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Und sie bewegt sich doch!

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Textdaten
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Autor: G. H-r. & H. B.
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Titel: Und sie bewegt sich doch
Untertitel:
aus: Die Gartenlaube, Heft 7, S. 100–104
Herausgeber: Ernst Keil
Auflage:
Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: 1864
Verlag: Verlag von Ernst Keil
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Erscheinungsort: Leipzig
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Originalherkunft:
Quelle: Scans bei Commons
Kurzbeschreibung: Eine Biographie Galileo Galilei’s zu dessen 300. Geburtstag
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[100]

Und sie bewegt sich doch![1]

Zum Jubelgedächtniß eines Erlösers der Wissenschaft.

Sinnend die Blicke zum Himmel erhoben,
Forscht Galilei dem Sternenlauf nach,
Strebt zu entziffern die Räthsel da droben;
Und in dem grübelnden Geiste wird’s Tag.

5
     Ob auch die Satzung spricht:

     „Erde, du regst dich nicht!“ –
Lauter und stärker in deutlicher Klarheit,
Mit unumstößlicher, ewiger Wahrheit
     Ruft es der Himmel noch:

10
     „Ja, sie bewegt sich doch!


Und der Jahrhunderte Wahn zu vernichten,
Schreibt er sein großes, unsterbliches Buch.
Wahrheit, sie ist ihm die erste der Pflichten,
Treibt ihn, zu stürzen veralteten Trug.

15
     Wer es auch immer spricht:

     „Tellus bewegt sich nicht!“ –
Hier mit Beweisen und leuchtenden Gründen
Will ich der denkenden Welt es verkünden!
     Brechet des Irrthums Joch!

20
     „Hört’s! Sie bewegt sich doch!
[101]

Aber des tödtenden Buchstabens Knechte
Scheuen des Geistes lebendiges Licht,
Und, mit dem Bannstrahl in drohender Rechte,
Mahnet den Denker das Ketzergericht:

25
     „Sprich, wie die Schrift es spricht:

     Nein, sie bewegt sich nicht! –
Oder Du mögest Dein Leben beenden
Tief in des Kerkers umnachteten Wänden,
     Glaubst Du es immer noch:

30
     Ja, sie bewegt sich doch!


Als durch der Kerkernacht fressende Uebel
Endlich dem Greise die Manneskraft brach,
Spricht er’s – die Hand auf geschändeter Bibel –
Bebend und stammelnd den Peinigern nach,

35
     Wie es der Buchstab spricht:

     „Nein, sie bewegt sich nicht!“
Doch weil die Schrift, an dem Himmel geschrieben,
Tief in dem Herzen ihm stehen geblieben,
     Knirschen die Zähne noch:

40
     „Und sie bewegt sich doch!
[102]

Wahrheit! Du mußt Deine Märtyrer haben;
Ohne sie winket dir nimmer der Sieg!
Als man den Dulder schon lange begraben,
Lange sein Mund, der begeisterte, schwieg,

45
     Und nun kein Mensch mehr spricht:

     „Nein, sie bewegt sich nicht!“ –
Kündet ein Denkmal am heiligen Orte:
Wahrheit, du siegst! – Und es huldigt dem Worte
     Selber die Kirche noch:

50
     „Ja, sie bewegt sich doch!


Fesselt die Erde in zwängende Schranken!
Greifet der Zeit in das rollende Rad!
Bindet die Flügel der kühnen Gedanken!
Haltet die Menschheit auf strebendem Pfad! –

55
     Thörichter Blödsinn spricht:

     „Erde, beweg’ dich nicht!“ –
Nimmermehr zwingt ihr sie, stille zu stehen!
Vorwärts und vorwärts wird ewig sie gehen!
     Hindert und hemmet noch –

60
     Und sie bewegt sich doch!

 G. H-r.


Wir Deutsche haben während der letzten Jahre die hundertsten Geburtstage mehrerer unsterblichen Männer in einer Weise gefeiert, die als eine verklärte Wiedergeburt derselben im Geist und Streben der ganzen Nation gelten kann.

