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ADB:Mair, Martin

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Artikel „Mair, Martin“ von Sigmund Ritter von Riezler in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 20 (1884), S. 113–120, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Mair,_Martin&oldid=- (Version vom 24. Dezember 2024, 18:34 Uhr UTC)
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Mair oder Mayr Martin (er selbst schrieb seinen Namen in beiden Formen), Doctor der Rechte († 1481), einer der ersten humanistisch gebildeten Staatsmänner in Deutschland, die Seele der Regierung des Herzogs Ludwig des Reichen von Baiern-Landshut und einer der einflußreichsten und rührigsten Politiker im Reiche. Aus seinem unerschöpflich fruchtbaren, geänderten [114] Verhältnissen vielleicht nur zu leicht Rechnung tragenden Geiste ist eine Reihe von Reichsreformplänen entsprungen und ohne seine Mitwirkung hat besonders in den fünfziger und sechziger Jahren des 15. Jahrhunderts kaum eine große politische Aktion in Deutschland sich abgespielt. Die Zeit seiner Geburt kennen wir nicht; als seine Heimath nennt Palacky, ohne eine Quelle anzugeben, Heidelberg. Als sicher darf man betrachten, daß er an der Universität dieser Stadt vornehmlich seinen Studien oblag, die auf humanistische, juristische und theologische Fächer sich erstreckten. Von seiner theologischen Bildung zeugt unter anderem eine von ihm verfaßte, handschriftlich überlieferte „Exhortatio ad quendam praedicatorem“, ein interessanter Beitrag zur Geschichte der vorreformatorischen Predigt. M. kritisirt darin die Predigt eines nicht genannten, ihm befreundeten Predigers, die bei einigen durch ihr Abweichen von der üblichen Manier, besonders durch das Hereinziehen und Nennen lebender Personen Anstoß erregt hatte, und ergeht sich ausführlich über Wesen und Aufgabe der Predigt. Vielleicht dieselbe Persönlichkeit, an welche diese Mahnrede gerichtet ist, ist der ihm befreundete Prediger in Donauwörth, an den M. am 8. Mai 1452 aus Nürnberg schreibt: nachdem er bisher noch geschwankt, ob er in den geistlichen Stand oder in die Ehe treten solle, habe er sich jetzt für das letztere entschieden und seine Gedanken auf Waldburg, die Tochter des Michael Imhof in Donauwörth geworfen; er bittet seinen Freund, sich insgeheim über deren Vermögensverhältnisse zu unterrichten. Als seine Gattin wird indessen später nicht Waldburg, sondern Katharina Imhof genannt. Er gewann in der Ehe zwei oder drei Söhne (einen derselben taufte der Erzbischof von Mainz 1457) und eine Tochter. Zwei Söhne traten in den geistlichen Stand und erlangten Domherrenpfründen an bairischen Stiftern, die Tochter heirathete Erasmus von Preising. Den Doctorgrad scheint sich M. 1451 an der Universität Heidelberg erworben zu haben, wenigstens richtete er im September 1451 an einen Heidelberger Studienfreund, den Pfarrer von Sulzbach, brieflich die Aufforderung, mit ihm zusammen vor Martini dieses Jahres in Heidelberg um das Doctorat sich zu bewerben. Im selben Jahre beschwerte er sich beim Pfarrer von Wimpfen darüber, daß dieser ihm das Wimpfener Spitalbeneficium, das er bisher inne gehabt, entziehen wolle. Unter den bedeutenden Männern, mit denen er schon in der Jugend persönliche Beziehungen angeknüpft hatte, sind vor allem Aeneas Silvius, der spätere Papst Pius II., und Gregor von Heimburg zu nennen. Den letzteren nennt er seinen praeceptor und ihm darf er wegen seines patriotischen Eifers wohl verglichen, freilich nach Reinheit und Selbstlosigkeit des Strebens nicht gleichgestellt werden. Am 3. Februar 1449 