Zum Inhalt springen

ADB:Erlach, Johann Ludwig von

aus Wikisource, der freien Quellensammlung

Empfohlene Zitierweise:

Artikel „Erlach, Johann Ludwig von“ von Emil Blösch in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 6 (1877), S. 216–220, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Erlach,_Johann_Ludwig_von&oldid=- (Version vom 25. Dezember 2024, 05:16 Uhr UTC)
Allgemeine Deutsche Biographie
>>>enthalten in<<<
[[ADB:{{{VERWEIS}}}|{{{VERWEIS}}}]]
Band 6 (1877), S. 216–220 (Quelle).
[[| bei Wikisource]]
Johann Ludwig von Erlach in der Wikipedia
Johann Ludwig von Erlach in Wikidata
GND-Nummer 118685201
Rohdaten, Werke, Deutsche Biographie, weitere Angebote
fertig
Fertig! Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle Korrektur gelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
Kopiervorlage  
* {{ADB|6|216|220|Erlach, Johann Ludwig von|Emil Blösch|ADB:Erlach, Johann Ludwig von}}    

{{Normdaten|TYP=p|GND=118685201}}    

Erlach: Johann Ludwig von E., Gouverneur von Breisach, geboren in Bern den 30. October 1595, gestorben den 26. Januar 1650. Seine Eltern waren Rudolf v. E., gewesener bernischer Landvogt zu Morsee, und Katharina v. Mülinen; seine Erziehung erhielt er vom 13. Jahre an in Genf und kam 1611 als Page zu Christian von Anhalt, wo er bereits die Aufmerksamkeit seines Herrn auf sich zog. Nach einem kurzen Aufenthalt bei Moritz von Oranien begann er 1616 seine militärische Laufbahn im Dienste der Republik Venedig, in dem Kriege, den sie in Friaul mit Oesterreich führte; aber schon im folgenden Jahre stand er bei den Truppen, welche Bern unter den Befehlen Antons v. E. (seines Oheims) dem Herzog Karl Emanuel von Savoyen gegen Spanien zu Hülfe sandte. Nach dem Ende dieses kurzen Feldzugs, der seinem Vater den Tod brachte, zog es ihn zu Christian von Anhalt, dem nunmehrigen Haupte des unirten protestantischen Heeres, zurück; erst Fähnrich, dann Hauptmann, wurde er in der Schlacht am weißen Berge gefangen und später, als Major im Dienste des Markgrafen Johann Georg von Brandenburg-Jägerndorf, schwer verwundet. Unter Christian von Braunschweig kämpfte er an der Spitze einer selbstgeworbenen Compagnie bei Höchst, mit den beiden Mansfeld bei Fleurus, und wurde in der Schlacht bei Stadtloo (1623) als Obristlieutenant zum zweiten Male gefangen. Als die Sache, für welche er gestritten hatte, in Deutschland völlig unterlegen war, begab E. sich zu Gustav Adolf, der ihn in seinem Feldzuge gegen die Polen als Generalquartiermeister in Livland und Litthauen verwendete. Im J. 1627 kehrte er jedoch in seine Vaterstadt zurück, wurde erst in den Großen, dann 1629 in den Kleinen Rath gewählt, und verheirathete sich mit Margaretha v. Erlach, die ihm die reiche Herrschaft Castelen im Aargau zubrachte. Die Schweiz, die selbst confessionell in sich gespalten war, vermochte nur mit größter Anstrengung, ihren Zusammenhang nach innen und ihre neutrale Stellung unter den kriegführenden Mächten zu wahren. Bern insbesondere hatte ein zahlreiches Heer in Bereitschaft zum Schutze seiner Grenzen. E. wurde als [217] Obristlieutenant und Statthalter des Kriegsraths dem Schultheißen Franz Ludwig v. Erlach beigegeben und entwickelte hier in den schwierigsten Lagen eine große Thätigkeit. Als Führer eines Berner Regiments in französischem Dienste machte er 1631 einen Feldzug nach Grenoble mit, trat aber, schnöde behandelt, wieder zurück und folgte einer Einladung des Schwedenkönigs, der ihn neuerdings für sich zu gewinnen suchte. Er blieb indeß nur kurze Zeit; seine Regierung übertrug ihm 1633 den Befehl über die Truppen im Aargau und sandte ihn 1634 in einer diplomatischen Mission zu Ludwig XIII., sowie wiederholt an schweizerische Tagsatzungen.

