthropologie (Breslau 1879), sowie für verschiedene angesehene Tagesblätter, namentlich für die Allgemeine Zeitung. Wiederholt unternahm er auch Vortragsreisen und betheiligte sich an wissenschaftlichen Versammlungen, namentlich an den drei ersten Amerikanistencongressen, bis ihn der Fortschritt seiner Krankheit daran hinderte.

H. war ein sehr vielseitig begabter, ideenreicher Mann von bedeutender Arbeitskraft und mit einem vortrefflichen Gedächtniß ausgerüstet. Seine Liebe zu den Studien veranlaßte ihn, dem Officierstande zu entsagen und sich dem freien Litteraturberufe zuzuwenden. Begünstigt durch eine umfassende Sprachkenntniß, verschaffte er sich mit lebhaftem Interesse und unermüdlichem Fleiße allmählich einen guten Ueberblick über weite Gebiete des Wissens. Der strengen fachwissenschaftlichen Kleinarbeit war er abhold. Deshalb erwecken seine Werke nur selten den Eindruck sorgfältiger und gründlicher Forschung. Häufig ließ er seiner Phantasie in unkritischer Weise freien Lauf. Da er sich der Grenzen [181] seiner Begabung wol bewußt war, wendete er sich mit seinen Arbeiten nicht an die Fachgelehrten. Vielmehr ging sein Bestreben dahin, die weitesten Kreise der Gebildeten für die Thatsachen und Probleme der Geographie, Völkerkunde, Anthropologie und Culturgeschichte zu interessiren. Vor allem wollte er ein Bahnbrecher der Entwicklungslehre und der monistischen Weltanschauung sein. Deshalb bekämpfte er eifrig die kirchlichen Autoritäten und wirkte unermüdlich für die Ausbreitung der Lehren Darwin’s, Häckel’s und David Friedrich Strauß’. Auch fühlte er sich nicht als Deutscher, sondern als Weltbürger. Da er mit seinen Ansichten sehr häufig an die Oeffentlichkeit trat, fehlte es ihm nicht an Gegnern, deren Angriffe ihm das Leben oft verbitterten und namentlich in den letzten Jahren sein durch unheilbare Krankheit und pecuniäre Sorgen ohnehin bedrücktes Gemüth verdüsterten.

Kurze Nekrologe von W. Wolkenhauer in der Deutschen Rundschau für Geographie und Statistik 7, 424 und im Geographischen Jahrbuch 16, 481, von M. Höfler im Ausland 1892, S. 753, von R. Andree im Globus 72, 349 (mit Bild) und von C. Sterne im Magazin für Litteratur des Auslandes 1892, Nr. 51.