war M. als Stadtschreiber und juristischer Rath in den Dienst der Stadt Nürnberg getreten, der damals ein schlimmer Nachbar, der Markgraf Albrecht Achilles, zu schaffen machte. Bald nach seinem Dienstantritte verfaßte er ein Gutachten über die Beschwerden der Stadt gegen diesen Fürsten, auch unternahm er im Auftrage und Interesse der Stadt noch 1449 eine Rundreise zu verschiedenen Fürsten und Städten des Reichs und zu den Eidgenossen. Auch an den Hof Friedrichs III. nach Wiener-Neustadt scheint ihn diese Reise geführt zu haben; wenigstens schrieb er von dort 1449 an Heimburg. Auch 1453 weilte er im Auftrage der Stadt am kaiserlichen Hofe. Als Capistran[WS 1] nach Nürnberg kam, hielt M. die Begrüßungsrede. Seine Klugheit und Geschäftsgewandtheit erwarben ihm bald solchen Ruf, daß seine Dienste von verschiedenen Seiten in Anspruch genommen wurden. Sowohl Friedrich III. als die verbündeten Städte bedienten sich seiner Feder, als sie (1451) die Beihülfe des Papstes an dem Friedenswerke zwischen Fürsten und Städten erlangen wollten. Herzog Wilhelm von Sachsen suchte ihn vergebens von den Nürnbergern zu „entleihen“, dagegen besorgte er Geschäfte für die [115] Ulmer und wiederholt für den Kaiser. 1453 entsandte ihn dieser an den Kurfürsten Jakob von Trier zu Verhandlungen wegen der Reichsreform und der Türkennoth. Indessen hatte M. wohl im persönlichen Umgange mit Friedrich die Ueberzeugung gewonnen, daß dieser Fürst unfähig sei, die zerrütteten Zustände des Reiches zu heilen. Noch ehe durch seine Ernennung zum Kanzler des Erzbischofs Dietrich von Mainz, die um den 1. August 1455 mit Zusicherung eines Dienstgeldes von 130 fl. erfolgte, sein politischer Spielraum erweitert worden war, trug er sich mit Plänen, den Habsburger von der Regierung zu verdrängen. Seine Gegner werfen ihm vor, daß er von Herzog Philipp von Burgund Geschenke genommen, auch einige Jahre Sold bezogen habe für das Versprechen, demselben die mainzische Stimme zu seiner Wahl als deutscher König zuzuwenden, und für die Unterstützung, die er ihm von mainzischer Seite in seinem Streite mit König Ladislaus wegen Luxemburg verhieß. Auf dem Regenburger Tage im April 1454 scheint M. zuerst für eine neue Königswahl und zwar des Burgunders thätig gewesen zu sein. Nachher dachte er mit dem Kurfürsten Jakob von Trier, in dessen Dienst er damals trat, die Königeskrone dem Erzherzoge Albrecht von Oesterreich, des Kaisers Bruder, dann dem Pfalzgrafen Friedrich zuzuwenden; aber alle diese Versuche scheiterten. Als mainzischer Kanzler wohnte M. 1455 dem Reichstage zu Wiener-Neustadt bei, wo über die Abwehr der Türken berathen wurde. Als sein Freund Aeneas Silvius zum Cardinal erhoben wurde, erachteten M. und sein Herr die Zeit zu einem Proteste gegen Rom gekommen. Das Schreiben, in dem M. (1457) den Cardinal zu seiner Erhebung beglückwünschte, ist berühmt geworden, weil er darin den lange angesammelten Beschwerden der deutschen Nation gegen den Absolutismus und die finanzielle Ausbeutung der römischen Curie feurigen Ausdruck gab und mit einem allgemeinen Abfalle von Rom drohte. „Gleichsam jäh aus dem Schlafe erweckt“, – schrieb er – „fangen unsere Häupter nun allgemach an auf Mittel zu sinnen, wie man diesem Elend abhelfen könne; sie sind entschlossen, das Joch abzuschütteln und sich wieder in die alte Freiheit zu setzen.“ Ein erzbischöflicher Secretär ging nach Rom, trug die Klagen des Erzbischofs gegen die Kurie vor und nannte die Bedingungen, unter denen der Kanzler ein Compromiß herbeiführen wollte; obenan stand in diesem der Vortheil der Mainzer Kirche. Die Curie aber verhielt sich ablehnend, und der Cardinal Piccolomini suchte die Vorwürfe seines Jugendfreundes in ausführlicher Replik zu entkräften. „Rom gab euch die christliche Religion“ – schrieb der Italiener – „ihr Deutschen gebt Geld, wer hat nun mehr gegeben?