Die meisten dieser Geburtstage galten Dichtern und Denkern. Die befreiende Naturwissenschaft, die erst in unseren Tagen zum Gemeingute des Volkes zu werden beginnt, ward früher geboren. Wir feiern im Februar den dreihundertsten Geburtstag des Vaters der Physik und Märtyrers der Lehre von der Bewegung der Erden und Himmel um uns, Galileo Galilei’s. Er ist es gewesen, der mitten im Lande des festen Glaubens an eine unbewegliche Erde und an unerschütterliche Glaubenssätze die Entdeckungen eines Copernikus (der am 19. Februar 91 Jahre früher geboren worden war) von den Bewegungen und Umdrehungen der Himmelskörper den Priestern und Mönchen und selbst dem Papste 78 Jahre lang bewies, ihnen das Fernrohr dazu in die Hand gab und nach erzwungener Abschwörung dieses Wissens im Munde aller Nachwelt auf ewige Zeiten durch den Ausspruch unsterblich ward: „Und sie bewegt sich doch!“

Copernikus hatte die im Glauben der Menschheit beinahe zwei Jahrtausende stillstehende Erde wissenschaftlich in ewige Bewegung gebracht. Seine in Rom verbotene, von Galilei bekräftigte, genauer, unumstößlich bewiesene und „abgeschworne“ Lehre ward dadurch sofort Gemeingut aller gebildeten Nationen. Mit Galilei eine Zeit lang gleichzeitig lebte, lehrte und hungerte der größte aller deutschen Astronomen, Johann Kepler. Und im Todesjahre Galilei’s ward der wissenschaftliche Entdecker der astronomischen Schwere, der vierte Reformator der Himmelskunde und Naturlehre geboren, Isaak Newton.

Wir sehen, wie sich die Geister des Fortschritts im Wissen und Erkennen, in der Cultur und Freiheit, über Nationen und Jahrhunderte hinweg siegreich über den Häuptern der Mächtigen die Hände reichen und uns mit der tröstlichen Ueberzeugung erfüllen, daß der stets im Wissen und in der Freiheit fortschreitenden Menschheit kein Stillstand, noch weniger Umkehr geboten werden kann.

Ganz besonders tragisch und oft beinahe romanhaft dichterisch tritt diese Wahrheit im Leben Galilei’s hervor. Er ist eigentlich die Persönlichkeit des großen Wendepunktes in der Weltgeschichte, die bis zu Galilei’s Lehren und Leiden auf einer ruhenden, stillstehenden Erde gespielt hatte und sich nun auf einer durch die Himmel sausenden, um sich selbst drehenden Planetenkugel fortsetzen mußte, die Persönlichkeit des Kampfes der Vernunft gegen weltliches und geistiges Papstthum, der Triumph lebendigen Wissens gegen todten Glauben, gerade in dem Augenblicke, als letzterer es Schwarz auf Weiß und beschworen nach Hause trug, daß die Wissenschaft „umgekehrt“ sei und Buße gethan habe.

In dieser weltgeschichtlichen Persönlichkeit Galilei’s lernen wir nun auch eine feine, weltmännische, anmuthige Individualität kennen, verehrungsvoll umlauscht von weltlichen und geistlichen Großen, von künftigen Königen, wie Gustav Adolph, von berühmten Herrschern, wie dem Mediceischen Cosmo. Er singt und spielt und liest Dichter in Gärten, wo Citronen blühen, über welchen der italienische Himmel lächelt. In seinem gastfreundlichen Hause findet Jeder ein offenes Herz und einen gedeckten Tisch. Achtung, Ehre und Liebe umgeben ihn bis in’s späteste, blinde Alter, selbst vor dem Tribunale der furchtbaren Inquisition. Seine Feinde umlauern und umhorchen ihn Jahre lang mit Zaudern und Zagen und wagen endlich nicht einmal den Verurtheilten brutal zu behandeln. Obgleich man viel von Tortur und finstern Kerkern in Lebensbeschreibungen Galilei’s gefabelt hat: dies Zeugniß müssen wir seinen pfäffischen und festgläubigen Feinden geben, daß sie ihn, der die Grundlage ihrer Herrschaft gründlicher erschütterte, als Luther, nie in moderner Polizei- und soldatstaatlicher Weise brutal behandelten, und selbst bei dem Verbot seiner Lehren und seiner Bücher eine Rücksicht bewiesen, wovon bei den Verboten, Verwarnungen und Confiscationen jetziger Staaten keine Spur mehr zu finden ist.

