Zum Inhalt springen

ADB:Keller, Franz

aus Wikisource, der freien Quellensammlung

Empfohlene Zitierweise:

Artikel „Keller-Leuzinger, Franz“ von Viktor Hantzsch in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 51 (1906), S. 106–108, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Keller,_Franz&oldid=- (Version vom 24. Dezember 2024, 18:38 Uhr UTC)
Allgemeine Deutsche Biographie
>>>enthalten in<<<
[[ADB:{{{VERWEIS}}}|{{{VERWEIS}}}]]
Nächster>>>
Kellner, August
Band 51 (1906), S. 106–108 (Quelle).
Franz Keller-Leuzinger bei Wikisource
Franz Keller-Leuzinger in der Wikipedia
Franz Keller-Leuzinger in Wikidata
GND-Nummer 116125632
Rohdaten, Werke, Deutsche Biographie, weitere Angebote
fertig
Fertig! Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle Korrektur gelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
Kopiervorlage  
* {{ADB|51|106|108|Keller-Leuzinger, Franz|Viktor Hantzsch|ADB:Keller, Franz}}    

{{Normdaten|TYP=p|GND=116125632}}    

Keller: Franz K.-Leuzinger, Ingenieur, Maler und Forschungsreisender, wurde am 30. August 1835 zu Mannheim als Sohn des Ingenieurs Joseph Keller geboren. Als der Vater 1841 das Amt eines Straßen- und Wasserbauinspectors in Karlsruhe erhielt, siedelte die Familie nach dieser Stadt über, und der Knabe besuchte daselbst das Lyceum und später die polytechnische Schule. Nachdem er die Ingenieurprüfung bestanden hatte, begleitete er 1855 seinen Vater nach Brasilien, um dort im Auftrage der kaiserlichen Regierung gemeinschaftlich mit zahlreichen anderen deutschen und englischen Technikern an der Verbesserung der schon vorhandenen Verkehrswege und an der Planung und Ausführung neuer Straßen, Eisenbahnen, Stromregulirungen und Telegraphenlinien zu arbeiten. Zunächst wurden beide mit Straßenbauten in den Provinzen Rio und Minas Geraes beschäftigt. Besondere Verdienste erwarben sie sich durch die treffliche Ausführung der theilweise in Felsen gesprengten Kunststraße, die von Petropolis aus über das Gebirge 147 km weit nach dem Innern des Landes führt und die reichsten Kaffeeplantagen der beiden Provinzen durchschneidet, sowie durch die große eiserne Straßenbrücke über den Parahyba, die mehr als 400000 Milreis kostete. Später wurden sie beauftragt, den Verlauf der großen Ströme Brasiliens astronomisch und hypsometrisch zu bestimmen und kartographisch festzulegen und ihre Schiffbarkeit, die Wassermenge, die Ueberschwemmungsverhältnisse in der Regenzeit und die Hindernisse, welche sie der Schiffahrt durch Sandbänke, Wasserfälle und Stromschnellen entgegenstellten, zu untersuchen, sowie die besten Mittel zu deren Beseitigung oder Umgehung unter genauer Darlegung der Ausführbarkeit und des Kostenpunktes vorzuschlagen. Zu diesem Zwecke unternahmen sie durch theilweise unbekannte, von wilden Indianerstämmen bewohnte Gegenden sechs große und nicht immer gefahrlose Reisen, auf denen sie meist im Ruderboot die Ströme Amazonas, Madeira, Ivahy, Paranapanema, Tibagy, Parana, Iguassu, Mamoré, Parahyba und andere befuhren. Am ergebnißreichsten war eine Reise in den Jahren 1867–1868, welche zur Ermittlung des bequemsten Verbindungsweges zwischen Brasilien und der Nachbarrepublik Bolivia dienen sollte. Kurz vorher war nämlich zwischen beiden Staaten ein Grenz- und Handelsvertrag abgeschlossen worden, der unter anderem die baldige Eröffnung einer Verkehrsstraße durch das Madeirathal in Aussicht gestellt hatte. Vater und Sohn befuhren zunächst den Amazonenstrom von der Mündung an bis Manaos, versahen sich hier mit Vorräthen und farbigen Dienern und ruderten dann den Madeira aufwärts bis zu den Antoniofällen, wo eine mehr als 50 Meilen lange Reihe von Riffen, Stromschnellen und Cataracten beginnt. Sie kamen glücklich durch das Gebiet der kriegerischen Caripuna-Indianer, überschritten die Grenze von Bolivia und hielten sich längere Zeit in den ehemaligen Jesuitenmissionen unter den halbcivilisirten Moxos auf. Nachdem sie bis zur Station Trinidad am oberen Mamoré vorgedrungen waren, kehrten sie wieder um und trafen nach einer ununterbrochenen Stromfahrt von zwei Monaten im December 1868 glücklich in Para ein. Als Ergebniß [107] ihrer Reise stellten sie fest, daß eine Beseitigung der Stromschnellen des Madeira durch Sprengung oder ihre Umgehung durch einen Schiffahrtscanal zu mühselig und kostspielig sein würde und deshalb die Erbauung einer die Krümmungen des Flusses abschneidenden Eisenbahn oder Kunststraße vorzuziehen sei. Nach Ausarbeitung einer Denkschrift an die Regierung kehrte der Vater nach Deutschland zurück und ließ sich in Karlsruhe nieder, wo er sich der Malerei widmete und 1877 starb. Der Sohn blieb noch einige Jahre in Brasilien, beschäftigte sich mit Vermessungsarbeiten und mit der Anlage von Telegraphenlinien und begab sich dann gleichfalls nach Karlsruhe. Hier bemühte er sich namentlich um die Hebung des Kunstgewerbes und wurde mit der Leitung einer von der Großherzogin von Baden gegründeten Schule für Kunststickerei beauftragt. Nach zwei Jahren erhielt er eine ähnliche Stellung in Hamburg, 1879 eine solche in Stuttgart, wo er sich namentlich der Herstellung von künstlerisch werthvollen Illustrationen für die dortigen Verlagsbuchhändler widmete. Als seine beste Leistung auf diesem Gebiete gelten seine Abbildungen zu Friedrich v. Hellwald’s „Naturgeschichte des Menschen“. Die letzte Zeit seines Lebens verbrachte er in München, wo er am 18. Juli 1890 starb.

