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Zweihundert deutsche Männer in Bildnissen und Lebensbeschreibungen/Ewald Christian von Kleist

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Textdaten
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Autor: Ludwig Bechstein
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Titel: Ewald Christian von Kleist
Untertitel:
aus: Zweihundert deutsche Männer in Bildnissen und Lebensbeschreibungen, S. 215–216
Herausgeber:
Auflage:
Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: 1854
Verlag: Georg Wigand's Verlag
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Erscheinungsort: Leipzig
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Originalherkunft:
Quelle: Google und Commons
Kurzbeschreibung:
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Ewald Christian von Kleist.
Geb. d. 3. Mai 1715, gest. d. 24. Aug. 1759.


Der Sänger des »Frühlings« χατ' έξοχήν vor den tausend und aber tausend Frühlingssängern im ewiggrünenden deutschen Dichterwald, aber keiner von den minnegirrenden Girrlitzpoeten, die über den Frühling nie hinauskommen, und deren lyrische Blüthen niemals zur Frucht einer Mannesthat reifen, sondern ein vom Schicksal geprüfter und geschulter Dichter, der einen ehrenvollen Tod starb und den Kranz des Nachruhms verdiente, welcher ihm zu Theil wurde.

Kleist wurde auf dem Rittergute Zeblin bei Köslin in Pommern geboren, und erhielt seinen ersten Unterricht durch Hauslehrer. Später sandte ihn sein Vater auf die Jesuiten-Schule zu Cron in Groß-Polen, und im 14. Jahre besuchte Ewald das Gymnasium zu Danzig. Im Jahre 1731 bezog er im Geleit und unter der Aufsicht eines älteren Bruders die Universität Königsberg, um sich daselbst dem Rechtsstudium zu widmen. Indeß zog ihn die Trockenheit des Jus nicht so mächtig an, daß er nicht auch Geschmack an andern Wissenschaften gefunden hätte, welche er mit Liebe sich anzueignen strebte; Philosophie und Sprachen, Mathematik und Physik beschäftigten seinen Fleiß und gaben seinem strebsamen Geiste die Weihe höherer Bildung. Der Bruder, selbst äußerst praktisch, drängte zum praktischen hin, hielt die Beschäftigung mit alten Sprachen und zumal mit Poesie für Ueberflüssigkeiten, die ein Junker keineswegs bedürfe, und sah seine Vorausahnungen auch insofern gerechtfertigt, als für Ewald der heilende Bethesdateich sicherer Anstellung sich nicht aufthun wollte, was das heitere Gemüth des jungen Dichters allerdings trübte und verstimmte. Indessen wer mit 21 Jahren verzagen wollte, wäre ein Thor; Kleist ging nach Dänemark zu Verwandten, und hoffte sich dort besser gefördert zu sehen, als in der Heimath. Aber auch dort bot sich keine Anstellung im Civilfache, nur der Soldatenrock konnte durch den Einfluß zweier Oheime, des Generallieutenant von Staffeld und des General von Folkersahm, den jungen Mann fördern, und so zog er ihn willig an, und ward 1736 dänischer Offizier, was er vier Jahre mit Pflichttreue und Diensteifer blieb, und dabei die Kriegswissenschaften eifrig studirte, ohne der Poesie treulos zu werden. Der [Ξ] andauernde Friedensdienst sagte indeß Kleist feurigem und vielleicht auch etwas unstätem Gemüth nicht zu, er nahm seinen Abschied 1740 und stellte sich unter die Fahnen König Friedrich’s II., wurde Lieutenant im Regimente Prinz Heinrich zu Potsdam, und machte mit diesem die Feldzüge mit. Es wird angeführt, daß Kleist vor seinem Eintritt in den Dienst der preußischen Waffen ein süßes Verhältniß mit einem edlen Mädchen, Wilhelmine von der Goltz[WS 1], im polnischen Preußen angeknüpft habe, daß er aus dem ausländischen Kriegsdienst in den vaterländischen berufen worden sei, und im Garnisondienst ein Duell für eine beleidigte Dame bestanden, das ihm eine tüchtige Armwunde zuzog. Darauf hörte Gleim von ihm, der damals in Potsdam lebte, besuchte ihn, und erheiterte ihn durch Vorlesung eines Gedichts so gewaltig, daß Kleist’s Wunde aufsprang und ein sehr starker Blutverlust erfolgte. Gleim’s freundlicher und teilnehmender Pflege und Anregung dankte Kleist neuen frischen Lebensmuth, dessen er wahrhaft bedurfte, denn seine Geliebte gab ihre Hand einem andern – die alte Geschichte, die doch ewig neu bleibt – und nur der Heilkuß der Poesie vermochte den herben Schmerz des Dichters zur Wehmuth zu verklären. Sie blieb ihm die treue Geliebte, sie säuselte ihm den »Frühling« in die wunde Seele. Das schöne Gedicht, anfangs nur für Freunde gedruckt, erschien 1746, in welchem Jahre Kleist zum Hauptmann aufrückte; die Bekanntschaft Ramler’s machte Kleist 1749. Eine Sendung als Werbeoffizier führte den Dichter nach den Gefilden der Schweiz und zu Bodmer, aber er sah sich nicht angenehm von diesem und dessen poetischen Anhängern berührt. Es war der schroffe Cliquengeist, der jede ächte Dichternatur auf das äußerste verletzt und abstößt, selbst dann, wenn er sich herabläßt, sie anerkennen zu wollen. Und Ramler, wie begabt und liebenswürdig er immer war, beging an Kleist ebenfalls ein großes Unrecht, er nahm sich heraus, dessen Frühling umzuarbeiten – ein Unternehmen, zu dem von einer Seite viel Keckheit, von der andern, dergleichen zu ertragen, eine himmlische Sanftmuth gehört.

