ADB:Cornicelius, Georg
Konrad Westermayer, von Weimar überzusiedeln nahe gelegt hatte. Der junge C. besuchte letztere, dazumal durch gründlichen, langsam vorschreitenden Unterricht hervorragende Akademie 1838–48, erhielt bei deren Director Th. Pelissier, einem unproductiven Künstler, aber tüchtigen Lehrer, eine, später dankbar vermerkte solide technische und theoretische Malausbildung, wofür auch der nachherige Director K. Hausmann, Gust. Spangenberg, C. Fr. Deicker als seine Mitschüler zeugen. G. Cornicelius’ frühe Selbständigkeit im Porträtfache erhellt aus den ihrer Zeit überall hin verbreiteten Bildnissen des Turnvaters Jahn und des 1848er Freischärlerführers C. Röttelberg, zugleich seine Anhänglichkeit an die demokratische Strömung jener Periode, die gerade in Hanau hochauf wogte. Der im ganzen gleichzeitige Umsturz, der von Belgien und Frankreich her gegen das Tote, das Steife der Nazarener und Cornelius-Anhänger in der deutschen Malerei eindrang, veranlaßte C. noch 1848 zum kurzen Besuche der unter Wappers stehenden Akademie zu Antwerpen. Aber hier studirte er, ebenso wie seit 1851 in Dresden, wo die Professoren wie die Studirenden des siegfriedhaft eindrucksvollen Jünglings Sicherheit in Galeriecopien wie in eigenen Entwürfen bewunderten, und 1853 kurz in Paris mehr für sich nach freier Beobachtung und classischen Vorbildern. Von letzteren fesselten und packten ihn, schon in Dresden, die Italiener am stärksten und anhaltendsten: zwei Mal stieg er, mit Station in München, über die Alpen, nach Verona, Florenz, Venedig. Nunmehr ließ er sich in der Geburtsstadt nieder, in dieser blieb er auf die Dauer und ward eine allgekannte Persönlichkeit, zumal sein starkes Heimathsgefühl ihn da bald festwurzeln ließ. Unablässig an sich arbeitend und modelnd, gelangte er zu stets sich steigernden Erfolgen, und letztere ermöglichten eine, glücklich ausschlagende Ehe, schließlich den Ankauf eines gemüthlichen Hauses, das Blumenbeete und junge Bäume umzirkten. 1872 wurde er Ehrenmitglied der heimathlichen Akademie, 1888 Titularprofessor. Bis zuletzt leitete C. Jahrzehnte hindurch eine viel frequentirte [528] Privatmalschule für Herren und Damen: so sind E. Bandell in Frankfurt a. M. eine Schülerin, der Emailmaler Hermann Gollner und der Marinemaler German Grobe Jünger von C.
Cornicelius: Georg C., Maler, wurde an Goethe’s Geburtstag in Frankfurts Nachbarstadt Hanau am 28. August 1825 geboren, als der Sohn eines geschickten Porzellanmalers, dem der Inspector der Hanauer Zeichenakademie,Während einer länger als 50jährigen Wirksamkeit hat C. unaufhörlich an sich gefeilt, unermüdlich entworfen und verworfen, Halbvollendetes vernichtet, immer wieder sein Können und Schaffen auf sicherere Grundlagen gestellt. Die erhaltenen Studien- und Skizzenblätter zeigen das Erstere, die Thatsache, daß der reife Mann im Hanauer Landkrankenhause sich am Secirtische anatomische Präparate fertigte und mit einem Helfer, Assistenzarzt Dr. Rhön, eine Abhandlung über den Brustkorb veröffentlichte, seinen ständigen Vervollkommnungsdrang in der Theorie und Vorarbeit. Ernst und fest wie hierbei auch im allgemeinen Wesen, einfach und edel, hohen selbstgesteckten Zielen unverrückbar nachstrebend, überhaupt eine durchaus idealistisch gerichtete Künstlerseele, blieb er jedoch wegen seiner in kleiner Sphäre sich genügenden Eigenschaften den maßgeblichen Centren der deutschen Kunst und deren stimulirendem Wettbewerbe fern. Trotzdem fehlten Cornicelius’ Erzeugnisse seit 1854 beinahe auf keiner der großen Kunstausstellungen in München, Berlin u. s. w., bis zum Sommer 1898, der letzten „Salon“-Saison vor seinem Tode. Seine zwei ersten größeren Bilder, von 1852, „Gretchen vor der Mater dolorosa“ und „Luther, die Thesen anschlagend“, kamen in die Hamburger Kunsthalle, „Maria Stuart“ und „Christus mit der Samariterin“ 1853 nach London. Im J. 1858 erregten „(drei) Musicirende Kunstreiterbuben“ im Münchener Glaspalaste Aufsehen, in den 60er Jahren die Märchenbilder „Hänsel und Gretel“, „Aschenbrödel“, das große Figurenbild „Konrad von Marburg und die heilige Elisabeth“ 1876 auf der Berliner, 1878 auf der Pariser, 1880 auf der Düsseldorfer Kunstausstellung, wo C. auch durch „Die sieben Raben“ und „Kreuztragender Christus“ vertreten war. Die schon 1869 abgeschlossene „Novize“ brachte C. 1876 in die Münchener Jahresausstellung, und Albert Träger besang in seinem bekannten stimmungslyrischen Tone den Eindruck. Dieser war auch bei „Mignon“ (1876) groß und zweifellos. Die Fähigkeit breiterer Anlage geschichtlichen Vorwurfs bekundete deutlich „Enzio und Lucia Viadogli im Gefängnisse“, 1887 vollendet und in Berlin öffentlich vorgeführt. In die dortige Nationalgalerie wanderte 1889 das im Vorsommer im Münchener Glaspalast bewunderte Oelgemälde „Christus vom Satan versucht“. Das Gebiet freierer Composition repräsentirt würdig z. B. die Zigeunergruppe „Fahrendes Volk“ von 1883 im städtischen Museum zu Basel. C. starb am 9. December 1898 zu Hanau, vom Schlage gerührt, mit Pinsel und Palette in der Hand.