Die wissenschaftlichen und künstlerischen Arbeiten Keller’s sind theils in Brasilien entstanden und insoweit bei uns nahezu unbekannt geblieben, theils nach der Rückkehr in Deutschland geschaffen worden. Zu den ersteren gehören zahlreiche Reiseberichte, Denkschriften und Gutachten, die er theils allein, theils in Gemeinschaft mit seinem Vater entwarf und die sich handschriftlich in den brasilianischen Archiven befinden. Gedruckt scheinen, soweit sich bei dem überaus mangelhaften Zustande der brasilianischen Bibliographie nachweisen läßt, nur folgende zu sein: einige Aufsätze in den Jahrgängen 1865–1869 des amtlichen Relatorio da Agricultura, vor allem: Relatorio concernente aos projectos de melhoramento da navegação no rio Parahyba entre o Campo-Bello e a barra do Pirahy (1863), Relatorio sobre a exploração dos valles do Parahyba e Pomba (1865), Relatorio sobre as explorações dos rios Tibagy e Paranapanema (1866), Exploração do Ivahy (1866), Relatorio da exploração do rio Iguassú feita em 1866 (1867), und Relatorio da exploração do rio Madeira na parte compr. entre a cachoeira de Santo Antonio e a barra do Mamoré (1869); sowie zwei Aufsätze in dem von dem Präsidenten André Augusto de Padua Fleury herausgegebenen Relatorio da provincia do Paraná aus dem Jahre 1866: Esboço hydrographico de uma parte da provincia do Paraná contendo o curso dos rios Ivahy, Paranapanema e Tibagy und Relatorio da exploração dos rios Ivahy, Tibagy e Paranapanema. Verschiedene Karten, Pläne und Zeichnungen Keller’s, die er entweder allein oder mit Beihülfe seines Vaters angefertigt hatte und die theils der brasilianischen Regierung gehörten, theils aus dem Privatbesitze des Kaisers Dom Pedro II. stammten, waren 1881 im Original oder in Reproduction in der historischen Ausstellung zu sehen, welche die Nationalbibliothek zu Rio de Janeiro veranstaltete. Da sie voraussichtlich niemals nach Deutschland gelangen werden, erscheint es angebracht, sie hier in aller Kürze aufzuführen. Von den Karten sind folgende zu erwähnen: Mappa topographico dos rios Parahyba e Pomba entre S. Fidelis e Meia-Pataca com o traço do caminho de ferro projectado (1864) und Mappa topographico do valle do rio Madeira entre as cachoeiras do Guajará-Merim e S. Antonio (1868), – von den Plänen: Planto do rio Ivahy desde Colonia Thereza até a barra do Corumbatahy (7 Blatt); Planto do rio Tibagy desde cachoeira dos Marrecos até a barra (3 Blatt); Curso do rio Iguassú entre barra do rio [108] Negro e passo de Iguassú na estrada de Palmeira a Palmas (10 Blatt); Curso do rio Iguassú entre ponte de S. José dos pinhaes e barra do rio Negro (10 Blatt); Planto do Paredão no rio Parahyba a meia legoa abaxo da cachoeiro do Salto (1 Blatt, 1863); Rio Ivahy: Ruinas de Villa-Rica do Espirito Santo (1 Blatt, 1865) und Rio Paranapanema: Planto das ruinas da reducção jesuitica de S. Ignacio (1 Blatt, 1865), – endlich von den Zeichnungen, die theils als Originalaquarelle, theils in photographischer Nachbildung vorlagen: Vista do Paredão no rio Parahyba a meia legoa abaxo da cachoeira do Salto; Rio Ivahy: Vista da barra do Corumbatany; Rio Tibagy: Vista do aldeamento de São Pedro d’Alcantara e da colonia militar de Jatahy; Rio Paranapanema: Vista do aldeamento do Paranapanema; Rio Paraná: Vista d’um braço do rio Paraná, juncto a margem esquerda, logo abaxo da barra do Paranapanema, olhanda-se rio acima; Caça da anta no rio Ivahy; Embarcações em uso no rio Amazonas; Embarcação em uso no alto Parahyba; Interior da cabana d’um aggregado no valle do Pomba; Interior d’um rancho de Indios Cayoás no aldeamento de São Pedro d’Alcantara; endlich Resultados ethnographicos e archeologicos da exploração do rio Madeira (Abbildungen von Indianern und indianischen Felsenmalereien).

