Ueber die Müdigkeit der Metalle
[452_d] Ueber die Müdigkeit der Metalle. Der neuesten Zeit war es vorbehalten, den Nachweis zu erbringen, daß die Müdigkeit und die Müdigkeitserscheinungen nicht nur lebenden Wesen eigentümlich sind, sondern daß auch leblose Gegenstände davon ergriffen werden, so daß infolge der Arbeit ihre Leistungsfähigkeit sich vermindert. Vorzüglich ist diese Eigenschaft an Metallen zu beobachten, und besonders auffällig zeigt sich die Ermüdung an elektrischen Leitungen. Schon länger war es ja bekannt, daß die Leitungsfähigkeit derselben nach fortlaufendem und andauerndem Gebrauch nachließ, ohne daß es gelang, Gründe, die man in Störungen außerhalb der Leitungen suchte, dafür anzugeben. Die eingehenden Versuche des Franklin-Instituts in Philadelphia haben nun ergeben, daß diese Störungen in den Metalldrähten selbst gesucht werden müssen, deren Leitungsfähigkeit sich bei unausgesetztem Betrieb regelmäßig vermindert, um – und das ist eben das Merkwürdige – nach einer Ruhepause ihre ursprüngliche Größe wieder anzunehmen. Am auffallendsten ist der Unterschied bei Telegraphen- oder Telephonanlagen, die im Verlauf der Woche stark benutzt werden und bei denen gegen Ende der Woche eine ganz beträchtliche Verminderung der Leitungsfähigkeit eintritt. Die Ursache dieser Erscheinungen sicher zu ergründen, ist bisher leider nicht gelungen: wahrscheinlich aber dürften sie auf Aenderungen im Aggregatzustand des Metalls, auf Verschiebungen im Lagerungsverhältnis der Moleküle zurückzuführen sein. Durch solche Veränderungen sucht man ja auch zum Beispiel das Mürbewerden des Eisens an Brücken zu erklären, was namentlich an solchen auftritt, die sehr häufig lebhaft erschüttert werden, wie die Eisenbahnbrücken. Durch den Einfluß der Schwingungen und Erschütterungen, die in ihrer Gesamtheit einer dauernden Arbeitsleistung des Eisens vergleichbar sind, wird, so folgert man, das Brüchig- oder Mürbewerden herbeigeführt. Auch diese Erscheinungen sind als eine Form der Müdigkeit aufzufassen. Dr. -t.