“ Ob es richtig ist, daß M., wie seine Gegner behaupteten, aus dem mainzischen Dienste wegen Untreue und besonders wegen seiner Ränke mit dem Herzoge von Burgund in Ungnaden entlassen wurde, muß dahingestellt bleiben. Sein Dienstverhältuiß zu Nürnberg hatte er auch als mainzischer Kanzler nicht aufgegeben; es ward auch in der Folge wiederholt erneuert, während neue mit dem Pfalzgrafen Friedrich, dem Bischofe von Würzburg und dem Könige Georg von Böhmen sich anreihten. Daß ein hervorragender Rath gleichzeitig mehreren Herren diente, galt damals so wenig als anstößig, daß es vielmehr fast allgemeine Uebung war; Fürsten und Städte ließen sich in solchem Falle von ihren Beamten nur versprechen, daß die anderen geleisteten Dienste sich nicht gegen sie selbst richten sollten. So behielt M. auch die Stellung im württembergischen, pfälzischen und böhmischen Dienste bei, als er 1459 eine neue annahm, die für sein Leben die wichtigste wurde. Nachdem er schon am 9. Juli dieses Jahre zum bairischen Rathe ernannt worden war, trat er am 21. Decbr. mit einem Jahressolde von 400 fl. rhein. in ein lebenslängliches Dienstverhältniß zu Herzog Ludwig dem Reichen und siedelte mit seiner Familie in dessen Residenz, nach Landshut über. Noch jetzt erinnert dort [116] an dem von ihm bewohnten Hause sein Wappen, in Stein gehauen, an den einstigen Besitzer, der hier als mächtiger und vielumworbener Staatsmann schaltete und zahlreiche fürstliche Besucher aus- und eingehen sah. Zu den alten Verbindungen mit auswärtigen Mächten traten neue. Herzog Albrecht IV. von Baiern-München bediente sich seines Rathes; von der Stadt Regensburg bezog er später (seit 1476) für die Ertheilung schriftlicher Rathschläge ein Jahrgehalt; seine Frau empfing von dort Geschenke. Wiewohl M. nur den Rathstitel führte, war er eigentlich Ludwigs leitender Minister und als solcher entfaltete er nach innen wie außen die rührigste Thätigkeit. Mit Erfolg wirkte er darauf hin, daß die herzogliche Landeshoheit befestigt, der unruhige Adel kräftig im Zaume gehalten wurde. In der nach langwierigen Unterhandlungen mit den Landständen 1476 veröffentlichten neuen Rechts-, Gerichts- und Polizeiordnung hat man ein Werk des gewiegten Juristen gesucht. In erster Reihe aber waren seine Begabung und Wirksamkeit diplomatischer Natur. Die wiederholten Pläne einer Reichsreform, durch welche M. die deutschen Fürsten und Stände in Athem hielt, entsprangen, wie viel Eigennutz dabei auch mitwirkte, im Grunde doch wohl glühendem Eifer für das Wohl des Vaterlandes. Der patriotische Zug des deutschen Humanismus tritt in M., einem seiner frühesten Vertreter, gleich mit aller Stärke hervor, unleidlich und einer großen Nation unwürdig scheint ihm die Zerrissenheit, Macht- und Friedlosigkeit des Reiches, unermüdlich, durch alle Mißerfolge nicht abgeschreckt, sucht er nach Mitteln, diesen Zuständen ein Ende zu machen. Nachdem die ersten Persönlichkeiten, die M. für die Würde eines römischen Königs ins Auge gefaßt, wenig Anklang gefunden hatten, trat er nun mit einem neuen und ernsthafteren Projecte hervor. Unter den deutschen Fürsten schien ihm damals durch Persönlichkeit und Machtstellung nur einer befähigt, einem allgemeinen Friedensgebote Befolgung zu sichern, – der Böhmenkönig Georg Podiebrad. Der Gedanke diesen Fürsten an Stelle des phlegmatischen Habsburgers auf den deutschen Thron zu