Galilei war freilich nicht blos ein geborner, sondern auch ein wirklicher Edelmann des damals in Cultur blühenden Florentiner Staates. Er ward am 18. Februar 1564 zu Pisa geboren. Sein Vater scheint neben Wissenschaft auch Tuchhandel getrieben zu haben. Der Sohn aber hatte blos Sinn für Wissenschaft. Gehörig vorgebildet, studirte er von 1581 an auf der Universität seines Geburtsortes Medicin und Philosophie des Aristoteles, die als die vollkommenste, unveränderliche Quelle alles Wissens galt. Er aber hatte mit seinen feurigen Augen und seinem lichten Sinn bald ganz andere Quellen entdeckt.

Wie Newton durch einen vom Baume fallenden Apfel auf Entdeckung des Gesetzes der Schwere geführt ward, so kam auch der erst 19jährige Student Galilei im Dome zu Pisa durch eine alltägliche Kleinigkeit auf das wichtige Geheimniß von den Pendelschwingungen, durch welche seitdem die Naturwissenschaft eine Menge physikalischer Bewegungen erklärte, z. B. die Umdrehung der Erde, und die hernach zu Zeitmessungen und Perpendikeluhren verwendet wurden. Er sah im Dome eine an der Decke aufgehangene Lampe hin- und herschwingen.

In der Quelle aller damaligen Weisheit, dem alten Griechen Aristoteles, las er verschiedene wissenschaftliche Sätze, die zwei Jahrtausende ohne Prüfung als unumstößlich wahr gegolten, unter andern auch den, daß, wenn zwei Steine von verschiedener Größe gleichzeitig von einer Höhe herabgeworfen werden, der größere eher zur Erde komme.

„Das wollen wir doch erst einmal untersuchen,“ rief er, stieg auf den schiefen Thurm zu Pisa und warf vor Zeugen unten und oben Steine von verschiedener Größe herab. Sie kamen immer ohne Rücksicht auf ihre Größe gleichzeitig unten an, und mit jedem aufklatschenden Falle zerbröckelte ein Stück nach dem andern von dieser alten Zwingburg der Wissenschaft. Laßt uns untersuchen! Das war die einfache, aber allmächtige Zauberformel, womit die Autorität, die von oben her vorgeschriebene Formel des Wissens und Glaubens gestürzt, der Geist auf den Kampfplatz der Freiheil gerufen ward.

Demselben Thurme verdanken wir noch die von Galilei durch eine Reihe von Untersuchungen ermittelten Gesetze von der Geschwindigkeit des Falles oder der Wirkung der Schwere. Sodann untersuchte er mit besonderer Vorliebe die Wirkung der Körper je nach Schwere und Umfang auf das Wasser. Man wußte bis dahin noch nicht, warum manche Körper schwimmen, andere nicht, oder nur in bestimmter Form und Ausdehnung. Warum schwimmt das kleinste Stück Eisen nicht auf dem Wasser, wohl aber ein mit vielen hundert Centner Eisen beladenes Schiff? Durch seine Untersuchungen und sein späteres Werk „Von den schwimmenden Körpern“ entdeckte und bewies er die ersten Grundlehren der angewandten Mathematik, die wir Hydrostatik und Hydrodynamik [2] nennen, und die in der von ihm zuerst erfundenen hydrostatischen Wage, der hydraulischen Presse u. s. w. in Wissenschaft und Industrie ungemein wichtig geworden sind.

Es ist sehr erklärlich, daß der Student Galilei bald ein berühmter Mathematiker und schon 1589 Professor zu Pisa ward. Als solcher brachte er den Aristoteles, den mittelalterlichen Wissenschaftspapst, mit jedem Tage mehr um seine Autorität. Seitdem die Steine vom Thurme gefallen waren, konnte diese Revolution nicht mehr unterdrückt werden. Doch glaubte man, wie die „Automaten“ [103] noch heute, durch Absetzung des Professors die gute, alte Ordnung wieder herstellen zu können. Es half aber nichts. Im Gegentheil ward Galilei als vom Senate Venedigs berufener Professor der Mathematik in Padua (1592) weltberühmt. Nicht blos die wißbegierige Jugend Italiens strömte in das alte Padua, auch berühmte Cardinäle und Prinzen fernen Auslandes (wie z. B. Gustav Adolph) studirten hier, um die lebendigen, scharfen, graciösen und witzigen Vortrage Galilei’s im besten Italienisch zu hören. Daß er das alte Latein aufgab und im klangvollsten lebendigen Toscanisch sprach, war eine akademische Revolution. Sein Haus in der düstern, dicht von Studenten bevölkerten Universitätsstadt, lag unscheinbar neben der berühmten Benediktiner-Abtei Santa Giustina, aber das fortwährende Aus- und Einströmen von Studenten, berühmten Fremden und Damen und die heitere Geselligkeit, die zuweilen aus der geöffneten Thür vom Garten her sichtbar ward, verriethen die Wohnstätte des berühmtesten und glücklichsten Mannes. Mit einer schönen Griechin verheirathet und bald von herrlichen Kindern umspielt, in der Blüthe seines Glücks, seiner Gesundheit, seines Wissens, seines mächtigen Wortes, seines Ruhmes noch von keinem Neide, keiner Verfolgung berührt, genoß er hier den Hochsommer seines Lebens, der freilich durch den frühen Tod seiner Gattin empfindlich getrübt ward. Er überließ hernach seine glänzende, gastliche Häuslichkeit einer zuverlässigen Haushälterin, die für eine gar zu große Zahl von Gästen aus der Abtei immer so viel Silberzeug, als sie brauchte, geliehen bekam.

