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Zweihundert deutsche Männer in Bildnissen und Lebensbeschreibungen/Samuel Christian Friedrich Hahnemann

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Textdaten
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Autor: Ludwig Bechstein
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Titel: Samuel Christian Friedrich Hahnemann
Untertitel:
aus: Zweihundert deutsche Männer in Bildnissen und Lebensbeschreibungen, S. 159–160
Herausgeber:
Auflage:
Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: 1854
Verlag: Georg Wigand's Verlag
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Erscheinungsort: Leipzig
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Quelle: Google und Commons
Kurzbeschreibung:
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Samuel Christian Friedrich Hahnemann.
Geb. d. 10. April 1755, gest. d. 2. Juli 1843.


Der berühmte Erfinder und Begründer der Homöopathie wurde zu Meißen, Sohn eines schlichten Porcellanmalers, geboren, und benutzte erst die Stadt- dann die Fürstenschule seiner Vaterstadt zu seiner Ausbildung, hatte aber mit Kränklichkeit viel zu kämpfen. Da die Mittel des Vaters es nicht erlaubten, den Sohn, der sich durch rühmlichen Fleiß auszeichnete, fortstudiren zu lassen, so unterstützten die Lehrer den jungen fähigen Schüler, und es wurde dennoch möglich, daß Hahnemann 1775 nach Leipzig abging, um dort Medicin zu studiren. Er that dies unter fortdauerndem Druck der Dürftigkeit, fristete sich durch Stundengeben, ging, um eine Klinik zu besuchen, 1777 nach Wien, konnte aber auch dort nur 9 Monate wegen Geldmangel ausdauern. Gleichwohl fand sein Streben und seine Begabung Anerkennung; der k. k. Leibarzt von Quarin nahm Hahnemann in seinen besondern Schutz, beschäftigte ihn bei seinen Privatkranken, und dann berief der Gouverneur von Siebenbürgen, Baron von Bruckenthal, auf gute Empfehlung hin, ihn zum Leibarzt und Bibliothekar in Hermannstadt. Dort boten theils ärztliche Praxis, theils treffliche Sammlungen des Statthalters an Büchern und Münzen reiche Belehrung Nach einem Aufenthalte von 2 Jahren zog es indeß Hahnemann doch wieder nach Deutschland zurück: er hörte noch einmal medicinische Vorlesungen in Erlangen, schrieb dort seine Inauguraldissertation, ging dann in das Mansfeldische und 1781 nach Dessau, wo er prakticirte, und sich viel mit Chemie und Pharmacie beschäftigte. Lange vorher, ehe er mit seiner neuen Heilmethode und Heilmittellehre auftrat, war er schon den Chemikern und Pharmaceuten vortheilhaft bekannt, so z. B. durch die Erfindung eines salpetersauern Ouecksilberpräparates, des nach ihm benannten Mercurius solubilis Hahnemanni und durch sein an sich brauchbares Apothekerlexikon, darin er nur bei den Pflanzennamen sich der Seltsamkeit bediente, verschiedene Namen einer und derselben Pflanze in ein Wort zusammenzuziehen, was sehr häufig an das abgeschmackte streifte. Hahnemann heirathete auch die Stieftochter eines Apothekers, wurde Physikus zu Gommern bei Magdeburg, fand sich aber daselbst nicht heimisch, und [Ξ] zog 1784 nach Dresden, wo er abermals und nicht ohne Glück und Verdienst als praktischer Arzt wirkte. Gleichwohl verleidete ihm mancherlei die ärztliche Praxis, er gab sie auf und zog 1789 nach Leipzig, wo er fortgesetzten wissenschaftlichen Studien oblag und sich vorzugsweise mit Chemie und Schriftstellerei beschäftigte. Zahlreiche größere und kleinere Werke erschienen von ihm und gaben ihn als ein vielseitiges Talent kund; er verschmähte es nicht, selbst den Uebersetzer französischer Werke über Liqueur- und Essigfabrikation abzugeben, übersetzte aus dem Italienischen ein Buch über die Kunst Wein zu bereiten, und ließ einer Untersuchung über Natur und Kur der Lungenschwindsucht – eine Geschichte von Abälard und Heloise – vorhergehen. Ueber Ackerbau und Materia medica, Pferdearzneikunde und Balneographie, Physiologie und Pharmokopöen gingen Werke aus des fleißigen Mannes Feder hervor. Die