erheben, beherrschte geraume Zeit seine auswärtige Politik. Zuerst ward er mit seinem Vorschlage von Georg selbst zurückgewiesen, bald fand er jedoch bei diesem ein geneigtes Ohr und auf dem Tage zu Eger im November 1459 arbeiteten M. und der König an der Durchführung des Projektes. Mair’s Berufung an den Landshuter Hof hing vielleicht damit zusammen; jedenfalls war Herzog Ludwig für den Plan gewonnen und mit Georg in Bündniß getreten; nach Mair’s Rath ward Ludwigs Sohn Georg, noch ein Kind, mit der Tochter des Böhmenkönigs verlobt. Im Januar 1460 ging M. im Auftrage des Böhmenkönigs an den Hof des Herzogs Franz Sforza nach Mailand, um auch dort Bündniß und Familienverbindung der beiden Häuser und gegen das Versprechen, dem reichen Herzoge die Investitur zu verschaffen, eine ausgiebige Geldhülfe desselben zu erwirken. Offen schmeichelnd und versteckt drohend, durch seine Beredtsamkeit und Gewandtheit die feingebildeten Italiener in Staunen setzend, bewährte sich M. auch in Mailand als geriebener Diplomat, ohne doch im Grunde mehr als schönklingende Versprechungen zu erlangen. In dem ausführlichen Bericht, den er über diese Verhandlungen nach Prag sandte, unterließ er nicht, die von ihm gehaltenen Reden wörtlich aufzunehmen. Er erscheint hier als einer der ersten Vertreter des Humanismus in der Politik, als einer der ersten, welche formelle Eleganz, Schwung, Prunk und Wohllaut der Rede auch in das Bereich diplomatischer Verhandlungen einführen. Im Namen Georgs unterhandelte M., der auf der Heimreise in Nürnberg schwer erkrankt war, sodann auch mit den rheinischen Kurfürsten und gewann Mainz und Pfalz wenigstens bedingungsweise. Ein besonderer Bund Ludwigs mit Pfalz, Bamberg, Würzburg, den er dann betrieb. sollte das Interesse des wittelsbachischen Hauses fördern. Hinsichtlich der neuen Königswahl [117] aber führten auch die weiteren Verhandlungen auf Tagen zu Nürnberg und Eger zu keinem bindenden Vertrage, trotz aller Unzufriedenheit mit dem Kaiser, die sich laut genug Luft machte. Da dieser Weg nicht zum Ziele führte, ward ein neues Projekt aufgebracht, wie sich kaum bezweifeln läßt, ebenfalls dem beweglichen Geiste des Landshuter Diplomaten entsprungen. Mair’s Jugendfreund, Aeneas Silvius, hatte seit mehreren Jahren als Pius II. den päpstlichen Stuhl inne. Durch ihn, dem dafür glänzende Aussichten eröffnet wurden, sollte nun König Georg auch gegen den Willen der deutschen Fürsten zum Reichsoberhaupte ernannt werden. Indessen ist zweifelhaft, ob der Antrag wirklich an den Papst gebracht wurde. In dem nächsten Reformplan, mit dem M. während der Friedensverhandlungen zu Prag 1463 auftrat, ist der Gedanke, Friedrich III. durch Georg Podiebrad zu ersetzen, aufgegeben. Nach diesem Entwurfe sollten sich alle hadernden Fürsten versöhnen und ein allgemeiner Frieden im Reiche verkündet werden; dann wird dafür Sorge getragen, daß nicht nur die Reichsgerichte ordentlich besetzt werden, sondern ihre Urtheile auch zur Execution gelangen. An dreißig oder vierzig Orten des Reiches werden kaiserliche Münzstätten errichtet, in denen allgemein gültige, gute Reichsmünzen geschlagen werden. Ihre Erträgnisse liefern einen Theil der zur Durchführung des Reformplanes nöthigen Mittel; weitere fließen aus einer allgemeinen Kopfsteuer, aus Steuern auf die geistlichen Güter, die Juden und die Jahrmärkte der Reichsstädte. Dem Herzog Ludwig war in diesem Plane eine hohe Reichswürde, M. selbst aber das Reichskanzleramt, und wenn unser Zeuge anders gut unterrichtet ist – nicht weniger als ein Drittel der Gefälle aus dem Reiche zugedacht. Der König Georg eignete sich diese