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Galileo Galilei (Die Gartenlaube 1855)

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Textdaten
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Autor: G. H–r
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Titel: Galileo Galilei
Untertitel:
aus: Die Gartenlaube, Heft 23, S. 297–298
Herausgeber: Ferdinand Stolle
Auflage:
Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: 1855
Verlag: Verlag von Ernst Keil
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Erscheinungsort: Leipzig
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Quelle: Scans bei Commons
Kurzbeschreibung:
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[297]


 Galileo Galilei.

Sinnend die Blicke zum Himmel erhoben,
Forscht Galilei dem Sternenlauf nach,
Strebt zu entziffern die Räthsel da droben;
Und in dem grübelnden Geiste wird’s Tag.

5
     Ob auch die Satzung spricht:

     „Erde, du regst dich nicht!“ –
Lauter und stärker in deutlicher Klarheit,
Mit unumstößlicher, ewiger Wahrheit
     Ruft es der Himmel noch:

10
     „Ja, sie bewegt sich doch!“


Und der Jahrhunderte Wahn zu vernichten,
Schreibt er sein großes, unsterbliches Buch.[1]
Wahrheit, sie ist ihm die erste der Pflichten,
Treibt ihn, zu stürzen veralteten Trug.

15
     Wer es auch immer spricht:

     „Tellus bewegt sich nicht!“ –
Hier mit Beweisen und leuchtenden Gründen
Will ich der denkenden Welt es verkünden!
     Brechet des Irrthums Joch!

20
     „Hört’s! Sie bewegt sich doch!“
[298]

Aber des tödtenden Buchstabens Knechte
Scheuen des Geistes lebendiges Licht,
Und, mit dem Bannstrahl in drohender Rechte,
Mahnet den Denker das Ketzergericht.

25
     „Sprich, wie die Schrift es spricht:

     Nein, sie bewegt sich nicht! –
Oder Du mögest Dein Leben beenden
Tief in des Kerkers umnachtenden Wänden,
     Glaubst Du es immer noch:

30
     Ja, sie bewegt sich doch!


Als durch der Kerkernacht fressende Uebel
Endlich dem Greise die Manneskraft brach,
Spricht er’s – die Hand auf geschändeter Bibel –
Bebend und stammelnd den Peinigern nach,

35
     Wie es der Buchstab spricht:

     „Nein, sie bewegt sich nicht!“
Doch weil die Schrift, an dem Himmel geschrieben,
Tief in dem Herzen ihm stehen geblieben,
     Knirschen die Zähne noch:

40
     „Und sie bewegt sich doch!



Wahrheit! Du mußt deine Märtyrer haben;
Ohne sie winket dir nimmer der Sieg! –
Als man den Dulder schon lange begraben,
Lange sein Mund, der begeisterte, schwieg,

45
     Und nun kein Mensch mehr spricht:

     „Nein, sie bewegt sich nicht!“ –
Kündet ein Denkmal am heiligen Orte:[2]
Wahrheit, du siegst! – Und es huldigt dem Worte
     Selber die Kirche noch:

50
     „Ja, sie bewegt sich doch!


Fesselt die Erde in zwängende Schranken!
Greifet der Zeit in das rollende Rad!
Bindet die Flügel der kühnen Gedanken!
Haltet die Menschheit auf strebendem Pfad! –

55
     Thörichter Blödsinn spricht:

     „Erde, beweg’ dich nicht!“ –
Nimmermehr zwingt ihr sie, stille zu stehn!
Vorwärts und vorwärts wird ewig sie gehn!
     Hindert und hemmet noch –

60
     Und sie bewegt sich doch!

 G. H–r.


  1. Dialogo di Galileo Galilei, dove ne’congressi di quattro giornale si discorre de’ due massimi sistemi, Tolemaico e Copernicano. 1632.
  2. Zu Ehren Galilei’s wurde 1737 – fünfundneunzig Jahre nach seinem Tode – in der Kirche Sta. Croce zu Florenz ein prächtiges Denkmal errichtet.