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Weihnachtsbüchertisch (Die Gartenlaube 1887/51)

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Textdaten
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Autor:
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Titel: Weihnachtsbüchertisch
Untertitel:
aus: Die Gartenlaube, Heft 51, S. 859
Herausgeber: Adolf Kröner
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Erscheinungsdatum: 1887
Verlag: Ernst Keil’s Nachfolger in Leipzig
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Erscheinungsort: Leipzig
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Originalherkunft:
Quelle: Scans bei Commons
Kurzbeschreibung:
Rubrik: Vom Weihnachtsbüchertisch
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[859] Weihnachtsbüchertisch. Zur neuen deutschen Kunstgeschichte liefert Adolf Rosenberg einen willkommenen Beitrag in seiner Schrift: „Die Münchener Malerschule in ihrer Entwicklung seit 1871“ (Leipzig, E. A. Seemann). Die Einleitung behandelt Karl von Piloty und Fr. A. von Kaulbach, während der reiche Stoff sich in folgende Abschnitte gliedert: „Die älteren Genremaler und die Landschaft“, „Die Schule Piloty’s“, „Wilhelm Lindenschmit und seine Schule“, „Wilhelm Diez und die Seinigen“, „Fritz von Uhde und die religiöse Malerei“. Als Weihnachtsgeschenk eignet sich das prächtige Buch durch die Wiedergabe der vorzüglichsten Erzeugnisse der Münchener Schule, theils in Radirungen und Kupferlichtdrucken, theils in Textillustrationen. Die Portraits der hervorragendsten Maler: Piloty, Makart, Gabriel Max, Franz Lenbach u. A. gereichen ihm zur besonderen Zierde; neben reizenden Genrebildern finden sich auch historische und besonders religiöse Gemälde. Von der Tüchtigkeit und Strebsamkeit der deutschen Kunst an der Isar und von ihrer ganzen Bedeutung legt diese Schrift ein vollgültiges Zeugniß ab.

Von der rühmlich bekannten „Gustav Freytag-Galerie“, welche Edwin Schloemp in Leipzig herausgiebt, ist eine billige Jubiläumsausgabe erschienen; sie enthält 20 Blätter mit begleitenden Texten nach den Originalgemälden und Kartons der ersten Meister der Jetztzeit; sehr reichhaltig sind die Bilder aus den „Ahnen“, die zwar in poetischer Hinsicht hinter den andern Dichtwerken Freytag’s zurückstehen, aber bei der diskreten Farbengebung des Dichters der malenden und zeichnenden Kunst einen desto größeren Spielraum gönnen. Das Titelbild ist ein wohlgetroffenes Portrait Gustav Freytag’s. Aus der verschollenen Sammlung seiner Jugendgedichte „In Breslau“ wird hier ein phantasievoll illustrirtes Gedicht „Die Schöpfung der Künstler“ mitgetheilt. Der Text erläutert die Illustrationen in ansprechender Weise. Was die äußere Ausstattung betrifft, so machen wir auf den geschmackvollen Ledereinband aufmerksam. Wenn bisher Ledereinbände nur bei kostbaren Prachtwerken üblich waren, weil die bisherige Technik eine kostspielige genannt werden mußte, so ist es dem Buchbinder F. A. Barthel gelungen, mittels Präparation eines billigen Leders und durch Doppelplattendruck zum ersten Male das altdeutsche Lederrelief für einen billigen Preis herzustellen. So wird der Einband der „Freytag-Galerie“ bei allen Freunden des Kunstgewerbes Interesse erregen.

Werthvolle Kunstschätze enthält die „Spitzweg-Mappe“, welche hervorragende Gemälde des Meisters in Kupferdruck reproducirt. Eugen Spitzweg hat sie herausgegeben (München, Braun und Schneider), Friedrich Pecht eine Vorrede dazu geschrieben, in welcher er den großen Humoristen Jean Paul den geistigen Pathen des Malers nennt. In der That ist der Humor desselben nicht derjenige der heutigen Tageshumoristen mit ihren fliegenden Blättern und Skizzen aus dem realen Leben; diese oft seltsamen Gestalten tragen bisweilen das Gepräge sinniger und tiefer Weltbetrachtung oder des von Jean Paul gerühmten Vollglücks der Idylle. Rosenberg sagt in seiner „Münchener Malerschule“: „Karl Spitzweg (1808 bis 1885) hatte sich als Autodidakt durch das Studium der Niederländer eine malerische Auffassung angeeignet, welche seinen theils romantischen, theils humoristischen Bildern ein durchaus modernes Gepräge gab und dieselben bis in die letzte Zeit des Meisters hinein stets frisch und lebendig erscheinen ließ. Wie sein Freund Schwind suchte er gern die Plätze und Gäßchen alterthümlicher Städtchen auf, welche er mit drolligen Gestalten, mit Zollwächtern, Polizisten, Stadtsoldaten, Nachtwächtern, Bürgergardisten, mit Guitarrespielern, die im Mondschein der Dame ihres Herzens ein Ständchen bringen, mit Invaliden u. dergl. m. belebte. Originell und bizarr wie die Umgebung, in der diese halbverschollenen Philister ihr vertrauliches Leben führten, war auch ihre äußere Erscheinung, welche in jedem Zuge von schärfster Beobachtung sprach. Gelegentlich behandelte Spitzweg in derselben detaillirenden Manier kleine Waldpartien und felsige Einöden, die er mit Klausnern, Mönchen, Jägern, kämpfenden Rittern u. dergl. m. staffirte.“ Die „Spitzweg-Mappe“ giebt interessante Proben dieser eigenartigen Stoffe und der nicht minder eigenartigen Behandlungsweise.