Während dieser Zeit sprudelten die wichtigsten Entdeckungen und Erfindungen aus seinem Geiste in die staunende Welt. Wir können hier nur die wichtigsten nennen, ohne uns auf deren Erklärung oder Wichtigkeit einzulassen, weil dies allein den vorgeschriebenen Raum überfüllen würde.

Nachdem er den Proportionalcirkel erfunden, rechnete er die mathematische Formel für die Gesetze des Falles heraus, nämlich daß ein fallender Körper in dem Maße von 1, 3, 5, 7 u. s. w. mit zunehmender Geschwindigkeit von der Erde angezogen werde oder falle, also z. B. in der ersten Secunde 15, in der zweiten 45, in der dritten 75, in der vierten 105 Fuß u. s. w. Ob er auch das Thermometer erfunden oder nur vervollkommnet, wie viel ihm in den Forschungen über Magnetismus zukomme und in welchem Grade er als Erfinder des Mikroskops und des astronomischen Himmelsschlüssels oder Fernrohrs im wörtlichen Sinne anerkannt werden müsse, kann hier der Umständlichkeit wegen nicht erörtert werden. Sicher ist, daß er zuerst wirkliche astronomische Teleskope zusammenstellte und damit den Himmel aufschloß. Die Galilei’schen Fernröhre wurden erst in Italien, dann in der ganzen Welt ein aufregendes Ereigniß, zumal als die von ihm entdeckten Monde des Jupiter, die Mondgebirge und Sonnenflecke und die daraus gezogenen Schlüsse bekannt wurden. An den Jupiter-Trabanten sah er die Bestätigung des Copernikanischen Systems von der Umdrehung kleiner Himmelskörper um größere, in den von Ost nach West fortrückenden Sonnenflecken die Drehung der Sonne um ihre Achse und damit ein Bild der Rotation der Erde.

Der Ruhm Galilei’s war damit weit über die Erde verbreitet worden, sodaß es sich der Großherzog Cosmo II., der Medicäer, zur Ehrenaufgabe machte, ihn nach Pisa zurückzurufen und ihm bei sicherem, anständigem Gehalte vollständig freie Muße zur Verfolgung seiner Entdeckungen, so wie unbeschränkte Wahl der Wohnung in seinem Staate zu verbürgen.

Galilei folgte 1610 diesem Rufe und lebte zunächst meist auf dem Lustschlosse eines Freundes bei Florenz. Hier entdeckte er in den „Phasen“ (Lichtabwechslungen) des Mondes, der Venus und des Mars die überzeugendsten Beweise für das Copernikanische System, da diese Phasen die Umdrehung dieser Körper um die Sonne (des Mondes um die Erde und mit ihr um die Sonne) zu mathematischer Gewißheit erhoben.

Die Gelehrten, welche auf Aristoteles, die Priester und alle guten Katholiken, welche auf die Bibel schworen und jede davon abweichende Meinung als Ketzerei mit geistlichem und gelegentlich leiblichem Tode bestraften, waren außer sich über diese Revolutionen in den Himmeln und auf der Erde, durch welche ihrem Wissen und Glauben, der Macht und Untrüglichkeit der Kirche aller Boden unter den Füßen schwand. Freunde warnten, Feinde umlauerten den von Herrscherfreundschaft geschützten und in sich selbst siegesgewissen Erlöser der Wissenschaft. Immer lauter wurden die Vorwürfe, daß seine Lehren nicht mit der Bibel übereinstimmten und er ein Ketzer sei.

