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Zweihundert deutsche Männer in Bildnissen und Lebensbeschreibungen/Johannes Keppler

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Textdaten
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Autor: Ludwig Bechstein
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Titel: Johannes Keppler
Untertitel:
aus: Zweihundert deutsche Männer in Bildnissen und Lebensbeschreibungen, S. 211–212
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Auflage:
Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: 1854
Verlag: Georg Wigand's Verlag
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Erscheinungsort: Leipzig
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Originalherkunft:
Quelle: Google und Commons
Kurzbeschreibung:
Eintrag in der GND: [1]
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Bearbeitungsstand
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Johannes Keppler.
Geb. d. 27. Dez. 1571, gest. d. 15. Nov. 1631.


Mathematiker und Astronom von reicher Fülle des Wissens und ahnungsvollen Geistes, in Deutschland nächst Kopernikus der Schöpfer der neuern Sternkunde, ein Mann, der nicht ohne schwere Prüfungen den Gang durch das Leben vollbrachte. Keppler war um zwei Monate zu zeitig in der kleinen Reichsstadt Weil in Schwaben geboren, dann mit dem Vater, welcher Soldat war, aus dem Geburtsort nach Leonberg, von da nach Elmendingen übergesiedelt. So begann ihm frühzeitig eine wechselvolle Laufbahn, die sein späteres Leben vorzubedeuten schien. Der junge Keppler besuchte als Knabe die gute Klosterschule zu Maulbronn, neigte sich zur Theologie und begann deren Studium auf der Hochschule zu Tübingen, nachdem er dort bereits 1591 Professor der Philosophie geworden war. Die Philosophie lenkte Keppler’s denkenden Geist zur Mathematik, die ihm größere Gewißheit für so manche Geheimnisse des Lebens der Welten zu ertheilen verhieß, als die theologische Wissenschaft, und bald erreichte er in der Mathematik eine so hohe Stufe der Erkenntniß, daß er einem Rufe zum Lehrer der Mathematik und Professor der Moraphilosophie an das Gymnasium zu Grätz in Steiermark, den ihm 1593 sein Lehrer Mäßlin verschafft, und den er nicht ohne Zagen angenommen hatte, völlig entsprach. Dort baute Keppler auf das neuentdeckte Weltsystem des größten Astronomen, Kopernikus, das einen fast anderthalbtausendjährigen Irrthum umstieß, weiter und weiter, und wurde, freilich nicht auf einmal, sondern auf mühsamen und labyrinthisch verschlungenen Wegen der Forschung Entdecker unvergänglicher Wahrheiten. Im Jahre 1596 machte er, veranlaßt durch seine Verheirathung, eine Reise nach der schwäbischen Heimath, und sah sich 1598 genöthigt aus Grätz nach Ungarn zu flüchten, weil zwischen den katholischen und protestantischen Ständen in Steiermark unselige Religionsstreitigkeiten ausbrachen, welche mit der gewaltsamen Unterdrückung der evangelischen Kirche in jenem Lande endigten; dennoch kam Keppler nach Grätz zurück und trat wieder in sein Lehramt ein. Er war dem berühmten Astronomen Tycho de Brahe bekannt geworden, welcher nach zahllosen Entdeckungen, die er auf der für ihn eigens erbauten Sternwarte Uranienborg [Ξ] auf der Insel Hveen bei Kopenhagen gemacht, und nach seinem Weggang aus Dänemark sich als Schützling Kaiser Rudolph’s nach Prag gewandt hatte, wo eine neue Burg Urania’s sich erheben sollte. Durch ihn veranlaßt zog Keppler 1600 nach Prag und befreundete sich innig mit Tycho de Brahe, ward von diesem dem Kaiser vorgestellt und warm empfohlen, sodaß er, da de Brahe schon im folgenden Jahre starb, zum kaiserlichen Mathematikus erhoben wurde. Keppler ward Tycho de Brahe’s geistiger Erbe; viele von dessen Entdeckungen waren Bereicherungen der Astronomie, nur nicht sein Weltsystem, das noch in jenem uralten des Ptolomäus wurzelte. Den ihm vom Kaiser Rudolph ausgesetzten Gehalt empfing Keppler unter demselben ebenso unregelmäßig, als unter dessen Nachfolger Matthias, welcher Keppler 1611 am Gymnasium zu Linz anstellte. Dort schufen ihm Verschiedenheiten im religiösen Bekenntniß Verdruß und Kummer; in der Theologie sah Keppler nicht minder klar, wie in der Astronomie, wenn nicht allzu klar – und dies hatte zur Folge, daß er durch die Geistlichkeit von der protestantischen Kirchengemeinschaft ausgeschlossen wurde. Im Jahre 1613 mußte Keppler dem Reichstage zu Regensburg beiwohnen, hauptsächlich wegen des daselbst zu berathenden neuen Kalenders nach Gregorianischem Styl, dessen Einführung schon im Jahre 1582 durch eine päpstliche Bulle geboten war, in Deutschland aber aus confessionellen Bedenklichkeiten – weil die Protestanten gar nichts vom römischen Papst annehmen wollten – nur langsam Eingang fand. Fast hundert Jahre später erst fand der verbesserte, und namentlich durch Keppler und auf den Grund von dessen rudolphinischen Tafeln verbesserte Kalender, im evangelischen Deutschland, in Dänemark, den Niederlanden und der evangelischen Schweiz Eingang. Leider litt der bedeutende Mann, wie so mancher in anderer Weise ihm ebenbürtige, häufig Mangel, und mußte zu einem Gewerbe greifen, das nach seinem eigenem Bekenntniß „etwas weniger ehrlich war, als betteln“ – er mußte Kalender mit Prophezeihungen anfertigen, nach alter Art, und diese verkaufen. Dennoch schlug er einen Ruf als Professor nach Bologna im Jahr 1617 aus, um als Deutscher in deutscher Freiheit und Sitte zu leben und zu sterben. Während Keppler so eine Reihe von Jahren in Dürftigkeit zubrachte, schrieb er zahlreiche mathematische Werke und seine „Physica coelestis“. Die von ihm gefundenen und nach ihm benannten drei Gesetze sind es, auf welche die gesammte neuere Astronomie sich begründet, auf deren drittem namentlich Newton das System vom Mechanismus des Weltgebäudes aufbaute. Auch sprach er die hohen Ahnungen aus, daß die Weltkörper eigenthümlich beseelt seien, daß der Erdball athme, u. a. Als Optiker und Dioptriker leistete Keppler ebenfalls mehr als alle seine Vorgänger.

Bis zum Ende blieb Keppler’s Leben ein bewegtes; von Linz zog er 1626 nach Regensburg, 1627 von da nach Ulm, von Ulm nach Prag. Dort sollte er in die Dienste Wallenstein’s treten, Hofastronom und Astrolog des gestirngläubigen Herzogs von Friedland werden, aber dieser sollte 12000 Gulden, die der Kaiser Keppler schuldig geblieben war, auszahlen, und darüber zerschlug sich die Anstellung. Noch einmal ging Keppler nach Regensburg zum Reichstag, sein Geld einzufordern – dort erkrankte und starb er. In den Anlagen der Stadt ließ Dalberg 1817 dem unsterblichen Astronomen ein Denkmal errichten.