Im Gemüth des Dichters sollte der Frühling nicht allein erblühen, er wollte auch den Sommer und die Leiden andern Jahreszeiten in seiner Weise singen, allein dazu kam es nicht; es war überhaupt damals keine rechte Zeit für die deutsche Poesie in Preußen. Kleist fühlte dieß innerlich tief und schmerzlich, so sehr er den großen König verehrte – man wollte keine deutschen Dichter, man fand nur Gefallen an den französischen Gauklern, und so war es nicht zu verwundern und nicht zu verargen, daß Kleist sich ganz und gar in andere Stimmung und Stellung sehnte, obschon es ihm nicht an mancher kleinen Auszeichnung fehlte. Er ersehnte eine Oberforstmeisterstelle; in den Wäldern, so hoffte er, würde ihm wohler werden, würde seine wankende Gesundheit sich kräftigen. Er wurde aber nicht Oberforstmeister, sondern 1756 Oberstwachtmeister und später Major, kam zur Besatzung nach Leipzig, und schloß mit Lessing, Gellert und Felix Weiße den Freundschaftbund, nachdem er zu Zittau im Winterquartiere müssig gelegen und Zeit gehabt hatte, Idyllen zu dichten. Von da an nahm Kleist’s Kriegerleben thätigeren Umschwung, denn bisher hatte es ihn nicht nach Wunsch zu Thaten geführt, sie immer nur erhoffen lassen; auch jetzt mußte er noch lange in Leipzig ein Feldlazareth überwachen, bis endlich im Jahre 1758 die Palme Bellona’s winkte. Kleist machte die Schlacht bei Hochkirch mit, die er nicht für eine Schlacht gelten lassen wollte, und fand manche Gelegenheit, sich durch persönliche Tapferkeit auszuzeichnen, so im Herbstfeldzuge um Dresden und sonst, bis der blutige Tag von Kunersdorf herbeikam, an welchem Kleist, als weiter Stabsoffizier beim Regiment, hinter der Fronte haltend, von vielen matten Kugeln getroffen ward, deren Anprall er aushielt, obschon zwei derselben ihm zwei Finger der rechten Hand zerschmetterten. Da fiel der Commandeur; Kleist sprengte vor an die Spitze des Corps, und stützte noch einen jungen Fahnenträger, als ihm eine Flintenkugel in den linken Arm flog; noch hielt er sich und sprengte vorwärts, aber drei Kartätschenkugeln zerschmetterten ihm jetzt den Schenkel und warfen ihn vom Roß. »Kinder, verlaßt euern König nicht!« rief er noch sinkend seinen ihm zu Hülfe eilenden Kameraden zu. Die Schlacht tobte fort; Kosaken überfielen den Verwundeten, plünderten ihn aus, warfen ihn in einen Sumpf, und ließen ihn hülflos liegen. Russische Husaren fanden ihn, zogen ihn aufs Trockne, erquickten ihn und verließen ihn wieder. Wieder plündernde Kosaken – dann spätere Rettung durch einen Offizier – und endlich in Frankfurt an der Oder, zwar in gastlicher Pflege, aber in Folge der arg vernachlässigten Wunden – der Tod.

Schmerzlich fühlten die Freunde den Verlust des edeln, leider im Leben und durch das Leben nur wenig beglückten Dichters. Es ward ihm ein ehrenvolles Begräbnis zu Theil; Dichter und Dichterinnen feierten sein Andenken in Liedern, und neben Uz und Gleim, Ramler und Hagedorn klingt sein Name rühmlich fort. –

Anmerkungen (Wikisource)

  1. Vorlage: Wilhelmine von der Holz