Im J. 1637 erschien Bernhard von Weimar im Elsaß, an den Grenzen der Schweiz. E., der schon zuvor durch vertrauten Verkehr mit dem Rheingrafen Otto und mit dem Feldmarschall Horn sich den Verdacht eines Einverständnisses mit den Schweden und damit das Mißtrauen der katholischen Cantone zugezogen hatte, trat bald auch mit dem ihm bereits bekannten Bernhard in nahe Verbindung. Er befand sich sogar beim weimarischen Heere bei Rheinfelden und gerieth dort am 18. Februar neuerdings in Kriegsgefangenschaft, aus der ihn erst der Sieg Bernhards am 21. Februar wieder befreite. Seine Stellung in der Eidgenossenschaft war unhaltbar geworden, es war nur folgerichtig, daß er seine Aemter niederlegte und sich völlig Herzog Bernhard in die Arme warf, dessen Person und dessen Partei seine ganze Sympathie für sich hatte, im April 1638. Von dieser Zeit hinweg war E. der Vertraute seines fürstlichen Freundes. Es handelte sich um die Belagerung der Festung Breisach, welche ohne Hülfe unmöglich erschien. Generalmajor v. E. wurde nach Paris geschickt, um die 8000 Mann zu verlangen, welche sich der Herzog in der bereits im December 1S7 zu Delsberg mit Feuquières abgeschlossenen Uebereinkunft ausbedungen hatte. Die Forderung stieß auf nicht geringe Schwierigkeiten, und schon jetzt ward es E. klar, daß es die Absicht der Franzosen sei, auf ihre Hülfeleiftung gestützt, Breisach für sich zu behalten. Bald befand sich derselbe wieder bei der Armee und leitete als Stellvertreter des kranken Herzogs die Umzingelung der Festung und die Abwehr der wiederholt zum Entsatz heranrückenden Heere. Es ist bekannt, bis zu welchem Grad die Noth in der nur durch Hunger bezwingbaren Stadt anstieg, bis sie am 7. Dec. 1638 capitulirte. E. wurde nun zum Befehlshaber von Breisach ernannt, reiste aber im Auftrag Bernhards im März 1639 wieder an den französischen Hof. Hauptgegenstand dieser Mission war: 2400000 Livres für dieses Jahr sammt einem außerordentlichen Zuschuß zur Ergänzung des Heeres, zu Ankauf von Pferden und Vermehrung der Artillerie zu verlangen; daneben sollte er der königlichen Familie die Glückwünsche seines Herrn für die Geburt des königlichen Prinzen (Ludwigs XIV.) darbringen und des Herzogs Ausbleiben durch Krankheit entschuldigen; zur Unterstützung seines Gesuchs sollte er endlich auf die damalige Weltlage aufmerksam machen und die großartigen Vorbereitungen des Kaisers und der Kurfürsten einerseits, die Schwäche des weimarischen Heeres andrerseits ins rechte Licht stellen. Da Bernhard sich entschieden weigerte, Breisach sofort an Frankreich abzutreten, vielmehr seinen Plan verrieth, das eroberte Gebiet für sich zu behalten, so konnte die Stimmung am französischen Hofe keine sehr günstige sein. E. war schon im Begriffe, die Verhandlung abzubrechen, endlich bewilligte man einen Theil seiner Forderungen, allein es wurden dem Herzog schwere Gegenleistungen auferlegt, nämlich: er solle Breisach und alle eroberten Plätze unter des Königs Hoheit bewachen und sie ohne dessen Befehl Niemandem abtreten; der Statthalter von Breisach müsse versprechen, falls der Herzog sterben oder gefangen werden sollte, die Festung an den König auszuliefern; die gewährten Hülfstruppen sollten nicht unter Bernhards Befehlen stehen, sondern unter Guébriant. E. erhielt [218] – mit Wissen seines Herrn – eine Pension von 12000 Livres für seine „der gemeinschaftlichen Sache“ geleisteten Dienste. Bernhard bestand indessen auf dem unbeschränkten Besitze des Elsasses und verlangte die wichtigsten Plätze von Hochburgund nebst ihren Gebieten als Eigenthum; die nun direct zwischen ihm und Guébriant weitergeführten Unterhandlungen zogen sich hin und her, bis am 8. Juli 1639 Bernhard starb, zum Unheil für Deutschland, zum Glück für Frankreich. Den Befehl über seine Armee übertrug der Sterbende an die vier Directoren, E., Ehm[1], Rosen und Graf von Nassau, die Herrschaft über die eroberten Lande dagegen an seine drei Brüder, Wilhelm, Albrecht und Ernst, Herzoge von Weimar.