Vorschläge an, auch bei den kaiserlichen Gesandten fanden sie Beifall, aber als man über die Einzelheiten zu verhandeln begann, stieß man, wie immer, auf die Schwierigkeit, daß alle Vortheile erlangen, niemand Opfer bringen wollte. M. ging an das kaiserliche Hoflager nach Neustadt, um bei Friedrich mündlich einige von den Wittelsbachern vorgeschlagenen Aenderungen des Entwurfs zu befürworten. Er ward vom Kaiser gnädig aufgenommen und verstand dessen lebhaftes Interesse für seinen Plan zu wecken; vier Stunden lang verhandelten die beiden einmal darüber. Zuletzt aber ward Friedrich durch die Bemühungen des Markgrafen Albrecht abspänstig gemacht, auch der Böhmenkönig änderte seine Gesinnung, so daß sich das Projekt zerschlug. Ueber einen neuen radicalen Reichsreformplan aus dem Jahre 1466, den wohl wieder M. entworfen hat, sind wir nicht näher unterrichtet. Als König Georg vor die Curie geladen wurde, ging M., um ihm mit seiner Feder zu dienen, im Auftrage Herzog Ludwigs 1465 nach Prag; die wahrscheinlich von M. ausgearbeiteten Vorschläge, welche Ludwig zur Versöhnung Georgs mit der Curie an Papst Paul II. brachte, wurden jedoch von diesem zurückgewiesen. Als Meineidigen und Kirchenräuber trafen den Böhmenkönig von Seiten der Curie Absetzung und Kirchenbann und bald machten sich die Wirkungen dieser Urtheile auch in der Politik des Landshuter Hofes geltend. Unter diesen Wirren litt auch Mair’s alter Freundschaftsbund mit Gregor von Heimburg, dem leitenden Rathe König Georgs. Gemeinsame Neigung zu den Wissenschaften hatte, wie M. schreibt, diese beiden Männer an einander gefesselt; jetzt trieb sie die Politik, aber auch die Verschiedenheit der Charaktere auseinander. M. glaubte sich von Neid verfolgt und empfand es als Mißtrauen, daß Heimburg sich bei Herzog Ludwig einen andern Rath als politischen Unterhändler ausgebeten hatte. Mit pathetischer Beredtsamkeit, nach Humanistenweise in hochtrabenden allgemeinen Sätzen und gelehrten Citaten sich ergehend, gab er seiner Stimmung in einem vorwurfsvollen Schreiben an Heimburg Ausdruck. Ein bald folgender Brief freilich (vom 12. Febr. 1467) schlägt wieder so herzliche Töne an, daß die Verstimmung [118] gehoben erscheint; aber die späteren Ereignisse mußten den Bruch erneuern und verschärfen. An der von Heimburg entworfenen Instruktion für die böhmische Gesandtschaft an den Papst übte M. in demselben Schreiben eine in der Form sehr freundliche, in der Sache scharfe Kritik, jetzt meinte er, gelte es in der Sache langsam voranzugehen und den Papst vielmehr durch Schmeicheleien zu gewinnen als zu reizen. Auf dem im Juli 1467 eröffneten Regensburger Reichstage bot M. noch seine glänzende Beredtsamkeit auf, um die Fürsten zu einer Vermittelung für Georg bei der Curie zu gewinnen. Aber er forderte, daß dieser in Glaubenssachen der Autorität des Papstes sich unbedingt unterwerfen sollte, und da Georg davon nichts wissen wollte, auch Verhandlungen zu Landshut im September mit brandenburgischen und sächsischen Räthen fruchtlos blieben, änderte der Landshuter Hof seine Stellung zum Böhmenkönige, ohne daß man sagen könnte, ob der Anstoß dazu mehr von dem streng-kirchlich gesinnten Herzoge oder von seinem Minister ausging. Die Böhmen freilich wandten ihren Zorn vornehmlich gegen den letzteren, den sie Verräther schalten. Ohne alle Verbindungen mit Georg abzubrechen, schloß sich nun Ludwig doch eng an den Kaiser an. M. vertrat seinen Herrn im October auf dem vom Kaiser anberaumten Tage zu Regensburg, wo über Rüstungen gegen Georg berathen wurde. Wie er unerschöpflich war in Entwürfen zu einer engeren Verbindung