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Ueber die altniederländischen Bilderteppiche in der Königl. Gemäldegalerie

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Kurfürst Moritz in der Kunst Ueber die altniederländischen Bilderteppiche in der Königl. Gemäldegalerie (1893) von Otto Richter
Erschienen in: Dresdner Geschichtsblätter Band 1 (1892 bis 1896)
Der hölzerne Esel
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Ueber die altniederländischen Bilderteppiche
in der Königl. Gemäldegalerie


giebt, was deren Herkunft anlangt, K. Woermanns Galeriekatalog nur folgende Auskunft: „Seit wann diese altniederländischen Wandbehänge sich im Besitze des sächsischen Königshauses, dessen Eigenthum sie sind, befinden, ist nicht ermittelt. Sie wurden zuerst 1790 vom Hausmarschall Freiherrn von Racknitz ans Licht gezogen, geriethen dann aber in Vergessenheit. Erst 1854 wurden sie zufällig in den Zimmern der Garde-Meubles im Brühlschen Palais wieder aufgefunden.“

Es wird daher nicht nutzlos sein, wenn auf Grund aktenmäßiger Nachrichten genaueres über Alter und Herkunft dieser hervorragenden Kunstwerke mitgetheilt wird.

Bereits im Jahre 1861 hat der treffliche Moritz Fürstenau in der Zeitschrift „Sachsengrün“ einen Aufsatz „Zur Geschichte der Tapetenwirkerei am Hofe zu Dresden“ veröffentlicht und darin nachgewiesen, daß die sächsischen Fürsten im 16. und 17. Jahrhundert für einen außerordentlichen Reichthum an gewebten Wand- oder Bilderteppichen im kurfürstlichen Schlosse zu Dresden gesorgt hatten, wovon freilich der größte Theil durch den Schloßbrand von 1701 und durch spätere Vernachlässigung verloren ging. Für das 16. Jahrhundert stützte er sich dabei auf ein handschriftliches Inventarium des kurfürstlichen Tapezereigewölbes vom Jahre 1565, das nebst einem zweiten von 1611 neuerdings durch Schenkung seiner Wittwe in den Besitz der Stadtbibliothek übergegangen ist.

In diesem Inventarium von 1565 werden unter der Aufschrift „Tapezerei“ an erster Stelle folgende Stücke aufgeführt: „Zehn Stücke die Passio von Gold, Silber und Seide, derer sind neune mit Leinwand überzogen, samt hierzu gehörenden eisernen überzinnten Stänglein und Häklein, gehören in die Kirche. Ein Stück vom Oelberge, dazu zwei lange Stücklein von Gold, Silber und Seide. Zehn Stück von einer alten Passion in Gold, Silber und Seide; sind 9 Stück mit Leinwand durchaus gefüttert und eins mit einer leinenen Leiste.“ Unter den „gemalten Tafeln und Tüchern“ werden erwähnt: „Neun Patronen auf Tücher gemalt, darnach die Passio gewirkt.“

Ein Inventarium vom Jahre 1589 (im Hauptstaatsarchiv, Locat 8687) enthält bei den 10 Stücken von der alten Passion den Zusatz „sehr kunstreich gemacht“. Ebenso verzeichnet noch das Inventarium von 1611 „11 Stück von der neuen Passion, in die Kirche“ und „10 Stück der alten Passion“. Die 1589 noch vorhandenen 9 Patronen werden nicht mehr erwähnt. Ihr früheres Vorhandensein aber beweist schon, daß die neuen Passionsteppiche in Dresden selbst gewirkt waren.

Die Aufzeichnung der Passionsteppiche in dem Inventarium von 1565 ist jedoch nicht die früheste urkundliche Erwähnung derselben. Bereits in einem zeitgenössischen Berichte über die Taufe des jungen Herzogs Alexander am 28. Februar 1554 (Hauptstaatsarchiv, Locat 10 526, Ritterspiel 1554 flg. Bl. 3) heißt es: „Die Kirche zu Hof ist mit köstlichen seidenen und mit Golde erhöhten Tapezereien, darinnen die Historia des Leidens Christi oder Passion gewirkt und sonderlich in die Kirche verordnet sein, bekleidet und gezieret gewesen.“ Damals also wurden die 11 Teppiche der neuen Passion schon zur Ausschmückung der Schloßkapelle verwendet.