Galilei versuchte bis an das Ende seines Lebens seine katholische Unbescholtenheit zu retten, ohne der Wissenschaft Abbruch zu thun. In diesem Widerspruche, aus welchem er sich nicht herauswagte, hatte er stets viel zu kämpfen und zu leiden. Ein Versuch, die Umdrehung der Himmelskörper aus der Bibel (Josua, der die Sonne stillstehen hieß) zu beweisen, wurde just zum Vorwande, ihn ernstlich zu verdächtigen. In Rom wurde es bedrohlich für ihn. Zornig in seinem heißen Blute reiste er 1611 selbst mitten in die Hauptstadt des Papstes und des unerschütterlichen Glaubens und bewies durch Lehre und Fernröhre den Cardinälen und Großen des Reichs die Wahrheit und Wirklichkeit seiner Entdeckungen. Binnen drei Monaten ward er auch hier zum Triumphator und reiste, mit Ehren überhäuft, nach Florenz zurück. Nun lehrte, forschte und schrieb er noch rücksichtsloser, so daß es seinen Feinden gelang, ihn bei dem Papste Urban VIII., seinem ehemaligen Freunde Barberini, verdächtig zu machen und das Inquisition-Tribunal gegen ihn zu hetzen. Vor diesem sollte er sich 1615 verantworten. Er reiste unter dem Schutze seines Fürsten wieder nach Rom, wo er in dem großherzoglichen Palast Wohnung nahm und durch sein Ansehen, seine Beredsamkeit, seine Ueberzeugungskraft sofort alle Verdächtigungen niederschlug und geachteter, gerühmter dastand, als je zuvor. In diesem Gefühl seiner Macht glaubte er der Wissenschaft einen neuen Sieg verschaffen zu müssen, er verlangte vom Inquisitionsgericht die Anerkennung der Copernikanischen Lehre, d. h. seines eigenen Standpunktes. Der Papst übertrug die Entscheidung darüber einer Versammlung von Cardinälen, die sich zu dem Erkenntniß einigten, daß die Bewegung der Erde nicht mit der Bibel übereinstimme und Werke, welche diese Uebereinstimmung behaupten, verboten seien.

Galilei äußerte sich darüber schon ungehalten, sodaß ihn Cosmo zurückrief, um wegen dieser Freundschaft nicht in Feindschaft mit der Kirche zu gerathen. Galilei kehrte zurück mit der Weisung des Inquisitions-Tribunals, von Uebereinstimmung des Copernikanischen Systems mit der Bibel nicht weiter zu reden. Im Uebrigen sollten ihm astronomische Forschungen und Lehren frei stehen. Damit scheint er denn auch während der folgenden fünfzehn Jahre ausgekommen zu sein. Aber in Folge von entdeckten Kometen und Urtheilen und Streitschriften darüber wachte die alte Feindschaft der Jesuiten wieder auf, die auf Grund seines berühmtesten Werkes, „Dialog über die beiden größten Weltsysteme, das Copernikanische und das Ptolemäische“, zur wüthenden Verfolgung ausartete. Der Dialog ist zwischen drei Personen vertheilt, von denen die eine den Copernikus, die andere (Simplicio) das Ptolemäische System von der ruhenden Erde als dem Mittelpunkte der Welt, und die dritte den Kritiker zwischen beiden spielt, Um den Streit, nachdem Simplicio sich in ganzer Lächerlichkeit und Unhaltbarkeit ausgesprochen, zuletzt der Form nach unentschieden zu lassen. Namentlich hatte Galilei durch Vorrede und Schluß die in der That glänzendste Vertheidigung der neuen Wissenschaft und Forschung zu verdecken gesucht. Der Papst, der zu dem Werke die Censurerlaubniß befohlen hatte, hielt sich für hintergangen und gerieth in den größten Zorn, als ihn die Jesuiten zu überzeugen suchten, unter Simplicio sei er persönlich lächerlich gemacht und das Copernikanische System auf das Ketzerischste verherrlicht worden. Dennoch war der Papst im Gefühle ehemaliger Freundschaft großmüthig und suchte die Anklagen der Jesuiten durch Vermittelungen, statt durch das Inquisitions-Tribunal, zu beseitigen. Aber das in alle gebildete Sprachen übersetzte, in Italien durch Streitschriften und aufgeregte Parteien in allen Köpfen spukende Meisterwerk Galilei’s und dessen eigene hitzige Leidenschaft für die Wahrheit führten ihn doch endlich im Februar 1633 vor das Inquisitions-Tribunal. Hier wurde er durchweg mit der größten Auszeichnung behandelt und nie eigentlich gefangen gehalten. Man ließ ihn meist im toscanischen Gesandtschafts-Palaste wohnen.