des Kaisers mit dem wittelsbachischen Hause, so war er hier insbesondere bemüht, zwischen dem Kaiser und dem Pfalzgrafen Friedrich Versöhnung herbeizuführen. Eine ganz hervorragende Rolle spielte M. auf dem gegen seinen alten Verbündeten, den Böhmenkönig, gerichteten Regensburger Reichstage vom März 1469, wo er zugleich Baiern-Landshut und die Pfalz vertrat. In langer, kunstvoll ausgeschmückter Rede mahnte er zur Einigkeit, zum Gehorsam gegen die kaiserliche und päpstliche Autorität und zum Kampfe gegen die hussitischen Ketzer. In der letzteren Beziehung aber erscheint auch Mair’s Eifer bald abgekühlt. Unter seiner Leitung benutzten auf dem Nürnberger Reichstage im September 1470 die anwesenden Gesandten die Fortdauer des Krieges in der Pfalz als einen Vorwand, um die vom Kaiser begehrte Hülfe nicht zu bewilligen. Auf dem vom Kaiser selbst besuchten großen Regensburger Reichstage von 1471 wird M. an der Seite Herzog Ludwigs nicht gefehlt haben. Er sah sich damals in den Bruderzwist der Münchener Herzoge verwickelt, da Herzog Wolfgang, nachdem sein Bruder, der unruhige Christoph, von Albrecht IV. gefangen gesetzt worden war, ihn als den Urheber dieser Gewaltthat anklagte. Nach Wolfgangs Darstellung war Albrecht überhaupt ganz von M. und dessen gefährlichem Weibe abhängig, die Baiern zu beherrschen und auszusaugen strebten und in deren Hause er oft Tag und Nacht zugebracht habe. Seit Jahren sei Mair’s Eigennutz an allem Unfrieden in Deutschland schuld, unter anderem habe er auch in Sachen der Landschaft Preußen untreu wider den Deutschorden gehandelt und die Landschaft betrogen. Selbst das Wahrsagebuch der Frau Mair – nach der Erklärung des Mannes eine harmlose Modespielerei – mußte zu einem Angriffe herhalten. M. antwortete auf die Vorwürfe seiner Gegner, in denen sich wohl auch der Groll einer kräftig im Zaume gehaltenen Ritterschaft Luft machte, mit dem Hinweis auf seine ehrlichen Dienste, wobei er nicht nur an Nürnberg, Würzburg, Landshut, sondern auch an Mainz zu erinnern wagte. Auch Ludwig nahm seinen Rath in Schutz und erklärte, von seiner Treue und seinem Eifer, ihm und dem ganzen Hause Baiern zu dienen, fest überzeugt zu sein. Der Handel schien aber für M. eine gefährliche Wendung zu nehmen, als ein früher in Ludwigs Dienste befindlicher Ritter, Hans Erlbach, dem Kaiser und dem Cardinallegaten heimlich Abschriften der Verhandlungen zusteckte, welche M. vor Jahren zum Zwecke der Erhebung Georg Podiebrads auf den deutschen Thron [119] geführt hatte. Indessen verschmähte der Kaiser, dem M. mittlerweile oft zu Dank gehandelt hatte, für Dinge, die abgethan und vergessen waren, eine verspätete Rache zu nehmen. Die Anklage ward vielmehr dem Denunzianten verderblich, der auf Verlangen Herzog Ludwigs in Regensburg hingerichtet wurde; wie wenig sie M. beim Kaiser geschadet hatte, ward bei der Begegnung beider auf dem Augsburger Reichstage im April 1474 ersichtlich. Dahin hatte Ludwig seinen Rath abgeordnet, um auf den Kaiser einen neuen Versuch zur Aussöhnung mit dem Pfalzgrafen zu machen. Fröhlich ging der Kaiser hier auf den scherzhaften Ton ein, den M. im Beginne ihrer Unterhandlungen anzuschlagen wagte und von dem schlauen Diplomaten bei seiner schwächsten Seite, der Geldgier, gefaßt, ließ er sich endlich auch zu einem Vergleiche mit dem Pfalzgrafen herbei. Im vorhergehenden Jahre war M. auch bei der Vermittlung neuer Streitigkeiten zwischen Ludwig und dem Markgrafen Albrecht thätig gewesen. Mit einer der segensreichsten Thaten von Ludwigs Regierung, der Begründung der Universität Ingolstadt, ist Mair’s Name eng verknüpft. Dem