Zweihundert deutsche Männer in Bildnissen und Lebensbeschreibungen/Athanasius Kircher
Forscher von großem Ruf auf den Gebieten der Mathematik
und Physik, Sprache und Alterthumskunde,
mit Erfindergeist begabt wie wenige, voll unermüdlichen
Fleißes, voll Gründlichkeit und Eifer. Das kleine
jetzt Sachsen-Weimarische, früher Fuldaische Städtchen
Geisa ließ diesen berühmten Gelehrten das Licht erblicken.
Seine Jugend war eine Kette von Gefahren, die
ihn das Schicksal alle überwinden ließ, und von Wanderungen.
Kircher’s Vater war Amtmann in Haselstein gewesen
und leitete den ersten Unterricht seines Knaben selbst,
dann sandte er ihn in das Jesuitencollegium zu Fulda.
In dieser Zeit gerieth Athanasius unter ein Mühlrad
und war fast verloren; ein anderes mal galoppirte
eine ganze Heerde Pferde über ihn hinweg. Die Schule
hatte in dem aufgeweckten Geiste Neigung erregt, in
den Orden zu treten, und er führte schon 1618 diesen
Entschluß aus. Er kam nach Paderborn, nach Münster,
nach Cöln, endete in letzter Stadt seine philosophischen
Studien und ging dann auf Befehl seiner Obern nach
Coblenz, dort im Griechischen sich zu vervollkommnen.
Allein manchen war der strebende und frische Geist
Kircher’s unbequem, er fand statt Anerkennung und
Aufmunterung nur Haß und Verfolgung. Daher
wandte er sich nach Heiligenstadt, und ging von da,
dem Kurfürsten von Mainz vortheilhaft empfohlen, in
dessen Residenz, wo er vier Jahre lang theologischen
Studien oblag, dann nach Speier und von Speier
nach Würzburg sich begab, wo er als Professor der
Philosophie und Mathematik, der Naturstudien, der alten
Sprachen und der Theologie an der Hochschule wirksam
war. Aber auch von hier vertrieben ihn die Wirren des
dreißigjährigen Krieges und die Zwischenregierung der
protestantischen Sachsenherzoge Bernhard des Großen
und Ernst des Frommen in dem von ihnen eroberten
Würzburg. So kehrte Kircher noch einmal nach Speier
zurück, bis ihn ein Befehl der Ordensobern nach dem altberühmten
Avignon, dem französischen Rom, sandte. Dort
machte er Bekanntschaft mit dem hochgelehrten Peirescius,
dem bedeutendsten Kenner des Alterthumes,
der auf Kircher den lebhaftesten erregendsten Einfluß
ausübte. Dieser war es auch, welcher verhinderte, daß
Kircher den an ihn ergangenen Ruf eines Mathematikus
[Ξ] des römischen Kaisers annahm, sondern dessen
Sendung nach Rom bewirkte. Auf dem Wege dahin
bedrohte ein gefährlicher Sturm sein Leben. Auch in
Rom, wo er als Lehrer der Mathematik wirkte, blieb
Kircher nicht ohne Neid und Verfolgung, doch entging
er glücklich allen Gefahren und vertiefte sich in die
Studien des ägyptischen Alterthums und der Hieroglyphe.
Auf diesem Gebiet wird ihm ebenso sehr
Scharfsinn und glückliche Lösungsgabe nachgerühmt,
als er andererseits der Leichtgläubigkeit und Selbsttäuschung
geziehen worden ist, wie ihm denn auch manche
absichtliche Täuschung durch andere widerfahren sein sott.
Es ist aber auf keinem Felde der Wissenschaft bis auf
den heutigen Tag die Leichtgläubigkeit sosehr vorherrschend,
als auf dem der ägyptischen Alterthumskunde.
Daher darf es nicht verwundern, wenn auch der gescheite
Kircher im Zaubernetz der Einbildungskraft bisweilen
gefangen ward, und es schmälert nicht sein Verdienst.
Von seinen Schriften, die alle in lateinischer
Sprache erschienen, sind viele noch immer anziehend
und wichtig, so die Musurgia und die Phonurgia für
Musik- und Instrumentenkunde, seine ars magna lucis et
umbrae, sein Mundus subterraneus, – Magnes – Turris
Babel, Oedipus aegyptiacus u. a. Berühmt und bedeutsam
bleibt Kircher für alle Zeiten als Erfinder
mehrerer wichtiger physikalischer Instrumente, eines
Brennspiegels, dem er eine Monographie widmete,
eines Zauberspiegels, eines nach ihm genannten künstlichen
Springbrunnens, welcher Vorbild und Vorgänger
des Heronsbrunnens wurde, der Zauberlaterne,
deren Wirkungen von einem Jahrhundert in
das andere hinüber Jugend und Alter erfreuen, der
Aeols- oder Windharfe, welche – später verbessert –
noch immer an schönen Sommertagen durch ihre Accorde
und Harmonienströme viele Menschen entzückt.
Seinen Namen trägt das von ihm begründete reiche
und wichtige Museum des Jesuitencollegiums in Rom.
Hochbetagt, geehrt und gefeiert starb Athanasius Kircher zu Rom und sein Name blieb auch in Deutschland, seinem Vaterlande, unvergessen. Vieles hat er ahnungsvoll in seinen Schriften ausgesprochen, was die spätere Wissenschaft als Wahrheit erkannte, und namentlich ist dieß auf dem Gebiete der Physik der Fall, für welches seine dahin einschlagenden Schriften in mancher Beziehung noch als Quellenschriften gelten.