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ADB:Frauenlob

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Artikel „Frauenlob“ von Karl Bartsch in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 7 (1878), S. 321–323, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Frauenlob&oldid=- (Version vom 25. Dezember 2024, 05:57 Uhr UTC)
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Band 7 (1878), S. 321–323 (Quelle).
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Frauenlob: Dichter, mit seinem eigentlichen Namen Heinrich von Meißen; jenen von der späteren Ueberlieferung allein bewahrten führte er nach der gewöhnlichen Annahme davon, daß er in einem Streitgedichte mit seinem Kunstgenossen Regenbogen diesem gegenüber den Namen „Frau“ über „Weib“ stellte. Doch wird diese Annahme dadurch unwahrscheinlich, daß er in einem Gedichte von Hermann dem Damen schon Frauenlob genannt und doch darin offenbar noch als ein junger Mann bezeichnet wird, während jenes Streitgedicht erst einer späteren Zeit seines Lebens angehört. Die Pariser Handschrift nennt ihn auch „den jungen Meißner“ zum Unterschiede von einem älteren Landsmann, dem Meißner, der von 1260–1280 dichtete. F. stammte aus Meißen und wird etwa um die Mitte des 13. Jahrhunderts geboren sein. Er erwarb sich eine tüchtige Schulbildung, wie Ettmüller vermuthet, durch den Besuch der Meißner Domschule. In seinen Gedichten verräth er Kenntniß des Lateinischen und zeigt sich in aller Art von damaliger Gelehrsamkeit bewandert. Er führte, worauf er durch seine an mehreren Stellen angedeutete Dürftigkeit hingewiesen war, ein wanderndes Leben und durchzog einen großen Theil des deutschen Reiches. 1278 finden wir ihn in der Umgebung König Rudolfs I. auf dem Marchfelde, als der König vor der Schlacht gegen Ottokar von Böhmen eine Anzahl Edler zu Rittern schlug. Am Hofe von Kärnten, wahrscheinlich bei Herzog Meinrad V. († 1295) war er in den 80er oder 90er Jahren, bei Herzog Otto von Niederbaiern ebenfalls gegen das Ende des 13. Jahrhunderts oder am Anfang des folgenden; bei König Wenzel II. von Böhmen, dessen Ritterschlag zu Prag im J. 1286 er beiwohnte. Auch den Tod dieses Königs († 1305) hat er in einem Klageliede gefeiert, wie uns Ottokar von Steier berichtet, doch ist dasselbe nicht erhalten. Im nordöstlichen Deutschland finden wir Beziehungen Frauenlob’s zu Herzog Heinrich von Mecklenburg († 1302) und zu Witzlaw IV. von Rügen († 1325), der selbst Dichter war. Auch nach dem nordwestlichen Deutschland führten ihn seine Wanderungen: er war bekannt mit Gerhard von der Hoye, den die Geschichte aus seinen Fehden mit Osnabrück kennt; mit Giselbrecht von Bremen, der von 1273–1306 auf dem erzbischöflichen Stuhle saß, und mit dessen Oheim Graf Otto von Oldenburg, ferner mit Graf Otto von Ravensberg. 1311 finden wir F. vor Rostock anwesend bei einem großen Ritterfeste, welches Waldemar von Brandenburg veranstaltete. Zu dieser Zeit wird er auch mit König Erich von Dänemark bekannt geworden sein, den er in einer Strophe feiert. Die letzte Zeit seines Lebens, etwa von 1312 an, verlebte F. in Mainz. Die Ueberlieferung der Meistersänger bezeichnet ihn als Doctor der [322] heiligen Schrift und als Domherrn zu Mainz, was beides gänzlich unbegründet ist. Ebenso läßt sich nicht nachweisen, daß er die erste Meistersängerschule in Mainz begründet habe, wenn auch nicht unwahrscheinlich ist, daß ein Dichter von Frauenlob’s Bedeutung manchen Kunstgenossen um sich versammelt haben wird, und die Streitgedichte, wie mit Regenbogen, auf ein Zusammenleben verschiedener Dichter an derselben Stätte hinweisen. Sicher ist nur, daß er in Mainz am 29. November 1318 starb oder vielmehr begraben wurde. Albrecht von Straßburg berichtet, daß er von Frauen unter großen Klagen aus seinem Hause (hospitium sagt der Chronist und bezeugt damit, daß F. nicht wirklich ansässig in Mainz war) nach dem Dom getragen, und daß diese Ehre ihm zu Theil ward wegen des großen Lobes, das er in seinen Dichtungen dem weiblichen Geschlechte spendete. Der noch im vorigen Jahrhundert vorhanden gewesene Grabstein wurde 1774 bei einem Umbau von Arbeitern zertrümmert; ein neues Denkmal ist ihm 1842 im Dom errichtet worden. – F. ist recht eigentlich ein gelehrter Dichter; er liebt es, seine Kenntnisse in seinen Gedichten reichlich an den Tag zu legen. Sie haben sämmtlich eine schwülstige und prunkvolle Sprache und bewegen sich in überkünstelten Formen. Am meisten Einfluß auf ihn hat Wolfram