Zum Inhalt springen

Zweihundert deutsche Männer in Bildnissen und Lebensbeschreibungen/Friedrich von Hagedorn

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Textdaten
<<< >>>
Autor: Ludwig Bechstein
Illustrator: {{{ILLUSTRATOR}}}
Titel: Friedrich von Hagedorn
Untertitel:
aus: Zweihundert deutsche Männer in Bildnissen und Lebensbeschreibungen, S. 157–158
Herausgeber:
Auflage:
Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: 1854
Verlag: Georg Wigand's Verlag
Drucker: {{{DRUCKER}}}
Erscheinungsort: Leipzig
Übersetzer:
Originaltitel:
Originalsubtitel:
Originalherkunft:
Quelle: Google und Commons
Kurzbeschreibung:
Eintrag in der GND: [1]
Bild
[[Bild:|250px]]
Bearbeitungsstand
fertig
Fertig! Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle Korrektur gelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
Um eine Seite zu bearbeiten, brauchst du nur auf die entsprechende [Seitenzahl] zu klicken. Weitere Informationen findest du hier: Hilfe
Indexseite


[Ξ]


Friedrich von Hagedorn.
Geb. d. 23. April 1708, gest. d. 28. Oct. 1754.


Ein Dichter von großer Fruchtbarkeit, Begabung und Liebenswürdigkeit des Charakters, dem es gelang, sich fast allbeliebt zu machen. Hagedorn entstammte einer alten Adelsfamilie Dänemarks; sein Vater, Hans Stats v. Hagedorn, war königlich dänischer Staats- und Konferenz-Rath und hatte als dänischer Resident für den niedersächsischen Kreis seinen Wohnort zu Hamburg aufgeschlagen. Dort wurde ihm der Sohn Friedrich geboren, der eine ausgezeichnete Erziehung empfing und diese durch seine Fähigkeiten wie durch seinen Fleiß verdiente. Leider kam der Vater in seinen Vermögensumständen durch allerlei Unglücksfälle zurück und starb, als Friedrich erst 14 Jahre zählte. Die Mutter ließ den Sohn nebst dessen jüngerem Bruder Christian Ludwig das Gymnasium zu Hamburg besuchen, von wo aus Friedrich nach Jena ging, um sich dort dem Rechtsstudium zu widmen. Im Jahre 1729 hatte Hagedorn ausstudirt, ging nach der Heimath zurück und fand bald eine günstige Stellung als Privatsecretair beim dänischen Gesandten in London, Freiherrn von Söhlenthal. Er eignete sich mit Leichtigkeit die Kenntniß des englischen an, wie er auch schon in französischer und italienischer Sprache selbst kleine Dichtungen versucht hatte, und hoffte einem Posten in Dänemark entgegen, der sich ihm aber nicht aufthat. Aus Geldverlegenheiten, in welche die beschränkte Lage seiner Mutter und die eigene ihn brächte, befreite ihn endlich eine Anstellung in Hamburg, im englischen Hause, einer Handelsgesellschaft, die ihre Arbeiter nicht so kärglich lohnte, als manche deutsche Staatsregierung die ihrigen.

