Galileo Galilei (Die Gartenlaube 1855)
Galileo Galilei.
Sinnend die Blicke zum Himmel erhoben,
Forscht Galilei dem Sternenlauf nach,
Strebt zu entziffern die Räthsel da droben;
Und in dem grübelnden Geiste wird’s Tag.
„Erde, du regst dich nicht!“ –
Lauter und stärker in deutlicher Klarheit,
Mit unumstößlicher, ewiger Wahrheit
Ruft es der Himmel noch:
Und der Jahrhunderte Wahn zu vernichten,
Schreibt er sein großes, unsterbliches Buch.[1]
Wahrheit, sie ist ihm die erste der Pflichten,
Treibt ihn, zu stürzen veralteten Trug.
„Tellus bewegt sich nicht!“ –
Hier mit Beweisen und leuchtenden Gründen
Will ich der denkenden Welt es verkünden!
Brechet des Irrthums Joch!
Aber des tödtenden Buchstabens Knechte
Scheuen des Geistes lebendiges Licht,
Und, mit dem Bannstrahl in drohender Rechte,
Mahnet den Denker das Ketzergericht.
Nein, sie bewegt sich nicht! –
Oder Du mögest Dein Leben beenden
Tief in des Kerkers umnachtenden Wänden,
Glaubst Du es immer noch:
Als durch der Kerkernacht fressende Uebel
Endlich dem Greise die Manneskraft brach,
Spricht er’s – die Hand auf geschändeter Bibel –
Bebend und stammelnd den Peinigern nach,
„Nein, sie bewegt sich nicht!“
Doch weil die Schrift, an dem Himmel geschrieben,
Tief in dem Herzen ihm stehen geblieben,
Knirschen die Zähne noch:
Wahrheit! Du mußt deine Märtyrer haben;
Ohne sie winket dir nimmer der Sieg! –
Als man den Dulder schon lange begraben,
Lange sein Mund, der begeisterte, schwieg,
„Nein, sie bewegt sich nicht!“ –
Kündet ein Denkmal am heiligen Orte:[2]
Wahrheit, du siegst! – Und es huldigt dem Worte
Selber die Kirche noch:
Fesselt die Erde in zwängende Schranken!
Greifet der Zeit in das rollende Rad!
Bindet die Flügel der kühnen Gedanken!
Haltet die Menschheit auf strebendem Pfad! –
„Erde, beweg’ dich nicht!“ –
Nimmermehr zwingt ihr sie, stille zu stehn!
Vorwärts und vorwärts wird ewig sie gehn!
Hindert und hemmet noch –
G. H–r.