Bald nachdem K. nach Deutschland zurückgekehrt war, gab er eine ausführliche Beschreibung seiner letzten großen Stromfahrt heraus („Vom Amazonas und Madeira. Skizzen und Beschreibungen aus dem Tagebuche einer Explorationsreise“. Stuttgart 1874). Das Werk ist nicht nur wegen seines reichen geographischen, völkerkundlichen und naturwissenschaftlichen Inhalts und seiner zuverlässigen Nachrichten über die Handels- und Verkehrsverhältnisse der bereisten Gegenden wichtig, sondern auch wegen der vortrefflichen, vom Verfasser selbst unter dem Beistande seines jüngeren Bruders, des Malers Ferdinand Keller, entworfenen und auf die Holzstöcke gezeichneten Abbildungen von bleibendem Werthe. Bald nach seinem Erscheinen wurde es ins Englische übersetzt, um die englischen Capitalisten für die geplante Madeirathalbahn zu interessiren (The Amazon and Madeira Rivers. Sketches and descriptions from the note book of an explorer. London 1874. 2. Auflage ebd. 1876). Auszüge daraus erschienen in der französischen geographischen Zeitschrift Le Tour du Monde 1874 und in den Publications for the National Bolivian Navigation Company 1875. Außerdem veröffentlichte K. verschiedene meist kurze und wenig bedeutende Aufsätze über seine Forschungen und Erlebnisse in den Zeitschriften Ausland, Globus, Petermann’s Mitteilungen, Natur, Gegenwart und Vom Fels zum Meer.

Deutscher Geographenalmanach 1884, 348. – Geographisches Jahrbuch XIV, 215. – Catalogo da exposição de historia do Brazil. Rio de Janeiro 1881. – Canstatt, Kritisches Repertorium der deutsch-brasilianischen Litteratur. Berlin 1902.