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Zweihundert deutsche Männer in Bildnissen und Lebensbeschreibungen/Albrecht von Haller

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Textdaten
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Autor: Ludwig Bechstein
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Titel: Albrecht von Haller
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aus: Zweihundert deutsche Männer in Bildnissen und Lebensbeschreibungen, S. 161–162
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Auflage:
Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: 1854
Verlag: Georg Wigand's Verlag
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Erscheinungsort: Leipzig
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Quelle: Google und Commons
Kurzbeschreibung:
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Albrecht von Haller.
Geb. d. 16. Oct. 1708, gest. d. 12. Dez. 1777.


Ein großer, weitgepriesener Name; Haller war groß von Charakter und ist seines ausgebreiteten Ruhmes würdig als Dichter, als Philosoph, als Arzt und Naturforscher, als Mathematiker und Historiker.

Haller wurde als der jüngste Sohn eines Rechtsanwaltes zu Bern geboren, Sprößling eines wohlhabenden und angesehenen Patriciergeschlechts. Als Knabe war er schwächlich, in sich verschlossen, aber wißbegierig, und das Lernen wurde ihm leicht. Frühzeitig that er sich in allen Fächern der Gelehrsamkeit um, und auch die Poesie wurde ihm schon im zarten Lebensalter eine Freundin und Trösterin, wie sie ihm bereits im zehnten Jahre die Waffen gab gegen die Pedanterie eines Lehrers. Haller, der im 13. Jahre seinen Vater verlor, besuchte die Gymnasien zu Bern und Biel, studirte dann 1723–23 in Tübingen Arzneikunde, und bezog im letzteren Jahre die Hochschule Leyden, wo Boerhaave und Albinus als Lehrer glänzten. Diesen großen Aerzten und Anatomen strebte Haller mit Eifer nach, Anatomie und Botanik zogen ihn vorzugsweise an, obschon ein kurzes Gesicht ihm das Studium der letzteren merklich erschwerte. Befreundet mit den größten Aerzten Hollands begab sich Haller 1726 von Leyden aus, nachdem er Doctor der Medicin geworden war, nach London und Oxford, knüpfte dort Bekanntschaft mit berühmten Männern an, wie Douglaß, Hans Sloane, dem Begründer des britischen Museums, dann in Paris mit dem größten Anatomen des Jahrhunderts, Winslow, hierauf in Basel mit dem gefeierten Mathematiker Bernoulli. Mit dem größten Eifer widmete sich Haller jetzt dem Studium der Mathematik und gleichzeitig erfaßte er mit glühender Vorliebe die Botanik, welche er auf weitumfassenden Alpenreisen pflegte. Er gab der Wissenschaft zuerst eine gründliche Schweizer-Flora und feierte der Alpen Pracht und Herrlichkeit in einem philosophisch-moralischen Gedicht von unvergänglicher Schönheit, in welchem er zugleich der verkannten deutschen Poesie ihre Ebenbürtigkeit gegenüber der von vielen vorgezogenen englischen, die in der Mode war, erkämpfte. Wenn auch Haller’s in zehnzeiligen Alexandriner-Strophen gedichtete Alpen noch an seine nächsten Vorbilder, an Lohenstein und Brockes erinnern, [Ξ] und Schwerfälligkeit der sprachlichen Wendungen wie unpoetische Ausdrücke in diesem Gedicht uns auffallen, so haben wir darin Mängel der Zeit zu erkennen, in welcher Haller dichtete; die deutsche Poesie hatte sich von ihrer Vorliebe für die Allegorie, für ein Uebermaß von Bildern und Vergleichungen noch so wenig als von den Traditionen eines einförmig schleppenden Versbaues frei gemacht. Haller war wahrhaft bescheiden, so daß er, soviel er auch gedichtet hat, und so großen Beifall auch seine didaktischen und lyrischen Gedichte bei den Zeitgenossen fanden, diese in späteren Jahren selbst nicht sehr hoch stellte. Auch im Roman versuchte er sich, noch dazu im politischen und geschichtlichen, und stellte in seinem Usony die Vorzüge der Herrschaft eines unumschränkten aber tugendhaften und einsichtsvollen Monarchen dar. Als Philosoph und Kritiker lieferte Haller selbstständige Abhandlungen sowie ungemein viele Beiträge in Zeitschriften. Nachdem er von seinen botanischen Reisen 1729 in seine Vaterstadt zurückgekehrt war und dort als ausübender Arzt in glücklicher Thätigkeit wirkte, wurde ihm, während sein Ruhm Europa überflog, die nachgesuchte Stelle am dortigen Inselhospital verweigert, weil er ein – Dichter sei. Haller suchte um eine Professur der Beredtsamkeit nach, und wurde abschläglich beschieden, weil er ein – Arzt sei. Doch gelang ihm endlich 1734 die Einrichtung eines anatomischen Theaters in Bern, an dem er unentgeltlich öffentliche Vorlesungen hielt; auch übertrug man ihm die Leitung der Stadtbibliothek. Mittlerweile strömten ihm Ehrenbezeugungen und Anerbietungen vom Ausland zu; und unter diesen war der Ruf an die neubegründete Hochschule Göttingen als Professor der Arzneikunde, Anatomie und Botanik so glänzend, daß Haller ihm 1736 Folge leistete. Dort verlor er bald und rasch hintereinander die geliebte noch junge Gattin und den erstgeborenen Sohn; – nur das ernste Vertiefen in die Wissenschaft konnte die Wunden seines Herzens heilen. Haller wurde das leuchtende Gestirn der jungen Georgia Augusta; er wurde Göttingens Boerhaave. Auch dort begründete er ein anatomisches Theater, richtete den botanischen Garten ein, entwarf den Plan zur Societät der Wissenschaften, welche er als Präsident 1751 eröffnete, lehrte und schrieb mit unermüdlicher Ausdauer, wurde fast von allen gelehrten Gesellschaften und Academien Europas zum Mitglied und vom König zum königlich großbritannischen Leibmedicus, Hofrath und endlich zum Staatsrath ernannt. Der Kaiser erhob ihn mit allen Nachkommen in den Reichsadelstand. Neue Berufungen nach Utrecht, nach Oxford, nach Berlin, schlug er aus. Seine Vaterstadt, welche Haller 1745 besuchte, ehrte nun ihren berühmtesten Sohn durch die Ernennung zum Mitgliede des großen Rathes, und zum Ammann, was ihm erwünscht war, denn er sehnte sich nach einem minder beschäftigten Wirkungskreise und aus vielfachen Anfeindungen und Kabalen heraus. Im Jahre 1753 zog Haller wieder nach Bern, behielt seine akademische Pension und seine Präsidentenstelle bei der königlichen Gesellschaft der Wissenschaften zu Göttingen, wurde mit gutem Gehalt Direktor schweizerischer Salinen, und mit noch manchen Ehrenämtern betraut. Bis zu seinem Tode blieb Haller wirksam und thätig nach unendlich vielen Richtungen hin, ein treuer und liebevoller Familienvater, ein Mann voll Religion und vom gediegensten Charakter. Die rühmende Stimme der Nachwelt hat Haller einen zweiten Leibnitz genannt, und universelle Kenntniß, gediegener Fleiß und hohe Begabung stellen ihn diesem allerdings würdig zur Seite.