Hagedorn verheirathete sich und lebte nun, da ihm sein Geschäft gute Muße vergönnte, dem Genuß des Lesens, Dichtens und der Freundschaft, durch welche Genüsse sein Leben im Bunde mit einer zwar nicht schönen, aber seelenguten Frau völlig beglückt wurde. Hagedorn war einer der wenigen glücklichen Dichter, denen die Gabe geworden, glücklich zu sein und andere glücklich zu machen, Heiterkeit und Frohsinn um sich her zu verbreiten, das sauersehen der geborenen Grämlinge nicht zu achten; es war eine hellenisch-anakreontische Natur, und neben dem, daß er lebenslustig, munter, [Ξ] aufgeräumt, neckisch, witzig und jovial war, war er auch weich und mild, im hohen Grade human, genügsam und voll der rührendsten Bescheidenheit. Hagedorn stand als Dichter in einer Zeit, die es etwas schwerer machte, als die Gegenwart, Dichterlorbeeren zu pflücken und Anerkennung zu finden; da galt es noch den Kampf mit Ungeschmack und Schwulst, mit Gottschedischer Gespreiztheit und Bodmerischer Unduldsamkeit. Gern verzichtete der von der Muse beglückte Jünger Apoll’s auf den Titel eines Gelehrten, denn Fachgelehrter war er nicht, wollte er nicht sein und nicht heißen; indeß war Hagedorn äußerst belesen und hatte viele Neigung, diese Belesenheit in seinen Schriften kund zu geben. Während andere Dichter es ganz verschmähen, sich alles sie anziehende aufzuzeichnen, glich Hagedorn darin Jean Paul Friedrich Richter, daß er sich mit Zetteln und Blättern trug und gern das fremde sich geistig aneignete und zu nutze machte. Auch liebte er, mit großer Strenge seine eigenen Poesien zu feilen, und erwarb sich von den geachtetsten Zeitgenossen das Lob besonderer Feinheit des Geschmackes, der Richtigkeit der Sprache und der sittlichen Reinheit des Inhaltes seiner Dichtungen, mit Ausnahme launiger, nur für engere Freundeskreise bestimmter poetischer Einfälle und Gedanken. Bei seinem ersten literarischen Auftreten betheiligte sich Hagedorn an Zeitschriften; nach der Rückkehr von Jena erschienen von ihm »Versuche einiger Gedichte oder erlesene Proben poetischer Nebenstunden, 1729«, bei deren Inhalt noch das ringen mit Form und Ausdruck und der noch wenig gehobene Geschmack jener Zeit in den Vorgrund traten. Dieß fühlte wohl der Dichter selbst und schwieg lange, und erst 1758 gab er seinen »Versuch in poetischen Fabeln und Erzählungen« heraus. Die bescheidene Bezeichnung »Versuch« charakteristrt den Dichter vollkommen, er fühlte sich noch nicht fest und sicher, und dennoch hatte Deutschland von keinem seiner neuern Dichter bessere Fabeln erhalten. Den Fabeln ließ Hagedorn eine »Sammlung« vorher zerstreuter und einzeln gedruckter »neuer Oden und Lieder« 1747 und 1750 »moralische Gedichte« folgen, welche 1752 neu aufgelegt mit einem zweiten Buche der Fabeln und mit »Sinngedichten« vermehrt wurden. In diesem Erscheinen seiner Poesien hielt der Dichter demnach genau das Horazische nonum prematur in annum fest. Leider war dem liebenswürdigen und hellern Dichter kein langes Lebensziel gesteckt. Er wurde vom Podagra heimgesucht und von der Wassersucht befallen, und endete nach alle den Leiden, welche besonders die letztere furchtbare Krankheit herbeiführt, im 46. Jahre seines Lebens. Nach seinem Tode wurden seine sämmtlichen poetischen Werke neu aufgelegt, und 1800 gab Joachim Eschenburg dieselben mit des Dichters Lebensbeschreibung und Charakteristik nebst Auszügen von dessen Briefwechsel in 5 Bänden nochmals heraus. Der Beifall, den Hagedorn als Dichter gefunden hatte, äußerte sich durch Aufnahme zahlreicher Poesien von ihm in Sammlungen, Jugendschriften, Fabel- und Declamirbücher, durch Kompositionen, durch Uebersetzungen in das französische, ja sogar in das lateinische; mehrfach auch wurde sein Bildniß gestochen.

Auch Hagedorn’s Bruder, Christian Ludwig, war Künstler geworden, nur auf einem andern Gebiete; aber er war von gleicher Bescheidenheit wie der Bruder. Er wurde ausübender Kupferstecher und Kunstschriftsteller, und sowohl was er über seine Kunst schrieb, als auch die Erzeugnisse seiner Radiernadel fanden den Beifall der Kenner. Er starb 1780.