Nur einmal hatte sie so den Tee bei ihrer früheren Herrschaft getrunken, als das Kindermädchen betrunken heimkehrte vom Begräbnisse der Mutter und wahrscheinlich aus übergroßer Trauer nichts in den Mund nehmen mochte. Damals nahm sie also die doppelte Menge Zucker und schlürfte den köstlich versüßten Tee löffelweise ein.
Dasselbe Gefühl hatte sie jetzt, wenn Johann sie kniff.
So gab sie sich allmählich dem Einflusse dieses Mannes hin, ohne auch nur die Möglichkeit ihres nahen Falles anzunehmen…
Zu Johann zog es sie hin wie zu niemand auf der Welt. An die Folgen dachte sie nicht einmal…
In der Arbeit störte sie das nicht, nur höchst seltsam beim Abendgebete, welches sie durchaus nicht beenden konnte, wenn sie vor dem Bette kniete.
Immer wieder kam ihr der Gedanke an Johann in den Sinn und an den Sonntag, den sie zusammen verleben sollten.
Wohin werden sie gehen? Was werden sie unternehmen? Was sollte sie anziehen und woher das Geld nehmen zu der Stärke, die für das „Rauschen“ der Röcke durchaus nötig war?
Fast geriet sie in Verzweiflung, als sie ausrechnete, wie viel mehr oder weniger sie noch von ihrem Monatslohn zu erhalten habe.
Mit dem Mietsgulden mußte sie eine Vase, zwei Tassen und drei Gläser bezahlen, die sie zerbrochen hatte. Dazu kam noch die zerfallene Wanne im
Gabriela Zapolska: Käthe. Berlin o. J., Seite 185. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Zapolska_K%C3%A4the.djvu/185&oldid=- (Version vom 1.8.2018)