Urtheil gegen den Geheimmittelfabrikanten Heß
[764] Urtheil gegen den Geheimmittelattestfabrikanten Heß – unter diesem Titel bringt das „Aerztliche Vereinsblatt für Deutschland“ in seinem Octoberhefte eine Mittheilung, die wir unter Hinweis auf unsere Aufsätze: „Ein Preßproceß der ‚Gartenlaube‘“ (Nr. 7 d. Jahrg.) und „Die Helfershelfer des Geheimmittelschwindels“ (Nr. 11 d. Jahrg.) und „Noch einmal in der Falle“ (Nr. 22 d. Jahrg.) nachstehend mittheilen:
„Der Vorsitzende des Karlsruher Ortsgesundheitsraths, Bürgermeister Schnetzler, war von dem angeblichen Chemiker Dr. Ludwig Heß in Berlin auf Grund einer vom Ortsgesundheitsrath erlassenen Bekanntmachung, worin auf die Vertrauensunwürdigkeit der von Heß ausgestellten Atteste über Geheimmittel aufmerksam gemacht, wegen Beleidigung sowie auch auf dreitausend Mark Schadenersatz verklagt worden. Das nunmehr rechtskräftige Erkenntniß des Großh. Amtsgerichts zu Karlsruhe verfügt die Abweisung des Klägers unter Verfällung desselben in die Kosten des Verfahrens. In den gerichtlichen Entscheidungsgründen ist zunächst die Wahrheit der incriminirten Behauptungen des Angeklagten festgestellt und sodann ausgeführt, daß sich die Bezeichnung des Heß als eines Helfers von Schwindlern und gewissenlosen Betrügern aus den gemachten thatsächlichen Feststellungen und aus dem Zwecke der Veröffentlichung rechtfertige. Dieser letztere, besagen die Gründe wörtlich, besteht nämlich darin, das Publicum über die Art und Weise, wie die Gutachten der Herren Werner, Müller und des Klägers zu Stande kommen, und daher auch über den Werth derselben aufzuklären, um auf diese Weise dem Geheimmittelunwesen entgegenzutreten.
Die Verfolgung dieses Zweckes ist nicht nur rechtlich erlaubt, sondern auch dem allgemeinen Interesse förderlich, daher wünschenswerth und sogar sittlich geboten. Kann aber, wie im vorliegenden Falle, ein solcher Zweck nur dadurch erreicht werden, daß die Urheber eines gemeingefährlichen Treibens – und als solches stellt sich das Geheimmittelunwesen in seinem ganzen Umfange dar – in ihrem sittlichen Unwerthe in der schonungslosesten Weise an den Pranger gestellt werden, so muß ein Verfahren, wie das vom Beschuldigten geübte, als rechtlich zulässig erscheinen, mit anderen Worten: Es existirt ein gutes Recht, einen Schwindler als einen Schwindler zu bezeichnen, wenn dies zur Verwirklichung eines gemeinnützlichen, auf andere Weise nicht erreichbaren Zweckes und zur Abschaffung eines gemeingefährlichen, vom sittlichen Standpunkt aus zu verurtheilenden Treibens nothwendig ist.“