Allein die Versuche der letzteren, dieses Erbe wirklich anzutreten, hatten keinen Erfolg, es fehlte ihnen nicht nur an den glänzenden Eigenschaften ihres Bruders, sondern auch an allen Hülfsmitteln zur Betreibung ihrer Sache; zudem waren sie bereits durch den Prager Frieden mit dem Kaiser versöhnt. Eben so wenig Glück hatte Schweden mit seinen Bemühungen; mehr Erfolg schien dem Prinzen Karl Ludwig von der Pfalz in Aussicht zu stehen; seine Mutter, die gewesene Königin von Böhmen, schrieb an E., um ihn für ihren Sohn zu gewinnen, allein derselbe wurde in Frankreich festgenommen und gefangen gehalten. Es war zu besorgen, daß schließlich das Land dem Kaiser zufallen würde, der auch seinerseits den Directoren Versprechungen machte. Es blieb kaum eine andere Wahl: am 19. October wurde zwischen Choisy und d'Oisonville im Namen des Königs von Frankreich und E. im Namen der Directoren und Obersten der Vertrag abgeschlossen, vermöge dessen die Eroberungen Bernhards von Weimar sammt seinem Heere unbedingt an Frankreich überlassen wurden. Die Soldaten wurden leicht gewonnen und ein Versuch zum Widerstande ohne Mühe unterdrückt, da die Führer einverstanden waren.

Es ist dies ein Punkt im Leben v. Erlach’s, welcher allermeist von deutscher Seite ihm zum Vorwurf gemacht wird und der noch neuestens die entschiedenste Verurtheilung erfahren hat (Molitor, Der Verrath von Breisach, 1875). Die Handlungsweise des Generals ohne weiteres der Bestechung durch französisches Geld zuzuschreiben, ist durchaus nicht gerechtfertigt. E. betrachtete den französischen König als den Verbündeten der protestantischen Sache, nach dem Tode Gustav Adolfs als die Hauptstütze gegen die Uebermacht der spanisch-österreichischen Politik, als die einzige Macht, die im Stande sei, den Krieg fortzuführen. Das weimarische Heer war eingestandener Maßen mit französischem Gelde bezahlt, ein Theil desselben bestand aus französischen Truppen, die Führer sahen sich zudem durch positive Vertragsbestimmungen gebunden. Nur vom Standpunkte unserer Zeit könnte von Verrath gesprochen werden, nicht vom Standpunkte jener Zeit, der Zeit des dreißigjährigen Krieges. Der Verrath aller nationalen Interessen zu Gunsten von Frankreich war längst vollendet, ehe E. jene Uebergabe unterzeichnete, die nichts anderes war als die Consequenz einer unheilvollen Situation.

Am französischen Hofe, der so seine Absicht erreicht hatte, fand E. viele Auszeichnungen; er wurde als Gouverneur von Breisach bestätigt und erhielt zugleich den Befehl über die Städte und Festungen Freiburg, Neuburg, Rheinfelden, Lauffenburg, Landskron und Säckingen; es wurde ihm eine ansehnliche Pension ausgesetzt und das Recht eines französischen Bürgers ertheilt. Von dem Einflusse, den man ihm zuschrieb, zeugen die zahlreichen Bittgesuche, die an ihn gerichtet wurden. Allein die vielen unerfüllten Versprechungen, die schlechte Verpflegung seiner Truppen, der traurige Zustand der Festungen, für deren Ausrüstung das Nöthigste ihm vorenthalten wurde, und mancherlei persönliche Reibungen mit den französischen Officieren, die den Befehl mit ihm theilten, verbitterten [219] seine Stellung nicht wenig. Daß der Marschall Turenne über ihn gesetzt wurde, vermochte er kaum zu ertragen. Als die Heere Frankreichs in Süddeutschland eine Reihe von Niederlagen erlitten und selbst Turenne bei Mergentheim von Johann von Wert und Mercy geschlagen wurde (1645), wurde E. wieder auf den Kriegsschauplatz gerufen; er sammelte die zerstreuten Truppen und betheiligte sich mit Erfolg an den Kämpfen am Rhein und in Baden. Am 14. December 1647 wurde er zum Generallieutenant der Armee in Deutschland ernannt, der zweithöchsten militärischen Würde, und am 30. Juli 1648 gelang es ihm, durch muthiges Eingreifen mit der von ihm commandirten Reserve die Schlacht von Lens zum Siege zu wenden, eine Waffenthat, die ihm die größten Ehrenbezeugungen zuzog. Eine bedeutende Rolle spielte er endlich, als die Fronde das französische Königthum bedrohte und selbst Turenne das Vertrauen des Hofes verlor. E. wurde an des letzteren Stelle gesetzt und erhielt sogar den Auftrag, ihn zu verhaften. Er zog sodann den Spaniern entgegen nach der Picardie, allein die schlechte Disciplin der ihm nun untergebenen Regimenter, die Unordnungen der Soldaten, für die er keinen Sold erhalten konnte, und die entsetzliche Noth des ausgeplünderten Landes, das er durchzog, das alles bewegte ihn so schmerzlich, daß seine Gesundheit dadurch untergraben wurde. Nach kurzer Erholungszeit entwickelte er noch eine wichtige Thätigkeit als Hauptbevollmächtigter bei der zu Nürnberg versammelten Commission zur Ausführung der Friedensbestimmungen; aber seine Kraft war zu Ende; er starb an einem Fieber, das ihn seit Monaten nicht mehr verlassen hatte, den 26. Jan. 1650 zu Breisach. Drei Tage vorher hatte ihn Ludwig XIV. zum Marschall von Frankreich ernannt. Er wurde begraben in der Kirche zu Schinznach, in der Nähe seines Schlosses im Aargau.

