Madi gab ihr dazu noch ein Jäckchen, welches sich jedoch für Käthes breite Schultern als zu eng erwies. Man bedeckte daher diese mit einem Tuche von schwarzem Kammelot, welches von dem roten Flanelljäckchen auffallend abstach. Nur Madi war entzückt über dies ihr Werk und versicherte, so etwas gebe es nicht einmal in Wien.
Mit dankbarem Lächeln nahm Käthe diese Spenden an. So glücklich war sie, als sie die häßlichen Lumpen endlich los war, daß ihr Madis Jäckchen wie ein königlicher Schmuck erschien.
Frau Schnaglow begann jetzt sie förmlich zu mästen und gab ihr die ihrem Zustande entsprechende kräftige Kost.
In großen Schüsseln ließ sie durch Madi allerlei Speisen mit kochender Milch mischen und rief ihr dann zu, indem sie die Schüssel auf die Bank stellte: „Na, jetzt iß dich satt!“
Während Käthe aß, verfolgte sie schweigend und regungslos jede ihrer Bewegungen.
Sobald Käthe als gesättigt sich erhob, zwang sie mit befehlender Gebärde sie immer wieder zum Essen.
Auf der anderen Seite stand mit dem dampfenden Milchtopfe Madi und goß bei jedem Winke der Mutter die Schüssel wieder voll mit der Miene einer Landwirtin, welche Jungvieh mästet.
War doch für die beiden auch Käthe nichts anderes, als eine Ware, die sie binnen einiger Monate nach Gewicht und Futterzustand loswerden wollten.
Gabriela Zapolska: Käthe. Berlin o. J., Seite 427. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Zapolska_K%C3%A4the.djvu/427&oldid=- (Version vom 1.8.2018)