Zum Widerrufe und zur Abschwörung seiner Lehre wurde er freilich gezwungen, aber nicht durch Tortur, wie in so vielen Büchern über ihn gefabelt wird. Auch die Strafen, wozu er verurteilt ward, Gefängniß und Ausübungen, erlitt er einige Tage blos zum Schein. Er durfte zwölf Tage nach der Verurtheilung im Palaste seines Freundes, des Erzbischofs von Siena, wohnen und ungehindert studiren. Hier und später auf seinem eigenen Landgute verlebte er in ungestörten Forschungen seine letzten Jahre [104] und Tage. Diesen Arbeiten seines Greisenalters verdanken die Wissenschaften der Physik und Astronomie noch mehrere der wichtigsten Entdeckungen in den Gesetzen der Bewegung, des Widerstandes, den Flüssigkeiten ausüben, der Grundlehren von Längenmessungen auf dem Meere durch Sterne (Jupiterstrahlen, der Schwankungen (Vibration) in der Mondbahn u. s. w. Mehrere dieser Forschungen sind noch heute Grundwahrheiten in der Physik und Astronomie. Obgleich während der letzten fünf Jahre staarblind und von Gliederschmerzen gepeinigt, arbeitete er ruhe- und schlaflos bis zu den letzten Augenblicken seines 78jährigen Lebens, das am 8. Januar 1642 in den Armen seines dankbarsten Schülers Viviani von ihm wich. Die sterblichen Reste des Heldengeistes ruhen in der Kirche St. Croce zu Florenz, wo ein 1737 neben Michel Angelo gesetztes prächtiges Denkmal jährlich von Männern und Frauen aller Nationen besucht wird.

Auch Rom erklärte sich endlich für besiegt, aber erst 1821, wo das Verbot der Copernikanisch-Galilei’schen Lehre aufgehoben ward. Und am 15. September 1841 traten beinahe neunhundert Männer der Wissenschaft in den Tempel des vergötterten Galilei, das ihm geweihte neue Museum der Physik zu Florenz, wo er wie lebend, Stirn und Hand gen Himmel gerichtet, in Erz gegossen steht, umgeben von den Büsten seiner berühmtesten Schüler, den Gläsern und Instrumenten seiner Erfindung und seinem eigenen Zeigefinger, den ihm Propst Gori bei Verlegung der Leiche in die Kirche von St. Croce im frommen Eifer stahl.

Ueber seiner Statue wölbt sich ein azurner Himmel mit Versinnlichung seiner fünf bedeutendsten astronomischen Entdeckungen: Trabanten des Jupiter, Flecken der Sonne, Mondgebirge, Mond- und Venus-Phasen und die zwei Ringe des Saturn. Die vom Großherzoge von Toscana angeordnete Prachtausgabe seiner sämmtlichen Werke, die von 1842 bis 1856 in 16 Bänden erschienen, gilt als ein anderes Ehrendenkmal.

Die Worte: „Und doch bewegt sie sich!“ hat er vielleicht nicht gesprochen, als ihm die Abschwörungsformel entrungen worden war, aber sie wurden ihm von dem Volksgefühle, von dem Weltgericht der Geschichte als ewiger, unumstößlicher Richterspruch gegen Verbots- und Unterdrückungs-Despotie in den Mund gelegt. Gebietet Stillstand, wohl gar Umkehr, soviel ihr wollt, die Wissenschaft und ihre befreiende That und Wirkung bewegt sich doch!
H. B. 



  1. Wir glauben den nachfolgenden Aufsatz nicht besser einleiten zu können, als wenn wir das untenstehende schwungvolle Gedicht sowohl als die es illustrirende Randzeichnung aus Nr. 28, Jahrg. 1855 der Gartenlaube noch einmal zum Abdruck bringen, um so mehr, als bei der damals verhältnißmäßig noch kleinen Auflage unseres Blattes mehr als hunderttausend inzwischen erworbenen Abonnenten Bild und Poesie vollkommen neu sein werden.
    D. Red.
  2. Lehre von den physischen Eigenschaften des Wassers in Ruhe und Bewegung.