Materia medica war es vornehmlich, die ihn endlich zu der durch ihn zuerst bekannt gemachten Entdeckung führte, daß ein Arzneimittel die Krankheit erzeugen könne, die es heilt, und diese Erfahrung soll eine eingenommene starke Dosis Chinarinde hervorgerufen haben. Es ist um diesen Erfahrungssatz schon a priori etwas mißliches, denn unbedingt heilt nicht China jedes Fieber, und man giebt sie nicht in jedem, und noch viel weniger ruft China in jedem Individuum Fieber hervor. Trotz alledem baute Hahnemann auf seinen Wahrnehmungen weiter, machte Versuche auf Versuche an sich, übte sie mit Erfolg bei andern, kurirte unter andern zu Georgenthal bei Gotha den durch das Schandbuch »Barth mit der eisernen Stirne« wahnsinnig gewordenen Klockenbring, und machte dadurch vieles Aufsehen. Von Georgenthal zog Hahnemann nach Walschleben, dann nach Pyrmont, nach Braunschweig, nach Königslutter, und vermochte überall nicht der verlockenden Neigung zu widerstehen, nach mittelalterlicher Weise, die sich aber in Thüringen namentlich bis zur neuesten Zeit erhielt, selbst Arzeneien, versteht sich selbstbereitete, zu verabreichen, was ihm allseits den Zorn der privilegirten Apotheker, und der Aerzte, die sich, bestehenden Gesetzen zu Folge, dieses nicht unterfangen durften, zuzog. Hahnemann nahm nach einander später zu Hamburg, zu Altona, zu Eilenburg, zu Wittenberg, zu Torgau und wieder zu Leipzig, Aufenthalt, und trat nun mit der nach und nach von ihm ausgebildeten Heilmethode öffentlich auf. Es vergingen indeß Jahrzenhnte, ehe in die deutschen Apotheken ein Gedanke der homöopathischen Lehre drang, draußen ließ man die Gelehrten sich darüber streiten. Man verlachte diese Lehre und hielt sich an die großen Gläser, Pillen- und Pulverschachteln. Und statt mit gründlicher Wissenschaftlichkeit der Lehre von der homöopathischen Heilart entgegen zu treten, wurde sie mit der unwürdigsten Gemeinheit von vielen Gegnern bekämpft; nie kam in einer wissenschaftlichen Streitsache so viel starre Unduldsamkeit, so viel Ungeschliffenheit und Pöbelhaftigkeit zu Tage, als in den gegenseitigen Parteischriften der Allopathen und Homöopathen, und es genügte vollkommen, zwei zu lesen, um an allen übergenug zu haben. Hahnemann’s Hauptwerk führte den Titel: »Organon der rationellen Heilkunde«, und erschien 1810. Es erlebte binnen 10 Jahren 4 Auflagen, und wurde in mehrere fremde Sprachen übersetzt, ebenso die »Reine Arzneimittellehre«, Dresden 1811–1821. 6 Theile. Die neue Heilmethode gewann sich viele, und sehr befähigte Jünger, sie beeinträchtigte aber freilich das bisherige ganze Apothekerwesen, das sich naturgemäß gegen sie erhob, überall Verbote des Selbstdispensirens auch der homöopathischen Aerzte hervorrief, und dadurch deren Thätigkeit ebenso hemmte, wie die Hahnemann’s in Leipzig selbst. Da rief ihn aus dem gebotenen Stillstand seiner umfassenden Praxis der Herzog Ferdinand zu Anhalt-Köthen in seine Residenz, und dort fand nun Hahnemann und seine Kunst eine schöne Freistätte. Mit dieser Kunst und Lehre war es Hahnemann ein heiliger Ernst, er verdiente nicht die Schmähungen seiner Gegner, sein strebender Geist forschte eifrig fort und bereicherte die Wissenschaft noch mit mancher neuen wichtigen Entdeckung. Am 10. August 1829 wurde Hahnemann’s Doctorjubiläum feierlich begangen, es wurde eine homöopathische Gesellschaft gegründet, und Hahnemann zu Ehren 1833 in Leipzig eine homöopathische Heilanstalt. Jetzt gehen in Deutschland die alte und die neue Lehre ziemlich friedlich neben einander, und auch für die beibehaltene alte bewirkte die neue das Gute einfacheren Heilverfahrens, einfacherer Arzneimiltelgaben. In Amerika überwiegt die Homöopathie aus natürlichen Gründen. Hahnemann verheiratete sich noch als 79jähriger Greis mit einer jungen Französin, zog nach Paris und beschloß daselbst seine Tage im hohen Alter. Seine Verehrer, Schüler und Anhänger – darunter viele tüchtige und würdige Männer – haben ihm in den Anlagen Leipzigs ein Denkmal errichtet.