Eine unabhängige unaufdringliche Künstlernatur hat sich in C. während eines halben Jahrhunderts voll ausleben können. Ohne plötzlichen Durchbruch schlummernder Talente, aber auch ohne pausirende Risse in der Entwicklung, hat dieser ernste und denkende Künstler aus bewußter Kraft heraus rastlos mit seinem Pfunde gewuchert. Als großzügiger Historienmaler am bedeutendsten und wirklich hervorragend, schließt er da etwa die Gruppe Lessing, Piloty, Feuerbach, W. Lindenschmit würdig, dabei in voller Selbständigkeit, ab. Diese letztere gelangt insbesondere zur Geltung, indem er bei religiösen und geschichtlichen Themen ungesucht problemhafter Art in seinem Freimuth der Anschauung und Auffassung und einer starken Individualität wurzelt und das Innerliche sowie den specifischen Gehalt der dramatisch festgebannten Stoffe mit scharfer Idee zu neuem, dauerndem Dasein erweckt. Diese gedankliche Wirkung heben die formelle Einkleidung seiner Werke, die Peinlichkeit und selbstbeherrscherische Ruhe bei der technischen Ausführung und Ausgestaltung. [529] Darüber sagt sein Nekrologist Winkler, der persönilch sein Schaffen bis zum Ziele genau verfolgt hat: „Daß … die Farbe das Medium seiner Gedanken ist, das muß man in seinen Bildern selbst sehen … Der harmonische Einklang von Form und Farbe, von plastischer Modellirung und malerischer Apparenz ist mit einem souveränen Können behandelt. … Wenn der Künstler dabei Wirkungen tiefer, gesättigter, golddurchleuchteter Töne erzielt, wie wir sie bei alten Bildern bewundern, so ist das erarbeitetes Gut, künstlerisches Resultat.“ Die Bildnißkunst war nun noch ein energisch gepflegtes Sondergebiet von C., wofür außer Hanau besonders Frankfurt a. M. eine abwechslungsreiche Menge von Exemplaren ersichtlicher Eigenart und Vertiefung darbietet: eine mannichfaltige Serie von Leistungen privater Bestimmung, deren Endzweck nirgends die Beobachtung abirren, die differenzirende Kraft der Charakteristik vernachlässigen läßt. Sein localer Ruf als Porträtist sitzt heute fest, während die freien Kinder seiner Phantasie ihm im Urtheile der Kunstkenner und Kunstforscher einen unanfechtbaren Posten errungen haben. Der sogenannten „Moderne“ gegenüber stand er frei und nicht eben freundlich, mochte er auch einem echten, ehrlichen, abgeklärten Realismus oft und wieder, im „Genre“ mit Humor, gehuldigt und seine schönsten Seiten entlehnt haben.
Das Factische im Vorstehenden meist nach Dr. A. Winkler’s, Secretärs der königl. Zeichenakademie zu Hanau, schöner kenntnißreicher Würdigung im „Hanauer Anzeiger“ Nr. 290 vom 13. December 1898. Wichtig ist ferner der Katalog zur „Kollektivausstellung“, die der Hanauer Kunstverein vom 19. Februar bis 5. März 1899 von 86 Oelgemälden, 12 Aquarellen, 74 (68) Zeichnungen des Nachlasses und 108 Bildern aus Privatbesitz veranstaltete; dieser Katalog läßt Cornicelius’ Fruchtbarkeit und Vielseitigkeit erkennen und überblicken, er trägt auf dem Titelblatt ein scharfes Porträt des hochstattlichen alten Turners (Selbstbildniß von 1877 besitzt Director Frd. Fischbach in Wiesbaden). Einzelne Angaben dieses Artikels durch Ernst J. Zimmermann, Akademielehrer in Hanau, und die Wittwe, die auch Gedrucktes zugänglich machten. (Müller-Singer, Künstler-Lexikon I s. v.)