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ADB:Christoph (Herzog von Bayern)

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Artikel „Christoph, Herzog von Baiern“ von Sigmund Ritter von Riezler in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 4 (1876), S. 232–235, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Christoph_(Herzog_von_Bayern)&oldid=- (Version vom 24. Dezember 2024, 18:32 Uhr UTC)
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Christoph, Herzog von Baiern, als achtes unter den zehn Kindern Herzog Albrechts III. von Baiern-München und der Anna von Braunschweig am 6. Jan. 1449 geboren, ein Meister in allen kriegerischen Künsten, ein leidenschaftlicher und unbeständiger Geist, nicht ohne Klugheit und Beredsamkeit, doch [233] zu ersprießlicher politischer Wirksamkeit kaum befähigt. Sein leichter Sinn, sein Heldenmuth und eine liebenswürdige Art, zu verschwenden, erwarben ihm viele Freunde. Berühmt gemacht hat ihn vornehmlich die riesige Sehnen- und Muskelkraft, die in seinem hageren Körper wohnte. Im Königsschlosse zu München erblickt man noch heute einen Stein von drei Zentnern, den er mit den Händen geschleudert, darüber in einer Höhe von zwölf Fuß einen Nagel, das Wahrzeichen eines gewaltigen Sprunges. Beim Turnier auf der glänzenden Hochzeit Herzog Georgs zu Landshut (1475), wie hat man da dem jugendlichen Wittelsbacher zugejubelt, als er, roth, weiß und schwarz in Seide gekleidet, in die Schranken ritt und einen ihn an Größe und Körperfülle seltsam überragenden Gegner, den Woiwoden von Lublin, auf den Sand streckte! Er war so recht der Mann, um die Sage herauszufordern; wie andere seiner Thaten und Abenteuer hat man auch diesen Speerritt bald mit allerlei ausschmückenden Zügen erzählt. Als durch Johanns Tod und Sigmunds Trägheit Albrecht, der dritte und tüchtigste der damals noch lebenden Brüder, ein wahrhaft staatsmännischer Geist, 1467 zur Alleinregierung der Lande Baiern-München gelangte, erhob Ch. Ansprüche auf Theilnahme an der Regierung, gestützt auf die Bestimmung des väterlichen Testamentes, daß die beiden ältesten Söhne die Herrschaft gemeinsam führen sollten, und trat in die von fünfundvierzig niederbaierischen Herren gestiftete „Gesellschaft der Böckler vom Aingehürn“. Der Bund war angeblich gegen die hussitische Ketzerei, in der That aber hauptsächlich gegen das durchgreifende Regiment Herzog Albrechts gerichtet, dem diese ritterlichen Kreise mit Titeln wie Schulmeister und Federheld ihre Gesinnung kundgaben. So begann der unselige Bruderzwist, der sich durch Christophs ganzes Leben zieht und in dem das formelle Recht nur theilweise, die Rücksicht auf das Staatswohl aber durchaus nicht zu Gunsten seiner Forderungen sprach. Albrecht löste den Böcklerbund auf und als ein von mehreren Fürsten und Landständen gefällter Schiedsspruch dem Ch. nach Ablauf eines Jahres Antheil an der Regierung zusprach, bewog er, wie er denn immer meisterhaft zu unterhandeln verstand, den damals wahrscheinlich wie gewöhnlich von Schulden bedrängten Bruder bald darauf (6. Mai 1469), ihm gegen eine jährliche Geldzahlung die Alleinregierung auf weitere fünf Jahre zu überlassen. Gemeinschaftlich besuchten Albrecht und Ch. Rom, wo sie Papst Pius II. aufs