von Eschenbach gehabt, zu dessen Schule ihn daher Gervinus mit Recht stellt, und dessen dunkle Sprache und Ausdrucksweise die Bewunderung der Späteren erweckte. Was aber bei Wolfram Ausfluß seines Naturells war und daher naiv wirkt, ist bei F. absichtlich und bewußt. Dabei blickt er, wie die Epigonen zu thun pflegen, mit Geringschätzung auf die älteren Meister zurück, denen er doch, was gutes an ihm ist, allein zu verdanken hat. Dieses große Selbstgefühl wurde denn auch von seinen Zeitgenossen gerügt, so von Hermann dem Damen (Ettmüller S. XXI ff.). – Das eigentliche Lied hat F. so gut wie gar nicht gepflegt, auch gebricht ihm die lyrische Ader durchaus. Daher machen die wenigen Lieder, die wir von ihm besitzen (Ettmüller S. 246–264[WS 1]), den Eindruck verstandesmäßiger Producte, an denen das Gefühl keinen Antheil hat. Um so zahlreicher sind seine Sprüche, und in ihnen tritt Frauenlob’s Begabung auch am vortheilhaftesten hervor. Sie behandeln mit Vorliebe religiöse und ethische Gegenstände: die allgemein gehaltenen Lobreden auf die Frauen, deren sittlicher Werth gepriesen und verherrlicht wird, die ebenfalls der persönlichen Beziehungen entbehrenden Sprüche über reine und keusche Liebe, die über Freundschaft und Mannestugenden, gehören zu dem besten, was F. gedichtet. Nicht minder diejenigen, die sich mit den Aufgaben des geistlichen Standes beschäftigen, die gegen die Habsucht der Geistlichkeit eifern und den Pfaffen einen reinen Lebenswandel empfehlen; oder diejenigen, die die Aufgaben des fürstlichen Standes zum Gegenstand haben. Viel weniger günstigen Eindruck macht alles, was in das Gebiet persönlicher Beziehungen gehört, man mag nun seine Sprüche auf Gönner, oder den Spruch, in welchem er um den Tod Konrads von Würzburg klagt, oder das Streitgedicht mit Regenbogen ins Auge fassen. Die Lobsprüche sind ebenso übertrieben und geziert wie jener Klagespruch, und das erwähnte Streitgedicht läßt den ganzen Dünkel und die ganze spitzfindige Art Frauenlob’s hervortreten. Gern vereinigt F. drei Strophen zu einem Ganzen, worin ihm sein Landsmann der Meißner schon vorangegangen war: bei den spätern Meistersängern wurde diese Strophendreizahl geradezu zur Regel. Von der ungünstigsten Seite zeigt sich F. in den drei Leichen, die wir von ihm besitzen, dem auf die Jungfrau Maria, der auf dem hohen Liede beruht, dem Kreuzleich und dem Minneleich. Hier hat die Geschraubtheit des Ausdrucks, der Schwulst und die Ueberladung mit Gelehrsamkeit, endlich die Verkünstelung der Form den Höhepunkt erreicht. Sie haben auch wenig Nachahmung gefunden, wenngleich sie als Meister- und Musterwerke galten; die Form der Leiche wurde überhaupt in [323] der Folgezeit mehr und mehr fallen gelassen. Der Chronist Albert von Straßburg erwähnt mit hohem Lobe Frauenlob’s „Cantica canticorum“, d. h. seinen Leich auf Maria. Um so mehr Nachahmung fand Frauenlob’s Spruchpoesie und die mannigfachen zum Theil sehr kunstreichen Formen, in die sie gekleidet ist. Eine Menge von Sprüchen jüngerer Dichter wurden in seinen Tönen verfaßt und ihm beigelegt, und so enthalten die jüngeren Handschriften, wie die Kolmarer, echtes und unechtes in bunter Mischung, dessen Scheidung der Kritik erhebliche Schwierigkeiten verursacht. Mancher nimmt auch geradezu seinen Namen an, wie der Verfasser des „tougen hort oder flozhort“ (Kolmarer Meisterlieder Nr. 6), der einen Leich in Frauenlob’s Stil versuchte. Die am meisten gebrauchten Töne sind: der lange Ton, der Würgendrüssel, der goldene Ton, der vergessene Ton, der neue Ton, der zarte Ton, der grüne Ton, wozu noch eine Anzahl seltenerer kommen, und die nicht geringe Zahl derjenigen, die ihm von den späteren Meistersängern (wie Voigt und Wagenseil) beigelegt werden, ohne aber durch echte Gedichte belegt zu sein. Sicherlich ist, wie viele Lieder und Sprüche von späteren in seinen Tönen gedichtet wurden und seinen Namen annahmen, auch mancher Ton ihm beigelegt worden, um dadurch ein höheres Ansehen zu gewinnen, und wir haben keineswegs daraus auf eine größere Anzahl verlorener Gedichte, die in jenen Tönen abgefaßt gewesen, zu schließen.

Vgl. Heinrichs von Meißen des Frauenlobes Leiche, Sprüche, Streitgedichte und Lieder, erläutert und herausgegeben von L. Ettmüller, Quedlinburg und Leipzig 1843; von der Hagens Minnesinger IV. 730–742; Bartsch, Meisterlieder d. Kolmarer Handschrift S. 168–175; Schröer in Bartsch, Germanist. Studien 2, 224.


Anmerkungen (Wikisource)

  1. Strich fehlt in der Vorlage