Zwei edle Todte aus der Bühnenwelt
[764] Zwei edle Todte aus der Bühnenwelt sind es, die wir heute zu betrauern haben: Emil Palleske und Friedrich Dettmer. Palleske – bei Nennung dieses Namens stehen vor unseren Lesern, ob sie im deutschen Norden oder Süden zu Hause sind, die säulengetragenen Hallen eines Concertsaales, einer Aula oder sonst eines den Musen geweiheten Raumes, wo ihnen einst die sonore Stimme des nun heimgegangenen Künstlers mit dem seltenen Reichthum ihrer Modulationen die Gestalten unserer classischen Dichter vor die Seele zauberte. Am 5. Januar 1823 zu Tempelburg in Pommern geboren, wurde Palleske nach einer längeren Bühnenlaufbahn einer unserer geistvollsten dramatischen Vorleser. Seine durch scharfe Individualisirung und überzeugende Lebenswahrheit ausgezeichnete Wiedergabe namentlich Shakespeare’scher Charaktere macht ihn – nach Türschmann – für die Gegenwart zu dem hervorragendsten Vertreter seines Faches. Auch als Schriftsteller hat Palleske sich mit Glück bethätigt; seine Dramen: „König Mammouth“, „Achilles“ und „Oliver Cromwell“ bekunden ein achtbares Talent, die werthvollste literarische Ausbeute seines Lebens dürfte aber sein mustergültiges Buch „Schiller’s Leben und Werke“ sein. – Würdig neben Emil Palleske steht Friedrich Dettmer, ein Kasselaner Kind (geboren den 25. September 1835), der geniale Nachfolger und geistige Erbe Emil Devrient’s. Gleich bedeutend in der Tragödie, wie im Schau- und Lustspiel, war er ein Liebling der Dresdener, an deren Theater er seit 1856 wirkte. Wer seinen „Hamlet“, seinen „Tell“, seinen „Egmont“, seinen „Uriel Acosta“ gesehen, wird den Lorbeer, den die „Gartenlaube“ hiermit auf das noch frische Künstlergrab niederlegt, gewiß einen gerechten nennen.