Man mißhandelte und ließ halb verhungern lebende Wesen, für welche die Mütter ihren blutsauer verdienten Lohn zahlten.
Man schickte Kinder in den sicheren Tod, in elende Hütten voller Feuchtigkeit und giftiger Dünste.
Man feilschte mit lebendem Fleisch in Gestalt von Ammen, die man festhielt durch die aufgelaufene „Schuld“.
Und trotzalledem war alles still und ruhig rings um dies kleine Haus.
Blütenweiß lugte der Flieder durch die matten Fensterscheiben, hinter denen so Entsetzliches geschah.
Rings rauschten die Bäume und wiegten das junge Laub und zwitschernd begrüßten die Vöglein den Sonnenaufgang.
Wie eine abgesonderte, verzauberte Welt erschien dies Häuschen, frei von allen Polizeivorschriften, Gewissensbissen und Kriminalgedanken.
Zweideutig lächelte Frau Schnaglow bei Erwähnung der Polizei und Madi pfiff dann um so lauter den frömmsten Choral der Burgmusik.
Käthe gewöhnte sich allmählich an ihre Umgebung.
Frau Schnaglow vertauschte ihr die Lumpen mit Finas abgelegten Kleidern, die zwar vorn zu kurz waren und hinten schleppten, immerhin aber doch ganz und sauber waren.
Gabriela Zapolska: Käthe. Berlin o. J., Seite 426. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Zapolska_K%C3%A4the.djvu/426&oldid=- (Version vom 1.8.2018)