Mehr keck aus dem modernen Leben herausgegriffen sind die allerliebsten Bildchen: „Aus A. Hendschel’s Skizzenbuch“, Lichtdruck von Martin Rommel u. Cie. in Stuttgart (M. Hendschel, Frankfurt am Main). Es sind das meistens Kinderbilder, alle mit köstlichem Humor entworfen; Alles leibt und lebt: dieser Konditorjunge, dieser Kampf mit dem Drachen, diese Schlittenfahrt, welche der Alten mit ihren auf dem Kopfe aufgethürmten Körben so gefährlich wird, und viele andere Genrebildchen aus der Kinderwelt. Daneben finden sich auch Skizzen aus dem Leben der Erwachsenen, Sonntagsraucher, das drastische Bild „Frisch angestrichen“, auch einige liebliche Mädchenköpfe, das Mädchen, das Rosen pflückt, Aschenbrödel am Herd, Schneewittchen im Sarge: Alles ungezwungen, von sieghafter Natürlichkeit.

Zwölf Phototypen nach Originalgemälden von Robert Beyschlag, Franz von Defregger, Theodor Grosse, Hermann Kaulbach u. A. hat die Verlagsanstalt für Kunst und Wissenschaft in München unter dem Titel „Für Herz und Gemüth“ herausgegeben. Für den Werth der Bilder spricht der Name der Meister: die Auswahl hat wohl vorzugsweise den Gesichtspunkt ins Auge gefaßt, schöne Frauengestalten und anmuthige Kinder in erster Linie vorzuführen. Einen eigenartigen Reiz gewinnt die Sammlung durch die erläuternden Gedichte von Julius Grosse, der als echter Dichter nirgends handwerksmäßig nichtssagende gereimte Glossen schreibt, sondern sich von den stimmungsvollen Bildern theils zu schwunghaften Ergüssen begeistern läßt, theils die schalkhaften Andeutungen des Malers in gleichgestimmten Versen wiedergiebt.

Ein reizendes Festgeschenk sind Heinrich Seidel’sNatursänger“ mit 110 Originalzeichnungen von Giacomelli (Leipzig, Verlag von B. Elischer). Wer liebt nicht unsere Singvögel? „In dem kleinen Singvogel,“ sagt die Einleitung, „gewinnt die Natur gleichsam eine liebliche Stimme und spricht in allgemein verständlichem Tone zu uns. Wie wundervoll paßt der schmetternde Schlag des Buchfinken zu den hohen Buchenhallen, durch deren frühlingsgraues Laubgewölk kleine Wölkchen des blauen Himmels hindurchschimmern! Wie stimmt das etwas schwerfällige melodische Rufen der Amsel zu einem sanften Frühlingsabend, wenn hinter schweren Tannenwipfeln allmählich das Abendroth verdämmert! Glaubt man nicht, der raschelnde Rohrwald habe eine Stimme bekommen, wenn das knarrende Geschwätz der Rohrsänger aus ihm hervortönt? Und wenn das lieblich flötende, dahinrieselnde Lied der Grasmücke aus duftendem Gesträuche erschallt, da möchte man denken, die blühenden Büsche sängen selber. Ueber die weithin wogenden Kornfelder ist ein eben so großer Himmel von lauter Lerchenmusik ausgespannt und kein Fleck in der Welt ist so öde, daß nicht im Frühling dort ein kleiner Vogel lieblich sänge.“ Heinrich Seidel hat dem trefflichen Portraitalbum dieser kleinen Künstler, in welchem ihre charakteristischen Züge mit großer Lebenswahrheit ausgeführt sind, einen Text in Prosa und Versen beigefügt: die Prosa bringt das Wissenswerthe über die kleinen begabten Geschöpfe, der lyrische Steckbrief ist stets geschmackvoll abgefaßt und viele der Verse athmen einen echt poetischen Hauch. Wer daher eine Galerie dieser zierlichen Sänger von der Nachtigall, den Goldhähnchen, den Grasmücken bis zum Stieglitz, den Drosseln, den Schmätzern besitzen will: dem können wir mir empfehlen, das Seidel’sche Werk sich anzuschaffen.

Eine interessante Weihnachtsgabe ist eine Dichtung von Georg Ebers: „Elifên, ein Wüstentraum“ (Stuttgart und Leipzig, Deutsche Verlags-Anstalt). Ein junger Künstler bricht den Bann der priesterlichen Kunstlehre und wird durch eine Geliebte, ein schönes Mädchen aus wilder Völkerschaft, begeistert, das Höchste in der Kunst zu leisten:

„Natur allein ist wahr, die Formeln lügen.“

Das Gedicht zeigt uns den Schöpfer der beliebten ägyptischen Romane auch als Meister künstlerischer Form: alle diese Stanzen sind wohl und regelrecht gebiidet, volltönend und zwanglos in ihrem Vollklang; das ägyptische Kolorit ist farbenreich und einzelne schlagkräftige Sentenzen prägen sich dem Gedächtniß ein. †