beste empfing; aber die Eintracht hatte nicht lange Bestand, da sich Ch. bei seinem Verzicht nicht beruhigen wollte. Vergebens versuchte der Bruder seinen Thatendurst auf ein anderes Feld zu lenken und ihn zur Annahme einer Stellung im Dienste Karls von Burgund zu bewegen. Ein nächtlicher Straßenkampf zwischen Dienern der beiden Herzoge schürte die Erbitterung, und es kam so weit, daß sich Albrecht in wahrscheinlich nicht unbegründetem Argwohn von Seite des Bruders eines Gewaltstreiches versah. Man sprach davon, daß Ch. den Bruder überfallen und auf Hohenschwangau, der Burg seines Freundes Wolf v. Schwangau, gefangen setzen wolle. Allen Anschlägen kam Albrecht zuvor, indem er Ch. am 23. Febr. 1471 zu München, während er im Bade saß, gefangen nehmen und sammt einigen Freunden und Dienern im Thurm der Neuen Feste daselbst einsperren ließ. Neunzehn Monate ist der Herzog hier gesessen, während der jüngste Bruder Wolfgang, der in allen diesen Händeln meist auf Christophs Seite stand, Fürsten und Stände mit klagenden Hülfsgesuchen bestürmte, in denen Martin Maier, der einflußreiche Rath Herzog Ludwigs von Baiern-Landshut, als vornehmster Anstifter der brüderlichen Streitigkeiten und dessen Frau als Zauberin dargestellt wurden. Ein Befreiungsversuch, den Herzog Otto von Pfalz-Neumarkt unternahm, ward vereitelt, da das Geschrei [234] der Schwäne im nahen Thiergarten die Aufmerksamkeit der Wachen erregte. Auf die Vermittelung mehrerer Fürsten, besonders Herzog Ludwigs, verstand sich Albrecht im October 1472 seinen Gefangenen gegen Beschwörung einer Urfehde frei zu geben. Nach Ablauf der ausbedungenen fünf Jahre begannen die Streitigkeiten von neuem, wurden jedoch durch einen zu Straubing 20. März 1475 ergangenen Schiedsspruch geschlichtet, wonach Albrecht zehn Jahre lang auch die Regierung des brüderlichen Landestheiles führen, Ch. aber den Besitz von Landsberg, Weilheim, Pähl und Geldeinkünfte erhalten sollte. Bald aber neue Forderungen Christophs und neue Zwietracht der Herzoge: damals ist Ch. soweit gegangen, den Bruder zum Zweikampf zu fordern. Endlich schien Albrecht aufathmen zu können, als der Brausekopf in die Dienste des Königs Matthias von Ungarn trat. Er ging mit der Gesandtschaft, welche des Königs Braut Beatrix aus Neapel nach Ungarn begleitete; andere Aufträge führten ihn nach Prag, nach Polen; genau ist man über die damalige Wirksamkeit Christophs in Ungarn nicht unterrichtet. Mittlerweile führten Christophs Unterthanen bei Albrecht bittere Klagen über die Erpressungen, mit denen sie Christophs Beamte quälten. Als Matthias den Krieg gegen den Kaiser begann, kehrte Ch. nach Baiern zurück (1478) und trat dem Bruder wiederum mit Ansprüchen in den Weg, für deren Befürwortung er der Reihe nach den ungarischen König, den Kaiser und die Herzoge von Baiern-Landshut gewonnen hatte. Nach Ablauf der zehn Jahre kam es, wiewol der Kaiser sich nun auf Albrechts Seite geschlagen und dem Ch. befohlen hatte, vom Begehren einer Landestheilung abzustehen, zu offenem Kriege zwischen den Brüdern. Albrecht nahm Christophs Burgen Pähl, Weilheim, Landsberg. Ch. überfiel auf den Wiesen bei Freising eine von diesem Kriegszuge heimkehrende kleine Schaar baierischer Herren und Albrechts Heerführer, Niklaus