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Zedler:Mathematische Lehrart, mathematische Methode

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Mathematische Logicke

Band: 19 (1739), Spalte: 2053–2055. (Scan)

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Mathematische Lehrart, mathematische Methode, methodus Geometrarum, methodus mathematica, bedeutet die Art und Weise, wie die Mathematick-Lehrer, und besonders die Geometrä ihre Gedancken von den Dingen, die sie andern vortragen wollen, oder mit denen sie selbst umgehen, hinter einander ordnen und mit einander verknüpffen. Es bestehet aber das Wesen der mathematischen Lehrart in drey Stücken, daß nemlich Krafft derselben 1) alle Wörter, die einer Erklärung bedürffen, deutlich erkläret werden, 2) alle Sätze, die einen Beweiß mit Recht fordern können, auf das genaueste erwiesen werden, und 3) daß alle Erklärungen und Sätze so hinter einander gestellet werden, wie eine die andere erkläret oder erweiset, das ist, diejenige Erklärung, welche einen deutlichen Begriff von einem Worte, so in einer andern Erklärung vorkommet, in sich fasset, muß dieser Erklärung vorgesetzet werden, und derjenige Satz, welcher in dem Beweise eines andern Satzes vorkommet, oder aus welchem etwas unmittelbar [2054] geschlossen wird, muß vor diesen beyden vorhergehen. Solchergestalt kan die mathematische Methode so erkläret werden, daß sie sey diejenige Methode, da man alles richtig erkläret, alles gehörig erweiset, und alle Erklärungen sowol als Sätze somit einander verknüpffet, wie eines das andere erkläret und erweiset. Es ist diese Methode an sich gantz natürlich, und erinnern die Mathematick-Lehrer selbst, daß man sie deswegen die mathematische Methode nenne, weil sie bisher fast allein sich derselben richtig bedienet; keinesweges aber, als wenn sie der Mathematick eigenthümlich wäre, vielmehr müsse alles, was gründlich solle abgehandelt werden, nach ihr eingerichtet werden. Dahero denn auch die mathematische Methode mit der philosophischen, gleichwie auch mit der demonstrativischen vor einerley gehalten zu werden pfleget. Es hat Carl Günther Ludovici in seiner Dissertation de ratione philosophandi in genere gezeiget, daß, wenn man ja zwischen der mathematischen und philosophischen Lehrart einen Unterscheid machen wolle, solcher in nichts anders zu suchen sey, als in den ersten Gründen der menschlichen Erkenntniß, nemlich in dem Satze des Widerspruches und dem Satze des zureichenden Grundes. Denn da aus jenen alle nothwendige Wahrheiten, und aus diesem alle zufällige Wahrheiten, herzuleiten sind; die Mathematick-Lehrer aber mit lauter nothwendigen Wahrheiten, und die Philosophen mehrentheils mit zufälligen Wahrheiten zu thun hätten, folglich also jene aus dem Satze des Widerspruches, und diese aus dem Satze des zureichenden Grundes ursprünglich ihre Sätze erwiesen: so könnte man sagen, diejenige Methode verdiene insbesondere den Namen der mathematischen, da auf den Satz des Widerspruches alles gebauet wird, und diejenige Methode verdiene insbesondere den Namen der philosophischen, da man alles aus dem Satze des zureichenden Grundes herleite. Wie nun aber die oben angegebenen drey wesentlichen Stücke der mathematischen Methode auch der philosophischen zukommen, und also hierinnen beyde mit einander übereinkommen; so sind noch zwey Stücke anzuführen, die zwar weder der mathematischen noch der philosophischen Lehrart wesentlich, gleichwol aber bey jener mehr gewöhnlich ist, als bey dieser, oder deutlicher zu reden, welche nur von den Mathematick-Lehrern in ihren Wissenschafften sind beobachtet worden. Solche sind 1) die Beschreibung der Sätze, und 2) die Zusammensetzung der Sätze einerley Art. Was das erstere betrifft, so ist zu mercken, daß die Mathematick-Lehrer denen Sätzen besondere Namen gegeben haben, dergleichen sind: Erklärungen, Grund-Sätze, Heische-Sätze; Lehr-Sätze, Aufgaben, Lehn-Sätze, Zusätze und Anmerckungen, siehe Mathematischer Satz. Damit nun der Leser ihrer Schriften, die von ihnen gebrauchte Accuratesse desto besser examiniren und wissen könne, ob auch jeder Satz nach dem ihnen eignen Regeln abgefasset sey, wovor sie ihn angenommen, so schreiben sie über jeden Satz denjenigen Namen des Satzes, davor sie ihn gehalten wissen wollen. Das andere anlangend, so pflegen sie die Sätze einer Art, zusammen zu setzen, als zuförderst alle Erklärungen zusammen, jedoch wie eine die andere erkläret, hernach alle Grund-Sätze zusammen, ferner alle Heische-Sätze zusammen, hernach alle Lehn-Sätze zusammen, [2055] und endlich alle Lehr-Sätze und Aufgaben zusammen, jedoch zwar wieder in der Ordnung, wie einer den andern erweiset. Die Zusätze hingegen setzen sie gleich unter jeden Satz, daraus sie geschlossen werden, und die Anmerckungen gleich unter jeden Satz, den sie erläutern. Die Frage, ob die Mathematische Lehr-Art auch auf andere Wissenschafften applicabel sey, wird in dem Artickel Methode (die demonstrativische) erörtert. Es sind also hier nur noch die Schrifften von der mathematischen Methode zu bemercken. Der Herr von Tschirnhausen hat diese Lehr-Art in seiner medicina mentis P. II. erläutert, denn seine gantze Kunst zu erfinden, ist nichts anders denn die Mathematische Lehr-Art. Was er von denen Sach-Erklärungen sagt, und wie daher die Lehr-Sätze zu leiten sind, das findet man bey denen Geometris angebracht, und kan man absonderlich Barrows Lectiones Geometricas p. 10. u. ff. nachlesen. Die Regeln, so er giebet, Aufgaben aufzulösen, die kommen gantz genau mit denenjenigen überein, die in der Algebra ausgeübet werden. Die innere Beschaffenheit dieser Lehr-Art hat etwas deutlicher vorgestellet Wolff in Comm. de methodo mathematica, welches er noch besser und weitläufftiger nach diesem ausgeführet in seinen vernünfftigen Gedancken von denen Kräfften des menschlichen Verstandes. Sonst hat auch Gottlieb Friedrich Hagen Meditationes philosophicas de methodo mathematica. zu Nürnberg in 8 herausgegeben, und Michael Kelschen eine Dissertation de utilitate methodi mathematicae in docenda inventure 1735 gehalten, anderer vieler Schrifften von der mathematische Lehr-Art nicht zu gedencken.