berühmten Redner war bei der Eröffnung der Universität (26. Juni 1472) der Auftrag geworden, die Eröffnungsrede zu halten. In dieser uns erhaltenen, lateinischen Rede (gedruckt bei Prantl: Ludwig-Maximilians-Universität II, 7) wird gegenüber der Vergänglichkeit der Macht und Herrschaft die Perle der Wissenschaft gepriesen, die den Weg zu einem guten und seligen Leben eröffne und den Menschen Gott ähnlich mache, aber auch weltliche Vortheile nicht vermissen lasse. Dem angesehenen Staatsmann, der sich nur durch geistige Kraft und Anstrengung emporgeschwungen hatte, kommt es wohl recht aus dem Herzen, wenn er auf berühmte Fürsten und Philosophen des Alterthums hinweist, die durch Wissen und Tüchtigkeit aus niedrigem Stande aufgestiegen sind. Ueberhaupt darf man die Rede in ihrer Mischung von idealen und weltlichen Gedanken und Motiven wohl als ein treues Spiegelbild der Natur des Redners betrachten. Bemerkenswerth sind auch die Ermahnungen an Professoren und Studenten, auf welche die Rede dann übergeht. Den ersteren wird unter anderem ans Herz gelegt, daß sie ihre Vorträge nach dem Fassungsvermögen der Hörer einrichten und daß sie diese ebensowohl in guten Sitten wie in Gelehrsamkeit unterweisen sollen; die Studenten aber werden zu Fleiß, zu eingezogenem Leben, zum Streben nach einer humanistischen, über die Nöthe und Geschäfte des täglichen Lebens sich erhebenden Bildung gemahnt. Wenn jetzt von vielen Seiten eine Verschlechterung der Zeit befürchtet werde, so liege das Mittel, dem vorzubeugen, nur in einer allgemeinen Besserung der inneren Gesinnung, diese aber sei nicht möglich ohne Tugend und Wissenschaft. Wiewohl der erste Gedanke der Universitätsgründung bei Ludwig schon vor Mair’s Berufung wach geworden war, wird man doch, wenn man erwägt, daß M. des Herzogs einflußreichster und vielleicht einziger humanistisch gebildeter Berather war, nicht umhin können, diesem großen Antheil an der Ausführung des Planes zuzuschreiben. M. überlebte nicht lange den Fürsten, an dessen Ruhm und Erfolgen er guten Theil hatte; er starb im Jahre 1481. Nach Herzog Ludwigs Tode hatte dessen Sohn Georg den Herzog Albrecht IV. ersucht, M. in seine Dienste zu nehmen, worauf jedoch dieser nicht eingegangen war. In der Frauencapelle zunächst der Martinskirche in Landshut steht Mair’s Grabstein mit der betenden Gestalt des Mannes.

Cod. lat. Monac. 18 565, 24 504; Font. rer. Austriac. 2. Abth., Bd. 20 u. 42; (Urkundl. Editionen von Palacky und Bachmann); zwei Briefe Mair’s an Heimburg bei Düx, Nikolaus v. Cusa I, 514–520; Urkunden und Beilagen zur Gesch. Herzog Albrechts IV. von Baiern, herausg. von v. Hasselholdt-Stockheim (s. bes. I, 317 ff.); Chroniken der deutschen Städte, II, 380; Gemeiner, Regensburger Chronik, III; A. Bachmann, Die [120] ersten Versuche zu einer römischen Königswahl unter Kaiser Friedrich III. (Forschungen z. deutsch. Gesch. XVII); Derselbe, Böhmen unter Georg v. Podiebrad 1458–61, bes. S. 60 ff.; Palacky, Gesch. von Böhmen, IV; Kluckhohn, Ludwig d. Reiche, bes. 155 ff., 238 ff., 369 ff. Höfler, Das kaiserliche Buch des Markgrafen Albrecht; Derselbe, Ueber die politische Reformbewegung in Deutschland im 15. Jahrhundert; Brockhaus, Gregor v. Heimburg, bes. 303 ff. (S. 7, Anmerkung 1 dieser Schrift ist die Angabe von „Translationen“ M. Maier’s zu berichtigen; statt Martin Maier ist nach gütiger Mittheilung von Prof. G. Voigt zu lesen Niclas von Wyle); J. Voigt, Ueber die Gefangenschaft des Herzogs Christoph von Baiern; G. Voigt, Enea Silvio.


Anmerkungen (Wikisource)

  1. Johannes Capistranus (1386–1456), italienischer Wanderprediger, Heiliger.