v. Abensberg, der sich dem Ch. schon durch die Mitwirkung bei seiner Haftnahme verhaßt gemacht hatte, verlor dabei das Leben. Nicht in ehrlicher Fehde vollbracht, hat die That den Herzog so gedrückt, daß er sich an den Papst um Absolution wandte, die ihm dieser gegen eine Wallfahrt nach Andechs gewährte. Am 12. Juni 1485 vermittelten die Landstände einen neuen Vertrag, wonach Ch. gegen die Ueberweisung von Geldeinkünften und von Rauhenlechsberg und Schongau an Stelle von Landsberg sein Erbtheil auf Lebensdauer dem Bruder übergab und auf die Regierung verzichtete. In Schongau hat er zumeist seinen Hof gehalten. Mit dem Bruder Wolfgang übernahm er dann die Führung des Heeres, das Herzog Albrecht zur Befreiung des Königs Maximilian nach Brügge sandte, und mit dem befreiten Könige zog er 1490 nach Ungarn gegen den Thronprätendenten Wladislaus II. Ueberall machten seine Tapferkeit und Stärke von sich reden. Bei der Einnahme von Stuhlweißenburg war er unter den ersten auf der Mauer; doch ließ sich die Frucht dieses Sieges, den die baierischen und schwäbischen Söldner durch Ausschweifungen schändeten, nicht lange behaupten; auch gelang es Ch. mit seinen 8000 Mann nicht die Uebergabe Ofens zu erzwingen. Der Zwist der Brüder hatte indessen sein Ende noch nicht erreicht. Heimgekehrt erhoben Ch. und Wolfgang neuerdings Forderungen und traten (November 1490) dem an den schwäbischen Bund angelehnten Löwlerbunde bei, in dem die Unzufriedenheit der baierischen Ritterschaft einen neuen Ausdruck und Mittelpunkt gefunden hatte. Ohne Rücksicht auf Christophs und Wolfgangs frühere Verzichte ließ sich der mit Albrecht verfeindete Kaiser Friedrich bestimmen, die Ansprüche der jüngeren Brüder auf Landestheilung anzuerkennen (22. Sept. 1492). Wiederum gelang es da den Landständen (20. März 1493) die Brüder zur Versöhnung und zu einem Vergleich zu bestimmen, worin sie die Entscheidung ihres Streites einem neuen [235] Rechtsspruche des Kaisers überließen. Diese unaufhörlichen Wirren sind es hauptsächlich, die in dem durch Theilungen geschwächten Lande das Bedürfniß nach der später von Herzog Albrecht eingeführten „Primogeniturordnung gezeitigt haben. Endlich ward dem Lande und dem regierenden Herzog Ruhe, als Christophs Neffe, Herzog Friedrich von Sachsen, ihn zu einer Wallfahrt nach Jerusalem bestimmte. In Venedig machte Ch. sein Testament, worin er, alten Grolles vergessend, dem Bruder Albrecht für den Fall, daß er nicht zurückkehre, sein väterliches Erbe vermachte. Auf dem Rückwege von den heiligen Stätten in Folge der ungewohnten Kost erkrankt, starb er trotz der sorgfältigen Pflege, die ihm der Großmeister der Johanniter, ein Graf von Werdenberg, angedeihen ließ, in der Stadt Rhodus am 15. (oder 8.?) Aug. 1493 und ward daselbst in der St. Antonskirche begraben.

Außer den allgemeineren Werken über baierische Geschichte: Muffat, Zur Geschichte Herzog Christophs, 1460–1471, in Hormayr’s Taschenbuch für die vaterl. Gesch. f. 1850, 1851, S. 359 f. J. Voigt, Ueber die Gefangenschaft des Herzogs Christoph von Baiern. Abhdlgen d. III. Cl. d. k. b. Ak. d. Wiss. VII. Bd., 2. Abthlg. Silbernagl, Albrecht IV. Kluckhohn, Ludwig d. Reiche, bes. S. 325. Die sagenhaften Züge bei Fr. Trautmann, Die Abenteuer Herzog Christophs.