Es liegt nun ferner ein ausdrückliches Zeugniß dafür vor, daß es Kurfürst Moritz gewesen ist, der diese Teppiche für die Kapelle hat anfertigen lassen. Daniel Wintzenberger nämlich, der fast noch als Zeitgenosse betrachtet werden kann, singt in seinem 1591 erschienenen „Lobspruch der Stadt Dresden“ (Weinart S. 31) von dem durch Kurfürst Moritz erweiterten Schlosse u. a. folgendes:

„Ein schön grosse Capell darinnen,
Darinn thut man lehrn und singen,
Ein Gewelb darinn künstlich formirt,
Mit Schlangen dran, wunderlich figurirt,
Auch eine sonderliche Teppecerey
Darzu wirckn lassn, gantz wunder frey,
Die gantz Paßion, von Seiden Golt,
Silber, und schönn farbn, wie man solt,
Das man die auff Hohe Fest
Auffhangen, das man die sehen lest.“

Fürstenau hat bereits darauf hingewiesen, daß hier im Jahre 1553 ein „niederländischer Teppichmacher“ vom Kurfürsten besoldet wurde und damals mit der Herstellung einer Reihe von Darstellungen aus Moritzens Türkenzügen beschäftigt war. Dem ist noch einiges hinzuzufügen. Bereits im Jahre 1550 befahl der Kurfürst dem Dresdner Rathe, das nach der Einverleibung Altendresdens frei werdende dortige Rathhaus seinem Teppichmacher zur Wohnung und für sein Handwerk einzuräumen, was jedoch der Rath zu vereiteln wußte. Dieser Teppichmacher wird in den Jahren 1552 und 1554 mehrmals mit Namen genannt: er hieß Heinrich von der Hohenmühl; seine Wittwe wird noch 1563 erwähnt (s. meine Verfassungsgeschichte Dresdens S. 184 und Rathsakten A. IX. 18c Bl. 98 und 113b). Die Namen von dreien seiner Gesellen, ebenfalls Niederländern, kommen in der Stadtgerichtsrechnung von 1553 im Verzeichniß der wegen verübter Prügeleien Bestraften vor: es sind „Hans Stichelman von Brußlaw (Brüssel) im Niederland ein Teppichmacher“, ferner „Hans Schlotzs von Brußlaw und [66] Samson Faber von Enge (Engis?) ausm Niederland, beide Teppichmacher“.

Nach alledem steht es fest, daß die in den Verzeichnissen aufgeführten „neuen“ Passionsteppiche unter Kurfürst Moritz durch die genannten Niederländer um das Jahr 1550 in Dresden, und zwar zum Gebrauche in der Schloßkapelle, angefertigt worden sind. Was aber die „alte Passion“ anlangt, so wird man vielleicht nicht fehlgehen, wenn man annimmt, daß diese Stücke durch Herzog Georg den Bärtigen, der als Gubernator von Friesland in lebhaften Beziehungen zu den Niederlanden stand, von dort mitgebracht oder bezogen worden sind. Bei anderen „fünfzehn Stück alte Tapezerei“ findet sich im Inventarium von 1565 ausdrücklich die Bemerkung: „kommen von Herzog Georgen zu Sachsen her“; ebenso werden wohl auch jene alten Passionsteppiche aus seiner Zeit stammen.

Es liegt nun nicht der geringste Grund vor, daran zu zweifeln, daß die in der Königlichen Gemäldegalerie aufbewahrten sechs „altniederländischen“ Teppiche, die nachweislich von der Schloßverwaltung dorthin abgegeben worden sind, zu denjenigen gehören, welche im 16. und 17. Jahrhundert im Tapezereigewölbe des kurfürstlichen Schlosses vorhanden waren. Dazu stimmt es sehr gut, daß sie, sowohl dem Charakter des Entwurfs als der Größe nach, von zwei verschiedenen Gruppen herrühren, von denen beiden die Darstellung der Himmelfahrt erhalten ist. Es liegt nahe zu vermuthen, daß die zwei kleineren Stücke zu der „alten Passion“, die vier größeren und schöneren zu der „neuen Passion“ gehören. Von den ersteren konnte schon ihres höheren Alters wegen die größere Zahl dem Verderben anheimfallen. Vor allem aber muß man annehmen, daß Kurfürst Moritz, der sich die Berufung niederländischer Teppichwirker schweres Geld kosten ließ, von ihnen etwas Bedeutenderes und Prächtigeres verlangt haben wird, als was ihm bereits von seinen Vorfahren überkommen war.

Von den Künstlern freilich, die die Patronen zu den Teppichen gemalt haben, findet sich keine Spur. Da der Stil des Entwurfs entschieden auf die Niederlande hinweist, so ist es wahrscheinlich, daß die Teppichmacher die Patronen zu den neueren Stücken aus ihrer Heimat mitgebracht haben.

Dr. O. Richter.