E. war ein Krieger von Beruf, der deshalb je nach Umständen mehrmals seinen Herrn gewechselt hat; allein es darf hervorgehoben werden mit seinem Leichenredner, daß er in dem großen Kampfe, der seine Lebenszeit erfüllte, stets nur auf der einen Seite stand. Er war Protestant aus Ueberzeugung, ein frommer Mann im Sinne der Zeit und nach der Art des großen Schwedenkönigs, bibelfest und rechtgläubig, ernst in seinen Sitten, wie in der Handhabung der militärischen Zucht. Diese entschiedene confessionelle Parteinahme erklärt wie die Hingabe an die Krone Frankreich, den angeblichen Hort des deutschen Protestantismus, so die mißliche Stellung in der Eidgenossenschaft. Er leistete auch in den letzten Jahren noch seinem Vaterlande wiederholt die wichtigsten Dienste und wurde als militärische Autorität zu Rathe gezogen; jedoch er wollte auch hier nicht neutral sein; er wollte erst ein schwedisches, dann ein französisches Bündniß und bereitete damit seiner bernischen Regierung mehrmals nicht geringe Verlegenheiten. Auf seinen klugen Rath entschloß sich die Schweiz, sich am Friedenscongreß in Münster durch einen eigenen Gesandten vertreten zu lassen. Die aufrichtige Sorge, die er seinen Soldaten zuwandte, die Anstrengungen, die er machte, um das erforderliche Geld aus der Schweiz herbeizuschaffen, die ungeheuren Opfer, die er zu diesem Zwecke persönlich gebracht hat und um deren Rückerstattung noch seine Wittwe sich umsonst bemühte, weisen den Vorwurf der Habsucht und Bestechlichkeit zurück. Es kann vielmehr kaum bezweifelt werden, daß seine wenig hofmännische Geradheit und sein stolzes Auftreten seinen diplomatischen Erfolgen im Wege stand, und daß, ohne sein offenes Festhalten am reformirten Bekenntnisse, er in Frankreich rascher und höher hätte steigen können.

Mémoires historiques, concernant Mr. le général d’Erlach etc. von Albrecht v. E., Baron von Spietz, Yverdon 1784.[2] – Die erst 1875 wieder entdeckte Originalcorrespondenz des Generals[3] in 104 Bänden, gegenwärtig [220] in Privatbesitz in Bern. – W. Fetscherin im Berner Taschenbuch, Jahrgang 1861, und sämmtliche Geschichtschreiber des dreißigjährigen Krieges.

[Zusätze und Berichtigungen]

  1. S. 218. Z. 8 v. o. l.: Ehem (st. Ehm). [Bd. 11, S. 794]
  2. S. 219. Z. 2 v. u.: Kürzlich erschien: A. v. Gonzenbach, Der General Hans Ludwig v. Erlach von Castelen; ein Lebens- und Charakterbild aus den Zeiten des dreißigjähr. Krieges. Bern, bei K. J. Wyß, 1879. [Bd. 10, S. 767]
  3. S. 219. Z. 1 v. u.: Ueber die Correspondenz des Generals v. Erlachen vgl. A. v. Gonzenbach in den Forschungen zur deutschen Geschichte. Bd. XVIII (1878), S. 409 ff. [Bd. 7, S. 796]